Protocol of the Session on July 18, 2012

63 % unserer Straßen sind überwachungsbedürftig. Das ist eine offizielle Zahl, welche die Oberste Baubehörde herausgegeben hat. Da muss das Geld hinein und nicht in den Neubau, wie Ihr Antrag das suggeriert. Der Oberste Rechnungshof hat übrigens 100 Millionen für den Erhalt der Staatsstraßen gefordert, nicht 300 Millionen - ich weiß nicht, woher Sie diese Zahl nehmen -, wie Sie sie fordern.

Der Antrag ist so unterirdisch, dass ich Ihnen gerne eine Fortbildung durch unseren Verkehrsreferenten anbieten würde. Seit 1986, seitdem wir im Landtag sind, haben wir regelmäßig die Umwandlung der Neubaumittel in Mittel für den Erhalt gefordert; leider ist man dem nicht gefolgt. Das Ergebnis sehen wir jetzt. Wir haben schon den FREIEN WÄHLERN bei der Haushaltspolitik eine solche Fortbildung angedeihen lassen; vielleicht nehmen Sie ein Fortbildungsangebot auch in der Verkehrspolitik an.

Dieser Antrag ist bodenlos, und wir können ihm auf keinen Fall zustimmen. Das Argument, dass gleichwertige Lebensverhältnisse durch Staatsstraßenbau geschaffen werden, ist mit ernsthafter Logik nicht nachzuvollziehen.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Der Antrag der SPD hört sich zunächst einmal gut an. Da wird gefordert, dass die vordringliche Sanierung bestimmter Strecken über Sondermittel zu finanzieren ist, aber es wird nicht gesagt, woher diese Mittel kommen sollen. Daher werden wir uns bei der Abstimmung enthalten.

Kollege Rotter hat gesagt, eine Rangliste der Sanierungen wird nach objektiven Kriterien erstellt, und dann wird eine Sanierung nach der anderen abgearbeitet. Lieber Kollege Rotter, Sie wissen genauso gut wie ich, dass dann die Abgeordneten in das Staatsstraßenbauamt gehen, und dann wird die Rangliste so verändert, dass die Straße saniert wird, die einige Kollegen lieber haben als eine andere Straße. Das ist die Realität, wie wir sie im ländlichen Raum in Bayern kennen. Wie die Rangliste aufgestellt wird, entscheidet jeweils der Abgeordnete der Regierungsfraktionen vor Ort.

Wir werden den einen Antrag ablehnen und uns bei dem anderen der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Ehe ich in den Wortmeldungen fortfahre, darf ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion und der FDP

Fraktion betreffend "Änderungen im Länderfinanzausgleich zu Gunsten Bayerns durchsetzen", Drucksache 16/13267, bekannt geben: Mit Ja haben 113 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 49. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 6)

Außerdem darf ich mitteilen - damit das im Haus schon durchgegeben werden kann, dass zum Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER betreffend "Menschenleben retten - Luftrettung in Westmittelfranken sicherstellen!" und zum nachgezogenen Antrag der SPD betreffend "Luftrettung in Westmittelfranken und im nordwestlichen Schwaben verbessern - Situation im Großraum Nürnberg nicht verschlechtern!" jeweils namentliche Abstimmung beantragt wurde. Das sind die Drucksachen 16/12578 und 16/12753. Ich bitte, dies im Haus durchzugeben, damit wir die namentlichen Abstimmungen zeitgerecht durchführen können.

Jetzt darf ich Freiherrn von Gumppenberg das Wort erteilen. - Ich danke für Ihre Geduld. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident! Lieber Herr Pohl, ich muss Ihnen vorweg schon die Frage stellen: Wollen Sie allen Ernstes mit denen koalieren, die von Ihrem Antrag sagen: Alles Schmarrn und unterirdisch? Sind das wirklich ihre Wunschkoalitionspartner? Inhaltlich stimme ich mit den GRÜNEN eigentlich erstmals überein. Ich muss Ihnen sagen: Das ist ein Schmarrn.

(Beifall bei der FDP)

Ich stimme inhaltlich mit den GRÜNEN voll überein: Das ist ein Schmarrn. Ich habe an dieser Stelle schon mehrfach betont, dass ich glaube, dass die FREIEN WÄHLER im Augenblick das Motto treibt: Wir müssen draußen verkünden, dass die Welt einfach furchtbar ist; die Welt ist schrecklich, die Straßen sind schlecht, die Autobahnverbindungen sind furchtbar, die Sonne scheint in Bayern nicht mehr, sondern alles ist nur dunkel, nass und schrecklich - das wollen wir FREIE WÄHLER jetzt auf einen Schlag ändern. Wir stellen Anträge im Bayerischen Landtag nach dem Motto: Macht die Welt schöner. Derweilen, liebe Freunde: Bayern ist doch wunderschön. Es ist nicht alles perfekt. Wir wollen bei der Redlichkeit bleiben: Nicht alles ist perfekt. Wir wollen auch nicht irgendwelche Dinge nach dem Motto produzieren: Alles ist gut. Lieber Herr Pohl, es gibt durchaus Dinge, die reparaturwürdig sind.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Es gibt durchaus Straßen, die man verbessern kann. Jemand, der aber hier einen Antrag nach dem Motto stellt, gebt mehr Geld her, muss auch sagen, woher diese Mittel kommen.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Ja vom Bundeshaushalt!)

- Ja, aus dem Bundeshaushalt. Entschuldigung; dann fahren Sie nach Berlin und holen Sie das Geld.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Was glauben Sie denn, was diese Staatsregierung ständig tut?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das wissen wir nicht!)

Sie versucht doch nach bestem Wissen und Gewissen, alles zu tun, um just die Mittel zu bekommen, die Sie einfordern.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Wir haben Sie doch so weit gelobt, aber Sie hatten keinen Erfolg! - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Morgen gibt es zunächst einmal Mittel für Spanien! Erst einmal 30 Milliarden für Spanien!)

- Sei mir nicht böse: Was hat denn Spanien oder Griechenland mit unseren Straßen zu tun?

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sehr viel!)

- Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Ihr wollt hier eine Diskussion entfachen, die es real gar nicht gibt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Doch! Das sogenannte Schwarzgeld!)

Lassen Sie uns doch bitte schön über die Straßen reden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau um die geht es!)

- Lieber Herr Aiwanger, lassen Sie uns über die Straßen reden, und lassen Sie uns darüber reden, was die GRÜNEN Ihrem Antrag im wahrsten Sinne des Wortes attestiert haben.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Sie verstecken sich hinter den GRÜNEN!)

"Unterirdisch" und "alles ist Schmarrn", hat er gesagt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie werden doch nicht ernst nehmen, was die GRÜNEN sagen, Herr Freiherr! Sie doch nicht!)

- Doch! Ihr nehmt das doch wahnsinnig ernst. Ihr wollt doch mit denen koalieren.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Jetzt darf ich für die Staatsregierung Herrn Staatsminister Joachim Herrmann das Wort erteilen. - Ich bitte um etwas mehr Ruhe im Hohen Haus. Der Herr Staatsminister hat das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Es ist gerade angesprochen worden, dass es um den Mobilitätsbedarf unserer Gesellschaft geht. In der Tat: Die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen in unserem Land nehmen zu. Dabei bitte ich zu berücksichtigen, dass Bayern eines der wenigen Bundesländer ist, in dem die Bevölkerung nach wie vor wächst, und schon von daher eine entsprechende Mobilität sicherzustellen und zu gestalten hat. Außerdem erleben wir als Transitland im Herzen Europas auch mehr Lkw-Verkehr, beispielsweise quer durch Europa, auf unseren Straßen. Deswegen brauchen wir den Ausbau aller Verkehrsträger, lieber Herr Kollege Roos. Unter allen Fachleuten ist völlig unbestritten, dass auch in den nächsten Jahrzehnten die Straße der Verkehrsträger Nummer eins bleiben wird. Deshalb ist manches, was Sie dargelegt haben, Herr Kollege Mütze, schon etwas neben der Realität.

Wir werden in den nächsten Jahren in der Tat eine Veränderung bei den Kraftfahrzeugen erleben. Wir werden abgasärmere und leisere Fahrzeuge erleben. Wir werden Elektrofahrzeuge erleben. Aber mit Verlaub: Manchmal - das ist banal - muss man daran erinnern, dass auch Elektrofahrzeuge auf Straßen fahren werden. Deshalb ist Straßenausbau auch in Zeiten der Elektromobilität nicht überholt, und deshalb ist es notwendig, auch weiter zu investieren.

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen - das sei nebenbei gesagt - wird auch der Ausbau von Fahrradwegen aus unserem Staatsstraßenhaushalt bezahlt; bei den Kommunen ist das nicht anders.

In aller Kürze zu den drei Themenbereichen Bund, Land und Kommunen. Wir brauchen in der Tat beim Bund mehr Mittel. Die intensive Verkehrszunahme findet auf den Bundesautobahnen und den Bundesstraßen statt. Deshalb freue ich mich über jede Unterstützung, wenn wir gerade in Berlin darum kämpfen, mehr Mittel für die Bundesautobahnen und Bundesstraßen in Bayern zu bekommen. Ich freue mich, dass es gerade aufgrund der Initiativen des letzten Jahres gelungen ist, dass jetzt der Bund, Herr Ministerpräsident,

eine zusätzliche Verkehrsmilliarde organisiert. Das hängt auch ganz wesentlich mit den Initiativen aus Bayern zusammen. Wir hoffen, dass in den weiteren Verhandlungen der nächsten Monate und der nächsten Jahre noch einmal ähnliche Beträge herausspringen.

Ich will allerdings angesichts der Diskussion über Maut und über nutzerfinanzierte Systeme auf etwas hinweisen. An der Entwicklung beim Bund in den letzten Jahren stört mich, dass wir inzwischen im Bundeshaushalt stattliche Mehreinnahmen aus der LkwMaut haben, dass der Bundesfinanzminister aber leider fast im selben Maß, wie die Lkw-Maut-Einnahmen gestiegen sind, die Steuermittel, die in den Bundesverkehrshaushalt, in den Bundesfernstraßenhaushalt geflossen sind, gekürzt hat. Wäre es so, wie es ursprünglich einmal gedacht gewesen ist, wären also alle Einnahmen aus der Lkw-Maut sozusagen als Zusatzausstattung, die wir brauchen, oben drauf gekommen, dann stünden wir heute beim Bundesfernstraßenhaushalt wesentlich besser da. Deshalb sage ich Ihnen: Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass wir aus dem Bundeshaushalt mehr Mittel für Bundesstraßen und Bundesautobahnen in Bayern bekommen.

Ein weiterer Punkt ist das Thema Staatsstraßen. Es ist unbestreitbar, dass im vergangenen Jahrzehnt im Rahmen der Haushaltskonsolidierung in einigen Bereichen deutlich kürzer getreten worden ist und deshalb die Mittel jetzt wieder deutlich aufgestockt wurden. Gehen Sie von diesem Jahr aus fünf Jahre rückwärts. In den letzten fünf Jahren, seit 2008, haben wir für die Staatsstraßen immerhin 1.068 Millionen Euro vom Bayerischen Landtag zur Verfügung gestellt bekommen. In den fünf Jahren davor waren es nur 642 Millionen Euro. Das heißt, in den letzten fünf Jahren hat es über 400 Millionen Euro mehr für die Staatsstraßen gegeben als in den fünf Jahren zuvor. Deshalb können wir jetzt den Bestand wieder ordentlich erhalten und auch Ortsumgehungen neu bauen. Vorher konnten wir dies eben nicht tun. Auch manche Sanierung muss jetzt nachgeholt werden.

Ich sage Ihnen klipp und klar: Es gibt keinen Gegensatz zum Ziel der Staatsregierung, 2030 einen schuldenfreien Haushalt zu haben - ganz im Gegenteil: Unser Ziel ist, dass Bayern 2030 nicht nur schuldenfrei, sondern auch schlaglochfrei ist. Dafür werden wir gemeinsam arbeiten, liebe Freundinnen und Freunde.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Eine letzte Bemerkung zu den Kommunalstraßen, meine Damen und Herren. Wir unterstützen unsere Kommunen bestmöglich. Ich kann mich, was das

Bundes-GVFG anbetrifft, nur dem anschließen, was Herr Kollege Rotter hier trefflich ausgeführt hat. Dazu kommt natürlich immer auch die Unterstützung der Kommunen bei der Bestandserhaltung.

Lieber Herr Kollege Roos, was Sie an vollmundigen Ankündigungen in die Welt gesetzt haben, höre ich mit großem Interesse. Ich will den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern an dieser Stelle sagen: Mir ist letzte Woche aus dem Landtag Baden-Württemberg mitgeteilt worden, dass die grün-rote Regierung die Unterstützung der Kommunen für den Straßenbau auf - sage und schreibe - null reduziert hat. Das ist grünrote Politik in Baden-Württemberg.