Protocol of the Session on May 27, 2009

Es ist nett, dass Sie von Geisteswissenschaftlern eine so hohe Meinung haben. Wenn Sie aber an Ihr erstes Zitat denken, und ein Geisteswissenschaftler zeichnet sich auch dadurch aus, dass er sich das, was er zu hören bekommt, genauer anschaut, dann haben Sie doch jetzt eine Begründung -

(Ernst Weidenbusch (CSU): Schauen nützt nichts! Zuhören!)

- Zuhören? Natürlich. Aber wir lesen auch. Das ist die entscheidende Sache dabei.

(Zuruf des Abgeordneten Ernst Weidenbusch (CSU))

Ihr seid schon nette Burschen, ihr von der CSU. Wollen wir noch diskutieren, oder gehen wir gleich raus zum Raufen?

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Bitte keinen Aufruf zur Gewalt.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD)

Ihr Zitat vorhin war doch eine Bestätigung der Politik, die Willy Brandt eingeleitet hat, nämlich "Wandel durch Annäherung". Wer hat diese Politik so vehement bekämpft? - Das war doch die rechte Seite dieses Hauses, allen voran Franz Josef Strauß. Ich kann nur an diesen unsäglichen Spruch erinnern: "Lieber ein kalter Krieger als ein - -". So einen Scheißdreck hat der von sich gegeben!

(Unruhe bei der CSU und der FDP)

- Bitte, das hat er gesagt: "Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder". Das ist doch ein Scheißdreck, tut mir leid!

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Halt, Herr Kollege Dr. Dürr, hier ist noch eine dritte Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Bause.

Ja, jetzt sind wir dran. Lieber Sepp Dürr, bevor Du zum Raufen hinausgehst, könntest Du die Kolleginnen und Kollegen bitte darauf hinweisen: Hier wurden bereits wahlweise Helmut Kohl, Franz Josef Strauß sowie Hans-Dietrich Genscher

dafür verantwortlich gemacht, dass die Mauer gefallen ist. Um der Wahrheit willen sollte man sagen, dass der Fall der Mauer zuallererst ein Verdienst des Widerstands in der DDR, der Bürgerrechtler in der DDR und der Menschen in der DDR war.

(Lang anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Darauf weise ich die Kolleginnen und Kollegen gerne hin, denn das ist ein ganz entscheidender Punkt, der in deren Darstellung des SED-Regimes fehlt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Völlig fehlt!)

Man kann nicht über die DDR sprechen, ohne über die friedliche Revolution zu sprechen. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das ist auch der entscheidende Ansporn für uns, für die Weiterentwicklung der Demokratie zu sorgen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Einen Moment noch, Herr Dr. Dürr. - Nein, keine Zwischenbemerkung. Für Ihren Ausdruck: "So einen Scheiß hat er von sich gegeben", muss ich Ihnen leider eine Rüge erteilen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Scheißdreck hat er doch gesagt!)

Die Wortwahl nehme ich zurück, den Inhalt nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nicht "leider", aber auch dafür muss ich Ihnen eine Rüge erteilen.

(Zurufe von Abgeordneten der CSU)

- Das mit dem "leider" brauchen Sie jetzt nicht aufzubauschen, das war nicht so gemeint.

Wir fahren in der Debatte fort. Nächster Redner für die Fraktion der SPD ist Herr Kollege Schindler. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach dieser leidenschaftlichen Debatte muss meines Erachtens noch Folgendes gesagt werden: Die FDP gibt sich schwer enttäuscht über die GRÜNEN und darüber, wie diese sich geäußert haben. Herr Kollege Rohde, ich möchte zu Protokoll geben: Ich

bin schwer enttäuscht über die FDP, die sich für so einen Antrag hergibt, wie er uns hier vorgelegt worden ist.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Da kann der Herr Dr. Fischer reden, so viel er will. Zweck dieses Antrags ist es doch nicht, die Staatsregierung dazu zu bringen, dass Schüler mehr Geschichtsbewusstsein entwickeln. Das ist doch nicht Zweck des Antrags. Für so blöd mag man uns bitte nicht halten. Zweck dieses Antrags ist es doch vielmehr, wieder einmal einen Anlass zu nutzen, um noch einmal auf die SPD draufzuhauen. Sie wollen nachtreten bei Gesine Schwan, das ist doch Zweck des Antrags. Das haben Sie auch getan.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Man kann es schon so darstellen, wie es Herr Kollege Freller gemacht hat. Diese zur Schau gestellte Reinheit und diese Heiligkeit, Herr Kollege Freller, die steht Ihnen und der CSU nicht zu.

(Zurufe von der SPD: Bravo! - Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Man hat in deutschen Schulen nicht nur den Zeitraum zwischen 1946 und 1989 zu betrachten, wenn man über die DDR und über 60 Jahre Grundgesetz spricht. Man muss auch die Zeit vorher betrachten, 1930 und 1933.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Ja!)

Wenn man das tut, dann stellt man fest, dass es kein größeres Unrechtsregime auf deutschem Boden gegeben hat als in der Zeit von 1933 bis 1945.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und man muss feststellen, dass politische Vorläufer von Parteien, die heute hier versammelt sind, damals nicht den Mut hatten, im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, gegen das Ermächtigungsgesetz zu stimmen. Auch das gehört zur Geschichte.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜ- NEN)

Ich sage das deshalb, weil man uns Sozialdemokraten, Herr Kollege Freller, keine Vorwürfe machen sollte, vor allem nicht von Ihrer Partei. Denn auch Folgendes ist geschichtliche Wahrheit: Die SPD war als Partei in der SBZ - in der Sowjetischen Besatzungszone - und später in der DDR nicht erlaubt. Es war nicht nötig, sie zu verbieten. Man hat sie vorher zwangsvereinigt.

(Karl Freller (CSU): Das habe ich doch gesagt!)

- Ja, Herr Kollege Freller, das haben Sie gesagt, aber das muss man auch in einen Kontext stellen. 5000 Männer und Frauen, die Mitglieder der sozialdemokratischen Partei waren, sind in den Jahren ab 1946 in der damaligen SBZ und späteren DDR von den neuen Machthabern in Gefängnisse und Lager gesteckt worden,

(Karl Freller (CSU): Das ist doch ein Unrechtsstaat! - Franz Maget (SPD): Schäm dich!)

zum Teil in Lager, aus denen sie ein paar Jahre vorher von den Alliierten befreit worden sind. Weil dem so ist, steht es Ihnen, Herr Kollege Freller, und Ihrer Partei überhaupt nicht zu, hier Urteile über die SPD und über Sozialdemokraten zu fällen. Das steht Ihnen überhaupt nicht zu.

(Beifall bei der SPD - Thomas Kreuzer (CSU): Es geht um Ihre Äußerungen von heute!)

Frau Schwan und dem Ministerpräsidenten Sellering