Protocol of the Session on March 4, 2009

Ich sage Ihnen auch, dass ein weitergehendes Klagerecht von Verbrauchern aus meiner Sicht überflüssig ist. Die Frau Staatsministerin hat im Ausschuss das Beispiel gebracht, dass ein Zahnpastahersteller statt 100 Milliliter Zahnpasta nur 90 in seine Tube packt, aber 100 ml draufschreibt. Sie hat gefordert, dass sich der einzelne Verbraucher in einer Art Sammelklage wirksam wehren können soll. Ich sehe kein Bedürfnis für eine derartige neue Klageform. Wir haben das Wettbewerbsrecht, das das wesentlich effektiver verhindert. Wir haben Verbraucherschutzverbände, die mit anderen Mitteln als denen des Gerichts vorgehen können.

Der "Verbraucherlotse" ist eine sehr schöne Wortschöpfung, die sicherlich auch gut ankommt - gutes Marketing des Ministeriums. Inhaltlich muss man sehen, ob dieser "Verbraucherlotse" notwendig ist. Da bin ich bei Ihnen, Herr Kollege Arnold: Wenn wir das den Kommunen aufs Auge drücken, dann müssen wir auch dafür bezahlen.

Ich persönlich sehe die Gleichung, mehr Verbraucherschutz ist gleich mehr Regelungen ist gleich mehr Beamte ist gleich mehr Bürokratie ist gleich mehr Kosten, und davor warne ich ausdrücklich. Im Verbraucherschutz müssen wir uns auf die wesentlichen Dinge beschränken. Das Wesentlichste am Verbraucher

schutz ist nun mal der Gesundheitsschutz. Er muss oberste Priorität haben. Aber bei den anderen Punkten müssen wir schon etwas differenzierter zu Werke gehen. Ich weiß nicht, ob jeder Verbraucher davor geschützt werden muss, dass er irgendwelche Finanzprodukte in Anspruch nimmt, die hochspekulativer Natur sind, wo er am Anfang sehr gierig war und am Ende sehen muss, dass er auf die Nase gefallen ist und auch das verloren hat, was er bereits hatte.

Gegen unseriöse Berater gibt es bereits eine Handhabe. Es gibt eine umfangreiche Rechtsprechung dazu. Ich sehe schon, meine Redezeit geht zu Ende.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend in einem Satz: Wir müssen uns beim Verbraucherschutz auf das Notwendigste und Wesentlichste beschränken und immer im Auge haben, dass mehr Schutz mehr Bürokratie, weniger Freiheit, mehr Kosten und damit insgesamt eine Verschlechterung der Lebensverhältnisse mit sich bringt.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Kollege Pohl. Als nächster Redner kommt Herr Dr. Runge für die Fraktion GRÜNE.

(Harald Güller (SPD): Herr Runge, heute für Regulierung oder Deregulierung?)

- Abwarten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch solche von der SPD-Fraktion! Die Verlautbarung der Frau Ministerin gegenüber der Presse von Mitte Februar haben auch uns sehr aufmerken lassen. Frau Minister, wir haben staunend von Ihnen nachlesen dürfen: "Wir brauchen einen spürbar besseren Verbraucherschutz." Das haben wir im Gegensatz zum Vorredner Herrn Pohl auch immer schon so gesehen und so gesagt. Von daher sind wir sehr erstaunt gewesen über Ihre jetzigen Bemerkungen; denn bisher haben Sie doch alles dafür getan, dass das Kümmerdasein des Verbraucherschutzes erhalten bleibt.

Dank Ihrer Initiativen sind wir in den letzten Jahren eigentlich kaum weitergekommen auf den von Ihnen skizzierten Handlungsfeldern A) Bildung, B) Beratung und C) bessere Verbraucherrechte. All unsere einschlägigen Initiativen und auch diejenigen der SPD auf zahlreichen Ebenen sind abgeblockt worden.

Ich nenne ein paar Beispiele nur in Stichworten. Da brauche ich gar nicht die Initiativen zu bemühen, die Sie auf anderer Ebene, beispielsweise im Bundestag, abgelehnt haben, sondern ich nehme nur die Felder heraus, an die ich mich ganz konkret erinnere, weil das

unsere Anträge waren, zum Beispiel Geld-zurück-Garantie im ÖPNV. In anderen Bundesländern lief das wunderbar, in Bayern wurde es seitens der Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion blockiert. Genau das gleiche Spiel gab es bei "Mehr Geld nur bei besserer Leistung", wenn es um Tariferhöhungen in Verkehrsverbünden ging, in denen Ihr Wirtschaftsminister federführend drin war. Nein, hier hat man nichts für die Verbraucherinnen und Verbraucher getan. Auch bei einer besseren Ausstattung der Verbraucher- oder Schuldnerberatung haben Sie in den meisten Fällen gegengehalten.

Wir haben Sie auch nicht ein einziges Mal als ausgewiesene Datenschützer erlebt, ganz im Gegenteil. Auch ich darf Sie an die Verrenkungen erinnern, die Sie gemacht haben, um diverse Anträge auf ein Informationsfreiheitsgesetz auf Landesebene argumentativ ablehnen zu können - ein Thema, das jetzt wieder hochkommen wird.

Ich erlaube mir, an dieser Stelle das Feld des Kapitalanlagebetrugs ganz kurz anzuleuchten; denn da haben Sie besonders geglänzt. Zum einen konnten wir keinerlei Initiativen von Ihnen im Bundesrat erkennen zu den Zeiten, wo der Gesetzgeber massiv windige Finanzmarktprodukte förderte - ich habe es in meinem vorigen Redebeitrag schon ausgeführt - zu den Zeiten, wo Erlaubnisvorbehalte gestrichen wurden, wo die Finanzmarktaufsicht massiv ausgedünnt wurde und anderes mehr. Wir wissen eh, dass die einschlägigen Schutzbestimmungen im Wertpapierhandelsgesetz, aber auch im Börsengesetz eben nicht dem Schutz einzelner Anleger, sondern allenfalls dem Schutz der Märkte dienen sollen.

Damit bin ich bei konkreten Fällen, Frau Ministerin Merk. Vor zwei Wochen gab es einen schönen, langen Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" über den Fall Planeck und Informatec. Informatec, das waren zwei bayerische Betrüger, nämlich die Herren Harlos und Häfele, die Tausende von Anlegern betrogen haben. Und dann gab es einen geprellten Anleger, der hieß Planeck, ein Metzgermeister aus Nordrhein-Westfalen, der hat vor dem BGH einen sensationellen Erfolg erzielt, nämlich dass er das Geld zurückbekommt. Er hat es aber nicht zurückbekommen, weil der Freistaat Bayern auf dem Geld saß, der sogenannte Vermögensverfall. Ich habe dazu mehrere Anfragen gestellt, und da hieß es dann aus Ihrem oder einem anderen Haus:

Das geht nicht, wir haben das Geld eingezogen, wir können es nicht zurückgeben. Wir haben nicht damit gerechnet, dass ein Geschädigter sich sein Recht erstreiten kann.

- Hier ist dringender Handlungsbedarf auf gesetzlicher Seite gegeben.

Die Ermittlungsbehörden und Gerichte sind in ihrer Ausstattung und potenziell auch in ihrer Kompetenz und Einsatzbereitschaft wenig hilf- und segensreich für geprellte Anleger. Das gilt besonders für Bayern. Es gibt zahlreiche Fälle, ganz massive Delikte: Bilanzfälschung, Kursmanipulation, Marktmanipulation, wo sich die Ermittlungen sehr schnell erschöpfen. Ich erinnere mich an dieser Stelle an eine besonders schöne Episode. Sie erinnern sich vielleicht an die Schlagzeilen in der "Frankfurter Allgemeinen" und der "Süddeutschen Zeitung": "Bayern als Eldorado für Kapitalmarktbetrüger". Kollege Schindler und ich, wir haben uns monatelang bemüht, diese Gesetzeslücke zu beseitigen. In allen anderen Bundesländern sind Betrügereien wie falsche Ad-hoc-Meldungen, falsche Meldungen in Börsenzulassungsprospekten erst nach fünf Jahren nach den einschlägigen Bestimmungen im Strafgesetzbuch verjährt. In Bayern sah es anders aus. Da hat man die Kapitalmarktbetrüger belohnt, indem man gesagt hat, diese Tatbestände verjähren nach dem Pressegesetz, also nach sechs Monaten. Ergebnis: Ein riesengroßer Schaden für zahllose Anleger und ein Schaden für den Finanzplatz München. Erst vor eineinhalb Jahren wurde dies geheilt. Großer Spott für Bayern.

Ein letzter Gedanke diesbezüglich, weil die Zeit davonläuft. Sie schrecken auch nicht davor zurück, dass Kapitalanlagebetrug unter der Regie einer staatlichen Förderbank und von Ministerien stattfindet. Ich erinnere an den Fall Schneider, an Betrug, Untreue, Bilanzfälschung. Das war eine hoch spekulative Anlage, Herr Pohl. Das war eine Aktie, die am geregelten Markt in Frankfurt gehandelt wurde, ein großer Anteilseigner war eine staatliche Förderbank. Da ist nichts vorangegegangen. In dem Zusammenhang kann ich nur sagen: Frau Ministerin Merks Märchenstunde in Bezug auf das, was Sie vorhin ausgeführt haben, wie Sie die Ermittlungsbehörden gegebenenfalls unterstützen; damals ist es uns gelungen, intern an Unterlagen zu gelangen. Wir haben gesehen, wie die Behörden um personelle Unterstützung gebettelt haben. Es ist eben nichts, rein gar nichts gekommen.

Ein letzter Gedanke, Frau Schriftführerin.

Wenn Sie tatsächlich den Verbraucherschutz stärken wollen, dann freut uns das. Sie finden uns an Ihrer Seite, aber nachdem Sie jahrelang blockiert und sabotiert haben, sehen Sie uns unsere Skepsis nach.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. Es folgt als nächster Redner Kollege Dechant von der FDP. Bitte schön.

(vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte wie so viele andere mit einem Spruch starten, der im ersten Moment vielleicht etwas komisch anmutet in Verbindung mit Verbraucherschutz. Aber ich sage jetzt: Essen ist gefährlich, und nichts essen ist tödlich.

(Hubert Aiwanger (FW): Ein guter Spruch!)

Das heißt im Sinne des Verbraucherschutzes: Wenn ich an einem Markt teilnehme, dann ist das in gewisser Art und Weise gefährlich.

(Heiterkeit - Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Deswegen ist unsere oberste Prämisse: Wir müssen erreichen, dass wir in diesem Land mündige Verbraucher bekommen.

Wir hatten früher, als wir eine kleinteilige Wirtschaft hatten, den Vorteil einer direkten Verbraucher-ErzeugerBeziehung. Jeder hat gewusst, was er bei seinem Metzger oder seinem Kramer kauft oder nicht. Wenn es ihm nicht gepasst hat, hat er ihn abends im Wirtshaus wieder getroffen, und dann ist das ausdiskutiert worden. Diese Beziehung ist durch einen gewissen Zentralisierungswahn, den wir hier im Lande haben, aufgelöst worden. Wir sind jetzt in der Pflicht, unseren Bürger wieder dorthin zu führen, dass er die Möglichkeit hat, sich zu informieren, aber nicht durch eine Überflutung mit Informationen. Dazu muss man ihn ausbilden.

Verbraucherschutz fängt in der Schule an, im Kindergarten. Wir müssen dort die Menschen lehren, wie sie durch das Verbraucherdickicht, wie sie durch die Marktwirtschaft hindurchkommen, ohne Schaden zu nehmen. Das oberste Ziel muss sein, dass wir gleichwertige Marktpartner haben: Anbieter und Verbraucher. Um den Missbrauch ein wenig einzudämmen oder um den Missbrauch weniger attraktiv zu machen, müssen wir auch die Haftung der Hersteller und Lieferanten ein Stück weit wiederherstellen und verstärken. Wir brauchen Rechtssicherheit. Es ist hier schon ein- oder zweimal angesprochen worden: Die Zugänglichkeit aller Unterlagen, die Geschäfte betreffen, muss sichergestellt sein.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Gilt das auch für die BaFin?)

- Ja, das gilt auch für die BaFin, auch wenn ich vielleicht jetzt von irgendwoher Schläge bekomme.

(Zuruf von der SPD: Sie schützen sich!)

Selbst wenn wir einen gut informierten Verbraucher haben, hat er als Kleiner gegen die Großen vielfach keine Chance. Berechtigte Anliegen, die von Gerichten entschieden werden, werden von großen Firmen blockiert und durch alle Instanzen hindurchgetrieben. Besonders problematisch ist das natürlich im Bereich von Monopolisten, was hier bereits angesprochen wurde, nämlich bei Energieversorgern, ÖPNV etc. Auch dort müsste man ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass unsere Verbraucher rechtlich gut gestellt werden.

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt ansprechen, der heute überhaupt noch nicht vorgekommen ist. Unsere Bürger sind auch Kunden unserer öffentlichen Verwaltungen. Auch dort sehe ich ein Betätigungsfeld für den Verbraucherschutz. Auch dort tritt der Bürger als Verbraucher auf, und auch dort haben wir einiges an Defiziten in Bezug auf Gleichberechtigung. Öffentliche Verwaltungen sind vielfach besser gestellt, haben mehr Rechte, haben mehr Befugnisse als der Bittsteller - so sage ich einmal übertrieben -, der bei ihnen auftaucht. Auch dort sehe ich ein Betätigungsfeld, wo wir noch einiges tun müssen, um unseren Mitmenschen zu helfen.

Ich bin dafür, unsere Verbraucherschutzorganisationen, Verbraucherschutzzentralen etc. zu stärken, um dem Bürger die Möglichkeit zu geben, sich zu organisieren, um eben gegen die Großen, gegen Monopolisten und ein Stück weit gegen öffentliche Verwaltungen gestärkt und gemeinsam auftreten zu können.

Wir können vonseiten des Staates nicht alle Risiken abdecken. Kollege Pohl von den Freien Wählern hat schön dargestellt, dass das zu mehr Bürokratie führt, zu mehr Kosten usw. Ich möchte aber noch anfügen, dass man auch nicht auf den Grundsatz verfallen sollte: Wenn jemand einen Scheiß kauft, dann ist er selber schuld.

(Zurufe von der SPD: He, he!)

Wir müssen die Rechte stärken, wir müssen die Leute besser bilden, sie besser auf dieses Leben vorbereiten.

Zur SPD und zu den GRÜNEN möchte ich noch sagen: Ihr seid natürlich in diesem Bereich heilig, vielleicht auch scheinheilig. Das möchte ich nicht näher ausführen. Die Geschichte von Herrn Professor Bausback, die er angesprochen hat, finde ich insgesamt in Ordnung. Nicht ganz gut gefallen hat mir, vorgefertigte Vergleichsgeschichten aufzustellen, weil sie in meinen Augen viele Aspekte, die für manche Menschen inter

essant sind, außen vor lassen und wahrscheinlich zu keiner fundierten Entscheidung führen.

Herr Kollege Dechant, ich habe bei allen Überziehungen zugelassen, aber so langsam sprengt es unseren Rahmen.

(Hubert Aiwanger (FW): Gebt ihm halt noch eine Minute!)

Die hat er jetzt ja auch noch.

(vom Redner nicht autori- siert) Ich bin eigentlich so gut wie fertig.

(Heiterkeit)

Also er hat mich jetzt sozusagen abgebrochen. Ich ergebe mich jetzt der Macht des Präsidiums und sage herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Ja, auch so kann man die Zeit herumbringen.