Protocol of the Session on February 12, 2009

Jetzt hat der Kollege Walter Taubeneder das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie heute die Zeitung aufschlagen, kommt Ihnen viel Lob entgegen. Die bayerischen Kommunen jubeln, es sei ein guter Tag für sie. Das sagt sogar einer, der sonst mit Lob eher geizt, nämlich Oberbürgermeister Schaidinger aus Regensburg, der Chef des Bayerischen Städtetags. Er sagt, wir hätten Gipfel bestiegen, die als nicht besteigbar galten. Herr Pfaffmann, er sagt auch Danke dafür und er lobt ausdrücklich unseren Ministerpräsidenten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ohne Zweifel liegt im flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen in allen Schularten ein wesentlicher Beitrag zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung des bayerischen Bildungswesens. Darin sind wir uns alle einig. Durch Ganztagsschulen können Schülerinnen und Schüler individuell gefördert werden. Ganztagsschulen bringen mehr Chancengerechtigkeit. Sie ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das haben wir heute Vormittag schon gehört.

Die SPD erklärt in ihrem Antrag, Ganztagsschulen seien keine kommunale, sondern im Rahmen der Zuständigkeit der Länder eine staatliche Aufgabe. Sie wissen natürlich ganz genau, dass mit der Länderzuständigkeit nur das Verhältnis zwischen Bund und Ländern gemeint ist. Innerhalb der Länder gibt es andere Zuständigkeiten. Sie haben sich schon vorher auf Artikel 83 der Verfassung berufen, der die Zusammenarbeit von Staat und Kommunen regelt. Übrigens hat diese Zusammenarbeit sehr viele Jahrzehnte bestens geklappt.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch noch einmal darauf hinweisen, dass die Ganztagsbetreuung auch in § 24 SGB VIII erwähnt wird, wonach im Rahmen der Jugendhilfe auf ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege hingewiesen wird.

Mit der Entscheidung von gestern, offene und gebundene Ganztagsschulen einander anzugleichen, ist eine wichtige und - darin, glaube ich, sind wir uns einig richtige Entscheidung gefallen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Nach der klaren Aufgabentrennung übernehmen die Kommunen den zusätzlichen Sachaufwand und leisten einen pauschalen Personalkostenzuschuss von 5000 Euro pro Klasse und Gruppe. Damit sind die Kommunen einverstanden. Sie haben sich darüber nicht beschwert.

Nun zum Ausbau der Ganztagsschulen. Er wird weiter dynamisch vorangetrieben. Bis Ende der Legislaturperiode wird es an 540 Grundschulen, an 600 Schulen, an allen Förderzentren und an allen fünften und sechsten Klassen der Realschulen und Gymnasien Ganztagszüge geben. Zudem möchte ich herausstellen, dass die Mittagsbetreuung zwischen 14 Uhr und 15.30 Uhr oder sogar 16 Uhr deutlich ausgeweitet wurde und wird. Ein wichtiger Bestandteil der Ganztagsschule ist auch die Mittagsverpflegung. Auch hierüber wurde mit den Kommunen eine hervorragende Einigung erzielt. Freistaat und Kommunen werden für das Mittagessen je 200 Euro pro bedürftiges Kind und Jahr ausgeben. Ich bin sehr dankbar für diese Entscheidung, denn die abgesprochene Lösung ist ein wichtiger Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass gerade bildungsbenachteiligte junge Menschen, denen der Besuch der Ganztagsschule zusätzliche Chancen bringen würde, dort nicht angemeldet werden können, weil die Eltern das Mittagessen an der Schule nicht zahlen können. Abschließend möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: Auch in Zukunft wird kein Schüler zum Besuch einer Ganztagsschule verpflichtet oder gar gezwungen werden.

Nun noch ein paar Worte zur Konnexität. Es gibt oft Probleme zwischen dem Staat und den Kommunen. Als Bürgermeister habe ich das auch oft miterlebt und das auch sehr kritisch gesehen. Nicht so ist es aber im Falle der Ganztagsschulen. Die Kommunen haben gestern deutlich gesagt, sie würden es anerkennen, dass Ganztagsschulen bedarfsgerecht eingerichtet werden sollen und dass der Besuch nicht verpflichtend ist. Das heißt die Antragsteller bleiben auch in Zukunft die Kommunen. Die finanzielle Abwicklung erfolgt nach dem FAG.

Meine Damen und Herren von der SPD, das Ergebnis des gestrigen kommunalen Bildungsgipfels hat Ihrem Antrag die Grundlage entzogen. Er ist nicht mehr notwendig. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Dringlichkeitsantrag.

(Beifall bei der CSU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass zum SPD-Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/518 von der SPD namentliche Abstimmung beantragt worden ist.

Wir kommen nun zum nächsten Redner. Das Wort hat Herr Prof. Dr. Georg Barfuß.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Konnexitätsprinzip ist wohl der Anlass für diesen Antrag gewesen. Es soll die Kommunen davor schützen, dass sie der Staat übervorteilt. Dafür gibt es in unserem Rechtssystem zwei Grundsätze: Entweder wird etwas per Gesetz geregelt, oder es wird per Vertrag geregelt. Nachdem sich gestern die zuständigen Spitzenverbände mit dem, was ausgehandelt wurde, einverstanden erklärt haben, kann ich keine Verletzung des Konnexitätsprinzips erkennen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Als langjähriger Bürgermeister weiß ich, dass null oder hundert schlechte Verhandlungsergebnisse sind. Wenn der eine nur gewinnt, der andere aber nur verliert, bringt es gar nichts. Jetzt wissen wir aber, dass das, was Sie, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, lange gefordert haben - in der Sache teile ich Ihre Meinung gekommen ist. Darüber sollten Sie sich doch freuen. Meinen Sie, dass Sie nur deswegen dagegen sein müssten, weil das Verfahren nicht so gelaufen ist, wie Sie es sich vorgestellt haben? Ich glaube, wir haben etwas für die jungen Menschen in unserem Lande bewegt. Das scheint mir das Wichtigste zu sein.

(Beifall bei der FDP)

Wir, die Kolleginnen und Kollegen der FDP, die in der Verhandlungsrunde vertreten waren, sind auch nicht ganz unschuldig. Herr Kollege Pfaffmann, wenn Sie die Ganztagsbetreuung schon vor zehn Jahren gefordert haben, frage ich Sie, warum Sie sie dann nicht durchgesetzt haben.

(Zurufe von der SPD - Beifall bei der FDP)

- Es freut mich, dass Sie so reagieren.

(Harald Güller (SPD): So niveaulos kenne ich Sie eigentlich normal nicht, Herr Kollege Barfuß!)

- Das ist doch schön, desto besser lernen Sie mich kennen.

Denken Sie doch einmal logisch mit. Sie haben etwas gefordert, haben es aber nicht durchsetzen können, weil Sie die Macht dazu nicht gehabt haben. Jetzt hat der Bürger gesagt, liebe CSU, so geht es nicht weiter, wir brauchen diese Schulen, und die Bürgerinnen und Bürger haben uns gewählt. Wir haben es jetzt durchgesetzt, und darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der FDP)

Was glauben Sie, wie viele Fahnen Sie hinausgehängt hätten, wenn Sie es gekonnt hätten? Es ist aber nicht gegangen. Es ist doch egal, wir haben es geschafft. Jetzt kommt es nicht darauf an, wer es letztendlich zustande gebracht hat. Freut euch doch mit für die Kinder, denn für die arbeiten wir angeblich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CSU)

Als langjähriger Bürgermeister verstehe ich nicht, warum Sie sich damit so schwer tun, jedem das zukommen zu lassen, was er getan hat. Die Idee stammte lange Zeit von Ihnen, die Umsetzung stammt jetzt von uns.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Dazu bräuchten Sie 20 Jahre Sozialisation in dem Hause, um das zu verstehen!)

- Ich kann erst jetzt sprechen, weil ich erst jetzt gewählt worden bin. Frau Kollegin, wenn Sie so lange Bürgermeisterin gewesen wären, wie ich Bürgermeister war, würden Sie vielleicht auch meine Argumentation verstehen. Waren Sie denn Bürgermeisterin?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Stadträtin bin ich!)

- Das ist schon ein Unterschied!

(Beifall bei der FDP)

Jetzt kommen wir wirklich zum Thema. Ich glaube, die SPD freut sich mit uns darüber, dass die Ganztagsbetreuung durchgesetzt wurde. Das ganze Haus sollte sich darüber freuen, so wie wir beim anderen Dringlichkeitsantrag auch zusammengearbeitet haben.

(Harald Güller (SPD): Auf Kosten der kommunalen Haushalte!)

- Herr Kollege, Haushaltsfragen sind kein Wunschkonzert. Wünschen kann man sich etwas, das ist die eine Seite, was man finanzieren kann, das ist die andere. Wenn man nun einen Kompromiss gefunden hat, zu dem beide Parteien sagen, mit diesem Kompromiss kann man leben, dann weiß ich nicht, warum wir das jetzt wieder infrage stellen sollen. Ich finde es deshalb eine gute Sache, dass dieser Kompromiss im Konsens mit den kommunalen Spitzenverbänden gelungen ist.

Was zahlt der Staat? - Er übernimmt die Trägerschaft für die gebundenen und die offenen Ganztagsangebote. Dafür haben wir gekämpft. Das ist gut. Der Staat sorgt für eine angemessene Ausstattung, und er hält Planstellen und Mittel für Lehrer und Angestellte vor. Auch das sollte man nicht vergessen.

Was machen die Kommunen? - Sie finanzieren einen Delta-Sachaufwand, also einen zusätzlichen Aufwand, den anderen haben sie ohnehin, für die Ganztagsschule und die Pauschale mit 5.000. So sieht eben ein Kompromiss aus, bei dem es ein Geben und ein Nehmen gibt. Der Staat könnte es auch anders machen, er könnte die FAG-Mittel oder Schlüsselzuweisungen anders ausstatten. Das alles sind doch Kompromisse.

Ich meine, wenn Ihr Antrag kein Schaufensterantrag war, wenn Sie sich wirklich freuen, dass das, was Sie über ein Jahrzehnt lang forderten, von uns jetzt verwirklicht wird, dann sollten Sie doch sagen: So schlecht ist das nicht, wir hätten es zwar anders gemacht, wenn wir es gekonnt hätten. Wir konnten es aber gar nicht, deshalb sind wir froh, wenn es so kommt.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Als Nächster hat Herr Joachim Hanisch von den Freien Wählern das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon eigenartig, wie man hier mit einer hart erkämpften Regelung, wie dem Konnexitätsprinzip, umgeht: Es sei verhandelbar.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Herr Kollege, sie haben einen Bürgermeister gesucht. Ich war über 28 Jahre lang Bürgermeister. Verständnis habe ich für Ihr Vorgehen aber nicht.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD - Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP))

In der Bayerischen Verfassung ist das Konnexitätsprinzip geregelt, doch Sie sagen, das sei verhandelbar. Meine Damen und Herren, wir von den Freien Wählern haben damals noch außerhalb des Parlaments für dieses Konnexitätsprinzip gekämpft. Ich hoffe doch, dafür wurde es nicht geschaffen. Wir sind insofern mit der Regelung des Bildungsgipfels enttäuscht.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben auch für eine gebundene und eine offene Ganztags-Hauptschule gekämpft. Wir sind froh darüber, dass das gestrige Ergebnis beim Bildungsgipfel herauskam. Es ist sicher ein Erfolg, wir befinden uns auf der richtigen Straße, meine Damen und Herren. Wenn ich aber lese, die Schulen sollten flächendeckend eingeführt werden, während die Einführung gleichzeitig davon abhängig gemacht wird, ob die Kommunen mitzahlen können

oder nicht, dann passt das nicht. Meine Damen und Herren, wenn ich Hauptschulen will, dann kann ich nicht sagen, nur diejenigen, die bereit sind, sich an den Personalkosten zu beteiligen, sollen sie auch bekommen. Das kann doch nicht der richtige Weg sein! Nehmen wir einmal eine Kommune an, die die notwendigen Klassenzahlen hat. Diese Kommune will eine zweizügige Ganztagsschule für die Grund- und für die Hauptschule haben. Das kostet mindestens 90.000 Euro im Jahr. Meine Damen und Herren, wenn sich das die Kommune nicht leisten kann, dann geht das nicht. Das wäre also künftig davon abhängig, ob die Kommune sich diesen Aufwand leisten kann oder nicht. Das ist doch nicht Sinn und Zweck einer Ganztags-Hauptschule, wie wir sie fordern und, meine Damen und Herren, wie der Bürger draußen sie fordert. Es wurde zu Recht gesagt: Das ist der Denkzettel für die CSU gewesen, weil sie auf diese Forderung nicht reagiert hat.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))