Protocol of the Session on June 20, 2013

Wir haben es bei den Beratungen gespürt: Raumordnung und Raumbezugsfragen betreffen unterschiedlichste, notgedrungen widerstreitende Interessen und Interessengruppen. Ein Beispiel ist der Lebensmitteleinzelhandel. Die kleineren Kommunen haben immer wieder gefordert, Lockerungen bei neuen Einrichtungen im ländlichen Raum vorzunehmen. Viele andere haben dagegen eine strikte Eindämmung gefordert.

Wer sich damit näher beschäftigt, dem wird klar: Alle Auswirkungen derartiger Entscheidungen auf Handel und Handwerk vor Ort und auf das Ortsbild können nur die Menschen vor Ort bewerten und entscheiden. Darum ist es richtig, diese Entscheidungen vor Ort zu treffen und verstärkt zu kommunalisieren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der Rahmen des LEP ist völlig klar. Ein großflächiger Einzelhandel hat in städtebaulich integrierter Lage zu erfolgen. Kleine Gemeinden können maximal 1.200 Quadratmeter neu ausweisen.

Ich nenne ein anderes Beispiel. Wie oft haben die Bürgermeister darüber geklagt, dass neue Industriebetriebe zwingend an ein Siedlungsgebiet angebunden werden müssen! Aber dies war die einzige Möglichkeit, einen Betrieb im ländlichen Raum zu halten oder zu einer Erweiterung zu bringen. Die Konflikte zwischen Anwohnern und Industrie waren vorprogrammiert. Sie sind zuweilen erbittert geführt worden. Da muss es Ausnahmemöglichkeiten geben, wenn die Bürger vor Ort, die Kommunalpolitik und die Baugenehmigungsbehörde eine andere Lösung favorisieren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der Rahmen des LEP sagt auch für die Zukunft, dass neue Siedlungsflächen anzubinden sind. Auch in Zukunft wird es keine wilde Zersiedelung geben. In Bayern wird auch zukünftig der Grundsatz gelten: Innenentwicklung vor Außenentwicklung und so wenig Flächenversiegelung wie möglich. Das alles steht im LEP. Aber Ausnahmen sind für die Entscheider eben möglich, wenn Logistik oder großflächige, produzierende oder emittierende Betriebe besser an Fernverkehrsstraßen angebunden sind als an Siedlungen oder Dörfer. Auch an den Tourismus ist zu denken. Erweiterungen bestehender Standorte müssen möglich sein, um die touristische Infrastruktur weiter voranbringen zu können.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Die Beispiele zeigen: Wir setzen auf die Kommunalisierung, auf das Subsidiaritätsprinzip. Was auf der kommunalen Ebene besser entschieden werden kann, soll dort entschieden werden.

Ich komme zu der großen Überschrift "Landesentwicklung". Die Entwicklung des Landes findet nicht in erster Linie dann statt, wenn große Programme geschrieben werden, sondern vor allem dann, wenn Menschen anpacken, Herausforderungen erkennen, ihre Ideen umsetzen und Projekte ganz konkret angehen. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen dazu zu motivieren und sie in die Lage zu versetzen, sich etwas aufzubauen, und ihnen Chancen zu bieten.

Die Landesentwicklung hat die Aufgabe, dafür die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen und Hürden und Gängelungen möglichst aus dem Weg zu schaffen. Wir sind bereit, noch viel mehr Verantwortung und Entscheidungsspielraum auf die bürgernahe Ebene zu verlagern. Es geht darum, Kräfte zu entfesseln, um die Entwicklung des Landes im 21. Jahrhundert schwungvoll weiterzuführen. Der ländliche Raum muss in der Zukunft über sein Schicksal mehr entscheiden können. Das bedeutet nicht, sich aus der Verantwortung zu stehlen, und schon gar nicht, Kosten für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse abzuwälzen.

Die finanziellen Möglichkeiten für eigenverantwortliches Handeln auf kommunaler Ebene müssen selbstverständlich gegeben sein. Auch daran arbeitet diese Staatsregierung mit Erfolg. Beispielsweise entwickelt sich der kommunale Finanzausgleich in die richtige Richtung.

Das Kernziel des Landesentwicklungsprogramms ist und bleibt, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen im ganzen Land zu schaffen, gerade auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels.

Ich zitiere aus dem LEP. Wir wollen den Bürgern unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu Arbeit, Bildung, Versorgung mit allen notwendigen Gütern und Dienstleistungen sowie Wohnraum und Erholung ermöglichen. Wir wollen dazu vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ein flächendeckendes Netz von Einrichtungen und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge – wie Kitas, Schulen, Hochschulen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Kultur- und Sporteinrichtungen – sicherstellen, die in angemessener Zeit zu erreichen sind. Das ist eine Grundüberzeugung und ein Arbeitsauftrag für viele Jahre, vielleicht Jahrzehnte.

In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, das Vorhalteprinzip des LEP zu nennen, das der Versorgung der Bevölkerung mit den genannten Einrichtun

gen den Vorrang vor wirtschaftlichen Auslastungserfordernissen gibt. Das ist ein Versprechen, auf das sich alle Bürgerinnen und Bürger in der Zukunft berufen können.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Bei den Beratungen im federführenden Ausschuss haben wir festgestellt, dass diesen Grundsatz nicht alle im Hohen Haus teilen. Als Beispiel nenne ich die GRÜNEN. Umso wichtiger ist es, diesen Grundsatz entsprechend zu bestätigen und dafür einzutreten. Die GRÜNEN haben zum demografischen Wandel den Antrag gestellt, unter anderem bei mit öffentlichen Mitteln geförderten Infrastrukturinvestitionen die wirtschaftliche Tragfähigkeit unter den Bedingungen des demografischen Wandels zu beachten. Was heißt das auf Deutsch? Das heißt, wenn die Einrichtungen nur wenigen Menschen nutzen, müssen sie nicht erhalten werden.

Dazu passt der Kurs der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg, wo der Finanzminister sagt, es sei nicht so schlimm, wenn der eine oder andere Landwirt aufhört; dann könne auch einmal ein Tal im Schwarzwald zuwachsen. Dazu passt es, dass Sie die Verfassungsänderung ablehnen und den Antrag gegen Behördenverlagerungen, zum Beispiel nach Schwaben, stellen. Das war ja erst vor Kurzem so. Sie wollen also nicht in allen Teilräumen gleichwertige Lebensbedingungen für die Menschen haben. Aber wir treten dafür in besonderer Weise ein. In Bayern wird kein Landstrich aufgegeben. Das bleibt auch in der Zukunft so.

Im Gegenteil, wir setzen auf die Entwicklung der Potenziale in allen Teilregionen. Das haben wir in unserem Antrag zum LEP noch einmal sehr deutlich formuliert. Wir wollen verstärkten Ballungstendenzen entgegenwirken, die Metropolen nicht durch ständig steigende Bevölkerungszahlen überfordern und die Zuwanderung nach Bayern möglichst in allen Teilräumen ankommen lassen.

Gerade in Gebieten mit besonderen demografischen Veränderungen gilt es, Abwanderung zu minimieren und die Stärken der Teilräume besonders zu fördern, auch um Zuzug zu steigern.

(Zurufe des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Wir haben heute gemeinsam beschlossen, gleichwertige Lebensverhältnisse als Grundsatz in die Verfassung aufzunehmen. Die Staatsregierung betreibt in diesem Sinne eine engagierte Regionalentwicklung. Wenn Sie fragen, wie das geschehen soll, dann empfehle ich Ihnen zum Beispiel, den Aktionsplan "De

mografischer Wandel" zu lesen. Da finden Sie konkrete Anweisungen, wie in den einzelnen Bereichen vorgegangen werden muss.

(Anhaltende Zurufe des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Alle konkreten Projekte vor Ort werden nicht nur unterstützt, sondern vonseiten der Staatsregierung auch als Aktivprojekte angestoßen. Ich kann Ihnen als Oberfranke aus den letzten Jahren berichten, dass neue Bildungs- und Forschungseinrichtungen von der Staatsregierung angestoßen worden sind. Ich habe selbst konkrete Projekte im Landkreis Wunsiedel auf den Weg gebracht. Die Unterstützung durch die Staatsregierung hat nicht auf sich warten lassen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Es entstehen neue Einrichtungen. Eine neue Forschungseinrichtung ist im Bau. Eine neue Akademie wird betrieben. Die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis Wunsiedel ging in den letzten Jahren stetig aufwärts.

Die Zahl der Arbeitsplätze nimmt zu. Die Arbeitslosenquote hat sich bestens entwickelt. Auch die Bevölkerungsentwicklung verbessert sich seit dem Jahr 2009 entgegen den negativen Prognosen ständig.

Ich komme auf das Prinzip der zentralen Orte zu sprechen.

(Zurufe von der SPD)

Lassen Sie ihn bitte weiterreden.

Nach der Sommerpause werden wir daran im Rahmen einer Teilfortschreibung weiterarbeiten.

(Inge Aures (SPD): Sie nicht mehr, dann regieren wir!)

Sie haben ein seltsames Verständnis von Parlamentarismus, Frau Kollegin, wenn Sie davon ausgehen, dass in den Ausschüssen nur eine Partei weiterarbeiten wird. Wir werden das abwarten.

Wir haben in einem Antrag gefordert, am Prinzip der zentralen Orte weiterzuarbeiten. Die zentralen Orte werden in Zukunft wahrscheinlich eine noch wesentlich größere Bedeutung haben. Es kommt darauf an, wie sich die Menschen die Gestaltung des demografischen Wandels vorstellen. Mit Sicherheit sind manche der 60 Anträge auf Aufstufung zu Mittelzentren berechtigt. Ich sehe Bürgermeister aus dem Landkreis Kulmbach,

(Inge Aures (SPD): Und Bayreuth!)

die gute Argumente vorgetragen haben und die zu gegebener Zeit zu würdigen sind. Bei jeder Entscheidung geht es darum, die Funktionsfähigkeit der bestehenden zentralen Orte zu erhalten, aber auch Versorgungsstrukturen in erreichbarer Nähe zu schaffen bzw. zu erhalten.

(Zurufe von der SPD)

Eine weitere sehr zentrale Festlegung im LEP ist das Vorrangprinzip. Auch darauf möchte ich kurz eingehen. Hierbei geht es um die Teilräume mit besonderem Handlungsbedarf. Wenn dieses Prinzip auch in der Zukunft konsequent angewandt wird, schaffen und bewahren wir gleichwertige Lebens- und Arbeitsverhältnisse in unserem Bayernland. Sicher bedeutet es eine sehr große Herausforderung, auch in Zukunft Wachstum und dynamische Entwicklung in allen Landesteilen voranzubringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns stets um eine konstruktive Beratung des LEP und aller Anträge bemüht. Wir hätten uns auch die eine oder andere frühere Beratung im Landtag und eine Anhörung der Kommunen außerhalb der Ferien gewünscht.

(Zurufe von der SPD: Aha! - Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Ich gebe zu, es ist nicht ganz einfach, wenn man um jeden Satz, den man ergänzen will, aufwendig verhandeln muss. Damit haben wir alle unsere Erfahrungen gemacht. Aber ich danke allen Kollegen und Kolleginnen, die sich hieran konstruktiv beteiligt haben, und auch der Abteilung Landesentwicklung im Wirtschaftsministerium. Nach intensiven Beratungen ist heute ein Ergebnis zu präsentieren, das eine gute Ausgangslage für die Zukunft bietet und an dem weitergearbeitet werden wird. Die CSU sagt jedenfalls Ja zum neuen LEP.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schöffel. Ich bitte Sie um Einverständnis, dass wir die Frist zur Stimmabgabe schon bei der ersten namentlichen Abstimmung, die demnächst ansteht, auf drei Minuten festsetzen. Einverstanden? – Dann gehen wir so vor. Bitte schön, Herr Kollege Muthmann, Sie sind der nächste Redner.

(Vom Red- ner nicht autorisiert) Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Staatsminister! Immer wieder behandeln wir das Thema LEP. Ich will heute noch ein

mal die Gelegenheit nutzen, aus Sicht unserer Fraktion zum Anlass, das heißt zum Zeitpunkt der Beratungen, zum Verfahren und zum Inhalt des heute zur Beschlussfassung anstehenden LEP ein paar grundsätzliche Anmerkungen zu machen.

Als Erstes komme ich auf den Anlass zu sprechen. Das LEP vorzustellen, ist Aufgabe der Staatsregierung. Das ist Ihre Chance. Diese haben Sie leider in keinerlei Hinsicht nutzen können. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass wir erst heute früh bei der Beratung über die Verfassungsänderungen auch das im Gesetzentwurf festgelegte Ziel der Förderung gleichwertiger Lebensbedingungen auf den Weg gebracht und beschlossen haben, dieses in der Bayerischen Verfassung zusätzlich und berechtigterweise zu verankern. Bei der Verwirklichung dieser verfassungsrechtlichen Zielsetzung ist das Landesentwicklungsprogramm das zentrale und klassische Instrument, das Steuerungsinstrument für alle staatlichen Behörden und alle öffentlichen Stellen.

Das LEP ist bei Bedarf fortzuschreiben. Daran hat sich auch mit dem neuen Landesplanungsgesetz nichts geändert. Die CSU hat schon im Jahr 2006 einen Bedarf der Fortschreibung gesehen. Am 6. Juli 2006 wurde die Staatsregierung mit der Drucksache 15/5958 aufgefordert, das Landesentwicklungsprogramm grundlegend zu überprüfen, und vor allem bekanntermaßen gebeten, das System der zentralen Orte zu überarbeiten, weil es schon vor sieben Jahren als nicht mehr aktuell und zeitgemäß, sondern als überarbeitungsbedürftig galt. Es hat bis zum Sommer des letzten Jahres gedauert, dass wir überhaupt ein LEP bekommen haben, ohne dass das System der zentralen Orte, das seit 2006 überarbeitungsbedürftig ist, auch nur angetastet wurde.

Sehr geehrter Herr Staatsminister Zeil, letzte Woche haben Sie in Ihrer Regierungserklärung über die Wirtschaftspolitik zugegebenermaßen ein paar erfreuliche Zahlen für die Jahre 2012 und 2013 präsentiert. Aber hier und heute hätten Sie die Chance und auch die Verpflichtung gehabt, ein Bild für die Entwicklung Bayerns nicht nur für diese zwei Jahre, sondern bis in das Jahr 2025 oder auch 2030 hinein zu präsentieren und zu erläutern. Sie haben auf das Leitbild hingewiesen. Herr Kollege Schöffel hat uns gerade einen Textteil zu diesem Leitbild aus dem LEP vorgelesen. In dieser Hinsicht sind wir uns meiner Einschätzung nach weitgehend einig, wie wir uns die bayerische Entwicklung vorstellen. Aber darin besteht ja noch nicht die Lösung, sondern das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Die Klärung im LEP fehlt völlig. Notwendig wäre eine Darstellung gewesen, wie, auf welchem Wege und mit welchen Instrumentarien Sie diese Entwicklung Bayerns tatsächlich erreichen. Darüber hätte man intensiv

diskutieren müssen und vor allem dann gemeinsam ein LEP verabschieden sollen, das die Frage beantwortet, wie wir unsere Vorstellung von Bayern und der Entwicklung in Bayern in den nächsten 15 Jahren verwirklichen. Stattdessen besteht der heutige Anlass der Beratung in einem Durchpeitschen vor einem Wahltermin. Eine solche Verpflichtung gibt es nicht, noch nicht einmal im Koalitionsvertrag. Ihnen geht der Zeitdruck vor Qualität.