Protocol of the Session on December 13, 2012

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt ist wie in Zahlen gegossene Politik. Man erkennt, was nötig und was gewünscht ist. Man sieht Pläne und Schwerpunkte. Man kann auch erkennen, wo etwas auf Kante genäht ist und wo es Spielräume gibt. Man sieht, wie viel Pflicht und wie viel Kür ist. Das ist die Theorie. "Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum." So heißt es im Faust.

Manchmal muss man den Vorhang beiseite schieben, und dann erkennt man die Wahrheit. Man muss zurücktreten, denn mit etwas mehr Abstand gewinnt man einen besseren Blickpunkt. Wir sind jetzt nach drei Tagen bei den Verhandlungen über den letzten Einzelhaushaltsplan. Ich glaube, jetzt kann man einmal etwas zurücktreten und schauen, was die letzten drei Tage geprägt hat. Es waren zwei Ereignisse, die sehr deutlich waren. Das eine war die Aussprache zum Einzelplan 02, bei der alles in Bayern als spitze bezeichnet wurde und bei der der Satz fiel: "Bayern ist auch der moralische Maßstab." Das war der Satz, bei dem ich am meisten aufgehorcht habe. Bayern ist der moralische Maßstab. Ich kann nur sagen: Welche Hybris und Arroganz!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Dieser Satz wurde gesagt, nachdem am Abend vorher ein Irrlicht verbreitender Ministerpräsident durch die Reihen der Journalisten gegangen ist und seine eigenen Leute in den Senkel gestellt hat. Am nächsten Tag aber bezeichnet er Bayern als den moralischen Maßstab.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Ein typischer Tiefpunkt!)

Einen Finanzminister vor einer dreitätigen Haushaltsdebatte so niederzumachen, ist meines Erachtens keine moralische Spitze. Das ist nicht einmal Doppelmoral. Doppelmoral bedeutet nicht doppelte Moral, sondern das ist etwas, was diese drei Tage geprägt hat. Am Abend sind es Glühwürmchen, und am morgen danach gibt es einen Dank an alle einzelnen Regierungsmitglieder, die man am Abend zuvor fertiggemacht hat.

(Julika Sandt (FDP): Über welches Thema reden wir?)

- Über den Haushalt; ich werde die Verbindung zum Thema Haushalt gleich herstellen. Die Vorfälle erinnern mich an Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Ich gestehe ganz offen, dass ich nachgeschaut habe, wie es um die Mondphasen steht. Ich habe versucht, die Erklärungen des Ministerpräsidenten mit den Mondphasen zu begründen. Die Erklärungen fallen eher in die Neumondphasen; wir befinden uns gerade in einer Neumondphase. Es ist nicht untypisch − nun bin ich beim Thema −, dass die CSU-Fraktion vor zwei Neumondphasen die Studiengebühren aufgegeben hat.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Insofern erinnern die Vorfälle durchaus an Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Man handelt mal so, mal so.

Wenn dem Finanzminister Schmutzeleien vorgeworfen werden, stelle ich mir die Frage: Wo sind die "Schmutzeleien" im Einzelplan 15 versteckt, wo sind sie?

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Nicht Sie, ich meine es nicht persönlich, Herr Staatsminister, sondern ich meine "im Haushalt". Ich unterscheide hier sprachlich sehr genau. Im ersten Moment ist die Antwort nicht offensichtlich, im zweiten schon.

Damit bin ich beim Haushalt, und ich bin − das wird nicht verwundern − bei den Studienbeiträgen. Sie werden erkennen, dass es auch dort zu "Schmutzeleien" gekommen ist, und sie sind offengelegt worden durch das eigene Innenministerium und durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Denn das Innenministerium hat plötzlich, um eine Klage zu begründen, vieles ans Licht gebracht, was wir in vier Jahren durch Anträge nicht geschafft haben: dass 1.800 Stellen aus Studienbeiträgen finanziert werden. 1.800 Stellen über eine Passerelle-Klausel im Haushalt! Das heißt, das Versprechen lautete: Studienbeiträge − ein Plus für die Lehre. Die Realität sah so aus: Studienbeiträge für die Grundlast. Unbefristete Stellen, Herr Minister, es ist egal, ob ein Studierender dazu -

(Staatsminister Dr. Wolfgang Heubisch: Zur Ver- besserung der Lehre!)

Unbefristete Stellen! Sie wissen ganz genau, dass Sie rechtlich gar nicht so verfahren dürfen. Keine kw-Stellen, sondern unbefristete Stellen, die an einigen

Hochschulen bis zu 10 % des Haushalts ausmachen, 10 %! Soweit zu dem, was in einem Haushalt versteckt ist.

Sie haben sehr viele Zahlen vorgelesen. Zahlen sind manchmal Blendwerk. Auch hier will ich bei Faust bleiben. Angesichts dieser Zahlen ist mir in den letzten Tagen ein Sprüchlein der Hexe aus Faust I durch den Kopf gegangen:

Aus Eins mach Zehn, und Zwei lass geh’n, und Drei mach gleich, so bist du reich. Verlier die Vier! Aus Fünf und Sechs, so sagt die Hex’, mach Sieben und Acht, so ist’s vollbracht: Und Neun ist eins, und Zehn ist keins.

Das ist das Regierungs-Einmaleins! So steht es ungefähr im Faust.

(Beifall und Heiterkeit bei den FREIEN WÄH- LERN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe in den letzten Wochen einige Hochschulen besucht, um mir einen Eindruck zu verschaffen zum Thema Studienbeiträge. Aufgrund der Unterfinanzierung sind sie leider im Moment auf die Studienbeiträge angewiesen. Hier erkennt man das Problem des Ministers und das Problem der FDP, von dem sich die CSU schon befreit hat. Sie stecken momentan in einer Studienbeitragsfalle. Dadurch, dass Sie die Grundlast durch Studienbeiträge bewältigt haben, und dadurch, dass Sie 1.800 Stellen aus Studienbeiträgen finanziert haben, können Sie sich nicht so leicht von den Studienbeiträgen verabschieden. Dadurch, dass Sie etwas getan haben, was nach dem Gesetz nicht vorgesehen ist, haben Sie sich selbst in eine Abhängigkeit von Studienbeiträgen gebracht. Das heißt: Sie sind in Ihrer politischen Situation zum Festhalten verdammt.

Deshalb werden wir das Volk befragen. Wir, die FREIEN WÄHLER, haben das Volksbegehren hierzu deshalb gestartet. Ich erkläre es noch einmal ganz deutlich, weil Sie es beim letzten Mal in Ihrer Erklärung verwischt haben: Nicht wir haben geklagt, sondern gegen das Volksbegehren hat das Innenministerium − hat die Regierung! − geklagt; die Regierung wollte verhindern, dass das Volk befragt würde. Sie wollten dies verhindern, Herr Minister.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN − Widerspruch von Staatsmi- nister Dr. Wolfgang Heubisch (FDP))

Sie wollten es verhindern. Sie wollen doch nicht bestreiten − ich kann Ihnen das auch nachweisen −, dass Ihr Ministerium Argumentationshilfen für das Innenministerium geliefert hat. Ich erkenne sogar am

Sprachstil und am Argumentationsstil in der 35-seitigen Begründung der Klage, aus welchem Ministerium welcher Teil kommt. Ich kann Ihnen gerne nachweisen, was in der Argumentation aus Ihrem Ministerium kommt.

(Tobias Thalhammer (FDP): Hellseherische Fähigkeiten!)

Sagen Sie deshalb bitte nicht mehr, dass die Regierung dieses Volksbegehren auf den Weg gebracht hätte. Das waren wir, die FREIEN WÄHLER. Ich freue mich, wenn Sie es unterstützen und wenn Sie die Menschen auf der Straße dazu aufrufen, direkte Demokratie zu praktizieren. Ebenso fordere ich jeden CSU-Abgeordneten auf, unserem Bündnis beizutreten. Das ist der Garant dafür, dass Studienbeiträge abgeschafft werden. Also helfen Sie mit, wenn Sie es nicht hier im Landtag tun, und tragen Sie dazu bei, dass 10 % der Bevölkerung sich beteiligen. Dann wird das, was Sie vielleicht in Ihr Wahlprogramm schreiben wollen, schon zur Wahrheit, ehe es in Ihrem Wahlprogramm steht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Nun zum Allerwichtigsten; es ist schon genannt worden. Den Hochschulen darf es nach der Abschaffung der Studienbeiträge nicht schlechter gehen. Es muss ihnen sogar besser gehen. Deshalb gibt es den Antrag, den wir bezüglich des Haushalts gestellt haben. Wir haben beantragt, die 180 Millionen Euro an Studienbeiträgen in voller Höhe durch Haushaltsmittel zu ersetzen.

(Zurufe des Abgeordneten Albert Füracker (CSU) und des Staatssekretärs Franz Josef Pschierer)

Ich persönlich habe immer gesagt, dass man diese braucht; ich sage Ihnen sogar: Man braucht noch mehr, Herr Pschierer, man braucht sogar mehr, denn in den nächsten Jahren wird es mehr Studierende geben. Deshalb brauchen wir auch mehr Geld.

(Zurufe von der CSU)

Ehe Sie zu laut werden, sage ich Ihnen: Wir haben heute einen Antrag auf Abschaffung der Studienbeiträge eingebracht. Darüber können Sie heute abstimmen. Sie haben die Chance, als CSU-Abgeordnete zu sagen. Ja, wir sind für die Abschaffung − dann stimmen Sie zu. Oder Sie können Nein sagen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Sollen jetzt wir oder soll das Volk entscheiden?)

Ich komme zurück auf meine Ausgangsfrage. Hören Sie doch einmal zu. Es hieß: Bayern ist der moralische Maßstab. Also, überlegen Sie einfach: Stimmen wir zu entsprechend unserer Überzeugung? Setzen wir einen moralischen Maßstab? Oder bleiben wir doch nicht unserer eigenen Meinung treu, stimmen dagegen und bleiben eher bei "Schmutzeleien"?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Danke, Herr Dr. Piazolo. Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitte ich Thomas Gehring ans Redepult. Bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem unsere Fraktionsvorsitzende Margarete Bause am Dienstag das Grundsatzprogramm der CSU erwähnt hat, habe ich es zur Hand genommen und darin gelesen. Es schadet nicht, auch einmal die Unterlagen von anderen zu lesen. Das dient der Horizonterweiterung.

(Alexander König (CSU): Sehr gut!)

Ich zitiere daraus. Dort steht:

Die Lehre muss noch stärker in den Mittelpunkt des akademischen Lebens rücken. Ein akademisches Studium ermöglicht nach wie vor überdurchschnittliche Berufsaussichten. Unter dieser hochschulpolitischen Zielsetzung ist die Erhebung eines finanziellen Eigenbeitrages der Studierenden zum Gesamtaufwand ihres Studiums wissenschaftspolitisch und sozialpolitisch verantwortbar. Mit den Studienbeiträgen muss sich das Verhältnis der Hochschule zu den Studenten wandeln. Eine sinnvolle Mitbestimmung der Studenten muss garantiert werden.

(Markus Rinderspacher (SPD): Seite 94!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind in sich richtige Sätze. Ihre logische Verknüpfung aber ist fatal. Das offenbart ein höchst problematisches politisches Denken, eine falsche Werteorientierung und ist hochschulpolitisch grottenfalsch.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Wenn sich die CSU von den Studiengebühren verabschiedet, weil Volksbegehren und Volksentscheid erfolgreich sind, dann wohl noch nicht aus Einsicht.

(Susann Biedefeld (SPD): Aus Angst, nicht aus Einsicht! Aus Angst, eine Schlappe einstecken zu müssen!)

Sie verabschiedet sich nicht von diesem falschen hochschulpolitischen Ansatz, von dieser fatalen Werteorientierung, die in diesem Grundsatzprogramm ausgedrückt ist.

Aber kommen wir zum Positiven. Ja, die Lehre muss aufgewertet werden. Sie ist in den letzten Jahren vernachlässigt worden. Wir hatten exzellente Initiativen in Bayern. Wir haben sie auch vom Bund gehabt. Ja, wir brauchen Exzellenz in der Forschung, aber wir brauchen auch Exzellenz in der Lehre.

Das ist schon das erste Missverständnis in dieser Passage. Mit Studiengebühren allein wird eine bessere Lehre nicht finanziert. Wir brauchen eine bessere staatliche Finanzierung der Hochschulen, eine bessere Grundausstattung. Deswegen wollen wir die Mittel für Personal, Sachausgaben und Investitionen um 120 Millionen und 150 Millionen jährlich erhöhen.

Und wir müssen die Mittel des Programms zur Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger erhöhen. Der doppelte Abiturjahrgang, der heute schon angesprochen wurde − es gab natürlich einen Aufwuchs der Studienplätze −, kommt nicht in einem einzigen Jahr, sondern er kommt verteilt auf mehrere Jahre. Wir werden noch über mehrere Jahre hinweg hohe Studienanfängerzahlen haben. Den Fehler, irgendwelche Studentenberge untertunneln zu wollen, hat es in der Bildungspolitik und in der Hochschulpolitik schon öfter gegeben. Wir werden lange hohe Studienanfängerzahlen haben. Ein Beispiel: Wir hatten vor zehn Jahren in Bayern eine Übertrittsquote auf das Gymnasium von 30 %. Darunter fallen die, die heute das Studium beginnen. Wir haben heute eine Übertrittsquote von 40 %. Diejenigen, die darunter fallen, beginnen ihr Studium in acht Jahren. Wir werden diese hohen Studienanfängerzahlen 10, 15 Jahre lang haben. Deswegen brauchen wir jetzt die zusätzlichen Mittel für dieses Programm, und zwar dauerhaft.