Protocol of the Session on July 16, 2013

Ich stelle fest, dass der Bayerische Landtag Frau Theresia Koch sowie die Herren Stephan Kersten und Dr. Martin Kainz zu berufsrichterlichen Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs gewählt hat. Außerdem wurde Herr Kersten zum ersten Stellvertreter des Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs gewählt. Der Tagesordnungspunkt 2 ist damit erledigt.

Ich gebe Ihnen jetzt die Ergebnisse der weiteren namentlichen Abstimmungen bekannt. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Änderung des Bayerischen Fraktionsgesetzes auf der Drucksache 16/17075 unter Tagesordnungspunkt 14 fand 32 Ja-Stimmen, 108 Nein-Stimmen und 24 Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Für den Dringlichkeitsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung" auf Drucksache 16/17088 mit der Listennummer 162 der Anlage stimmten 160 Kolleginnen und Kollegen. Es gab eine Nein-Stimme und eine Stimmenthaltung. Dieser Dringlichkeitsantrag ist damit angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 5)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Joachim Unterländer, Georg Winter, Reserl Sem u. a. (CSU), Thomas Hacker, Brigitte Meyer, Dr. Andreas Fischer u. a. und Fraktion (FDP) zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes (Drs. 16/15514) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Christa Steiger u. a. und Fraktion (SPD) (Drs. 16/16326)

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart. Erster Redner ist Herr Kollege Unterländer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation von Menschen, die taub und blind sind, kann in unserer Gesellschaft als besonders benachteiligt bezeichnet werden. Wer zwei wesentliche Sinnesorgane nicht zur Kommunikation nutzen kann, bedarf eines dringenden Nachteilsausgleichs. Deshalb haben sich die Koalitionsfraktionen entschlossen, gemeinsam mit einem Gesetzentwurf dafür zu sorgen, dass taubblinde Menschen das doppelte Blindengeld erhalten, um so einen echten Nachteilsausgleich zu erreichen.

Von der Behinderbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung und seitens der Verbandsvertreter wird immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade dieser Personenkreis noch auf besondere Hilfe und Unterstützung angewiesen ist, um auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dies schließt der Gesetzentwurf selbstverständlich nicht aus. Das ist eine andere Schiene, die wir, sehr geschätzte Frau Kollegin Meyer, auf anderen Wegen unterstützen. In diesem Gesetzentwurf geht es um den finanziellen Nachteilsausgleich, der durch unseren Vorschlag zum Blindengeldgesetz realisiert werden kann.

Die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition haben beantragt, den Personenkreis auszuweiten. Im Zusammenhang mit den Beratungen zum Nachtragshaushalt soll dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt werden. Dem neuen Parlament kann jedoch selbstverständlich nicht vorgegriffen werden. Da es sich um ein mehrstufiges Konzept handelt, wollen wir im Rahmen der zweiten Stufe überprüfen, wie das Bayerische Blindengeldgesetz zeitgemäß weiterentwickelt werden kann. Mir ist es besonders wichtig, dass wir in einer dritten Stufe darüber nachdenken, auf Bundesebene im Rahmen des Bundesleistungsgesetzes die Ansprüche von blinden und taubblinden Menschen miteinander zu verbinden.

Wir sind darüber hinaus der Meinung, und das ist die grundsätzliche Auffassung, dass das Bayerische Blindengeldgesetz, nachdem die Leistungen im Jahr 2004 um 15 % gekürzt wurden, weitergeführt werden soll, unabhängig von der Perspektive eines Bundesleistungsgesetzes. Das bayerische Blindengeld ist eine unverzichtbare Leistung in der bayerischen Behindertenpolitik. Das bayerische Blindengeld ist, vergleicht man es mit den Leistungen anderer Bundesländer, durchaus in einem angemessenen Rahmen. Ich glaube, die Bestandsgarantie ist deshalb sehr wichtig.

In diesem Zusammenhang sollten wir ganz klar sagen: Hände weg von Kürzungen beim Blindengeld, Hände weg von Veränderungen, die zulasten von Menschen mit Behinderung gehen. Es ist vielmehr notwendig, eine zeitgemäße Weiterführung vorzunehmen. Wir tun dies, um es noch einmal zusammenzufassen, mit der Novellierung des Bayerischen Blindengeldgesetzes für die Taubblinden rückwirkend zum 01.01.2013. Wir tun dies mit unserem Vier-StufenPlan, den ich erläutert habe. Es ist notwendig, Blinden, Schwerstsehbehinderten und taubblinden Menschen eine Perspektive der Unterstützung im Rahmen unserer Behindertenpolitik zu geben. Das tun wir. Ich bitte deshalb um Zustimmung zum Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich darf Ihnen bekannt geben, dass die SPD-Fraktion namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf beantragt hat.

Bitte schön, Frau Kollegin Brigitte Meyer, Sie sind die nächste Rednerin. Ihnen folgt Frau Kollegin Steiger. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat so: Mit der heutigen Lesung und der daran anschließenden Schlussabstimmung bringen wir das Gesetz

zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes auf den Weg. Das Gesetz ist rückwirkend zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten; denn bereits seit Beginn des Jahres 2013 erhalten taubblinde Menschen in Bayern ein Blindengeld in doppelter Höhe. Die dafür notwendigen Mittel von jährlich 730.000 Euro für die derzeit 114 in Bayern lebenden taubblinden Menschen sind bereits im Doppelhaushalt 2013/2014 verankert.

Herr Kollege Unterländer hat bereits deutlich gemacht, Taubblinde, also Menschen, denen zwei wesentliche Kommunikationsmöglichkeiten fehlen, haben einen außerordentlich hohen Hilfsbedarf, und zwar durch Assistenzkräfte zur Unterstützung der Kommunikation und zur Bewältigung des Alltags. Das führt bei den Betroffenen natürlich zu zusätzlichen finanziellen Belastungen. Durch die Gewährung des doppelten Blindengeldes soll diesen Menschen nun ein Stück mehr Teilhabe an unserer Gesellschaft im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention ermöglicht werden.

Wir haben als Liberale sehr wohl Verständnis für den Änderungsantrag zu unserem Gesetzentwurf. Wir wissen sehr wohl, dass auch sehr stark sehbehinderte Menschen einen erhöhten Bedarf haben. Die Antwort von unserer Seite darauf ist aber, und darauf hat Herr Kollege Unterländer auch schon hingewiesen, das Vier-Stufen-Konzept. In ihm wollen wir das umsetzen, auch im Hinblick auf die Kostenausweitung. Es wären zwölf Millionen Euro gewesen, die dafür hätten eingestellt werden müssen. Ich denke, man kann hier auch Vertrauen haben, dass das Vier-Stufen-Konzept tatsächlich umgesetzt wird. Man darf die Dinge nicht immer nur negativ angehen, Frau Kollegin Steiger, man muss auch einmal Vertrauen haben. Ich denke, wir werden das dann aus der Ferne beobachten, und ich bin zuversichtlich, dass es so kommen wird.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf, damit noch rechtens abgeschlossen werden kann, was bereits seit Januar dieses Jahres durchgeführt wird.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Nächste Rednerin ist wie angekündigt Frau Kollegin Steiger. Ihr folgt dann Herr Professor Dr. Bauer. Sie haben das Wort, Frau Steiger.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Bayerischen Blindengeldgesetz wird die besondere Situation taubblinder Menschen bisher nicht berücksichtigt. Mit diesem Gesetzentwurf soll das geändert werden. Endlich eine Verbesserung für die 114 taubblinden Menschen in Bayern: Sie be

kommen das doppelte Blindengeld. So weit so gut? – Ja und Nein. Ja für die 114 Menschen, aber Nein für die 6.100 hochgradig Sehbehinderten und die 75 hochgradig Sehbehinderten mit gleichzeitiger Taubheit oder großer Schwerhörigkeit. Diese Menschen werden von Ihnen schlichtweg ausgegrenzt.

(Brigitte Meyer (FDP): Das stimmt doch nicht!)

- Doch! Sie tun das, obgleich Frau Faltl vom Bayerischen Blinden und Sehbehindertenbund und Frau Badura, die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, wirklich deutlich nachvollziehbar begründet haben, dass sowohl taubblinde Menschen ein doppeltes Blindengeld erhalten müssen als auch diese Personengruppe, die Sie ausgrenzen, nämlich die hochgradig Sehbehinderten.

Wir wollen ein abgestuftes Blindengeld von 30 % für die hochgradig Sehbehinderten. Taube, die gleichzeitig hochgradig sehbehindert sind, sollen 60 % des Blindengeldes erhalten. So sah es unser Gesetzentwurf vor, doch den haben Sie von der CSU und der FDP abgelehnt. Das sieht auch unser Änderungsantrag zu Ihrem Gesetzentwurf vor, doch auch den haben Sie in den Ausschüssen abgelehnt. Uns ist es deshalb wichtig, Ihr Abstimmungsverhalten heute mit einer namentlichen Abstimmung noch einmal zu manifestieren. Es geht um 12,4 Millionen Euro. Das ist weniger als die Kürzung im Jahr 2004 in Höhe von 15 Millionen Euro. Das haben Sie zu verantworten. Sie haben zu verantworten, dass diese Menschen ausgegrenzt werden. Herr Unterländer, Sie sollten einmal über die drei Buchstaben C, S und U reflektieren und darüber, was sie bedeuten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben Ihnen mit unserem Änderungsantrag eine zweite Chance gegeben, nachdem Sie unseren Gesetzentwurf abgelehnt haben, die Personengruppe von schwerstsehbehinderten und hochgradig schwerhörigen Menschen mit diesem abgestuften Blindengeld auszustatten.

Liebe Brigitte Meyer, lieber Herr Kollege Unterländer, was das Vier-Stufen-Modell angeht, so kann ich nur sagen: Die Worte hör ich wohl, es fehlt mir aber der Glaube. - Sie grenzen aus, trotz der UN-Behindertenrechtskonvention und trotz des Aktionsplans der Staatsregierung. In diesem Aktionsplan steht absolut nichts darüber, dass hier etwas überprüft und vielleicht in der nächsten Legislaturperiode aufgenommen werden soll.

Sie haben unseren Gesetzentwurf 1 : 1 abgeschrieben, was taubblinde Menschen anbetrifft.

(Brigitte Meyer (FDP): Und ihr habt auch abgeschrieben!)

Man muss schon sagen, die CSU ist der beste Copyshop aller Zeiten. Hätten Sie unseren Gesetzentwurf doch komplett abgeschrieben, dann wären die Menschen mit dabei, die Sie jetzt ausgrenzen.

(Beifall bei der SPD)

Sie lassen 6.200 Menschen schlichtweg draußen vor der Tür stehen. Von einer gleichberechtigten Teilhabe kann hier nicht die Rede sein. Sie, Herr Unterländer, haben bei der Debatte im Ausschuss gesagt, der finanzielle Mehrbedarf wäre angesichts der derzeitigen Situation nicht darstellbar. 10 Milliarden Euro für die Landesbank waren es hingegen ganz schnell! Ich sage das jetzt ganz bewusst so polemisch. Ich frage Sie deshalb auch: Was gilt bei Ihnen eigentlich? Inklusion nach Kassenlage? – Das kann nicht sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es muss gelten: Inklusion nach Menschenrecht. Es muss gefragt werden: Was sind die Bedürfnisse der 6.200 Menschen, die Sie hier ausgrenzen?

Sie wollen in der nächsten Legislaturperiode prüfen, ob das abgestufte Blindengeld möglich wäre. Damit wird es nur hinausgeschoben. Sie wollen es vielleicht irgendwann einmal prüfen. Sie wollen zwar das Merkzeichen "taubblind" für taubblinde Menschen einführen. Im Bundestag stimmen aber – man höre und staune! – die CDU/CSU und die FDP dagegen. Das ist in Anbetracht der UN-Behindertenrechtskonvention und der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung armselig.

Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, weil er ein Schritt in die richtige Richtung ist, um den betroffenen Menschen zu helfen. Trotzdem bleibt unsere Kritik, dass dieser Gesetzentwurf ein Flickwerk und halbherzig ist. Sie hätten die Chance gehabt zu zeigen, welchen Stellenwert die Sozialpolitik im Lichte der Inklusion hat. Es ist traurig, dass Sie diese Chance nicht genutzt haben.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Professor Dr. Bauer. Ihm folgt dann Frau Kollegin Ackermann.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sinne eines Nachteilsausgleichs ist das Blindengeld eine wichtige soziale Leistung des Freistaates Bayern. Diese finanzielle Unterstützung

schafft einen Ausgleich für den durch die Behinderung entstehenden finanziellen Mehraufwand. Mit dem Blindengeld soll der besonderen Situation von blinden Menschen Rechnung getragen werden. Das Blindengeld ist ein Ausgleich für die finanziellen Belastungen. Das ist vorhin schon dargestellt worden. Das muss ich nicht noch einmal wiederholen. Finanzielle Belastungen können beispielsweise durch die Anschaffung diverser Hilfsmittel wie zum Beispiel Lesegeräte oder anderes entstehen. Bei den Taubblinden gibt es noch zusätzliche spezielle Probleme. Wir haben es gerade wieder gehört.

Zumindest haben alle Fraktionen einen Handlungsbedarf erkannt. Im Sozialausschuss waren wir uns darin einig, dass wir ein Taubblindengeld brauchen, denn Taubblinde haben einen außerordentlich hohen Hilfsbedarf. Ich erwähne nur die Assistenz. Ich finde es schade, meine Damen und Herren, dass eine gute und notwendige Verbesserung von der Regierung auf die lange Bank geschoben wird, statt endlich konsequent eine Lösung zu suchen. Wir hätten uns die jetzige Debatte sparen können, wenn wir schneller gehandelt und dem von der SPD schon im letzten Jahr vorgelegten Gesetzentwurf zugestimmt hätten. Obwohl dieser Gesetzentwurf annähernd deckungsgleich mit Ihrem Entwurf ist, haben Sie diesen Entwurf der SPD im letzten Jahr abgelehnt. Nach über vier Jahren bewegt es mich immer noch, dass gute Argumente und gute Vorschläge nur deswegen keine Mehrheit finden, weil sie von der anderen Fraktion kommen. Das habe ich in anderen Lebenssituationen nicht wiedergefunden. Das ist nicht meine Lebenserfahrung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir wären alle einen Schritt weiter, wenn wir noch mehr aufeinander zugehen würden, wenn wir die Grenze, die sich hier auftut, aufheben und mehr miteinander als gegeneinander arbeiten würden. Das würde uns gerade im Sozialausschuss guttun und die soziale Lage der Menschen in Bayern verbessern.

Meine Damen und Herren, das, was wir bisher gehört haben, stimmt mich schon zuversichtlich, denn grundsätzlich bin ich ein positiv denkender und optimistischer Mensch. Deswegen glaube ich, dass wir es in der nächsten Legislaturperiode schaffen werden. Es ist ein Lichtblick – dafür bedanke ich mich bei allen Mitgliedern im Sozialausschuss –, dass wir den Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gemeinsam gegen den Vorschlag der Regierung, der als Tischvorlage eingebracht wurde, durchgebracht haben. Der Vorschlag der Regierung war eigentlich ein Jammer. Wir haben Flagge gezeigt und die Regierung zum Handeln gezwungen. Das ist der richtige Weg. Das ist Sozialpolitik für Bayern. Das

sollten wir viel öfter auch auf anderen Politikfeldern machen. Das hilft den Menschen.