Protocol of the Session on October 17, 2012

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Ludwig Wörner, Kathrin Sonnenholzner u. a. und Fraktion (SPD) Ausweitung der Ausnahmeregelungen für Stromgroßverbraucher zu Lasten von Privatverbrauchern und kleinen Unternehmen einschränken (Drs. 16/14098)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und darf Herrn Kollegen Hartmann das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen in den letzten Wochen ergangen ist, wenn Sie die Zeitungen gelesen haben. Ich habe das Gefühl, dass die Energiedebatte, die wir vor eineinhalb Jahren hier im Hohen Haus geführt haben, eigentlich nie stattgefunden hat. Die Argumente, dass wir die Energiewende wollten, um aus der Atomkraft auszusteigen und das fossile Zeitalter zu beenden, tauchen gar nicht mehr auf. Das einzige Thema, getrieben von Schwarz-Gelb auf Bundes- und Landesebene, ist die Weiterentwicklung und die Abschaffung des EEG und die Kostenfrage.

Wir müssen uns genau ansehen, was hier gerade gefordert wird. Wir haben dieses Thema mit unserem heutigen Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung gesetzt, weil ein besserer Plan und mehr Verlässlichkeit notwendig sind. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen: Die CSU hat zusammen mit der FDP einen Dringlichkeitsantrag nachgezogen, mit dem eine umfassende Reform des EEG gefordert wird. Was ist denn darunter zu verstehen? Herr Minister Zeil möchte das EEG am liebsten abschaffen. Die CSU möchte es weiterentwickeln. Die Aussagen der beiden Fraktionen hierzu unterscheiden sich gewaltig.

Der Generalsekretär der CSU, der sich häufig mit nicht ganz durchdachten Äußerungen in die Debatte einbringt, wurde heute schon öfter erwähnt. Er hat vorgeschlagen, die EEG-Umlage bei 4,5 Cent zu deckeln und das EEG über einen Fonds zu finanzieren, der die Kosten in die Zukunft trägt. Heute besteht bereits der Fakt, dass die Kosten der Energieversorgung auf die zukünftigen Generationen übertragen werden. Jetzt möchte die CSU mit einem Vorschlag aus der Parteizentrale auch noch die Kosten für den Umstieg auf die erneuerbaren Energien durch einen Fonds in die Zukunft verlagern. Dieser Fonds soll dann ab dem

Jahr 2026 für die Kosten aufkommen. So kann eine Energiewende nicht funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben in unserem Dringlichkeitsantrag ganz klar gefordert, dass die Kernelemente des EEG, der Einspeisevorrang und die festen Vergütungssätze, zum jetzigen Zeitpunkt erhalten bleiben müssen. Vollkommen richtig ist, dass die Vergütungssätze immer wieder angepasst werden müssen. Das Grundinstrument des EEG darf aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht infrage gestellt werden. Eines ist klar: Das EEG ist das einzige Instrument, das in der Energiewende gut funktioniert. An dieses Instrument wurde Gott sei Dank noch nicht die Axt angelegt, sondern es wurde weiterentwickelt.

Nach Auffassung aller Fraktionen in diesem Hause soll die Energiewende unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, durch Genossenschaftsmodelle, Bürgerbeteiligungen, Landwirte und Einzelpersonen, die in Solar- und Windanlagen investieren, bewältigt werden. Dies alles ist nur durch das EEG mit seinen garantierten Einspeisevergütungssätzen und dem Einspeisevorrang möglich geworden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer jetzt eine Debatte über eine umfassende Reform oder über die komplette Abschaffung des EEG aufmacht, wird zum Blockierer der Energiewende. Das EEG ist das einzige Instrument, das gut funktioniert. Und dieses Instrument soll jetzt gebremst werden?

Zum Schluss möchte ich noch etwas zu den Kosten sagen. Bei den Kosten wird sehr unehrlich diskutiert. Am Montag wurde die neue EEG-Umlage veröffentlicht. An diesem Tag war der Preis für den Strom am Terminmarkt für das Jahr 2013/2014 so günstig wie noch nie. Wer Strom für die Jahre 2013 und 2014 gekauft hat, hat den Strom so günstig wie noch nie bezogen. Dies gehört auch zur Debatte. Im gleichen Satz muss gesagt werden, dass die energieintensive Industrie von diesen Preisnachlässen an der Börse gewaltig profitiert hat. Wenn wir die Kosten für die Energiewende gerecht verteilen wollen, müssen wir nachsteuern. Unser Vorschlag wäre, für die privilegierten Unternehmen die Privilegierung bei der EEGUmlage von jetzt 0,05 Cent auf 0,5 Cent anzuheben. Das wird den Firmen nicht wehtun, denn sie haben im letzten Jahr an der Börse von einem Preisnachlass von circa 20 % profitiert. Das können sie also ohne Weiteres verkraften, das ist machbar.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Unglaub- lich!)

Einen weiteren Bereich muss man offen ansprechen. Wenn man ein ganzes Energiesystem für die Zukunft umbauen will, dann muss man auch investieren. Und wenn man investiert, ist es klar, dass das mit Kosten verbunden ist. Für uns ist ebenfalls klar, dass die Kosten dieser Energiewende auch die Generation tragen soll, die die jetzige Energiewende Gott sei Dank in die Wege geleitet hat, und nicht die nächste Generation.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf einen Punkt in unserem Dringlichkeitsantrag eingehen. Wir wollen bei einer Forderung noch etwas konkreter werden, darauf hat uns die SPD hingewiesen. Es betrifft den dritten Spiegelstrich: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen - - Diesen Bereich möchten wir etwas konkreter fassen, und es wird dann heißen:

… dass der Kreis der privilegierten Stromverbraucher kurzfristig wieder zurückgeführt wird auf die Unternehmen der Branchenklasse B - Bergbau, Gewinn von Steinen und Erden - und der Branchenklasse C - verarbeitendes Gewerbe, die unter die Kriterien fallen, die bis 2008 gegolten haben.

Das möchten wir nachbessern, und damit den Vorschlag der SPD übernehmen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat der Kollege Fahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Ökostromumlage steigt im kommenden Jahr von 3,6 auf 5,3 Cent. Eine Familie mit zwei Kindern und einem Stromverbrauch von 4.000 Kilowatt muss künftig im Jahr rund 70 Euro, eine dreiköpfige Familie 60 Euro mehr bezahlen.

Noch vor einem Jahr sagte Bundeskanzlerin Merkel, die Ökostromumlage werde nicht über 3,5 Cent je Kilowatt steigen. Dass diese Umlage jetzt trotzdem stärker steigt und die Verbraucher höhere Kosten aufgebrummt bekommen, hat nur zu einem geringen Teil mit dem Ausbau der Wind- und Stromenergie zu tun. Nach Berechnungen des Bundesverbandes Erneuerbare Energien sind nur 0,2 Cent pro Kilowatt dem Ausbau erneuerbarer Energien direkt zuzuordnen. Der Hauptgrund für die erhöhte Umlage liegt an der Politik der Bundesregierung. Das ist eigentlich der Kernkritikpunkt. Sie hat eben die Ausnahmen für verschiedene Unternehmen immer mehr ausgeweitet. Diese milliardenschweren Ausnahmen müssen leider auch die Verbraucher zahlen.

(Karsten Klein (FDP): Das ist doch Quatsch!)

Noch vor zehn Jahren waren es 400 Unternehmen, die von einer Umlage befreit waren. Derzeit sind es 734,

(Zuruf des Abgeordneten Karsten Klein (FDP))

und im nächsten Jahr werden es wohl 2.000 Unternehmen sein. So viele Anträge wurden nämlich gestellt.

Klar herausstellen möchte ich, dass es richtig ist, die großen Industriebetriebe mit Stromprivilegien von einer Abwanderung ins Ausland abzuhalten. Das ist ganz klar. Hier geht es auch um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie, und wir wissen, dass es auch in anderen Ländern solche Befreiungen gibt.

Aber es gibt auch andere Begünstigte, wie zum Beispiel die Straßenbahn in Augsburg, die Stadtwerke München, Milchwerke, Geflügelschlachtbetriebe. Warum kommen sie in den Genuss dieser Vergünstigungen? Droht bei ihnen eine Abwanderung ins Ausland? Das glauben wir nicht.

Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie besagt, dass einige Betriebe, die vermeintlich wettbewerbsgefährdet sind, nicht zwingend Nachteile haben müssen. Zum Beispiel bei der Herstellung von Papier, Kartons oder Pappe können zwar leichte Erhöhungen kommen, aber sie werden nicht zu nennenswerten Absatzeinbußen führen.

Meine Damen und Herren! Die Landtagsfraktion der FREIEN WÄHLER hat letzte Woche einen ähnlichen Antrag wie die GRÜNEN eingebracht. Er wird morgen auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses stehen. Deshalb möchte ich klar herausstellen, dass wir keinesfalls eine gänzliche Auflösung der Privilegien wollen, da auch in den Mitbewerberländern solche Privilegien bestehen. Aber wir wollen natürlich auch den Verbraucher immer im Blick haben, der davon bisher nicht profitiert.

Wir werden den Anträgen der GRÜNEN und der SPD zustimmen. Selbst Bundeskanzlerin Merkel hat vorgestern gesagt, dass diese Ausnahmeregelungen reduziert werden müssen. Wir dürfen eben nicht den Fehler machen, die privaten Haushalte und den Mittelstand mit steigenden Strompreisen zu belasten. Diese steigenden Kosten würden nämlich - das hat Kollege Hartmann richtig gesagt - die Motivation in der Bevölkerung zur Energiewende, die wir dringend benötigen, stark belasten. Es ist einfach ein verheerendes Signal für die Verbraucher, die sich bisher sehr stark für die erneuerbaren Energien engagiert haben. Diese Verbraucher müssen wir entlasten, zum

Beispiel durch kostenlose Energieberatung oder durch staatliche Zuschüsse für einkommensschwache Haushalte. Dazu gibt es inzwischen auch schon Vorschläge aus der CSU-Fraktion, dass hier etwas für die Haushalte getan werden muss, um eine Sozialverträglichkeit zu bekommen.

Dann gibt es - das war gestern und auch heute noch in den Medien; das muss man diskutieren und herausrechnen - die Einlassungen des Herrn Bundesumweltministers Altmaier, der auf Berechnungsfehler hingewiesen hat. Das muss im Detail geprüft werden. Es nützt den Privathaushalten und auch dem Mittelstand eben nicht, dass sich der Umweltminister über diesen Berechnungsfehler ärgert. Hier müssen wir das Ganze noch ein bisschen nachfedern, meine Damen und Herren.

Wichtig ist es, dass wir jetzt vorangehen. Deswegen wollen wir, dass eine Gesamtüberprüfung stattfindet und die offenen Fragen noch geklärt werden. Deswegen werden wir den Anträgen der GRÜNEN und der SPD zustimmen.

Der Antrag der CSU und der FDP ist uns insgesamt zu allgemein. Es steht zwar drin, dass Sie sich bemühen, aber de facto wollen Sie diese Ausnahmeregelungen eigentlich kaum verändern. Den ersten Punkt, die Stromsteuer, hat der Bundesrat schon abgelehnt. Deswegen meinen wir, dass das im Prinzip schon nicht mehr umgesetzt werden kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bevor wir in der Aussprache fortfahren, darf ich bekanntgeben, dass für den Antrag der CSU- und der FDP-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt wurde.

(Zuruf von der SPD: Mein Gott!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der rote oder, lieber Ludwig, im Moment noch der grüne Faden, der sich durch die Dringlichkeitsanträge und auch durch die aktuelle Debatte zieht, ist sicherlich unser aller Ziel: die Kosten der Energiewende möglichst gerecht zu verteilen und darüber auch eine ehrliche Debatte zu führen.

Dazu gehört meines Erachtens, lieber Kollege Hartmann und auch Herr Kollege Fahn, zunächst zu akzeptieren, dass es sicherlich vielschichtige Gründe für die aktuelle Erhöhung der EEG-Umlage gibt. Nach den Zahlen, die das Öko-Institut hierzu veröffentlicht, gehen alleine 20 % der Steigerung darauf zurück, dass die Differenz zwischen dem Strompreis an der Börse und den festgelegten Einspeisetarifen im letzten Jahr größer war als ursprünglich angenommen.

Bereits im September - das konnte man nachlesen hatten die Netzbetreiber einen negativen Kontostand, der nun durch 0,35 Cent je Kilowattstunde im kommenden Jahr nachträglich ausgeglichen werden muss.

Um solche Prognosefehler im laufenden Jahr auszugleichen, wird die sogenannte Liquiditätsreserve erhöht; das schlägt mit weiteren 18 % oder 0,31 Cent zu Buche. Größter Einzelposten ist der ungebremste Ausbau der Photovoltaik. 29 % oder 0,6 Cent resultieren hier aus der Einspeisevergütung für PV-Anlagen.

Der Ausbau der Wasserkraft und aller anderen erneuerbaren Energien - Biomasse, Geothermie, Windkraft - trägt noch mit etwa 6 % zum Anstieg bei, und den Rest kann man unter sonstigen Kosten wie Steuereffekten zusammenfassen, auch noch einmal mit circa 7 %. Das sind insgesamt 80 % der aktuellen Steigerung, was heißt, dass lediglich der Rest, also 20 % oder 0,35 Cent, auf die Befreiung der stromintensiven Betriebe zurückzuführen ist.

Ich stimme durchaus zu, dass die stromintensiven Betriebe ausschließlich zum Schutz ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit befreit werden dürfen. Aber der Erhalt dieser internationalen Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiv in Bayern und Deutschland produzierenden Unternehmen muss uns schon ein Anliegen sein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger darf natürlich auch der Effekt dieser bestehenden Sonderregelungen sein. Da halte ich es für durchaus legitim, diese Rabatte für energieintensive Unternehmen bei der Ökostromförderung auf den Prüfstand zu stellen, weil offensichtlich wirklich mehr Firmen profitieren Herr Fahn, Sie haben einige aufgezählt -, als anfangs beabsichtigt war. Wir brauchen am Ende eine Balance zwischen der notwendigen Entlastung der stromintensiven Industrie und der Belastung, die für kleine und mittlere Unternehmen oder auch für die Haushaltskunden dadurch entsteht, dass sie die Erhöhung der EEG-Umlage schultern müssen.

Unser Dringlichkeitsantrag zielt deshalb darauf ab, beispielsweise durch flexible Steuertarife die Strompreisbelastung der privaten Verbraucher, aber auch der Wirtschaft bei steigender EEG-Umlage zu begrenzen.

Herr Kollege Hartmann, Sie fordern in diesem Zusammenhang, die EEG-Umlage für die privilegierten Endverbraucher wegen der gesunkenen Börsenpreise von 0,05 Cent auf 0,5 Cent zu erhöhen. Es ist sicherlich richtig, dass der Strom aus erneuerbaren Energien zunächst kurzfristig die Strompreise an der Börse senkt. Richtig ist aber in diesem Zusammenhang auch, dass dies nur geringe Auswirkungen auf die Beschaffungspreise für den Industriestrom hat. Der so

genannte Merit-Order-Effekt betrifft nur den sogenannten Spotmarkt und nicht den Terminmarkt. Industriekunden aber handeln auf dem Spotmarkt nur den geringsten Teil ihrer Strombeschaffung. Die Industrieunternehmer sichern sich langfristig über den Terminmarkt ab und schließen, vor allen Dingen was die stromintensivsten Unternehmen anbelangt, meist eigene Stromlieferverträge direkt mit dem Energieversorger ab. Der Merit-Order-Effekt spielt damit für diese Unternehmen kaum eine Rolle.

Sie fordern in Ihrem Dringlichkeitsantrag, dass in den nächsten Jahren der Einspeisevorrang für erneuerbare Energien und die gesicherte Einspeisevergütung im Erneuerbaren Energien Gesetz in den nächsten Jahren erhalten bleibt.

Richtig ist, dass der Anteil in Bayern von bald 35 % regenerativen Stroms ein Erfolg ist. Es ist aber ein Erfolg mit Grenzen. Das EEG ist ein Markteinführungsinstrument und muss so weiterentwickelt werden, dass die Erneuerbaren am Ende aus der Förderung entlassen werden können.

Die Marktfähigkeit der erneuerbaren Energien ist Voraussetzung, wenn sie in Zukunft das Rückgrat unserer Energieversorgung werden sollen. Da wollen wir nicht die Axt anlegen, Herr Kollege Hartmann, wie Sie es formuliert haben, sondern wir brauchen eine Anpassung, die eben mehr Systemverantwortung für die Erneuerbaren bringt.

Wir müssen in diesem Zusammenhang auch erreichen, dass der Ausbau der Erneuerbaren, der Netzausbau und der Aufbau von Reserve- und Speicherkapazitäten ganzheitlich gesehen und stärker miteinander vernetzt werden. Das erfordert eine Anpassung des EEG. Deshalb lehnen wir den Antrag der GRÜNEN ab.

Das betrifft auch die nachgezogenen Anträge, weil wir zunächst eine Überprüfung der aktuellen Regelungen vorgenommen wissen wollen, um dann zu entscheiden, in welchen Bereichen die EEG-Umlage und deren Verteilung auf die stromintensive Industrie erfolgen.