Herr Kollege Schindler, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon etwas bestürzt über den Verlauf dieser Debatte. Ich bin deshalb bestürzt, weil wir, die demokratischen Parteien, gegeneinander -
- Lassen Sie mich doch erst einmal ausreden, bevor Sie dazwischenrufen. Sie wissen doch noch gar nicht, was ich sagen will. Haben Sie bitte die Muße, erst einmal zuzuhören. - Danke.
Hier wurde in Abrede gestellt, dass wir gemeinsam dafür gekämpft hätten, dass die Wiedervereinigung vollzogen werden konnte. Das waren die CDU, die CSU und die FDP mit der West-Integration sowie die SPD und die FDP mit den Ost-Verträgen. Ich finde es peinlich, hier so zu tun, als ob das alles irrelevant gewesen wäre.
Herr Kollege Schindler, Ihre Ausführungen zu den Integrationen nach 1990 sind peinlich. Sie haben zu Recht gesagt, dass 1946 diejenigen Sozialdemokraten, die aus den Lagern herausgeholt worden sind, von der SED wieder hineingesteckt wurden. Deshalb möchte ich Sie fragen, wie Sie es verantworten können, auf Bundesebene mit einer solchen Partei, der Nachfolgepartei der SED, zu flirten und zusammenzuarbeiten.
(Beifall bei der CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD - Alexander König (CSU): Die Wahrheit muss gesagt werden!)
Ich finde das gerade vor meinem sozialdemokratischen Hintergrund unangemessen. Hier sollten Sie Abstand nehmen.
Herr Kollege Klein, ich maße mir nicht an, hier für die SPD zu sprechen. Sie wissen aber genauso gut wie ich, dass die SPD mit der SED nie zusammengearbeitet hat. Sie wissen auch, dass eine Zusammenarbeit zwischen der SPD und der Nachfolgeorganisation, die aus der PDS, der WASG und anderen entstanden ist, auf Bundesebene aus vielen guten Gründen ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Diese Gründe sind die Außenpolitik und die Geschichte. Die Frage, ob eine Zusammenarbeit auf Landesebene erfolgt, ist nicht von mir zu entscheiden.
- Nach unseren Parteistatuten entscheiden darüber die jeweiligen Landesverbände. Das ist auch bei der CDU so. Die CDU hatte zum Beispiel in Cottbus keine Scheu, mit der PDS eine Zusammenarbeit zu vereinbaren. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Herr Kollege Weidenbusch, Sie brauchen sich nicht aufzuregen. Ich werde keine Zwischenfrage von Ihnen beantworten. Jetzt ist Herr Prof. Dr. Bausback dran.
Ich entnehme Ihren Handlungen, dass die Zwischenbemerkung von Herrn Prof. Dr. Bausback auf Herrn Kreuzer übergegangen ist.
Herr Kollege Schindler, Sie sind jetzt ganz schön ins Schwitzen gekommen. Das sind sehr unangenehme Fragen.
Diese Fragen sind für die Sozialdemokraten unangenehm. Ich möchte ausdrücklich feststellen, dass niemand die wichtige Rolle der Sozialdemokraten im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Frage stellt.
In diesem Hause gibt es niemanden, der dieses System nicht als extremen brutalen Unrechtsstaat verurteilt. Richtig ist auch, dass viele Sozialdemokraten unter dem DDR-Regime nochmals gelitten haben. Das bestreitet niemand.
Wie Sie aber darauf kommen, dass wir wegen Ihrer Vorgänger, die derart hervorragend gehandelt haben, die SPD und Ihre Äußerungen nicht mehr kritisieren dürften, ist mir schleierhaft. Wir verurteilen es, dass die Präsidentschaftskandidatin der SPD sich geweigert hat, dieses Land als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Wir verurteilen, dass ein Ministerpräsident dies ebenfalls nicht getan hat. Das können wir, auch wenn die Rolle der Sozialdemokraten in der Geschichte unbestritten ist.
Ich möchte noch eine zweite Thematik anschneiden: Das ist umso bedauerlicher, da der Verdacht naheliegt,
Umso bedauerlicher ist es, dass Sie, entgegen Ihren Ausführungen, in den Ländern mit Menschen koalieren, die Mitglieder der PDS sind, also der Nachfolgeorganisation der SED. So heroisch sich Ihre Vorgänger verhalten haben, so klar wird es in der Geschichte werden, dass die SPD in der Abgrenzung nach links extrem versagt hat.
Herr Kollege Kreuzer, Sie erwarten sicherlich darauf keine Antwort. Es steht Ihnen zu, Frau Gesine Schwan und die anderen in der beschriebenen Art und Weise zu kritisieren. Sie und Herr Kollege Freller müssen es aber auch aushalten, dass wir die geschichtliche Wahrheit, dass der frühere Ministerpräsident und Parteivorsitzende Franz Josef Strauß nicht nur im Wohnzimmer von Herrn März mit Herrn Schalck-Golodkowski den Milliardenkredit ausgehandelt hat, sondern weit mehr getan hat, was zur Stabilisierung dieses Systems beigetragen hat, auch kritisieren. Die DDR wäre vielleicht schon ein Jahr früher in sich zusammengefallen, hätte es diese Unterstützung nicht gegeben.
Sie müssen sich auch anhören, dass wir den Vorbildcharakter des von Ihnen anzubetenden Herrn Strauß und die moralische Integrität dieser Person der Zeitgeschichte wegen des Milliardenkredits, wegen anderer Vorkommnisse und wegen der Tatsache, dass er alle Diktatoren dieser Welt nicht nur besucht, sondern auch noch hofiert hat, in Zweifel ziehen.
Herr Kollege Freller, Sie haben jetzt beim Herrn Ministerpräsidenten im Gegensatz zu Frau Haderthauer einen dicken Stein im Brett. Herr Schneider von der Staatskanzlei wird es dem Ministerpräsidenten ausrichten, dass Sie Franz Josef Strauß zum Vorbild erklärt haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, die Opfer der DDR, die Opfer dieses Unrechtsregimes, würden diese Debatte verfolgen.
Darüber sollten Sie eine Minute lang in Ruhe nachdenken, und zwar nicht weiter im Zwist zwischen Links und Rechts.
Ich habe gehört, dass Strauß furchtbare Dinge getan habe. Ich habe gehört, dass Brandt furchtbare Dinge getan habe. Am Ende auch noch Helmut Schmidt. Wir könnten auch darüber diskutieren, dass Herr Engholm inoffizieller Mitarbeiter war. Ihnen fällt dann sicherlich ein, was irgendein CSU-Politiker falsch gemacht hat. Wir können endlose Debatten über persönliche Verfehlungen, über gute und schlechte Leistungen führen, und das vor dem Hintergrund eines Antrags, der darauf abzielt, den Schülern und Menschen das Unrecht in der DDR zu vergegenwärtigen und die Erinnerung daran wachzuhalten.
(Franz Maget (SPD): Nein! Da sind Sie sehr treuherzig! - Christa Naaß (SPD): Dann hätte der Antrag anders formuliert werden müssen!)
So steht es in diesem Antrag geschrieben. Es ist unglaublich, dass bei einer solchen Debatte der Respekt vor den Opfern des DDR-Regimes sehr gering zu sein scheint, weil diese Debatte mit diesen Zwischenrufen und in dieser Lautstärke geführt wird.
Bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen, die in einem Parlament notwendig und wichtig ist, sollte es unter Demokraten Gemeinsamkeiten geben. Die grundlegende Gemeinsamkeit müsste sein, dass wir zu unseren Grundwerten stehen. Dazu gehört es aber auch, dass wir unsere Grundwerte wehrhaft und aktiv verteidigen gegen diejenigen, die diese Grundwerte in Frage stellen, in der Gegenwart, in der Zukunft, aber auch in der Vergangenheit.
Auch ich gestehe, dass ich entsetzt war über die Worte der Bundespräsidentschaftskandidatin Schwan. Sie hat tatsächlich gesagt - Kollege Schindler hat es dankenswerterweise zitiert -: "Das heißt nicht, dass in der DDR jede einzelne Handlung etwa im Arbeits- oder Verkehrsrecht unrecht war."
Was ist das für eine Argumentation, meine Damen und Herren: Kein Unrechtsstaat, weil das Arbeits- und Ver
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich diese Argumentation zu eigen machen, dann dürfen Sie nicht einmal das Dritte Reich als Unrechtsstaat betrachten; denn auch da wurden Verkehrsunfälle mit Sicherheit ordentlich abgewickelt.
Ist das das Kriterium für einen Unrechtsstaat? Das ist eine Verhöhnung der Opfer jeglicher Diktatur!