Protocol of the Session on April 1, 2009

(Zurufe von der CSU)

Aber jetzt wollen Sie auch noch mehr Aufgaben in die Schule verlagern. Sie streichen die Stellen, geben einen Teil zurück, und in dem Rückgabepaket sind auch noch mehr Aufgaben. Sie wollen nämlich jetzt Klassen kleiner machen, Ganztagsschulkonzepte erarbeiten, Schulstandorte erhalten, individuell fördern, Integration betreiben, Islam-Unterricht durchführen. Das alles wollen Sie machen, aber mit weniger Planstellen. Die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen werden sich bedanken.

Jetzt sage ich Ihnen etwas über die gestrige Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten Seehofer. Sie, Herr Mi

nisterpräsident, haben gesagt: Für alle Kinder die besten Chancen unabhängig von kultureller und sozialer Herkunft; wir wollen alle Talente fördern.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD) und bei Abgeordneten der CSU)

- Jawohl, da können wir alle klatschen. Dafür sind wir nämlich alle, wunderbar.

Herr Seehofer, hätten Sie auch nur eine Antwort auf die Frage gegeben, wie es gehen soll, dass man Talente in übervollen Klassen fördert, dann hätte ich Ihnen vielleicht geglaubt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Freien Wähler)

Sie haben das Ziel ausgegeben, die Klassenhöchststärken von 34 auf 33 zu senken. Wollen Sie denn damit Talente fördern? Sie wollen in fünf bis zehn Jahren die Klassenstärken an weiterführenden Schulen auf die Höchstgrenze 30 reduzieren. Wollen Sie denn damit Talente fördern? Hier wird ganz besonders deutlich, Herr Ministerpräsident, dass es einen massiven Widerspruch zwischen den Reden hier in diesem Hause und der Realität an unseren Schulen gibt. Das kann ich Ihnen sagen!

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CSU)

So kann man die Leute nicht hinters Licht führen.

Sie haben die größten Klassen. Nahezu 50 % aller Gymnasialklassen haben mehr als 33 Kinder.

(Zuruf von der CSU: Nein!)

Diese Zahl wollen Sie in einem Zehnjahreszeitraum reduzieren. Hervorragend! Respekt! Sie haben erklärt, die Kinder sollen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft beste Chancen haben. Alle Fraktionen können wieder klatschen, weil wir das unterstützen. Aber geben Sie doch endlich eine Antwort auf die Frage, wie man die besten Chancen eröffnet, wenn ohne Nachhilfe an der Schule gar nichts mehr geht. Was sagen Sie den Eltern, deren Kinder ohne Nachhilfe im achtjährigen Gymnasium nicht mehr zurechtkommen? Wissen Sie, wie viel Nachhilfe es gibt?

(Zuruf von der CSU)

300 bis 400 Euro jeden Monat belasten die Familienkasse, lieber Herr Kollege. Was ist mit denen, die das nicht bezahlen können? Was wollen Sie denen zur Antwort geben? Denen genügt es nicht, wenn Sie hier im Parlament sagen, Sie wollten die besten Chancen. Wir wollen Taten sehen und keine Worte hören, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage Sie: Wie wollen Sie eigentlich alle Talente fördern, wenn Sie zehnjährige Kinder in verschiedene Schularten einsortieren? Wie wollen Sie denn das machen? Wie wollen Sie Kindern, die sich später entwickeln, einen besseren Schulabschluss ermöglichen? Sie reden immer von Durchlässigkeit und meinen den Zugang zur Universität. Nein, ich meine den Zugang in der Mittelstufe, in den Jahrgangsstufen 6 bis 10. Dort gibt es eine Durchlässigkeit, aber die geht immer von oben nach unten und nicht von unten nach oben. Mit dieser Schulstruktur werden Sie keine Talente fördern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Dann hat Herr Spaenle in seiner Regierungserklärung Folgendes gesagt - Sie haben das gestern wiederholt, lieber Herr Ministerpräsident -: Es ist ungerecht, Ungleiche gleich zu behandeln. - Über diesen Satz muss man nachdenken: Es ist ungerecht, Ungleiche gleich zu behandeln.

Ich sage Ihnen: Das ist das Bekenntnis der CSU, dass es keine gleichen Bildungschancen geben soll.

(Beifall bei der SPD - Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Geben kann!)

Nein, ich sage Ihnen: Alle Kinder müssen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und vom Geldbeutel die gleichen Bildungschancen haben, auch wenn sie ungleich sind.

(Beifall bei der SPD)

Das müssen Sie realisieren und dürfen hier nicht nur schöne Worte wohlfeil anbringen.

Ich will Ihnen noch etwas zum Problem Hauptschulen sagen. Sie, Herr Ministerpräsident, haben gestern hier erklärt: Ein Drittel der bayerischen Kinder besucht die Hauptschule. Diese Kinder sind die Leistungsträger von morgen für Handwerk und Mittelstand. - Ja, bravo! Können Sie mir einmal sagen, wie viele Facharbeiter, von denen wir so wenige haben, aus der Hauptschule kommen? Können Sie mir das einmal erklären? Ich sage Ihnen etwas anderes: Die Leistungsträger von morgen sind diejenigen mit der besten Bildung nach Talent und Eignung und nicht nach Schulart. Das ist doch der Punkt, den wir hier zu diskutieren haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie sagen, wenn man in der Hauptschule ist, dann ist man Leistungsträger von morgen. Nein, das wird in Zukunft nicht genügen. In Zukunft wird man gut ausgebildet sein müssen nach Talent und Eignung. Oder wollen Sie mich vielleicht glauben machen, dass die Hauptschule nach Talent und Eignung fördert - und das bei einer Einsortierung im 10. Lebensjahr? Das können Sie vergessen.

Jetzt vielleicht auch noch zwei Sätze zum G 8: Von wegen wir fördern Talente nach Eignung! Sie haben eine ganze Schülergeneration zu Versuchskaninchen gemacht. Dafür können Sie nichts, aber Sie sind nun einmal der Nachfolger Ihres Vorgängers und aus der gleichen Partei, und Sie sind auch der Nachfolger Ihres Vorvorgängers.

(Zurufe von der CSU)

Sie sollten vielleicht etwas zurückhaltender mit Zwischenrufen sein. Unter Ihrer Verantwortung ist über Nacht überfallartig und ohne Konzept das achtjährige Gymnasium eingeführt worden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dafür müssten Sie sich noch heute entschuldigen. Sie müssten "Sorry, liebe Eltern" sagen, "war vielleicht ein Fehler". Sie haben eine ganze Generation von Kindern zu Versuchskaninchen gemacht. Alle G-8-Kinder sind Versuchskaninchen gewesen.

Und der Feldversuch geht weiter: Oberstufe. Sie haben versprochen, dass es Kursstärken von maximal 20 Kindern in der Oberstufe in den Fächern Deutsch, Mathe und Fremdsprachen geben soll. Sie haben aber jetzt die Klassenhöchstgrenzen erhöht statt gesenkt. Sie haben bis zu 28 Schüler in der Oberstufe zugelassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was glauben Sie eigentlich, wie die sich auf ihr Abitur vorbereiten sollen? Da kann ich nur sagen: Versprochen - gebrochen. Das ist Ihre Politik gerade in Sachen gymnasiale Oberstufe.

Ganztagsschulen - vielleicht noch zwei Sätze. Das wird auch immer wieder wiederholt. Gestern hat es der Herr Ministerpräsident auch gesagt: "560 Ganztagsschulen werden geschaffen." Ja, wollen Sie denn die Leute für dumm verkaufen? Sie schaffen 560 Ganztagsklassen darf ich es vielleicht wiederholen -, 560 Ganztagsklassen

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Renate Will (FDP))

und nicht Schulen, und das bei 5.000 Schulen. Das ist eine geniale Leistung, das muss ich Ihnen schon bescheinigen,

(Harald Güller (SPD): Etikettenschwindel nennt man das!)

zumal vor dem Hintergrund, dass Sie in ganz Deutschland Schlusslicht beim Ausbau der Ganztagsschule sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und jetzt wollen Sie in zehn Jahren den Anteil der Ganztagsschulen auf 21 % ausbauen. Das haben andere Länder jetzt schon erreicht. Da stellt sich Herr Herold hier hin und sagt: Wir sind Bildungsland Nummer eins.

(Hans Herold (CSU): Stimmt ja auch!)

Auf diese schönen Worte fällt hier keiner mehr herein, das kann ich Ihnen sagen.

Ich muss leider zum Schluss kommen. Gestatten Sie mir den letzten Satz noch an die Adresse der FDP. Sie werden dem hohen Anspruch, den Sie hier immer wieder vortragen, in keiner Weise gerecht, was bildungspolitische Fragen betrifft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gerade in der Schulpolitik sind Sie für die Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern mitverantwortlich, weil Sie in den letzten Jahren Politik so gemacht haben, wie Sie sie gemacht haben. Der vorliegende Doppelhaushalt zeigt auch auf, dass Sie diese ungerechte Bildungspolitik zementieren und nicht verbessern. Das ist die bittere Wahrheit.

Liebe Frau Kollegin Will - das zum Schluss -: Sie machen sich mitschuldig. Sie sind vor der Landtagswahl herumgelaufen und haben versprochen: kleine Klassen, Ganztagsschulen, Primarschulen, Förderung der Privatschulen und was noch. Wenn Sie heute diesem Doppelhaushalt zustimmen, liebe Kollegen von der FDP, dann haben Sie sich selbst entzaubert. Kein Mensch glaubt Ihnen noch irgendetwas, denn Sie haben die Menschen im Wahlkampf belogen und betrogen. Und jetzt stellen Sie sich hier her und stimmen diesem Doppelhaushalt zu. Ich finde das unerträglich. Aber Sie haben eine letzte Chance: Stimmen Sie mit uns gegen den Doppelhaushalt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege, vielen Dank.

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Felbinger.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir