Protocol of the Session on July 17, 2013

"ahnungslose Staatsanwältin", "Zynismus pur", "Rechtsbeugung", "totales Versagen der Anklagebe hörde", "Ansammlung von offenkundigen Fehlent scheidungen", "Machtmissbrauch" und, und, und.

Damit setzt sich offenbar das "Dirty Campaigning", das wir schon in der vorletzten Woche hier im Land tag erleben mussten, nun auch gegenüber den Be diensteten der bayerischen Justiz fort. Das ist unters tes Niveau und hat mit konstruktiver Politik nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Das Ganze kulminiert in dem Schlusssatz Ihres Be richts: Es müssen personelle Konsequenzen gezogen werden: Generalstaatsanwalt, Präsident, Justizminis terin und Herr Mollath sind zu entlassen.

Herr Mollath ist zu entlassen! Das ist für Sie das Er gebnis unseres Untersuchungsausschusses, und für uns ist es ein direkter Eingriff in den richterlichen Be reich, ein klarer Eingriff in die Justiz, der sich aufgrund der Gewaltenteilung verbietet.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir gehen hier an das Eingemachte unserer Demokratie. Hier kommt es zum Schwur. Das ist kein Kinderspiel mehr. Haben Sie denn aus der Geschichte nichts gelernt? Das ist die eigentliche Dramatik dieses Falles. Leute, die die Justiz offen kritisieren, und die ihr eine Ent scheidung vorgeben möchten, wollen unser Land re gieren. Da kann man nur sagen: Gute Nacht!

(Beifall bei der CSU - Reserl Sem (CSU): Ja, genau!)

Diese Aussagen im Minderheitenbericht sind nicht nur falsch, sondern sie sind brandgefährlich. Ich bin rich tiggehend entsetzt – als Jurist, aber auch als Staats bürger.

Ich kann deshalb nur an Sie als Demokraten appellie ren: Nehmen Sie diese Aussagen zurück! Frau Aures, Sie haben eben gesagt, dass über das Schicksal von Herrn Mollath die Richter entscheiden. Damit könnte man meinen, Sie hätten den Satz zurückgenommen, aber am Ende haben Sie doch wieder gesagt: Herr Mollath muss freigelassen werden. – Nehmen Sie diese Aussagen zurück!

Unser Mehrheitsbericht dagegen ist ausgewogen

(Inge Aures (SPD): Das stimmt, reif für den Pa pierkorb!)

und liefert einen guten Überblick über diesen schwie rigen Fall. Ich sage es noch einmal: Der Fall Mollath ist ein schwieriger Fall, der uns alle elektrisiert. Frau Meyer hat es eben sehr, sehr gut dargestellt. Das Schicksal von Herrn Mollath liegt nun dank der Inter vention unserer Justizministerin über ihre Weisung an die Staatsanwaltschaft wieder dort, wo es in unserem Rechtsstaat hingehört, nämlich bei den unabhängigen Gerichten. Das soll auch so sein. - Ich danke allen, die mir zugehört haben.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Professor Dr. Peter Paul Gantzer möchte jetzt noch die eine Mi nute und 49 Sekunden nutzen. Bitte schön.

(Zuruf von der CSU: Das schafft er!)

Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Fall Mollath standen zwei Prinzipien zur Untersuchung, die Gewal tenteilung und die Unverletzlichkeit der Freiheit der Person. Zu beidem stehen wir. Das war ein Ergebnis, das auch nicht bestritten wurde.

Das Prinzip der Gewaltenteilung, also die richterliche Unabhängigkeit – – Ich wundere mich über die gerade gehaltene Bewerbungsrede für den neuen Justizmi nister – –

(Beifall bei der SPD - Erwin Huber (CSU): Das ist billig! - Zuruf von der CSU: Ach, hören Sie doch auf! - Weitere Zurufe von der CSU)

Ich wundere mich wirklich, was viele Juristen unter richterlicher Unabhängigkeit verstehen. Richterliche Unabhängigkeit ist auf jeden Fall: keine Beeinflussung des Gerichts bei der Entscheidungsfindung und keine Aufhebung der Urteile durch eine andere Gewalt, zum Beispiel des Parlaments. Richterliche Unabhängigkeit heißt aber nicht, dass man nicht Kritik an einem Urteil äußern darf, wie immer wieder gesagt worden ist. Schon jede Berufungsschrift, jede Revisionsschrift ist Kritik an einem Urteil. Und wer in der Wissenschaft tätig ist, weiß, dass das tägliches Brot ist. Das nennt man Urteilsbesprechung. Dabei wird manchmal ganz schön zur Sache gegangen, und Urteile werden oft hart kritisiert. Ich halte das auch für richtig. Denn die Justiz sitzt nicht in einem Elfenbeinturm, sondern ist Bestandteil der Gesellschaft und muss sich auch der Kritik stellen.

Wenn ich mir diesen Prozess anschaue und sehe, wie sich dieser Richter gegenüber Mollath verhalten hat, dass der ihn angeschrien und gesagt hat: "Verweisen Sie nicht noch einmal auf Ihre Verteidigungsschrift,

sonst schmeiße ich Sie aus dem Saal!" - - Meine Damen und Herren, wenn man das nicht mehr kritisie ren darf, dann weiß ich auch nicht, in welchem Rechtsstaat wir leben.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Deswegen fasse ich das kurz und knapp zusammen. Erstens. Es hat sich herausgestellt, dass derjenige, der den Stempel eines Geschäftsunfähigen bekommt, diesen Stempel das gesamte Verfahren hindurch hat. Dann wird auch nicht mehr zugunsten des Angeklag ten ermittelt. Das Zweite ist – es ist schon angespro chen worden –: Die endgültigen Würfel fallen in der nächsten Legislaturperiode, wenn wir uns darüber un terhalten, welche Schlüsse wir daraus ziehen, nämlich wie wir solche Vorgänge vermeiden. Was werden wir in § 63 des Strafgesetzbuches ändern müssen? Dann wird die Stunde der Wahrheit sein, und wir werden darüber ohne Wahlkampfgetöse diskutieren können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Mir lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen und der Tagesordnungs punkt 27 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Thomas Beyer, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) zur Durchsetzung eines Mindestlohns in Bayern und zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestlohn bei öffentlichen Auftragsvergaben in Bayern (Drs. 16/16691) - Zweite Lesung

Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von sechs Minu ten je Fraktion vereinbart. Ich darf schon jetzt be kanntgeben, dass zu diesem Tagesordnungspunkt eine namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Als erstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Dr. Bey er das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist vielleicht nicht so elektrisierend für Sie, gleichwohl ist es eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen. Es geht um die Frage, ob die Menschen dafür, dass sie ordentlich arbeiten, auch ordentlich bezahlt werden. Die SPD sagt: Wir stehen uneingeschränkt zu dieser Forderung. Wer gute Arbeit leistet, muss dafür auch anständig bezahlt werden und davon leben können.

(Beifall bei der SPD)

Wir legen Ihnen deshalb heute in der Zweiten Lesung – –

(Unruhe)

Frau Präsidentin, es ist noch ein wenig Aufregung durch den Fall Mollath im Saal.

(Glocke der Präsidentin)

Danke schön! – Wir legen Ihnen deshalb in Zweiter Lesung den Gesetzentwurf zur Durchsetzung eines Mindestlohns in Bayern in Verbindung mit einem Ge setz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindest lohn bei öffentlichen Auftragsvergaben in Bayern vor.

Ich muss den Inhalt eines so klaren Gesetzentwurfes nicht vortragen, denn wir haben es bereits in der Ers ten Lesung tun können. Ich möchte darauf verweisen, dass wir dazu eine doch erhellende Ausschussbera tung hatten, die einiges von dem, was hierzu von Rednern der Regierungskoalition behauptet wurde, ad absurdum geführt hat.

Zunächst einmal stelle ich fest:

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

In der Ausschussberatung hat niemand mehr behaup tet, es bestehe für dieses Gesetz keine Gesetzge bungskompetenz des Bayerischen Landtages. Es ist gut, dass Sie das außer Frage stellen, nachdem prak tisch alle Bundesländer außer Bayern bereits ver gleichbare Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht bzw. Gesetze verabschiedet haben.

Zweitens. Es gab den von einem – mit Verlaub – ge schätzten Kollegen, Ex-Minister Huber, abwegigen Vorwurf: Wenn wir hier ein Mindestlohngesetz für den Freistaat und für die Kommunen auf den Weg bringen würden, dann wäre das ein Verstoß gegen das Kon nexitätsprinzip. Dieser Vorwurf ist nicht mehr aufrecht erhalten worden. Er ist juristisch völlig falsch. Das würde ja bedeuten, dass jeder Abschluss der Tarifge meinschaften von Ländern und Kommunen ein Ver stoß gegen das Konnexitätsprinzip wäre und Herr Söder es ausgleichen müsste. Das ist, wie gesagt, von vornherein abwegig.

(Unruhe)

Herr Kollege, einen Augenblick. Ich bitte, die Gespräche draußen fortzu führen.

Herr Huber, Sie haben dieses Argument auch im Ausschuss nicht wiederholt,

also bringen Sie es dann hier im Anschluss auch nicht wieder. Sie wissen, dass es nicht stimmt.

Es wurde behauptet, dass wir mit diesem Gesetzent wurf die Kommunen zwingen bzw. dazu treiben wür den, Einrichtungen zu privatisieren. Dazu verweise ich noch einmal auf den eindeutigen Wortlaut des § 1 des Gesetzentwurfs zu Artikel 3 Absatz 2. Natürlich gilt das auch für den Wechsel der Rechtsform. Also, auch das ist von Anfang an niemals juristisch haltbar gewe sen.

Deshalb ist es gut, dass wir aufschlussreiche Beratun gen hatten. Im Kern ist deutlich geworden, dass Sie, CSU und FDP, nicht wollen, dass der Mindestlohn kommt. Sie wollen nicht, dass der Grundsatz in Bay ern gesetzlich gilt: Wer anständig arbeitet, wird dafür auch anständig bezahlt.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen nicht, dass das per Gesetz geregelt wird.

Jetzt komme ich zu Ihren vermeintlichen Vorschlägen. Sie wollen tarifvertragliche Regelungen, obwohl wir gerade darüber reden, dass die bedauerlicherweise eingetretene Schwäche der Tarifbindung gerade den Zustand heraufbeschwört, über den wir reden. Ich kann doch nicht das Problem mit dem Übel, das es verursacht, beseitigen wollen.

Sie haben davon gesprochen, regionale Differenzie rungen müssten vorgenommen werden. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich gehöre nicht zu denen, die jetzt mit dem Fleckenteppichvorwurf kommen, weil wir ja auch sonst unterschiedliche Tarifverträge haben. Ich beziehe mich aber auf den Standpunkt, den Kolle ge Muthmann immer wieder ausgesprochen hat: Wir brauchen regionale Tarife, damit wir regionalen Unter schieden gerecht werden. Das bedeutet nichts ande res, als dass insbesondere die FREIEN WÄHLER im Verein mit CSU und FDP einer Politik das Wort reden, wonach man im ländlichen Raum auch schlechtere Löhne zahlt.