Protocol of the Session on May 27, 2009

Punkt 2. Es wird Ihnen nur gelingen, die Schule vor Ort zu erhalten, wenn Sie eine Profilierung mit innovativen Projekten, wie zum Beispiel längerer gemeinsamer Schulzeit, zulassen.

(Beifall bei der SPD)

Und es wird Ihnen nur dann gelingen, wenn Sie endlich die Realitäten vor Ort zur Kenntnis nehmen. Mit Ihren Hauptschulinitiativen Ingolstadt oder Allianz-Arena, mit Ihren Kooperationsklassen, Dialogforen oder sonstigen rhetorischen Versprechungen werden Sie keinen einzigen Schulstandort erhalten, der jetzt gefährdet ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in Bayern derzeit circa 400 gefährdete Hauptschulstandorte. Es ist noch nicht zu spät. Wir warnen ein weiteres Mal. Wenn Sie so weitermachen, prophezeie ich Ihnen: Sie werden alle 400 Hauptschulstandorte an die Wand fahren. Sie sind und bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Totengräber der Hauptschulen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Einführung der R 6 und weiteren "glorreichen" bildungspolitischen Innovationen der letzten Jahre haben Sie das Ende der Hauptschule eingeleitet. Jetzt

einen Dringlichkeitsantrag zu formulieren, der die Schulstandorte sichert, spottet jeder Beschreibung. Das ist Heuchelei pur. Glauben Sie aber nicht, dass die Menschen in diesem Land dem noch auf den Leim gehen! Mit dieser Strategie hat die CSU in Bayern die Wahl verloren.

(Georg Schmid (CSU): Wie haben Sie gewonnen?)

- Das habe ich ja nicht gesagt.

Ich prophezeie Ihnen: Sie werden Ihre Lage nicht verbessern, lieber Herr Wägemann, Sie werden Ihre Lage nicht verbessern, indem Sie so weitermachen wie bisher.

Die Übertrittsquoten an den Schulen in diesem Schuljahr zeigen es ganz deutlich. Wir haben eine Anfrage gestellt: Wie sind die Übertrittsquoten? Herr Gehring hat es ebenfalls bereits angesprochen. Dazu ist gesagt worden: an Gymnasien - ich weiß es nicht genau - 10 %, die Zahlen an den Realschulen habe ich jetzt nicht im Kopf. Eine Zahl fehlte in der Beantwortung dieser Anfrage komplett, nämlich: Wie viele besuchen noch die Hauptschule?

Ich sage Ihnen: Die Eltern werden eine Abstimmung mit den Füßen durchführen, darüber werden Sie sich noch wundern. Wenn Sie die Hauptschulstandorte vor Ort nicht mit Profilierungschancen ertüchtigen, werden Sie sie alle dichtmachen müssen. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Auseinandersetzung mit den Kolleginnen und Kollegen in den Land- und Stimmkreisen!

Nun einige Sätze zur politischen Wertung, denn über die Inhalte können Sie in den Protokollen der letzten fünf Jahre nachlesen, dann wissen Sie alles. Diese Koalition seit der Landtagswahl ist schon eine besondere Erkenntnis, und es wird Zeit, immer wieder darauf hinzuweisen. Die Menschen, die Lehrer, die Familien haben die CSU wegen ihrer Bildungspolitik abgestraft. Viele haben die FDP gewählt, weil sie meinten, die Versprechungen, die vor der Landtagswahl gemacht wurden, würden zu einer Verbesserung führen. Ich würde mir wünschen, es wäre so, dann wäre ich zufrieden.

Aber es ist schlimmer gekommen, als wir es vermutet haben. Die FDP macht mittlerweile mit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit machen Sie sich mitverantwortlich. Für jede einzelne Hauptschule, die stirbt, ist künftig die FDP hier in diesem Hause mitverantwortlich.

(Beifall bei der SPD)

Das ist überhaupt keine Frage. Sie haben vor der Wahl versprochen, Sie werden Modelle durchsetzen, die eine regionale Schulentwicklung ermöglichen. - Nichts haben Sie getan. Nun kommt jedoch die ganz beson

dere Note: Man tut ein halbes Jahr nichts, lehnt jeden Antrag diesbezüglich in diesem Hause ab; man könnte die Drucksachennummern aufzählen. Jeder einzelne Antrag - mit namentlicher oder nicht namentlicher Abstimmung - wird vom Koalitionspartner abgelehnt. Dann merkt man, dass man in dieser Frage Druck bekommt, und man macht eine Pressekonferenz - gestern! In dieser Pressekonferenz steht - es ist erstaunlich -, man sei mit der Bildungspolitik in der Koalition unzufrieden.

(Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Man will mehr: Man will Schulprojekte machen. Liebe Frau Will, hätten Sie diese Erkenntnisse vor ungefähr sechs Wochen gehabt, dann hätten Sie einem Antrag der Opposition zustimmen müssen.

(Beifall und Zustimmung bei der SPD)

Den haben Sie damals abgelehnt. Wer soll Ihnen, Herr Hacker, denn überhaupt noch irgendetwas glauben? Sie können doch nicht in einer Pressekonferenz erklären, wir wollen eine längere gemeinsame Schulzeit haben - gestern! -, und vier Wochen vorher genau denselben Antrag zusammen mit der CSU hier ablehnen. Damit werden, gelinde gesagt, die Wählerinnen und Wähler, die Bürger, Eltern und Lehrer in diesem Land hinters Licht geführt.

(Beifall bei der SPD)

Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, und Sie können absolut sicher sein: Wir werden das den Menschen bei jeder Gelegenheit auch sagen. Glauben Sie nur nicht, dass Sie mit Pressekonferenzen, auf denen man erneut verspricht, was man zwei Wochen vorher abgelehnt oder nicht akzeptiert hat, durchkommen. Glauben Sie das nicht! Wir werden das noch problematisieren, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Die einzige Chance, wie die FDP in dieser Koalition ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen könnte, ist, auszusteigen. Diese Koalition ist nach einem halben Jahr zumindest in der bildungspolitischen Auseinandersetzung - am Ende. Da erklären Herr Hacker, Vorsitzender, und Frau Will der Öffentlichkeit: Wir wollen mehr, wir haben nichts erreicht, wir wollen dies tun. - Im Parlament tun Sie etwas anderes. Dann dürfen Sie nicht zustimmen, weil die CSU aus ideologischen, parteipolitischen Gründen eine andere Bildungspolitik nicht will.

Wer sich in diesem Parlament so verhält, hat die Unschuld verloren, und er hat auch Glaubwürdigkeit verloren. Deshalb gibt es nur eine Alternative: Steigen Sie aus dieser Koalition aus!

(Beifall bei der SPD)

Es gibt bessere Partner, mit denen die durchaus richtigen bildungspolitischen Ziele der FDP realisiert werden könnten. Wenn Sie es also ernst meinen, dann tun Sie das auch und lassen sich hier nicht wie die Nasenbären von einer ideologisch völlig veralteten Strategie der CSU vorführen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Ich darf jetzt Frau Kollegin Gottstein für die Fraktion der Freien Wähler das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, mich am Thema zu orientieren ?Schullandschaft aus der Schieflage holen?.

(Allgemeine Heiterkeit)

? Das ist in diesem Hohen Hause nicht immer selbstverständlich.

(Alexander König (CSU): Das stimmt an sich!)

Wie definiere ich ?Schieflage?? Wenn man sich auf die Ergebnisse bezieht, muss man, wenn man sachlich bleiben will, angesichts der ganzen Studien ? Pisa, Timss usw. ? sagen, dass es besser sein könnte; aber es könnte natürlich auch schlechter sein. Das muss man einfach anerkennen.

Definiert man ?Schieflage? anhand der Zufriedenheit der Beteiligten ? sind die Lehrer zufrieden, sind die Eltern zufrieden, sind die Schüler zufrieden ?, so denke ich, man muss eher Nein sagen; eigentlich muss man deutlich Nein sagen. Warum? ? Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Eine davon ist sicher auch, dass die Schullandschaft nicht in Ordnung ist. Neuestes Beispiel dafür, wie man mit der Schullandschaft umgeht, ist Ingolstadt. Da erfahren der Leiter der Realschule und der Leiter der Hauptschule, dass sie demnächst ein Kooperationsmodell haben werden. Beide wollen es anscheinend nicht und erfahren das aus der Zeitung, ebenso wie die Schüler und die Eltern. Das kann es nicht sein. So geht man seit Jahren mit Schülern, Eltern und auch mit Schulleitern um. Das ist auch ein Grund für die Schieflage.

Sie wollen die Schullandschaft mit neuen Schulmodellen retten. Was ist neu? Sind jahrgangskombinierte Klassen neu? ? Das hatten wir schon einmal. Ist die Kooperationsschule neu? ? Eine Zusammenarbeit zwischen Schulen ist eigentlich auch nichts Neues. Ist die längere Grundschulzeit neu? ? Das hatten wir auch schon mal. Ist die Gelenkklasse neu? ? Wir hatten einmal eine Orientierungsstufe. Ich finde es interessant, dass Frau Will jetzt öfter von ?Orientierungsklassen?

spricht als von ?Gelenkklassen?. Wir haben jedenfalls darauf hingewiesen, dass es das schon einmal gab. Jetzt gilt es jedenfalls als neu.

Wir unterstützen ganz klar neue Modelle. Gesamtschulen können neue Modelle sein. Die Montessorischulen und sämtliche Schulen mit reformpädagogischem Ansatz machen es vor. Das funktioniert, und das kann natürlich auch im ländlichen Raum funktionieren. Wir finden das Modell ?Hauptschule 9 plus 2? gut, das in Rosenheim momentan erfolgreich durchgeführt wird. Wir finden es schade, dass das Modell M 5 in RottachEgern wegen fehlender Akzeptanz der Eltern einschläft. In Tirol gibt es momentan ein neues Modell. Hauptschüler werden nach dem Lehrplan des Gymnasiums unterrichtet, aber die Rahmenbedingungen sind so, dass zunächst zwei Hauptschulklassen nach dem Lehrplan des Gymnasiums beginnen und dass danach noch zweimal differenziert wird. Nach der fünften und nach der sechsten Klasse wird differenziert, sodass man jede Menge Klassen hat. Das ist aber ein neues Modell, und ich sage: Warum nicht? Das soll man zwar unterstützen, aber man muss dafür genügend Geld und Personal aufbringen, sonst kann es nicht funktionieren.

Ich bitte in diesem Zusammenhang um Ehrlichkeit. Herr Pfaffmann hat gesagt, man muss hier die Profilbildung mit einem mittleren Bildungsabschluss ermöglichen. Ich finde, das ist ehrlich. Der mittlere Bildungsabschluss ist eindeutig definiert. Herr Gehring verlangt einen mittleren Abschluss im Sinne des Realschulabschlusses. Da beginnt man zu verwässern; das ist nicht ehrlich. Der Realschulabschluss wird deswegen von der Wirtschaft so anerkannt, weil er eine zentrale Prüfung in vier Fächern voraussetzt. Ein mittlerer Schulabschluss kann die gleiche Güte haben, aber wir müssen ihn definieren. Prüfungsfächer müssen nicht diese vier Fächer sein, aber ich bitte darum, die Eltern nicht weiter zu verunsichern, indem man ihnen vorgaukelt, man könne das eine und das andere locker vom Hocker machen. Wir sagen in den Debatten ja auch nicht, dass das Abitur und die Abschlussprüfung an der FOS gleichartig wären. Sie sind gleichwertig, aber nicht gleichartig; das wurde in den letzten Jahren immer wieder betont.

(Beifall des Abgeordneten Eberhard Rotter (CSU))

Diese Ehrlichkeit sind wir den Eltern schuldig. Die Eltern werden solche Modelle annehmen, wenn sie gut sind, und sie sind dann gut, wenn sie angemessen ausgestattet werden und die Lehrer richtig motiviert sind. Deswegen werden die Freien Wähler diesem Antrag auf Einführung neuer Schulmodelle heute auch zustimmen, aber wir wollen dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen und die nötige Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung für die FDP-Fraktion: Frau Kollegin Will.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute nicht einfach zu sagen, Herr Gehring, Sie haben recht, oder: Herr Gehring, Sie haben unrecht. Sie haben von beidem ein bisschen.

(Lachen bei den GRÜNEN und Abgeordneten der Freien Wähler)

Sie machen heute auf die Schieflage in der Schullandschaft aufmerksam ? oder wie immer man das nennen will ?, nachdem wir gestern eine Pressekonferenz zur Schullandschaft bzw. zu bildungspolitischen Standpunkten, die wir haben, abgehalten haben. Der Anlass war natürlich das Datum 26.05., die Deadline für die Anträge aus den Landkreisen zu Kooperationsvorschlägen nach den Kriterien vom März war. Ich freue mich natürlich, dass Sie das alles so aufmerksam beobachtet haben. Tatsächlich stellen wir fest, dass vieles ? Herr Pfaffmann, Sie haben es angesprochen ? nicht so schnell geht und nicht so läuft, wie es gedacht war. Es muss natürlich erlaubt sein, dass man das sagt. Das haben wir gestern getan. Heute werde ich nicht noch einmal sagen, was ich gestern schon gesagt habe; Sie haben es alle gelesen. Ich werde darauf hinweisen, dass wir vor Ablauf der sechs Monate nichts gesagt haben, weil es einfach eine gewisse Zeit dauert, bis man einen Weg findet, wie man mit diesen Kriterien umgeht. Wir als FDP sind der Meinung, dass zwischen März und dem 26.05. zu wenig Zeit war, um sich über die Schulentwicklung in der Region wirklich klar zu werden, was die Intention war. Aus den Kriterien, nicht nur aus denen vom März, sondern auch aus denen, die wir gemeinsam ausgearbeitet haben, auch schon im Koalitionsvertrag, ging klar hervor, dass das nur im Benehmen mit dem Landkreis geschehen kann. Das Ziel der Kooperationsschulen war niemals die Rettung einzelner Hauptschulen in Dörfern, sondern das Ziel war immer, die Möglichkeit zu schaffen, dass wohnortnah höhere Abschlüsse erreicht werden können. Wenn ich ?höhere Abschlüsse? sage, dann meine ich Realschulabschlüsse, und deshalb soll es Kooperationen zwischen Haupt- und Realschule geben.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Und da soll es überall die Mittlere Reife geben?)

? Ich habe nicht gesagt, dass durch jede Kooperationsklasse die Mittlere Reife erreicht werden kann, sondern ich habe von einem Benehmen mit dem Landkreis gesprochen. Dazu gehört, dass man Schülerströme und

den Bedarf an weiteren Realschulstandorten ermittelt. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass mit der Einführung der R 6 das Hauptschulsterben begonnen hat.

(Franz Maget (SPD): Haben Sie das gehört, Herr Schneider? - Weitere Zurufe von der SPD)