Protocol of the Session on February 17, 2009

Der Gesundheitsfonds, meine Damen und Herren, ist zum Spielball der Politik geworden. Vor Wahlen wird der Beitrag gesenkt. Gesundheitspolitik wird je nach Kassenlage gemacht. Am besten wäre es, wenn wir es wieder so hätten wie früher, dass wir einen Fünfjahresplan aufstellen und die Gesundheit in den nächsten fünf Jahren beurteilen und auch die Krankheiten einschätzen könnten. Wenn wir dieses System wieder benutzen wollen, ist das in meinen Augen Planwirtschaft.

(Beifall bei der FDP)

Die Krankenkassen habe ihre Autonomie verloren. Es gibt einen einheitlichen Krankenkassen-Dachverband. Was wir in Bayern fordern müssen, das ist eine Regionalisierung, Rückgängigmachung und Autonomie, sodass für die bayerischen Ärzte und für die bayerischen Patienten wieder selektiv Verträge geschlossen werden können und unterschiedlich bezahlt wird, weil wir dadurch den Pluralismus in unserer Gesellschaft schätzen - auch ein Argument gegen die Planwirtschaft.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Tho- mas Kreuzer (CSU))

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, zum Thema Risikostrukturausgleich. Es kann nicht sein, wie die Urheber dieses Verfahrens argumentiert haben, dass Arzt und Krankenkasse mehr Geld bekommen, wenn die Menschen kränker werden. Normalerweise sollte es so sein, dass man belohnt wird, wenn man den Patienten gesund macht. Wir werden belohnt, wenn wir den Patienten kränker machen. Auch das ist ein Weg, der in meinen Augen zentralistisch ist und zur Fremdbestimmung führt.

(Beifall bei der FDP - Harald Güller (SPD): Das ist ein unsäglicher Stuss!)

Nach meiner persönlichen Erfahrung herrscht zur Zeit im Gesundheitssystem ein Klima des Misstrauens, der Detailvorschriften, der Kontrolle und der Demotivation vieler Haus- und Fachärzte.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Was Sie gerade gründlich zu schüren versuchen!)

Ich denke, dass ist das Hauptproblem. Wir haben zu viel Überregulierung, wir haben zu viele Vorschriften, sodass das, was wir ursprünglich als freien Beruf erlernt haben, gar nicht mehr in dieser Weise ausgeübt werden kann. Deshalb ist das auch der falsche Weg für ein Gesundheitssystem.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Tho- mas Kreuzer (CSU))

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zwei Dinge sagen. Wir müssen den Einfluss des Staates eindämmen. Wir müssen mehr Verständlichkeit und Transparenz in unserem Gesundheitssystem ermöglichen. Wir müssen wieder zum Prinzip der Subsidiarität kommen, zu mehr Eigenverantwortung, Politik von unten nach oben und nicht von oben nach unten.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Tho- mas Kreuzer (CSU))

Unsere Ärzte in Bayern brauchen wieder Planungssicherheit, damit sie investieren können, damit ihr Geld wieder sinnvoll eingesetzt wird.

Was wir aber auch brauchen und was meistens zu kurz kommt, sind die Patienten. Wir brauchen eine Stärkung der Patientenautonomie. Die Ärzte sind die Dienstleister für die Patienten in unserem Land, und unsere Patienten sowie die bayerischen Ärzte dürfen nicht zu Verlierern einer Reform werden, die von der Großen Koalition in Berlin verabschiedet worden ist.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Georg Schmid und Thomas Kreuzer (CSU) - Kathrin Sonnenholzner (SPD): Da sollten Sie jetzt nicht klatschen, Herr Schmid! - Georg Schmid (CSU): Ich bin hochkonzentriert, Frau Kollegin! - Glocke des Präsidenten)

Ich darf darum bitten, dass man dem Redner erlaubt, zum Schluss zu kommen. Denn Sie haben schon ein bisschen überzogen.

Dann mache ich noch eine Bemerkung. Ich habe es bei meiner zweiten Bemerkung schon gesagt: Wir machen Politik für die Menschen in diesem Land und nicht für die Ärzte und Leistungserbringer. Das ist mein Credo als Arzt.

Mein Credo zum Schluss: Wie soll es konkret in Bayern weitergehen? Wir müssen mehr Druck auf die Krankenkassen und auf die Kassenärztliche Vereinigung ausüben, damit endlich mehr Regionalisierung stattfindet, damit der bayerische Arzt wieder das Geld verdient, das er vor Weihnachten verdient hat. Da müssen wir hinkommen. Deshalb ist die Regionalisierung so sinnvoll.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CSU)

Danke schön, Herr Dr. Bertermann. Als Nächste hat Frau Kollegin Christa Stewens das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist offiziell ein Informationsund Fortbildungstag der Fachärzte in Bayern. Herr Dr. Bertermann, ich habe gelesen, dass Sie mit einigen Fachärzten in den Landtag gekommen sind. Ich begrüße die Fachärzte ganz herzlich zu ihrem Informationsund Fortbildungstag im Bayerischen Landtag.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Als Erstes möchte ich etwas grundsätzlich zu der Situation, die wir zur Zeit haben und mit der wir in den unterschiedlichsten Bereichen kämpfen, sagen. Ich denke, dass alle Parteien, die im Landtag vertreten sind, ein gemeinsames Ziel haben, das lautet: Wir wollen in Bayern eine bedarfsgerechte, flächendeckende Versorgung durch niedergelassene Ärzte, Haus- und Fachärzte erhalten.

Zweitens sind wir alle der Überzeugung, dass unsere Ärzte - unabhängig davon, ob sie Haus- oder Fachärzte sind - für ihre gute Arbeit ein leistungsgerechtes und angemessenes Honorar erhalten müssen, wohl wissend, dass bessere finanzielle Voraussetzungen - das möchte ich ganz klar sagen - immer durch eine Erhöhung der Beitragssätze, also aller Mitglieder in der gesetzlichen Krankenkasse, bezahlt werden müssen. Drittens - das auch an die Adresse der FDP gerichtet -: Den Koalitionsvertrag zu den Bereichen Gesundheit und medizinische Versorgung in Bayern haben wir, Herr Dr. Bertermann, gemeinsam formuliert. Wir haben auch gemeinsam formuliert: Wenn die Verheissungen der Reform des Gesundheitsfonds - ich gehe jetzt auf den Finanzierungsteil ein - nicht eintreten, werden wir gemeinsam eine grundlegende Überarbeitung dieser Reform, insbesondere auch der Finanzreform vornehmen und auf den Weg bringen und dann auch versuchen, das in Berlin auf Bundesebene umzusetzen. Diesbezüglich halte ich den Entschließungsantrag zur Honorarreform, der heute im Ministerrat beschlossen worden ist, für sehr wichtig; denn wenn wir auf die Fachärzte blicken, wissen wir ganz genau, dass bei den Fachärzten insbesondere hinsichtlich der Honorare eine große Unzufriedenheit entstanden ist.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte darauf eingehen, wo denn die Probleme im Moment exakt liegen. Wenn man sich das genau ansieht und in die Honorarreform einsteigt, stellt man schon erstaunt fest, dass gerade diejenigen Fachärzte, die einen hohen technischen Aufwand haben, die größten Honorarkürzungen zu verkraften haben. Wenn ich an den Reformprozess zurückdenke, kann ich mich daran erinnern, dass Ulla Schmidt immer gesagt hat, die doppelte Facharztschiene in Deutschland sei überflüssig. Das spüren sie jetzt in der Honorarreform. Immer war ja gewollt, dass der Hausarzt als der Erstversorger, als der Lotse durch das Gesundheitssystem eine stärkere Bedeutung erfährt und dass auf der anderen Seite die Facharztschiene ausgedünnt wird. Das merken wir genau anhand dieser Honorarreform - ein Schelm, wer schlechtes bei dieser Honorarreform denkt -, die durchaus auch ein Stück weit politisch gelenkt wird - das möchte ich dazu auch ganz klar sagen.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Aber doch von der Großen Koalition, oder?)

- Frau Sonnenholzner, das sollten Sie sich ruhig einmal kritisch anhören. Ich meine, dass es wichtig ist, dass wir uns mit den Problemen intensiv beschäftigen und in die Probleme auch wirklich einsteigen.

Gleichzeitig möchte ich an die Fachärzte in Bayern gerichtet ganz klar sagen: Der Streit um die Honorarreform, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, darf nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich halte es schlicht für nicht akzeptabel, wenn man sich, so wie das jetzt von der freien Wohlfahrtspflege auch thematisiert worden ist, weigert, Hausbesuche in Alten- und Pflegeheimen zu machen - ich weiß schon auch, dass es hierfür so gut wie kein Honorar mehr gibt. Auch das möchte ich ganz klar sagen. Hier geht es um hilflose, um wehrlose Menschen, um oft multimorbide Menschen, die dement sind. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, Ihre Proteste nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen; denn das haben die wehrlosen Patienten wahrhaftig nicht verdient, und sie können damit auch nichts anfangen.

Wenn man heute die Zeitung aufschlägt, liest man von Honorareinbußen in Höhe von 30 bis 50 %. Ich möchte ganz klar sagen, dass unser Gesundheitsminister Markus Söder in einer Verhandlung mit der Kassenärztlichen Vereinigung und mit den Krankenkassen vereinbart hat - und diese stehen dafür gerade -, dass das Honorar nicht um mehr als 5 % absinken darf. Dazu muss man aber auch sagen: Die Fachärzte wollen mehr; sie wollen eine Steigerung, nicht aber eine Minderung ihres Honorarvolumens haben. Dafür habe ich durchaus Verständnis - das ist keine Frage. Ich meine aber, dass es nicht um Minderungen zwischen 30 und 50% gehen kann. Deswegen fordere ich ein Stück weit mehr wirklichkeitsnahe öffentliche Diskussion ein.

Für mich ist wichtig - da möchte ich doch noch einmal auf den Ministerratsbeschluss eingehen -, was derzeit gerade hinsichtlich der Facharztvergütung gilt. Bei den Hausärzten haben wir auch Pauschalen. Wir wissen, das Pauschalen nicht leistungsgerecht sind und das Pauschalen qualitätsfeindlich sind. Ich meine vor diesem Hintergrund, dass die Pauschalen gerade im Facharztbereich noch einmal überdacht und überarbeitet werden müssen, denn es handelt sich um einen deutschlandweiten Einheitspreis, der mit Sicherheit nicht zu Qualitätssteigerungen führt.

Ein weiterer Punkt betrifft die Strukturverträge. Ich führe § 136 an, der letztes Jahr am 14. November 2008 aufgrund eines Bundesratsantrags geändert worden ist.

Hier werden die notwendigen Spielräume geschaffen, um den kassenärztlichen Vereinigungen die Möglichkeit zu eröffnen, Strukturverträge abzuschließen; denn hier wird die Qualität der Versorgung unserer Patienten verbessert. Gesetzlich ist das im geänderten § 136 SGB V geregelt worden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ein weiteren Punkt, den ich noch anführen möchte, sind die regionalen Spielräume. Auch in § 87 SGB V ist gesetzlich festgehalten, dass es regionale Spielräume geben muss. Das muss vom gemeinsamen Bewertungsausschuss umgesetzt werden. Nach § 87 hat der Bewertungsausschuss jährlich bis zum 31. August Indikatoren zur Messsung der regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur festzulegen, auf deren Grundlage in den regionalen Punktwertvereinbarungen dann abgewichen werden kann. Diese Spielräume müssen vom Bewertungsausschuss mit Leben erfüllt werden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Deswegen kann ich zu den Vertretern des Bewertungsausschusses nur sagen: Gehe zurück zum Ausgangspunkt und nutze die Spielräume, die gesetzlich geschaffen worden sind. Die Bayerische Staatsregierung, aber natürlich auch wir Parlamentarier haben dafür gekämpft, dass diese regionalen Spielräume in das Gesetz aufgenommen werden. Sie müssen mit Leben erfüllt werden. Deshalb muss der Bewertungsausschuss, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal von vorne anfangen, damit die regionalen Spielräume für ein gerechtes Honorar für unsere Fach- und Hausärzte tatsächlich eröffnet werden.

(Beifall bei der CSU und der FPD)

Danke schön, Frau Kollegin Stewens. Als nächste hat Frau Kollegin Kathrin Sonnenholzner das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Kollegen und Kolleginnen! Frau Kollegin Stewens, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie das am Schluss in dieser Deutlichkeit gesagt haben. Ich sage in der gleichen Deutlichkeit dazu: Die Verwerfungen, die es gibt und die im Übrigen auch Herr Kollege Bertermann sehr versteckt, aber doch angesprochen hat, sind nicht Verwerfungen, die die Politik zu verantworten hat, sondern sind Verwerfungen, die die ärztliche Selbstverwaltung zu verantworten hat. Dort möchte ich diese Diskussion auch geführt haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zum Thema: Schluss mit der Planwirtschaft, für eine bürgernahe Versorgung mit Haus- und Fachärzten.

Das beeindruckt tatsächlich, Herr Kollege Bertermann. Ihre Ausführungen waren aber für die Kolleginnen und Kollegen oben auf der Tribüne nicht dazu angetan, die Fortbildung zu einer qualifizierten Fortbildung im Sinne der ärztlichen Fortbildungsordnung werden zu lassen. Das darf ich an dieser Stelle genauso klar sagen.

(Beifall bei der SPD)

Zum einen haben Sie aus dem Vorspann eines Antrags Ihrer Bundestagsfraktion vorgelesen. Zum anderen ist auch das interessant, was Sie uns zu Ihren Plänen für eine bürgernahe Versorgung und zum Thema Schluss mit der Planwirtschaft nicht gesagt haben. Das, was Sie wollen und was Sie hier mit dem schönen Wort Patientenautonomie umschreiben, ist doch eine kapitalfinanzierte Krankenversicherung. In Worten ist das die Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit stellen Sie einen Grundkonsens unserer Gesellschaft in Frage, der seit weit über hundert Jahren gut funktioniert hat. Ich kann Ihnen dazu nur eines sagen: Kapitaldeckung ausgerechnet in Zeiten der Finanzkrise einführen zu wollen, ist nicht mutig, sondern in meinen Augen Wahnsinn.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind sicher, dass das vor dem 27. September 2009 keine Mehrheit im Deutschen Bundestag finden wird. Wir sind auch sicher, dass Ihre Pläne nachher nicht umgesetzt werden. Was würde denn dann passieren? Entweder steigen die Beiträge und die Leistungen, oder Sie kürzen den Leistungskatalog auf eine Grundversorgung herunter. Nach der Patientenautonomie kann sich dann jeder oder jede zusätzlich weiter versichern. Wir hätten dann eine Zwei-Klassen-Medizin par excellance. Sehen Sie einmal in den Landessozialbericht. Dort können Sie den Zusammenhang zwischen dem finanziellen Einkommen und der Gesundheit bzw. der Krankheit erkennen. Dieser Bericht müsste Sie eigentlich zum Umdenken bringen. Sie machen hier eine Politik für maximal 2 oder 3 % der Bevölkerung, nämlich für die Groß- und Größtverdiener.

(Beifall bei der SPD)

Die restlichen Leute, die Ihnen ihre Stimme geben würden, werden wir darüber aufklären, was Ihre Politik für das Gesundheitswesen bedeuten würde. Nun könnte man sagen, dass Sie sich zum Anwalt der Ärzte machen. Allerdings wäre diese Politik auch für die Ärzte ein Irrweg. Sie glauben doch nicht, dass mit dieser Art der Finanzierung auch nur ein Arzt mehr Geld in der Tasche hätte. Vielmehr würden die Praxen reihenweise schließen, weil in der Folge natürlich nicht jeder Arzt für alle seine Patienten das bekommen wird, was er früher für die Privatpatienten erhalten hat. Diese Politik würde das Gesundheitssystem und die Versorgung der Men

schen ruinieren. Die Ärzte würden in ihrem Einkommen massiv beschnitten und in ihrer Existenz gefährdet.

In Bayern stehen 280 Millionen Euro mehr für die ärztliche Versorgung zur Verfügung. Ich wüsste gerne diese Frage richtet sich nicht an die Politik, weder im Land noch im Bund -, wo diese 280 Millionen Euro sind. Dies entspricht einer Summe von durchschnittlich 12.000 Euro pro Praxis. Frau Kollegin Stewens, Sie haben auf die regionalen Spielräume hingewiesen. Diese müssen ausgenützt werden. Für eine Panikmache ist jetzt aber nicht der richtige Zeitpunkt.