Protocol of the Session on October 17, 2012

Ich kann Ihnen aber gerne noch einen anderen Fall erzählen, in dem jemand zweieinhalb Jahre unschuldig in der Forensik einsaß. Jetzt musste er entlassen werden. Solche Fälle gibt es leider. Und solche Fälle muss man sich dann auch genauer ansehen, Frau Justizministerin. Das ist Ihre Pflicht, und man kann nicht so tun, als ob alles bestens wäre. Wir haben auch Zukunftsweisendes gesagt wie auch die SPD und die FREIEN WÄHLER. Wir haben gesagt, wir möchten eine anders gestaltete Justiz, das heißt, eine unabhängige Justiz. Das ist eine grundlegende Forderung - ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen -, die uns ganz einfach von Ihnen unterscheidet.

Alles Weitere wird im Rahmen der Haushaltsdebatten zu diskutieren sein. Das habe ich Ihnen auch gesagt. Ich kann Ihnen jetzt nicht im Detail unsere Vorstellungen zum Haushalt und damit auch zu den Aufstockungen bei den Stellen darlegen.

Was Frau Künast gemacht hat, darf ich Ihnen nicht sagen.

Frau Kollegin!

Sonst sagt nämlich Herr Fischer wieder, ich hätte das Thema verfehlt. Ich erzähle es Ihnen gerne einmal in einem Gespräch.

Vielen Dank. Bitte sehr, Herr Kollege Heike.

Sie reduzieren zwar die Angriffe von vorhin und sagen jetzt, dass es Einzelfälle

sind. Das geben Sie jetzt zu. Sie haben es angeblich auch vorhin gesagt. Ich sage Ihnen dazu: Selbst wenn Sie solche Einzelfälle nennen, geben Sie Steine statt Brot. Ich räume ein, dass Sie recht haben, wenn Sie sagen, solche Einzelfälle sollten nicht vorkommen; aber so etwas kann passieren, es kann überall passieren. Mit der Unabhängigkeit des Gerichts hat das allerdings nichts zu tun.

Nun noch einmal zum Fall Mollath, damit wir uns klar verstehen. Wenn man solche Leute unterstützt und jene, die damit beauftragt worden sind, es zu prüfen, damit behelligt, uns zuzurufen: "Eure Köpfe hauen wir euch auch noch ab", dann ist bei mir der Spaß zu Ende, und das ist auch keine Frage nach Unterstützung mehr wert. Das ist kriminell, und ich möchte nicht, dass das als Einzelfall herangezogen wird. Wie viel zigtausend Fälle haben wir denn jedes Jahr? Da kommen Sie und nennen drei oder vier Einzelfälle, bei denen Fehler unterlaufen sind. Wo Menschen sind, kann so etwas passieren. Es ist passiert. Ich sage Ihnen dazu: Das müssen wir, soweit wie möglich, verhindern; aber wo Menschen sind, da menschelt es eben. Das nehme ich hin, auch wenn ich sage, dass das nicht gut ist. Aber für die Diskussion hier über d i e bayerische Justiz war das der falsche Ansatz.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön. Nun ist der nächste Redner an der Reihe. Das ist für die SPD-Fraktion Herr Kollege Arnold. Bitte sehr, Herr Kollege Arnold.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Im Mittelpunkt der Verbraucherpolitik stehen der mündige Verbraucher und seine berechtigten Ansprüche und Erwartungen. - So steht es auf der Homepage des Verbraucherschutzministeriums. Ich frage Sie: Gibt es denn den mündigen Verbraucher? Wie wir von der FDP gehört haben, offensichtlich. Aber ist der Verbraucher in unserem Land tatsächlich immer selbstbestimmt, informiert und rational handelnd? Ist es nicht vielmehr so, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land heterogen sind, die einen hilflos, die anderen vertrauend und wiederum andere gierig, etwas zu wissen - die Gewissenhaften in unterschiedlichen Variationen? Wenn ich in diesem Zusammenhang Verbraucherpolitik betreibe, dann nicht nur für den mündigen, sondern für den realen Verbraucher. Insoweit muss man natürlich die eigene Politik auf dessen Bedürfnisse abstellen und kann es nicht damit tun, dass man in Presseerklärungen ein Problem aufleuchten lässt und Erklärungen dazu abgibt. Bei ernsthaftem Verbraucherschutz muss ich tatsächlich auf die einzelnen Bedürfnisse

unterschiedlichster Art Rücksicht nehmen, ganz gleich, ob es sich um hoch gebildete oder weniger gebildete Menschen handelt. Das ist Transparenz, die bislang aus meiner Sicht bei der Verbraucherschutzpolitik nicht sonderlich gut angekommen ist.

Es geht also um den realen Verbraucher. Wir brauchen Marktforschung, die Evaluation von Gesetzen, die Analyse, wie sich unsere Gesetze auf den Verbraucher auswirken.

Ich verkenne nicht, Frau Ministerin, dass bei der Aufklärung Fortschritte erzielt wurden: Monitoring, Master-Studiengang "Consumer Affairs", Verbundforschungspolitik -, allerdings sind bei den Kollegen trotzdem Studiengebühren fällig -, Verbraucherallianz. Aber genügt das? Aus unserer Sicht nicht. Natürlich ist es löblich, wenn man versucht, Verbraucherschutz in Schulen einzuführen; aber wenn man das richtig macht, muss das nach unserer Auffassung von Erziehung und Bildung schon im Kindergarten beginnen. Darüber haben wir noch gar nichts gehört. Auch im Kindergarten sind Konsumentinnen und Konsumenten, die massiven Druck auf ihre Eltern ausüben. Dort hat das also schon etwas zu suchen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen hierbei allerdings noch weit auseinander.

Der mündige Verbraucher und seine Erwartungen sind der nächste Punkt. Wenn der Verbraucher an den Staat Fragen hat, erwartet er Antworten, die nachvollziehbar und aus einem Guss sind.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Hier liegt das Dilemma in Bayern. Für den Verbraucherschutz in gesundheitlicher Hinsicht ist das Umweltministerium zuständig, für den Arbeitsschutz und die Produktsicherheit ist das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen zuständig, für die Ernährung das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, und der rechtliche Verbraucherschutz ressortiert letztlich beim Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Erwarten Sie denn ernsthaft, dass ein mündiger Verbraucher, wenn er Fragen hat, diese Unterschiede verinnerlicht und fachbezogene Fragen an die Ministerien stellt? Es ist eine Katastrophe, will man sich in diesem Wirrwarr zurechtfinden, und das nicht nur für einen, der bildungsfernen Schichten angehört, sondern auch für einen Durchschnittsgebildeten, der kein Jurastudium absolviert hat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Welches Bild ergibt das von einem Verbraucherschutzministerium? Das ist ein Verbraucherschutzministerium mit beschränkter Zuständigkeit und damit

auch mit beschränkter Haftung. Was wir von solchen juristischen Körperschaften haben, wissen wir ganz genau.

Wir sind damit also nicht zufrieden und machen das an unterschiedlichen Fällen fest.

Bei der Dioxinbelastung von Eiern gab es keine Erklärung aus dem Justiz- bzw. Verbraucherschutzministerium. In der Sache Müller-Brot bin ich kritisiert worden, weil ich gesagt habe, eigentlich müsste doch die Justiz davon wissen, dass etwas schiefläuft, wenn Durchsuchungen stattfinden und Strafen wegen Ordnungswidrigkeiten verhängt worden sind. Sie haben mich in einer Pressemitteilung angegriffen und gesagt, ich hätte keine Ahnung. Natürlich habe ich Ahnung und weiß, dass Sie aus Rechtsgründen nichts weitergeben dürfen. Aber das ist genau der Punkt, an dem wir sagen: Justiz und Verbraucherschutz passen nicht zusammen, weil wichtige Informationen nicht nach außen dringen können. Wenn die Justiz- und Verbraucherschutzministerin gefesselt ist, weil das der rechtliche Tatbestand ist, dann geht das am Thema vorbei.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir können das auch belegen. In Nordrhein-Westfalen gibt es zum Beispiel ein Klimaschutz-, Umwelt-, Landwirtschafts-, Naturschutz- und Verbraucherschutzministerium. Dieses macht den Verbraucherschutz in eigener Zuständigkeit und warnt in eigener Zuständigkeit vor belasteten Eiern. Das ist realer Verbraucherschutz: Schutz aus einer Hand. Bezüglich des Bubble-Tees, der auch bei Ihnen im Juli eine Rolle gespielt hat, ordnete die nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerin 84 Probenziehungen an und gab detailliert Auskunft über die Gefahren. Das ist realer Verbraucherschutz. Bei Tätowierungen wird auf Nickel- und Farbrückstände hingewiesen, und zwar detailliert. Das ist realer Verbraucherschutz.

Nun kann es sein, dass Sie mit Nordrhein-Westfalen nicht unbedingt auf freundschaftlichem Fuß stehen. Ich kann Ihnen allerdings auch andere Beispiele nennen. In Niedersachsen gibt es den Bereich der Ernährung und des Verbraucherschutzes. Dort ist das Verbraucherschutzministerium sogar in der Lage, die Ergebnisse der behördlichen Kontrollen des vergangenen Jahres und den Status der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, der Tiergesundheit und des Tierschutzes in einem Verbraucherschutzbericht zu veröffentlichen, und dies in eigener Zuständigkeit. Das ist reeller Verbraucherschutz.

Hessen hat eine entsprechend eigene Institution: Umwelt, Energie und Landwirtschaft, alles aus einer Hand, und auch das Saarland und Sachsen haben

anders ressortiert. Keine einzige Ressortierung im Bund ist so wie die in Bayern - Justiz und Verbraucherschutz -, und das offensichtlich mit gutem Grund.

Wie läuft es denn bei Verbraucherschutzministerkonferenzen ab, wenn über Lebensmittelprobleme, über Futtermittelprobleme diskutiert wird oder wenn, wie dies jetzt die saarländische Ministerin getan hat, eine bundeseinheitliche Regelung zur Transparentmachung der Kontrollergebnisse von Lebensmitteln gefordert wird? Läuft dann die bayerische Verbraucherschutzministerin mit einem Stab aus drei anderen Ministern auf, um sich sach- und fachkundig zu machen und um auf Augenhöhe zu diskutieren? Das kann so nicht sein. Deswegen fordern wir dringend, dass diese unglückliche Ressortierung verändert wird. Das ist auch das Erste, was wir in diesem Bereich machen werden. Wir werden wieder zurückressortieren und den Verbraucherschutz zur Umwelt bringen, so wie es früher war. Der bayerische Weg ist ein Holzweg, der in die Sackgasse führt.

(Beifall bei der SPD)

Laut Ihrer Homepage sind Sie auch Anwalt für politische Initiativen. Ja, da gab es einige. Ich erinnere an den Verbraucherlotsen, der von Ihnen in einem 10Punkte-Programm als wichtiges Institut erwähnt worden ist, um die Aufklärung voranzubringen. Ihre eigenen Parteifreunde und Koalitionäre waren es, die das Projekt im Verbraucherausschuss abgebügelt und beerdigt haben. Sie haben in der Prielmayerstraße - ich war selber dabei - bezüglich der Lebensmittelkennzeichnung eine Säulenlösung vorgestellt. Aber diese ist bundes- und europaweit kläglich gescheitert. Die Ampellösung hat Ihnen nicht imponiert. Und jetzt heften Sie sich die Button-Lösung an Ihr Revers. Es kann sein, dass wir das durchgehen lassen. Aber in der Debatte vom 27. Oktober 2010 habe ich Ihnen schon gesagt, dass meine Bundestagsfraktion am 6. Juli 2010 diesbezüglich einen Antrag gestellt hat. Die Dinge sind schon besprochen worden. Der Antrag ist insoweit auch angenommen worden. Somit ist die ButtonLösung auch unser Verdienst; das muss man ehrlich anerkennen.

Die Graumarktregulierung ist eines Ihrer Lieblingsthemen. Ich muss sagen: zu Recht. Ich bin dankbar dafür, dass Sie sich dabei von der Mehrheit von CSU und FDP deutlich abheben. Sie sagen heute, es sei gut, dass die Graumarktregulierung kommt. Aber das genügt Ihnen offensichtlich nicht.

Ich darf aus Ihren entsprechenden Pressemeldungen zitieren. Am 10. Februar 2011 hieß es: Die gesetzliche Regelung klammert den grauen Kapitalmarkt aus und konzentriert sich auf einzelne Verbesserungen in

dem bereits regulierten Bereich. Anlageberater werden nicht verpflichtet. Aber sie werden verpflichtet, ein Produktinformationsblatt auszuhändigen. Klare Vorgaben zum Beipackzettel fehlen. Es gibt für Anlageberater keinen Qualifikationsnachweis, also auch heute nicht. Sie sagen selbst - ich zitiere -: Das Gesetz bleibt hier an vielen Stellen hinter den Bedürfnissen der Anleger zurück.

Weiter geht es darum, die Überwachung sollte nur durch die Länder installiert werden. Sie greifen unsere alte sozialdemokratische Forderung auf, dass eine umfassende Überwachung durch die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, stattzufinden hat. Außerdem sagen Sie: Wir brauchen strengere materielle Anforderungen für geschlossene Fonds, ihre Verwaltungen und ihre Initiatoren, um Anleger besser vor Verlusten durch unsolide wirtschaftliche Geschäftsmodelle zu schützen.

Wenn die Vorlage eines Businessplans dafür hinreicht und Ihnen genügt, so sagen wir: Aus unserer Sicht genügt das nicht. Daher können wir diesen Weg mit Ihnen nicht gehen.

Am 6. April 2011 haben Sie ganz forsch gesagt: Wir brauchen in dem Zusammenhang ein volles Programm statt einen Schonwaschgang. Sie sagen: Der graue Markt gehört weißgewaschen. Das ist genau unsere Ansicht. Allerdings haben wir uns mit unseren Forderungen im Bund nicht durchgesetzt.

Der 27. Mai 2011 gipfelt in der Pressemitteilung des Verbraucherschutzministeriums: Was nützen die besten Regeln, wenn sie nicht durchgesetzt werden? Wörtlich heißt es: Die Überwachung kann nur dann sichergestellt werden, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde konsequent durchgreifen kann. Die dazu passenden Angriffsmöglichkeiten fehlen in dem Gesetzentwurf.

Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, dass Sie bei bestimmten Verstößen für Gewinnabschöpfungen sind. Dazu fordern Sie für die Verbraucherverbände das Klagerecht. All das bringt uns im Bund aber nicht weiter; denn damit werden Sie sich in Ihren Verbänden nicht durchsetzen können.

Man fragt sich: Wer ist hier denn an der Regierung? Es sind dieselben, die in München mit Recht die eigenen Gesetzentwürfe aus Berlin bemäkeln und zugleich mit der Verbraucherschutzministerin, Frau Aigner, an einem Tisch sitzen. Wohin führt das? Mit der Parteigleichheit soll möglicherweise von etwas abgelenkt werden.

Sportlich gesehen handelt es sich um einen Versuch, die politischen Verbraucher, nämlich die Bürgerinnen

und Bürger, zu täuschen und zu betrügen. Psychologisch gesehen sind all diese Forderungen nichts anderes als schizophren.

Deswegen ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, welche Initiativen Sie nicht ergriffen haben. Das einheitliche Gütesiegel für Lebensmittelbetriebe ist durch ein einziges Bundesland im Bundesrat verhindert worden. Das war der Freistaat Bayern. In dem Zusammenhang gab es keine entsprechende Äußerung. Wir haben auch nichts dazu gehört, dass Sie im Datenschutz Cookies verbieten wollen. Die Umsetzung wäre längst notwendig.

Sie gehen Ihren bayerischen Weg in die Isolation. Sie doktern an Symptomen herum. Den guten Willen haben Sie vielleicht, wählen aber die falsche Lösung.

Verbraucherschutz heißt für uns in der Zukunft: Steigerung der Effektivität, keine Reibungsverluste zwischen den Fachbereichen, keine gespaltene Zunge, Service aus einem Guss, Gewährleistung einer operativen ordnungspolitischen Handhabung.

Deswegen werden wir umressortieren. Verbraucherschutz in Bayern ist, um ein Bild zu gebrauchen, bezüglich Ihrer Bundesinitiativen nicht einmal mit einem zahnlosen Tiger zu vergleichen - dies wäre maßlos überzogen -, allenfalls mit einer Kuschelkatze, die gelegentlich faucht, aber keine Krallen ausfahren kann, weil sie denn keine hat. Von Zuschlagen kann keine Rede sein, eher von Belanglosigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Franke.

Herr Präsident, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Als Sprecherin für Verbraucherschutz spreche ich den Bereich der Verbraucherpolitik in Ihrer Regierungserklärung an. Dabei möchte ich die Worte meiner Kollegin Stahl ergänzen.

Zur Verbraucherpolitik gehören, wie Sie es auch selbst sagen, neben den Verbraucherrechten, auf die Sie auf Bundesebene Einfluss nehmen, Verbraucheraufklärung und -bildung.

Zunächst komme ich zu den Verbraucherrechten. Seit Langem fordern wir in mehreren Bereichen bessere Rechtssetzungen. Ich nenne einige Bereiche: Beratungsprovisionen bei Finanzprodukten, Klarstellungen bei der Riesterrente, Lebensmittelkennzeichnung, Begrenzung der Schadstoffe in Spielzeug.