Protocol of the Session on July 16, 2013

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Zur Sache, bitte!)

An zweiter Stelle auf der Liste der Skandale steht der Fall Mollath. Von den Behörden und der zuständigen Ministerin wurde er zunächst totgeschwiegen. Dann wurde behauptet, es sei alles rechtmäßig verlaufen. Allein aufgrund des öffentlichen Drucks und des Untersuchungsausschusses wird der Fall jetzt aufgerollt. Ohne öffentlichen Aufklärungsdruck hätte sich keine Ministerin, kein Ministerpräsident, keiner von Ihnen um das Schicksal des Herrn Mollath geschert.

Drittens gehört zur Liste der gravierenden Skandale dieser Legislaturperiode die Bereicherungsaffäre von CSU-Ministern, CSU-Staatssekretären, ehemaligen CSU-Fraktionsvorsitzenden und auch des Parlamentarischen Geschäftsführers der CSU bis hin zu sogenannten einfachen Abgeordneten, und das über Jahre hinweg.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CSU: Und ehemaliger Grüner!)

- Ja, ja. Schreien Sie nur auf. Ich weiß, dass es Ihnen wehtut; da habe ich richtig getroffen.

(Zurufe von der CSU: Ah!)

Auch in diesem Fall war es erst wieder die gewaltige Druckwelle der öffentlichen Empörung, die Sie von der CSU dazu gebracht hat, von Ihrem Sockel der Selbstherrlichkeit und der Selbstbedienung herabzusteigen und Ihre Blockadehaltung aufzugeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jahrelang haben Sie sich schamlos selbst bedient. Sie haben verschleiert, vertuscht und Transparenzregeln verhindert. Ich weiß: Sie hören das alles heute nicht mehr gern. Ihren ehemaligen, langjährigen Fraktionsvorsitzenden wollen Sie gar nicht mehr kennen. – Gerade saß Georg Schmid noch im Raum; jetzt sehe ich ihn nicht mehr. Sie von der CSU-Fraktion haben seine Raffgier – diese ist beispiellos in diesem Kontext – jahrelang unterstützt bzw. erst ermöglicht und abgenickt. Dafür tragen Sie die Verantwortung, niemand sonst.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christa Stewens (CSU): Das ist unerhört, was Sie hier vortragen!)

Diese Raffgier war offenbar noch weit unverschämter, als wir es bisher lesen und zusammenrechnen konnten. Nach einem Bericht in der "Augsburger Allgemeinen" vom 13. Juli ist noch einmal ein erkleckliches Sümmchen an die Öffentlichkeit gekommen. Demnach erhielt Georg Schmid nicht nur die knapp 12.000 Euro Funktionszulage – zusätzlich zu seiner Diät, zusätzlich zu seiner steuerfreien Pauschale –, sondern auch noch 5.500 Euro für die Ehefrau,

1.000 Euro für die Mehrwertsteuer auf von Frau Schmid erbrachte Leistungen sowie einen Alterssicherungszuschlag in Höhe von 2.263 Euro monatlich. Die "Augsburger Allgemeine" schreibt dazu abschließend:

Zählt man alles zusammen, setzte der CSU-Fraktionschef und Landtagsabgeordnete Georg Schmid zusammen mit seiner Ehefrau … bis zu 30.000 Euro pro Monat um.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Wahnsinn!)

- Das nenne auch ich Wahnsinn. Das war in äußerstem Maße unverschämt. Dafür tragen Sie von der CSU die Verantwortung, niemand sonst.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Stewens, es gehört schon ein besonderes Maß an Dreistigkeit dazu, wenn Sie sich – wie in der vergangenen Woche bei der Präsentation Ihrer "Erfolgsbilanz" – hinstellen und auf die Frage, wie das denn mit der Beschäftigungs- bzw. Verwandtenaffäre sei, die Neuregelung zu einem Erfolg der CSU stilisieren. Demnach habe die CSU die notwendigen Konsequenzen gezogen und eine Verschärfung der Verhaltensregeln für Abgeordnete vorangetrieben. Dass es zu einer Verschärfung gekommen ist, sei also der CSU zu verdanken. Ihnen haben wir einen gigantischen Scherbenhaufen zu verdanken! Den gigantischen Scherbenhaufen in diesem Parlament haben zuallererst Sie angerichtet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich waren Sie anschließend gezwungen, sich an den Aufräumarbeiten zu beteiligen; denn die Scherben dieses Haufens haben sehr tief in Ihr eigenes Fleisch eingeschnitten.

Wenn man aufräumt, hat man die Chance, reinen Tisch zu machen. Das Überholte, das Alte, die nicht so schönen Dinge könnte man auf den Müllhaufen werfen, um sich neu und schön einrichten. Diese Chance, die Gunst der Stunde, jetzt einen echten Neuanfang zu wagen, um gute, transparente, nachvollziehbare und haltbare Regelungen zu verabschieden, haben Sie nicht genutzt. Ihre Vorlage ist kein mutiger Schritt hin zu wirklicher Transparenz und zu einem wirklich sparsamen Umgang mit den öffentlichen Mitteln. Sie vollziehen gerade einmal die vorliegenden – unzureichenden – Regelungen, die im Bundestag getroffen worden sind, nach. Nach wie vor gibt es große Lücken und Hintertürchen, die zum Missbrauch, zur Selbstbedienung einladen.

Zum Missbrauch lädt zum Beispiel die Regelung ein, dass Abgeordnete persönlich Spenden annehmen dürfen. Ab einer Höhe von 5.000 Euro sind sie der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Landtages anzuzeigen, ab einer Höhe von 10.000 Euro sind sie zu veröffentlichen. Da liegt doch der Verdacht von Bestechung bzw. Bestechlichkeit gefährlich nahe. Diesem Verdacht sollten wir uns alle miteinander nicht aussetzen. Das liegt in unserem ureigenen Interesse. Deswegen hätten Sie alles daran setzen müssen, diese Regelung zu verhindern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch die Stufenregelung bei der Veröffentlichung von Nebeneinkünften lädt zur Verschleierung ein und widerspricht eben dem Anspruch an Transparenz, den Sie so gerne wie eine Monstranz vor sich hertragen. Zum Missbrauch lädt ein, dass Sie nach wie vor nicht bereit sind, die Funktionszulage für besondere Aufgaben in den Fraktionen für alle gleich gesetzlich zu regeln. Wir sind nämlich alle in gleicher Weise verpflichtet, mit öffentlichen Geldern sparsam umzugehen und der Öffentlichkeit darüber auch Rechnung zu legen. Frau Stewens, Sie haben das ja damit begründet, dass Sie eine Augenhöhe mit den Ministerinnen und Ministern bräuchten und dass Sie deswegen das Gleiche wie diese verdienen müssen. Ich hoffe doch, dass die Augenhöhe gegenüber unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht vom Gehalt und vom Verdienst abhängt.

(Christa Stewens (CSU): Hängt sie auch nicht!)

Ich würde mir wünschen, dass wir bei einem Flüchtling oder einem Sozialhilfeempfänger auf gleicher Augenhöhe, mit gleichem Respekt wie einem Vorstandsvorsitzenden begegnen. Was ist denn das für ein Menschenbild, wenn die Augenhöhe vom Gehalt abhängt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich freue mich, dass wir bei unserer Initiative zur Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, bei unserem Dringlichkeitsantrag, den wir vor wenigen Wochen eingebracht haben, heute doch noch zu einer einvernehmlichen Regelung kommen und dass Sie diesem unserem Antrag mit einigen kleinen Änderungen zustimmen. Im Ausschuss haben Sie ihn noch abgelehnt. Ich freue mich, dass wir heute diesen Erfolg haben. Allerdings ist dies nur ein kleiner Schritt. Dann braucht es wirklich die Verankerung im Strafgesetzbuch über den Bundestag. Ich freue mich, wenn Sie dieser Gesetzesinitiative nach der Bundestagswahl und nach der Landtagswahl dann im Bundestag und im Bundesrat zustimmen – in der Opposition.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD - Lachen bei der CSU - Christa Stewens (CSU): Das ist Wunschdenken!)

Für die FDP bitte ich Herrn Hacker ans Mikrofon.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der soeben gehaltene Wortbeitrag läuft unter der Rubrik: Margarete Bause träumt. Es ist aber gut, dass wir alle für die Zukunft Träume haben. Wir alle wollen für uns und unser Land das Beste.

Wir diskutieren erneut im Plenum des Bayerischen Landtags Transparenzregeln und über das Abgeordnetengesetz. Wir alle wissen, dass es Gründe dafür gab; das ist nicht von der Hand zu weisen. Margarete Bause hat auch ausdrücklich darauf hingewiesen. Die Frage ist aber, wie wir alle darauf reagieren, wie wir uns alle daran machen, Vertrauen zurückzugewinnen; denn das betraf alle Fraktionen. Wir sollten hier nicht den Moralapostel spielen und uns selbst erhöhen. Das ist der verkehrte Weg.

Viele in diesem Hohen Hause tragen Verantwortung für die Diskussionen der letzten Monate. Deshalb sind wir ja gemeinsam den Weg gegangen, in interfraktionellen Arbeitsgruppen, in Arbeitsgruppen der Fraktionsvorsitzenden immer und immer wieder zu diskutieren, welche Lösung wir finden können und für welche Lösung wir vorangehen wollen. Nicht jeder Wortbeitrag gibt heute die moderate, die vernünftige, die an der Sache orientierte Diskussion wieder, die wir dort geführt haben.

Wenn wir heute nun gemeinsam als Koalition die Bundestagsregel zur Entscheidung vorlegen, dann war es nie unsere gemeinsame Meinung, in der Zukunft für alle Zeit hier stehen bleiben zu müssen. Wir sind bereit, die Diskussion in der nächsten Legislaturperiode weiterzuführen, auch mit den Erkenntnissen, die wir vielleicht in der täglichen Praxis gewonnen haben, auch mit den Erkenntnissen, die die Bundestagsverwaltung und die Bundestagsabgeordneten in der täglichen Arbeit gewonnen haben.

Lieber Herr Halbleib, wenn Sie unterstellen – vielleicht unterstellen Sie das auch nicht, sondern möchten nur den Eindruck erwecken –, dass alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause Nebeneinkünfte von 250.000 Euro, von 2,5 Millionen Euro, von 7 Millionen Euro neben dem Mandat haben, dann kann ich dazu nur sagen: Das werden wir sehen, wenn die erste Veröffentlichungsperiode abgelaufen ist. Dann werden wir sehen, wie viele in diese Bereiche fallen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie sorgen doch für Spekulationen! Wir wollen doch Klarheit zum Schutz der Kolleginnen und Kollegen! Das ist doch der Punkt!)

Wir schauen uns dann die Transparenzregelung an, und dann werden wir feststellen, wie viele weitere Stufen wir noch einführen müssen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie sorgen doch für Spekulationen zulasten der Kolleginnen und Kollegen!)

Wenn Sie die Bundestagsregel zu den Spenden an die Abgeordneten so stark persönlich in der Sorge um andere Kolleginnen und Kollegen betrifft, dann hätten wir das auch in der interfraktionellen Arbeitsgruppe andiskutieren können.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das ist doch alles abgelehnt worden! Sie haben doch alles zurückgewiesen!)

- Herr Halbleib, vielleicht wäre es auch gut gewesen, wenn aus den einzelnen Fraktionen immer die gleichen Vertreter bei den Gesprächen anwesend gewesen wären.

Wir haben uns in intensiven Gesprächen auf den ersten Schritt verständigt – er wird eine Mehrheit finden, die größer ist als jene der Regierungskoalition. Zu dem nächsten, weiteren Schritt hinsichtlich der Transparenz, bei den Nebeneinkünften die Bundestagsregel auch für Bayern einzuführen, werden wir unsere Erfahrungen machen. Wir werden genau darauf achten, was noch zu verbessern ist. Wenn wir zum Ende der nächsten Legislatur, Anfang der übernächsten Legislatur zu der Überzeugung kommen, dass zusätzliche Transparenz tatsächlich notwendig ist und wir eine Veröffentlichung auf Euro und Cent brauchen, werden wir darüber diskutieren und uns sicher vernünftigen Regeln nicht verschließen.

Zu den Funktionsträgervergütungen – auch das haben wir im Plenum schon gesagt – überrascht der eine oder andere Vorschlag aus den Oppositionsfraktionen. Die FREIEN WÄHLER wollen sie auf 5 % deckeln. Ich habe bei der letzten Diskussion die Frage gestellt – ich darf sie heute wiederholen –: Setzen Sie das in Ihrer Fraktion bereits um? Deckeln Sie Ihre Funktionsträgerzulagen auf 5 %? Das letzte Mal habe ich noch Kopfschütteln gesehen. Mein Appell an Sie: Bevor Sie Regeln für alle vorgeben wollen, setzen Sie sie selber um.

(Beifall bei der FDP)

Wir als FDP-Fraktion haben uns von Anfang an bei der Anzahl und bei der Ausgestaltung der Funktionsträgervergütungen beschränkt. Auch die GRÜNEN können demonstrieren, dass sich Bescheidenheit auch in der Organisation durchaus umsetzen lässt.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

- Ich sagte ja: Ihr habt gezeigt, dass Bescheidenheit in der Organisation der eigenen Fraktion umsetzbar ist. Dazu brauchen wir keine einheitlichen Regeln. Dass jetzt allerdings der Vorschlag der GRÜNEN für die eigene Fraktion drei Funktionszulagen erlaubt, für alle anderen nur zwei, macht deutlich, dass dies wieder nur einer der vielen Vorschläge ist, die etwas absurd anmuten. Wenn, dann sollte man schon konsequent sein, für alle das Gleiche anstreben und sich mit dem eigenen Vorschlag nicht selbst begünstigen.

Meine Damen und Herren, wir werden die Diskussion heute sicherlich noch nicht beenden. Das Thema wird das neue Parlament, das dann für sich selbst die Regeln trifft, wieder beschäftigen. Wir werden mit den Regeln, die wir heute verabschieden, Erfahrungen machen. Das ist ein guter Schritt; das ist ein wichtiger Schritt. Die versprochene Transparenz wird in einem weiteren wesentlichen Punkt umgesetzt.

Liebe Christa Stewens, ganz persönlich an Dich gerichtet sage ich unseren herzlichen Dank dafür, dass Du das Ganze in schwieriger Zeit so couragiert angegangen bist, sozusagen als Krönung eines langen parlamentarischen Lebens. Es gab Anlass zu handeln. Du hast mit der CSU-Fraktion auch gehandelt. Auch dafür, meine ich, gilt es, einmal Respekt zu zollen.

Lassen Sie uns das Thema in der Zukunft sachlich diskutieren. Es ist notwendig, darüber in den Gremien zu diskutieren und die Vorschläge dort zu unterbreiten. Wir alle miteinander haben in der neuen Legislaturperiode ausreichend Zeit, dies weiterhin zu tun.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Für die FREIEN WÄHLER bitte ich Herrn Pohl zu uns ans Redepult. Ihnen verbleibt eine Redezeit von 4 Minuten und 11 Sekunden. Bitte schön.