Zum Antrag der FREIEN WÄHLER muss ich ganz klar sagen: Ohne eine gemeinschaftliche Haftung für die Altlasten werden wir nicht aus dem Teufelskreis herauskommen.
Das können wir wollen oder nicht wollen - das werden wir müssen, wenn wir den Teufelskreis durchbrechen wollen. Die Alternative ist, ihn nicht zu durchbrechen. Dafür gebe ich aber nicht meine Hand. Deswegen werden wir den Antrag der FREIEN WÄHLER ablehnen. Denken Sie an Spanien, Herr Pohl.
Ausgerechnet die GRÜNEN äußern hier solche Vorwürfe. Unter Ihrer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene sind alle Instrumente beschlossen worden, die uns heute Ärger bereiten: Leerverkäufe, REITs usw.
Sie haben die Maastricht-Kriterien aufgeweicht, werfen der FDP jetzt aber vor, dass wir das größte Problem der Europäischen Union und der Stabilitätsfrage sind. Herr Kollege Hallitzky, bitte bleiben Sie bei der Realität und bei den Fakten.
Karsten, ich habe versucht, die Realitäten zu skizzieren. Nach der Ära Thatcher bitte keine Zwischenbemerkung, ich wüsste nicht, dass Thatcher keine Bundeskanzlerin war -, seit die
ser Zeit haben alle Bundesregierungen zur Aufweichung beigetragen, Rot-Grün auch; das habe ich in meiner Rede zweimal gesagt. Das ändert aber nichts daran, dass uns allen gemeinsam die Aufgabe aufgetragen ist, das Rad zurückzudrehen. Ich habe allerdings leise Zweifel, dass die FDP diesbezüglich genauso dynamisch ist wie die GRÜNEN.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut und dem Thema angemessen, dass wir uns heute auch zu später Stunde so ausführlich mit allen Aspekten der Schuldenkrise in der Europäischen Union und ihrer Bewältigung befassen.
Zunächst halte ich fest - Frau Kollegin Müller hat das schon unterstrichen -, dass die Beschlüsse, die der Deutsche Bundestag und der Bundesrat nach sehr sorgfältiger Debatte getroffen haben, ein wichtiges Signal ausgesandt haben. Durch den ESM und den Fiskalpakt haben wir endlich Maßstäbe und Regelungen für den Weg zu einer Stabilitätsunion und eine klare Absage an eine Schuldenunion in Europa. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dies noch einmal festzuhalten.
Ich warne in der Tat auch die Oppositionsredner vor der einen oder anderen Selbstgerechtigkeit. Herr Kollege Hallitzky, ich will Ihren nachdenklichen Ton bewusst aufnehmen. Die Aufweichung des Stabilitätsund Wachstumspakts ist damals unter der rot-grünen Bundesregierung gemeinsam mit einer übrigens wiederum sozialistischen französischen Regierung geschehen und war eine ganz entscheidende Ursache für den Schlamassel, in den wir geraten sind. Seinerzeit - das ist jetzt in Fernsehsendungen transparent gemacht worden - hat auch die damalige Bundesregierung klare Warnsignale auch von Institutionen im Zusammenhang mit dem Beitritt Griechenlands wohl mehr oder weniger ignoriert oder mehr oder weniger bewusst auf die Seite geschoben. Herr Kollege Hallitzky und Herr Kollege Roos, damals unter Ihrer Regierungszeit sind im Zuge einer falsch verstandenen Deregulierung auch die Offshore-Gesellschaften zugelassen worden, die so viel Unheil angerichtet haben.
Ich bitte deshalb darum, jetzt nicht diejenigen mit klugen Ratschlägen zu versehen, die diesen Schlamassel nun beseitigen müssen.
Das ist die Bundesregierung, und das betrifft das, was in Europa zu leisten ist. Natürlich sehen wir viele Aspekte, die in der Interpretation dessen, was in Brüssel beschlossen worden ist, diskutiert werden, mit Sorge. Deswegen hat die Bayerische Staatsregierung klar im Bundesrat erklärt, dass alles - auch die Umsetzung der Brüsseler Beschlüsse -, was nach Inkrafttreten von ESM und Fiskalpakt folgt, an den Anforderungen des ESM und des Fiskalpaktes gemessen werden muss. Wenn das nicht standhält, kann es nicht unsere Zustimmung finden.
Wir haben im Übrigen in einer Protokollerklärung - ich will das in Richtung des Kollegen Dr. Runge sagen zu den sogenannten Deutschlandbonds ganz klar hinterlegt - ich darf das zitieren -, dass bei einer Ausgabe gemeinsamer Anleihen von Bund und Ländern zu gewährleisten ist, dass jedes Land für Schuldendienst und Haftung seiner Schulden auch im Außenverhältnis die alleinige Verantwortung behält. Wer gegen Eurobonds ist - wir sind das im Gegensatz zu Rot-Grün -, der darf natürlich nicht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland die Grenzen verwischen, dass diejenigen Länder, wie der Freistaat Bayern, die eine anständige Haushaltspolitik machen, für diejenigen haften, die gegen diese Prinzipien verstoßen.
Es wäre gut gewesen, wenn die Bundesregierung, wenn die Bundeskanzlerin in Brüssel einen noch besseren Stand gehabt hätte und wenn sich nicht Teile der Opposition in Deutschland für ein parteitaktisches Spiel hergegeben hätten, nachdem man gemeinsam mit anderen Ländern, die ganz andere Interessen vertreten, versucht hat, die deutsche Verhandlungsposition zu schwächen, indem man Pakete geschnürt hat. Das war sicher keine gute Sache, Herr Kollege Roos, und deshalb wäre ich an Ihrer Stelle mit Ratschlägen sehr vorsichtig.
Wir haben hinsichtlich der Frage der Umsetzung der Brüsseler Beschlüsse zwei wesentliche Themen in den Fokus zu nehmen. Das Erste ist - dies ist auch Hauptgegenstand des Antrags der FDP-Fraktion -, dass wir einen europäischen Aufsichtsmechanismus brauchen, und zwar einen, der auch Eingriffsrechte hat. Wir unterstützen diese stärkere Bankenaufsicht. Aber, Herr Kollege Hallitzky, es ist etwas ganz anderes, wenn Sie von einer Bankenunion sprechen. Das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen auch keinen europäischen Haftungsfonds in dem Sinne,
Es darf nicht sein, dass der deutsche Sparer dafür zahlt, dass aus Schirmen direkt die Banken in Spanien saniert werden. Das werden wir verhindern.
Ich dachte, es ist eine Zwischenfrage. Ich bin noch nicht ganz fertig. Wir können das auch im Anschluss machen.
Der zweite Aspekt - das war in der Diskussion der entscheidende Punkt - trifft die Frage, ob nach den Brüsseler Beschlüssen sozusagen im Vorgriff gegen die Maßstäbe des ESM verstoßen worden sei. Hierbei gab es unterschiedliche Interpretationen, vor allen Dingen von der italienischen Seite. Deswegen war es ganz wichtig, dass die Bundeskanzlerin vor der Abstimmung erklärt hat, die Bundesrepublik Deutschland hat eben gerade nicht der Möglichkeit, dass Banken direkt kapitalisiert werden, zugestimmt. Sie hat nur zugestimmt, dass über die Frage, ob diese Möglichkeit überhaupt eröffnet werden soll und wie das ausgestaltet werden soll, erst entschieden werden kann und entschieden werden wird, wenn diese europäische Bankenaufsicht eingerichtet ist. Das ist das, was die Bundeskanzlerin erklärt hat.
Deswegen teile ich die Aussagen der Kollegen Klein und Bernhard. Das ist auch die Auffassung der Bayerischen Staatsregierung. Wir können uns nicht vorstellen, dass eine solche direkte Inanspruchnahme erfolgen kann, ohne dass die Staaten, in denen die Banken sitzen, in der Haftung bleiben. Das können wir uns in der Tat nicht vorstellen.
Der zweite Aspekt, auf den ich aufmerksam machen will und der auch in dem zweiten Absatz des Antrags
angesprochen wird, ist die Aussage, dass der Zugang zu den Schirmen flexibler bzw. effizienter gestaltet werden soll. Bei solch unbestimmten Begriffen müssen wir in der Tat sehr wachsam sein. Ich habe nichts gegen eine flexiblere Gestaltung, aber es muss ganz klar sein, dass eine flexiblere und effizientere Ausgestaltung nicht bedeuten darf, dass durch die Hintertür solch flexibler Instrumente das ganze Regelwerk infrage gestellt wird. Das darf nicht sein, und darüber wird auch die Bayerische Staatsregierung in besonderer Weise wachen.
Ich darf festhalten: Wir werden uns weiter von den Grundprinzipien leiten lassen, die wir auch in den Beschlüssen und der Protokollerklärung niedergelegt haben, und zwar: Erstens: keine Vergemeinschaftung der Schulden der Krisenländer, zweitens: keine Haftung ohne Kontrolle, drittens: keine europäischen Abwicklungsfonds für Banken, viertens: Vergabe von Hilfsgeldern nur als Ultima Ratio und fünftens: Hilfen nur gegen strikte Auflagen.
Wir werden die Bundesregierung weiter darin unterstützen, dass sie in Brüssel, auch dann, wenn andere eine andere Position vertreten, sorgsam darauf achtet, dass diese Prinzipien eingehalten werden. Wir behalten unsere Politik der restriktiven Rettung bei.
Lassen Sie mich abschließend, weil immer viel von Technik die Rede ist und wir auch viel über technische Fragen reden müssen, die europäische Dimension ansprechen: Ich glaube, die besondere Verantwortung, dass wir uns immer konstruktiv als Bundesrepublik in diese Debatte einschalten, beruht darauf, dass kein Land so von Europa profitiert hat wie die Bundesrepublik Deutschland. Das Geschenk der Wiedervereinigung wäre uns ohne die Einbettung in die Europäische Union überhaupt nicht zuteil geworden. Auch daran sollten wir in diesen Debatten denken und die richtige Gewichtung vornehmen.
(Staatsminister Martin Zeil: Ich habe gesagt, ich bin jetzt fertig, Herr Präsident! Mehr habe ich nicht gesagt! Ich wollte Ihnen in keiner Weise vor- greifen!)
So viel zur Semantik, sehr geehrter Herr Kollege Zeil. Diese Semantik war auch sichtbar bei Ihrer Interpretation, wie sich die Kanzlerin gegenüber vorher verhalten hat. Sie hat vorher gesagt, es könne quasi nur über ihre Leiche geschehen.