Protocol of the Session on May 12, 2009

Aufgrund dieser verschiedenen Beurteilungen hat man früher natürlich auch anders auf Proteste reagiert. Ich nenne als Beispiel diese Demonstration in Ebersberg was heißt eigentlich Demonstration! -, bei der eine Handvoll Leute ein Transparent hochgehalten haben mit der Aussage: Papst Benedikt steht hinter uns, wir sind gegen grüne Gentechnik. Damals wurden diese Leute vom Staatsschutz auf ihre Personalien hin überprüft. Hat man sich bei diesen Leuten entschuldigt? Ist man auf solche Leute im Nachhinein zugegangen? Ein anderes Beispiel ist der Imker im Donau-Ries, der seinen genveränderten Honig nicht mehr verkaufen konnte. Er hat gegen den Freistaat geklagt und in der ersten Instanz gewonnen, in der zweiten allerdings verloren. Ist er dafür entschädigt worden oder hat man die Dinge auf sich beruhen lassen? Hat es Wiedergutmachung gegeben? Wie ist man mit diesen Leuten im Nachhinein umgegangen?

Herr Staatsminister, bitte sehr.

Was den Bereich des Innenministers betrifft, also den Staatsschutz und die Polizei, bitte ich, in der nächsten Befragung den Innenminister dazu um Stellungnahme zu bitten. Ob er da eine ausreichende Antwort geben kann, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß nur eines: Ich führe seit über zwei Jahren viele engagierte Gespräche in unterschiedlichen Funktionen und sprach zuletzt in der Karwoche mit 40 bis 50 Organisationen, angefangen beim Bund für Naturschutz bis hin zu den Kirchen. Da haben wir über diese Fragen diskutiert. Das waren sehr positive Gespräche mit sehr viel positiver Resonanz, was den Kurs der Staatsregierung angeht. Auch in der Post, die nur ein kleiner Ausschnitt zur Frage der Zustimmung oder Nichtzustimmung ist, findet sich sehr viel positive Resonanz; Post von den Imkern, die Sie angesprochen haben, Post aus dem Landkreis Kitzingen, vom Bauernverband, von den ökologisch wirtschaftenden Landwirten und anderen. Sie kennen all diese Gruppen. Dies alles bestärkt uns auf dem Weg, den wir alle gemeinsam gehen wollen. Ich weiß allerdings nicht, wie sich die Freien Wähler vor zehn Jahren dazu geäußert haben. Ich denke, es war regional unterschiedlich. Da gab es diese Gruppierung noch nicht als große Partei, so wie sie es jetzt ist.

(Zuruf des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP) und des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW))

- Herr Thalhammer, ganz ruhig bleiben, diese Chance kommt schon wieder!

Es ist übrigens noch eine ganze Reihe von Verfahren anhängig, die zu Ende gebracht werden müssen. Daraus wird sich dann sicherlich die eine oder andere Entscheidung entsprechend ableiten lassen. Wir haben, wie gesagt, jedenfalls eine sehr positive Resonanz erfahren und geben uns auch sehr viel Mühe, die Dinge nach diesen Gesprächen weiterzuführen und zu verbessern. Ich sage das ganz bewusst. Es ist ja manchmal so - der Herr Ministerpräsident weiß das aus seiner eigenen Vita -, dass man nicht zu allen Zeiten recht hat, wenn man eine Meinung vertritt. Aber wenn man eine Meinung konsequent vertritt, bekommt man vielleicht irgendwann recht.

(Georg Schmid (CSU): Wo er recht hat, hat er recht!)

Das nehme ich auch für mich in Anspruch.

(Hubert Aiwanger (FW): Das sind historische Retros!)

Und ich darf noch was sagen: Der Ministerpräsident hat diese Abstände in seiner Verantwortung erweitert, als wir über sie geredet haben. Deshalb gibt es heute eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Das bestätigt uns, auf diesem Wege weiterzugehen.

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr für Fragen. Ich darf mich bei Herrn Staatsminister Dr. Söder herzlich bedanken. Die Ministerbefragung ist damit beendet.

(Zurufe von der CSU: Bravo! - Zuruf von der SPD: Ein Wort zur Schiedsrichterleistung fehlt noch!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Antrag der Fraktion Freie Wähler "Zur Situation des Schulsports: 'Bayerns Schüler brauchen mehr Bewegung!'"

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet.

Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.

Nachdem wir nun die Regeln kennen, darf ich dem Kollegen Felbinger als ersten Redner aufrufen. Bitte sehr, Herr Kollege Felbinger.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Schulsport, das wir heute für diese Aktuelle Stunde beantragt haben, zieht sich durch die Regierungspolitik der CSU in den letzten drei Legislaturperioden wie ein roter Faden. Aber wir meinen, man hat den roten Faden verloren, obwohl es eine Menge Debatten dazu gab. Der Schulsport - das kann man ohne Umschweife sagen - gehört nicht zu den Lieblingsfächern der CSU-Politiker.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Es wird eher ein Grauschleier darüber gedeckt, um die gravierenden Missstände einer dilettantischen Regierungspolitik der CSU mit falschen Versprechungen, Unglaubwürdigkeiten und schizoidem Handeln in den vergangenen Jahrzehnten zu verschleiern.

40 000 Pflichtstunden - ich betone: Pflichtstunden! - in Sport fallen wöchentlich an den bayerischen Schulen aus. Das ist vorgeschriebener Unterricht. Ich frage Sie, meine Damen und Herren, ganz bewusst: In welchem anderen Schulfach außer dem einzigen Bewegungsfach wäre das möglich, einem Fach, das die Staatsregierung seit 1997 wie ein Mauerblümchen behandelt und mit halbherzigen Versprechungen, Tricksereien und Lippenbekenntnissen unter der Decke zu halten versucht?

Man könnte auch sagen: Ob Stoiber, Beckstein oder Seehofer, die Unbeweglichkeit des Regierungslagers ist bis zur Starrheit verkommen?

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vor 13 Jahren meinten der damalige Ministerpräsident Stoiber - vielleicht war er damals schon vom Entbürokratisierungswahn befallen - und dessen Finanzminister - man höre und staune: er hieß Erwin Huber -, man könne 900 Sportlehrerplanstellen im Rahmen der Kienbaum-Studie einsparen und mit nebenberuflichen Übungsleitern besetzen. Man wollte 90 Millionen Euro einsparen. Das war Dilettantismus pur.

40 000 fehlende Pflichtstunden im Schulsport sind eine bildungspolitische Katastrophe, deren gesundheitliche Auswirkungen mit dramatischen Folgeschäden für die Kinder diese CSU zu verantworten hat.

Die Gesundheitskosten - das wissen wir alle - laufen nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland aus dem Ruder. Zur Klarstellung: Die Gesundheit unserer Bürger ist in ihrer primären Prophylaxe lediglich durch drei Faktoren zu beeinflussen, nämlich erstens durch die Ernährung, zweitens durch das Nichtrauchen und drittens durch die Bewegung. Und dazu gehört auch der Schulsport. Der Schulsport ist also essenziell für unsere Volksgesundheit.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Als man wenig später den Fehler einsah, verkündete der damalige Ministerpräsident Stoiber lauthals, in zehn Jahren werde man wieder den alten Stand haben. Heute sind wir im Jahre 2009. Ich frage: Was hat sich geändert, Herr Kultusminister, Herr Ministerpräsident? Es hat sich de facto fast nichts geändert.

An diesem Beispiel zeigt sich erneut die Unglaubwürdigkeit dieser CSU: großspurige Versprechen - Herr Ministerpräsident, hören Sie gut hin -, viel heiße Luft und wenig Greifbares.

Im Hinblick auf Ihren Europawahlslogan kann ich nur sagen: Wer der CSU die Stimme gibt, ist in Bayern wirklich verloren.

(Beifall bei den Freien Wählern - Lachen und Zu- rufe von der CSU - Thomas Kreuzer (CSU): Das ist doch Populismus und Wahlkampf im Parlament, was Sie hier machen! Es ist eine schlechte Bierzeltrede!)

Vielleicht sollte sich die Staatsregierung einmal Schweizer Studien vergegenwärtigen, wonach durch Sport- und Musikunterricht auch die kognitive Leistung zunimmt. Bayerns Schüler brauchen mehr Bewegung. Nehmen Sie doch einmal die Zahlen: 9,3 der bayerischen Erstklässler sind übergewichtig und 3,9 % der Kinder sogar adipös. In der 9. Klasse sind mittlerweile 50 % übergewichtig, und 30 % der Schulkinder haben massive Störungen im kognitiven Bereich. Und das neue Gesundheitsproblem bei Kindern ist der Typ-2Diabetes. Das muss doch aufhorchen lassen.

Gerade deswegen ist es umso unverständlicher, dass sich das Kultusministerium erst im Jahr 2005 entschieden hat, die dritte Sportstunde der ersten Klasse im Zuge einer Bewegungserziehung zusammen mit dem Fach Musik zu streichen. Gerade diese Kinder, die eine Bewegungserfahrung dringend nötig hätten, werden somit noch mehr zum Sitzen gebracht. Von den in den Stundentafeln der Grundschuljahrgänge vorgesehenen vier Stunden werden in der ersten Klasse nur zwei und in den Jahrgangsstufen zwei bis vier nur drei gehalten.

Meine Damen und Herren, deswegen fordern wir kurzfristig für alle Grundschuljahrgänge verbindlich drei Sportstunden und mittelfristig eine Sportstunde täglich, wie das bereits in Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen mit besten Erfahrungen eingeführt wurde. Dies wäre ohne zusätzliches Geld zu bewerkstelligen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Die erwähnten Schweizer Studien, aber auch Studien aus den USA zeigen, dass eine regelmäßige tägliche Bewegungszeit von einer Dreiviertelstunde zu weniger Aggressivität, weniger Medienkonsum und weniger Gewaltbereitschaft führt. Herr Staatsminister, Sie werden vielleicht argumentieren, dass seit dem Jahr 2008 das Stundenkonzept "Bewegte Schule" mit dem Projekt "Voll in Form" der Grundschule per KMS-Empfehlung verordnet worden sei. Hier muss ich Sie einmal mehr an Ihre Glaubwürdigkeit erinnern: Die tägliche Bewegungszeit ist bereits seit 1985 in der Stundentafel verzeichnet, eine Empfehlung, die entweder keiner im Kultusministerium kennt oder die nicht ernst genommen wird. Außerdem hat die tägliche Bewegungszeit längst nicht den Stellenwert von Sport an sich; denn die Studien sagen aus, dass dazu das Schwitzen erforderlich sei. Zwei Sportstunden in der ersten Klasse sind gelinde ausgedrückt - eine Katastrophe.

(Beifall bei den Freien Wählern)

In den weiterführenden Schulen sind die Missstände noch gravierender. 1991 wurden von vier vorgesehenen Sportstunden in den Hauptschulen gerade noch 3,7 gehalten. In den Gymnasien waren es 3,0 und in den Realschulen 2,8. Nach der Großreinemach-Aktion durch die Kienbaum-Studie im Jahre 1997 wurden in der Hauptschule gerade noch 2,37 Stunden, in den Gymnasien 2,52 Stunden und in den Realschulen 2,14 Stunden gehalten. Im Jahr 2009 liegen wir jetzt bei 2,65 Stunden bei den Hauptschulen und bei den Gymnasien bei 2,55 Stunden, also marginal mehr. Nicht verschweigen dürfen wir die 38-prozentige Kürzung des Sportunterrichts im Zuge der G-8-Einführung durch die Verdichtung des Lehrplans.

Der differenzierte Sportunterricht, der gerade den Kindern freudvolles Erleben der Bewegungserfahrung ermöglichte und so den Sport als Spaß und Lifetime-Sport erleben ließ, wurde de facto auf Null gesetzt. Damit wurden 90 Millionen Euro Kosten für die Kinder eingespart; aber die Folgekosten werden den Steuerzahler wesentlich teurer zu stehen kommen. Irgendwann wurden einmal Sondermittel in Höhe von 31 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die dritte Pflichtstunde erteilen zu können. Ich muss Sie fragen: In welchem Fach wird die dritte und vierte Pflichtstunde mit Sondermitteln finanziert und die Erteilung dieser dritten und vierten Pflichtstunde von der finanziellen Situation abhängig gemacht? Sehr geehrter Herr Staatsminister, es ist blanker Unsinn, für Pflichtstunden Sondermittel einzustellen. Wir brauchen hierfür Planstellen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Man stelle sich einmal vor, die dritte oder vierte Stunde in den Fächern Deutsch oder Mathematik würde aus Sondermitteln finanziert. In der Bevölkerung wäre ein Aufschrei zu hören. Die Erfahrungen aus Baden-Württemberg zeigen, dass durch den Wegfall je einer Mathematik- und Deutschstunde und den Ersatz dieser Stunden durch das Fach Sport die kognitiven Leistungen - man höre und staune - angestiegen sind, weil dadurch dem rhythmisierten Lernen mit Wissensvermittlung und Entspannung Vorschub geleistet wurde. 90 Millionen Euro wären nötig, um diese Maßnahme zu finanzieren. Das ist ein knappes Viertel dessen, was ab dem Jahr 2011 jährlich an Zinsen für die BayernLB zu zahlen sein wird. Im Gegensatz zu diesen Zinsen würden sich diese Investitionen um ein Vielfaches verzinsen und könnten später im Sozial- und Gesundheitshaushalt wieder ausgeglichen werden.

Die Sport-Arbeitsgemeinschaften, die so genannten SAGs, sind Augenwischerei. In Bayern gibt es 2.500 solcher Arbeitsgemeinschaften. Im Land Sachsen - das vergleichbare Schülerzahlen hat - sind es 5.000 und in Baden-Württemberg 7.000. Der differenzierte Sportun

terricht hatte hingegen in seiner Blütezeit 16.000 Gruppen. Dies kann durch die Sportschul-Arbeitsgemeinschaften nicht ausgeglichen werden. Der differenzierte Sportunterricht war die Quelle der Nachwuchsarbeit in Bayern. Deswegen fordern wir die Rückgewinnung der dritten Sportstunde. Das ist mit etwas Überlegung ohne zusätzliche Geldmittel möglich. Mittelfristig - vielleicht in zehn Jahren - sollten wir so weit sein, dass alle Pflichtstunden, die im Lehrplan ausgewiesen sind, wieder erteilt werden.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Als Nächster hat Herr Kollege Peter Schmid das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Felbinger hat gerade in einer dramatischen Art und Weise auf die Defizite unserer Kinder bei der Bewegung verwiesen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus dem Titel "Bayerns Schüler brauchen mehr Bewegung" können wir herauslesen, dass der Auftrag zu mehr Bewegung nicht nur für die Zeit gilt, in der sich die Schülerinnen und Schüler im Unterricht befinden.

(Harald Güller (SPD): Aber auch!)

- Herr Kollege Güller, Ihr Zuruf erübrigt sich; ich hätte nämlich weitergesprochen.

Gleichwohl sehen wir es als Auftrag an, dem Sport im Bildungsprogramm einen entsprechenden Rang zu geben, um den Gesundheitsaspekt im Bewusstsein der Schüler besser zu verankern, ihnen Freude an Spiel und Sport zu vermitteln und sie bei Leistungsvergleichen erfahren zu lassen, welchen Stand sie gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern haben.

Leider - da gebe ich Herrn Kollegen Felbinger recht - ist zu konstatieren, dass den Bewegungsbedürfnissen unserer Kinder und Jugendlichen insgesamt nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Über den Schulsport und den ergänzenden Breitensport müssen immer wieder neue Initiativen entwickelt werden, um dem um sich greifenden Bewegungsmangel entgegenzuwirken. Ich sehe darin eine große und wichtige gesellschaftspolitische Herausforderung. Herr Kollege Güller, dieser Herausforderung kann nicht allein mit dem Schulsport begegnet werden.