Protocol of the Session on February 12, 2009

Da hat der Ministerpräsident recht. Ich bin gespannt, wer sich bei Ihnen durchsetzt.

(Zuruf von der SPD: Ja, ab und zu hat er auch mal recht!)

Kolleginnen und Kollegen, der Schlüssel, nicht in die Armutsfalle zu geraten, ist der Zugang zu Bildung, zu Ausbildung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deshalb ist auch der Ausbau der Kinderbetreuung, auch für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren so wichtig. Bei den Kindern unter drei Jahren hat Bayern aber ein gewaltiges Defizit.

(Harald Güller (SPD): Allerdings! - Gegenruf des Abgeordneten Georg Schmid (CSU): Bayern hat aber auch gewaltige Anstrengungen!)

Frau Ministerin, Sie verschweigen in Ihrem Bericht schamhaft, wie hoch der Bundesanteil ist. Sie reden von 100 Millionen Euro, die der Freistaat Bayern finanziert. Der Bund finanziert 360 Millionen Euro,

(Beifall des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

davon haben Sie gerade einmal 13 Millionen Euro abgefordert.

(Beifall bei der SPD)

Der sehr gute Bildungs- und Erziehungsplan ist mit dem BayKiBiG in der jetzigen Form nicht umzusetzen, auch das muss man sagen. Ich erwähne aber auch lobend, dass Sie unserer Forderung nach einem besseren Anstellungsschlüssel im Kindergarten endlich gefolgt sind. Sie wollen auch die Kosten mittragen, aber den Schlüssel 1 : 10 haben wir noch lange nicht!

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Wir sind auf einem guten Weg!)

- Ja, der Weg ist das Ziel. Wir wollen das Ziel aber noch in absehbarer Zeit erreichen, Herr Schmid! Wir wollen, dass der Kindergarten für die Eltern kostenfrei ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen ein Mittagessen, auch in den Kindergärten.Die Förderung der Sprachkompetenz ist ausbaufähig, gerade für Kinder mit Migrationshintergrund, aber auch für Kinder ohne Migrationshintergrund. Das sollten wir nicht vergessen.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

In keinem Bundesland - Sie von der CSU mögen ja Vergleiche ganz gern -, ist die soziale Barriere zu höherer Schulbildung so hoch wie in Bayern.

(Bernd Sibler (CSU): Ach?)

In keinem Land ist die Schule so ein Experimentierfeld auf dem Rücken der Kinder geworden wie hier. Das muss man einmal laut und deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Der soziale Status und der Geldbeutel der Eltern entscheiden letztendlich über die Schullaufbahn, auch das wird im Sozialbericht wieder deutlich bestätigt. 8 % der Kinder verlassen die Schule ohne Abschluss. Die Durchlässigkeit nach oben ist kaum gegeben, nach unten hingegen jederzeit. Wir haben ein Phänomen, das Sie mit Ihrem starren Festhalten an dem dreigliedrigen Schulsystem nachdenklich stimmen muss: Wir haben überdurchschnittlich viele Wiederholer in den

Abschlussklassen. Im Vergleich zum Bund haben wir unterdurchschnittlich wenig Wiederholer in den unteren Klassen der Grundschule und in den Hauptschulklassen. Wir haben aber überdurchschnittlich viele in den Abschlussklassen!

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Weil sie das Zeugnis verbessern wollen! Das ist logisch!)

Kinder mit Migrationshintergrund bleiben auf der Strecke. Wir haben die niedrigste Abiturientenquote im Bundesvergleich. Auch hier gibt es regional große Unterschiede.

(Beifall bei der SPD)

Sie schließen wohnortnahe Schulen, Sie lassen keine Regionalschulen zu, und dann sagt der Wissenschaftsminister in der "Süddeutschen Zeitung", er wolle jeden dritten Bayern - ich gehe davon aus, er meint auch die Bayerinnen

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

an der Hochschule.

(Thomas Hacker (FDP): Der meint sogar die Franken!)

- Auch die Franken sind männlich und weiblich. Diese Forderung stellt er vor dem Hintergrund der niedrigen Abiturquote, vor dem Hintergrund höchst unsozialer Studiengebühren!

(Beifall bei der SPD)

Unter diesen Vorgaben ist das wirklich eine Aufgabe. Ich wünsche ihm viel Erfolg dabei.

Ich muss auch sagen, dass der Bildungsgipfel nicht zukunftsweisend gewesen ist. Der Bedarf an Ganztagsschulen ist weitaus höher als die geplante Steigerung auf 21 % in zehn Jahren. In zehn Jahren!

(Christa Naaß (SPD): Das ist doch lachhaft!)

Wenn wir unser Augenmerk auf die lenken, die ich am Anfang erwähnt habe, auf die Personen, die in Armut leben, die an der Grenze zur Armut leben und die Risiken tragen müssen, dann gehört auch die ganzheitliche Bildung an allen Schulen dazu. Hierzu gehört auch die flächendeckende Schulsozialarbeit, und zwar staatlich finanziert.

(Harald Güller (SPD): Staatlich finanziert! - Beifall bei der SPD)

Dazu gehört ein kostenloses gesundes Mittagessen für alle Kinder in allen Schularten. Dazu gehört auch der

Ausbau der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit und die Abschaffung der JoA-Klassen, der Klassen für Jugendliche ohne Ausbildungsplätze. Das hat übrigens auch der Oberste Rechnungshof vor Jahren gefordert. Unsere Initiativen hierzu wurden von Ihnen aber immer wieder abgelehnt.

Es gibt in Bayern schlechthin keine Bildungsgerechtigkeit. Das stand bereits im ersten Sozialbericht, und seither hat sich fast nichts geändert.

Frau Ministerin, Sie haben die Menschen mit Behinderung angesprochen, leider aber nur den Teil mit Beschäftigung. Es stimmt, es ist gut und richtig, dass wir da weitergekommen sind, dass der Freistaat Bayern endlich seine Beschäftigungsquote erfüllt.

(Christa Naaß (SPD): Aber nicht das Kultusministerium!)

Die Integration von Kindern mit Behinderung im Kindergarten und in der Schule haben Sie ausgelassen. Aber genau da liegt der Schlüssel zu einer Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Leben. Hier haben wir Handlungsbedarf, bei der Frühförderung angefangen über alle Altersklassen hinauf, um die Eltern zu unterstützen und um den Kindern Chancen zu eröffnen.

Ebenso haben Sie das Leben von Menschen mit Behinderung im Alter ausgelassen. Wir brauchen zum Beispiel Wohnformen, wir brauchen Tagesstrukturen, denn nicht jeder, der im Alter die Werkstätten für Menschen mit Behinderung verlässt, ist pflegebedürfig. Die Betroffenen sind oft noch sehr agil und auch mobil. Für sie brauchen wir ein Konzept, und das fehlt bisher.

Kolleginnen und Kollegen, die soziale Lage von Frauen in Bayern ist ein besonderes Kapitel, denn genau sie sind es, die alleinerziehend - oder auch nicht -, mit Familie - oder auch nicht -, ob jung oder alt, große Risiken tragen. Es sind die Frauen, die trotz besserer Schulabschlüsse und besserer Berufs- und Studienabschlüsse noch immer ein geringeres Einkommen haben als der männliche Teil der Bevölkerung. Es sind die Frauen, die einen Karriereknick hinnehmen müssen, wenn sie sich für Kinder entscheiden und später wieder in den Beruf einsteigen wollen. Es ist ein Skandal, dass Frauen durchschnittlich einen 22 % niedrigeren Bruttolohn haben als Männer.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Es kann auch nicht trösten, dass das vor zehn Jahren noch über 30 % waren. Frauen bekommen später weniger Rente, auch das ist ein Skandal. Wenn ich mir ansehe, dass die Durchschnittsrente von Frauen in Bayern 498 Euro pro Monat beträgt, während es bei

den Männern 955 Euro sind. Der zentrale Schlüssel ist hier, wie in vielen Bereichen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist wahr, da stimme ich Ihnen zu. Ausreichende Angebote für Kindertagesstätten, Ganztagsschulangebote und Kinderbetreuungsangebote sind Netze, aber das sind nicht nur Netze für Frauen auch da haben Sie recht -, sondern auch für Männer. Darum ärgert es mich ganz besonders, dass auf der rechten Seite des Hauses, wie auch in Berlin, Abgeordnete der Union sich despektierlich bei der Einführung des Elterngeldes ausgesprochen haben. Es wurde gesagt, die zwei Monate wären ein Windel-Volontariat, und das bräuchte es nicht.

(Joachim Unterländer (CSU): Wickel-Volontariat!)

Wickel-Volontariat? - Noch schlimmer! Ich halte das für skandalös. Diese Denkweise gehört nicht nur ins letzte, sondern ins vorletzte Jahrhundert.

(Beifall bei der SPD)

Daran müssen Sie arbeiten.

Sie sprechen das Landeserziehungsgeld an, Frau Ministerin.

(Georg Schmid (CSU): Vorbildlich! Sehr vorbildlich!)