Ein ehrliches Monitoring, das Sie uns immer als Erfindung der CSU verdeutlichen, benennt die Baustellen klar und deutlich. Wenn die Baustellen klar und deutlich benannt sind – und sie sind doch auf dem Tisch -, dann geht man an die Lösungen heran. Man sucht
nach tragfähigen Lösungen und überlegt gemeinsam, wie man das Gymnasium für die nächsten 20, 30 Jahre wieder in ruhiges Fahrwasser bringt. Das müssen und werden wir gemeinsam mit der linken Seite des Parlaments hinbekommen, also mit den Parteien der heutigen Opposition. Ich bin sicher, alle, die auf dieser Seite sitzen, haben genügend Potenzial und genügend Gemeinsamkeiten, das auf die Schiene zu setzen. Wir werden beweisen, dass wir Schulpolitik besser können und zum Wohle der Kinder auch entsprechend umsetzen.
Bevor ich Herrn Gehring das Wort gebe, darf ich mit Freude Herrn Kollegen Sackmann nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit an seiner alten Wirkungsstätte begrüßen und ihm alles Gute wünschen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über fast das gleiche Thema wie am letzten Donnerstag. Weil sich zumindest bei uns GRÜNEN seitdem nicht so viel verändert hat und die bayerische Schullandschaft noch die gleiche ist,
will ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten etwas aus meiner letzten Rede zitieren. Ich habe gesagt – ich sage es heute mit mehr Betonung denn je -, dass wir kein Gymnasium mehr wollen, das Druck macht, sondern ein Gymnasium, das Mut macht, das die anfängliche Begeisterung der Schülerinnen und Schüler für das Lernen erhält und nicht das bloße Pauken und die Wiedergabe von Lerninhalten in den Mittelpunkt stellt. Deswegen wollen wir eine neue Lern- und Leistungskultur aufbauen, die ein besseres Lernen und eine individuelle Förderung in den Mittelpunkt stellt. Wir werden das Gymnasium zusammen mit den Praktikern weiterentwickeln, die trotz der anderslautenden Politik aus München oft schon vor Ort gute Modelle entwickelt haben. – Mit dieser Aussage werden wir in die Wahlauseinandersetzung gehen, und ich bin davon überzeugt, dass wir sie im Herbst auch Realität werden lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kuschelrunden des letzten Jahres - zunächst bei Herrn Minister Spaenle und dann beim Herrn Ministerpräsidenten
Seehofer - zum Thema Gymnasium, die Ruhe in die Debatte bringen sollten, haben das eben nicht erreicht. Sie haben diese Ruhe nicht gebracht; die Unzufriedenheit ist nach wie vor hoch, und die Baustellen sind nicht geschlossen. Da haben die FREIEN WÄHLER mit dem Titel ihrer Aktuellen Stunde wirklich recht.
Das beste Beispiel ist das berühmte Flexibilisierungsjahr. Man versteht es einfach nicht. Ich will mich selber gar nicht als Maßstab nehmen. Ich bin eher einer von der langsamen Denkersorte. Aber wenn ich mich mit Lehrerinnen und Lehrern, mit Schulleitern und Eltern unterhalte, dann erfahre ich, dass diese nicht verstehen, wie das geht, und nicht sehen, mit welchen Mitteln und Instrumenten dies umgesetzt werden soll.
Da geht es einem dann wie beim IKEA-Regal. Wenn man schon die Gebrauchsanweisung nicht versteht, die Schrauben nicht passen und die Teile nicht zusammenpassen, dann wirft man es schließlich in die Garage und irgendwann später auf den Wertstoffhof. So wird es mit dem Flexi-Jahr auch sein.
Es geht tatsächlich um die individuelle Lernzeit. Individuelles Lernen heißt nicht, dass die einen ein Jahr länger brauchen und die anderen entsprechend weniger lang, sondern dass sie wirklich individuell ist. Jeder hat sein eigenes Lerntempo. Es gibt Modelle, die zeigen, wie individualisiertes Lernen möglich ist. Damit braucht man aber auch eine individuelle Leistungserhebung; denn nicht alle sollten dann zur gleichen Zeit das Gleiche wissen müssen. Auch brauchen wir individuelle Lernpläne. Wir brauchen also keine Lehrpläne mehr, sondern Lernpläne.
Damit steht eine große Aufgabe vor uns. Wir müssen das Gymnasium so umgestalten, dass es dort tatsächlich um ein Lernen in Zusammenhängen geht; denn man kann den Sinn der Welt nur erkennen, wenn man auch in Sinnzusammenhängen lernt und nicht wie heute oft in einer sinnlosen Aneinanderreihung von einzelnen Fächern und einzelnen Stunden.
Nun muss ich doch noch ein paar Sätze zu den lieben Kolleginnen und Kollegen der FREIEN WÄHLER sagen, weil ich glaube, dass man unter politischen Freunden Dinge manchmal offen und ehrlich ansprechen muss.
Erstens. Sie wollen jetzt ein Volksbegehren durchführen. Sie wissen alle, dass Volksbegehren nicht haushaltsrelevant sein dürfen. Da frage ich mich schon: Wie wollen Sie eine Doppelstruktur von G 8 und G 9, die unweigerlich mehr Mittel erfordert, haushaltsneutral gestalten? Wollen Sie die schlechte Unterrichtsausstattung dann auf ein G 8/G 9 ausweiten, sodass aus der schlechten Ausstattung eine grottenschlechte wird?
Zweitens bin ich schon ein bisschen erschrocken, als ich heute in der Zeitung das Zitat des Kollegen Felbinger gelesen habe, die FREIEN WÄHLER hätten noch kein Konzept. – Ich bin nicht erschrocken, weil die FREIEN WÄHLER noch kein Konzept haben.
Vielmehr ging es mir darum, dass Sie gesagt haben, Sie hätten noch kein Konzept, Sie wollten jetzt ein Volksbegehren und dann überlegen, wie man es macht. Da muss ich sagen: Damit nehmen Sie das Instrument eines Volksbegehrens oder Volksentscheids nicht ernst.
(Beifall bei den GRÜNEN - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das war bloß eine Finte, um euch in die Falle zu locken!)
"Volksbegehren" heißt: Aus der Bürgerschaft wird ein Konzept, ein Gesetzentwurf, entwickelt, und das Volk tritt dann als Gesetzgeber auf. Das ist etwas anderes als das, was Sie vorhaben.
Und schließlich: Wir wissen auch von unseren Kollegen aus Baden-Württemberg, dass genau diese Doppelstruktur für die kleinen Schulen auf dem Land nicht umsetzbar ist. Ich muss hier einfach sagen: Hier versagen die FREIEN WÄHLER als Anwälte der Bildungspolitik für den ländlichen Raum.
(Beifall bei der CSU und der FDP - Hubert Aiwan- ger (FREIE WÄHLER): Wenn das das einzige Argument von euch ist, kriegen wir das gebacken! Georg Eisenreich (CSU): Bleibt ruhig!)
- Ruhe. Kollege Eisenreich, man kann noch so oft "Ruhe!" brüllen; wenn es im Saal unruhig ist, wird man keine Ruhe herstellen. Ruhe erhält man nur durch eine Reform des G 8.
Das G 8 ist tatsächlich kein Ruhmesblatt. Ich warne auch vor Illusionen, dass wir es mit dem G 9 gut hinbrächten. Das G 9 hat nicht gut funktioniert: hohe Sitzenbleiberquoten, hoher Unterrichtsausfall.
Wir möchten im Sinne des Philosophen Richard David Precht, der in der "Zeit" einen Artikel geschrieben hat, sagen: Wir müssen das Gymnasium auf den Kopf stellen. Das Gymnasium soll sich an den Köpfen und Seelen der Schülerinnen und Schüler orientieren, und es soll nicht so sein wie heute, wo sich die Köpfe und Seelen der Schülerinnen und Schüler am gymnasialen Lehrplan und an der Notenverordnung des Kultusministeriums orientieren müssen.
Ein letzter Satz, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir brauchen bei der Reform des Gymnasiums allen Einsatz für ein Thema, nämlich für einen mutigen Schritt nach vorn und nicht für ein "Zurück auf ‚Los’".
Vielen Dank, Herr Kollege Gehring. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Will. Bitte sehr, Frau Kollegin.
Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat haben wir dieses Thema am letzten Donnerstag schon diskutiert. Ich schließe mich jetzt den Worten von Herrn Gehring an: Schon letzte Woche war ich sehr verwundert darüber, dass die FREIEN WÄHLER mit ihrem Antrag die Staatsregierung auffordern wollten, ein Konzept zu entwickeln, und heute kommen sie mit dem Volksbegehren, das sie in ihrem Landesvorstand und in ihrer Fraktion besprochen haben.
Haben Sie denn dort auch ein Konzept vorgelegt? Was haben Sie denn in Ihrer Fraktion und im Landesvorstand besprochen?
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist auf alle Fälle schon detaillierter als das Durcheinander beim jetzigen G 8!)
Ihnen geht es doch jetzt nur darum, ein populistisches Wahlkampfthema zu finden, auf das man aufspringen kann. Herr Gehring hat vollkommen zu Recht gesagt: Das ist haushaltsrelevant. Wir schauen nicht zurück. Wir schauen nach vorn.