Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht uns GRÜNEN um mehr Bildungsgerechtigkeit. Das ist ein Kernthema einer Politik für soziale Gerechtigkeit in einer Gesellschaft, die immer mehr auseinanderfällt. Wir sind davon überzeugt: Eine solche Politik erfordert eine Konzentration unserer Anstrengungen auf gute Bildungsinstitutionen, die Teilhabe ermöglichen, die nicht ausgrenzen und die an Qualität gewinnen.
Es gibt genügend Beispiele, wo eine Qualitätsverbesserung notwendig ist. Ich nenne nur das Beispiel Ganztagsschule. Wir haben dazu immer wieder Vorschläge gemacht; ich will mich hier nur auf die Grundschule beziehen. Wir haben in Bayern zwar gebundene Grundschulangebote, aber alle wissen, dass die Stundenausstattung dafür nicht ausreicht. 12 Stunden reichen einfach für die erste, zweite Klasse nicht aus, um einen halbwegs vernünftigen Nachmittagsunterricht anbieten zu können. Deswegen ist auch die Zahl der Anträge sehr begrenzt, muss man einfach sagen.
Wir haben daneben ein System der Mittagsbetreuung, erweiterte Mittagsbetreuung, erweiterte Mittagsbetreuung mit Zuschlag, das faktisch für die Eltern ein Ganztagsangebot darstellt, das aber nicht ausreichend finanziert ist, das Elterngebühren verlangt und die Kommunen erheblich belastet. Ein erster Schritt wäre, wenigstens die gleichen Bedingungen wie bei den offenen Ganztagsangeboten an den Mittelschulen auch für die Grundschulen zu ermöglichen. Ich bin selber im Gemeinderat und weiß: Sie können den Eltern nicht vermitteln, warum der Fünftklässler in einer Gruppe ist, die 25.000 Euro vom Land bekommt, während der Viertklässler in einer Gruppe ist, die vom Land 7.000 Euro bekommt,
und warum für die Hauptschule keine Gebühr verlangt werden darf, aber für die Grundschule Gebühr verlangt werden muss.
Wir brauchen Mittel für Inklusion. Wie gesagt, wir haben in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe erste Schritte gemacht, aber jetzt ist die Verpflichtung, auch an die Haushälter, an uns alle, dafür die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen,
Wir brauchen, gerade wenn wir Qualität und Teilhabe verwirklichen wollen, eine bessere Unterrichtsversorgung, und wir müssen da auch neue Wege gehen. Deswegen schlagen wir vor, entsprechende Stundenbudgets an die Schulen zu geben, die dann flexibel ihren Unterricht vor Ort sichern können. Wir brauchen auch Möglichkeiten, damit Schulen Lehrkräfte selbst einstellen können, die zum Schulprofil passen. Da muss man jetzt nicht - was man an anderer Stelle gern mal machen könnte, beim Beamtenstatus usw. nachdenken. Ich denke, auch im Rahmen des jetzigen Systems sind Freiräume schaffbar, damit Schulen ein Budget bekommen, mit dem sie dann noch einmal zusätzlich zur Regelzuweisung Lehrkräfte einstellen können, die zum Schulprofil passen. Es sind wunderbare, gut ausgebildete junge Lehrerinnen und Lehrer da, die auf die Straße geschickt werden, weil das Land sie nicht einstellt.
Schulen brauchen mehr Selbstständigkeit. Eigenverantwortliche Schule ist ein tolles Schlagwort, aber es muss unterfüttert werden. Schulen brauchen auch mehr Eigenständigkeit - mit Budgets für Lehrerfortbildung, damit sie sich die entsprechende Lehrerfortbildung - ganz egal, wo - einkaufen können, um ihre Lehrerinnen und Lehrer besser als heute fortbilden zu können.
Wir wollen - das ist ein kleines, aber ganz zentrales Thema - endlich die Leitungszeit für Schulleitungen verbessern und die Schulsekretariate besser ausstatten.
Herr Minister Spaenle, Ihre Absichtserklärungen kann ich nicht mehr hören. Diese Absichtserklärungen höre ich aus der CSU-Fraktion, seitdem ich im Landtag bin - das sind jetzt auch schon vier Jahre -,
und es passiert nichts. Es gibt nichts Frustrierenderes für einen Oppositionsabgeordneten, der eine Rede hält zur Verbesserung der Leitungszeit an den Schulen, und darauf kommt die Antwort des CSU-Kollegen: Ja, Sie haben recht, aber wir machen es doch nicht! Was soll man denn da noch als Oppositionspolitiker sagen? Da verzweifelt man doch!
Wenn wir Schule tatsächlich vom Kind her denken, und wir GRÜNEN denken das und wollen das, dann müssen wir fragen: Wie können wir den einzelnen Schülerinnen und Schülern besser gerecht werden? Dabei steht die Schulstrukturfrage - mit Verlaub, das unterscheidet uns von Ihnen, Herr Spaenle, - nicht im Vordergrund, sondern es geht darum, wie die Rahmenbedingungen so zu ändern sind, dass Schulen Zeit und Raum haben für die individuelle Förderung, für das individuelle Lerntempo.
Das selbstständige Lernen der Schülerinnen und Schüler muss im Mittelpunkt stehen, denn nur das, was man einmal selber gemacht, selber ausprobiert hat, kann man sich merken und kann es dann auch in Zukunft nachhaltig umsetzen.
Die Schulen brauchen für eine bessere Unterrichtsorganisation mehr Eigenverantwortung. Der Lehrplan muss zum Lehrplan für die einzelnen Schülerinnen und Schüler werden, damit jeder Schüler sein Lerntempo bekommen kann, und zwar innerhalb des jetzigen Unterrichtsrahmens.
Schulen müssen ihre pädagogischen Schwerpunkte in Form eines Schulprogramms selbst setzen können. Sie müssen diesen 45-Minuten-Takt aufgeben können, neue Wege der Zeitorganisation finden können, und sie brauchen neue Formen der Leistungsbewertung.
Wir sind für eine nachhaltige Bildungspolitik, die mit einer Politik der Ermöglichung auf Veränderung von unten und auf Qualität und Teilhabe setzt. Während Sie ständig davon reden, dass die Schulen jetzt Ruhe brauchen, aber gleichzeitig Unruhe erzeugen, weil Sie ständig eine neue Sau durchs Dorf treiben oder einen neuen Namen erfinden, aber keine Konzepte dafür haben bzw. diese nicht finanziert haben, sind wir davon überzeugt, dass die Schulen in Bayern Veränderung brauchen. Wir werden aber nicht ständig neue Modelle ins Leben rufen und dann wieder den Geldhahn zudrehen. Unser grüner Weg ist ein bayerischer Weg; denn wir machen eine bayerische Politik in Bayern unter Berücksichtigung der Verhältnisse vor Ort, und wir gehen diesen Weg nicht selbstgerecht, sondern sind offen für Veränderung. Wir machen Politik nicht im Gestus "Das wissen wir schon, machen wir schon"; wir machen sie nicht unter dem Schild der Ideologie der Dreigliedrigkeit, sondern wir sind offen für den Dialog mit den beteiligten Schülerinnen und Schülern, Eltern und Kommunen. Wir lassen Teilhabe zu.
Im Unterschied zu Ihnen nehmen wir den tatsächlich großen Anspruch ernst, Schule vom Kind her zu denken.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Gehring. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Will. Bitte schön. Ihr folgt der Kollege Rüth.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser gemeinsames Ziel ist es, allen jungen Menschen in Bayern von Beginn an und in allen Phasen ihrer Entwicklung bestmögliche Bildungs- und Weiterbildungsangebote zur Verfügung zu stellen. Die FDP steht für Freiheit und Verantwortung in einer offenen Bürgergesellschaft mit fairen Chancen für alle. Wir wollen ein menschliches Bayern, in dem jeder seinen Lebensweg gestalten kann, unabhängig von Herkunft, Religion oder dem Geldbeutel der Eltern. Bildung und Ausbildung sind Voraussetzung für ein freies, selbstbestimmtes Leben und gerecht verteilte Lebenschancen.
Im Zentrum steht das einzelne Kind, das als Persönlichkeit Wertschätzung erfährt. Es soll seinen Begabungen und Fähigkeiten entsprechend ein möglichst individuelles und passgenaues Schulangebot erhalten, damit es seine Bildungschancen optimal wahrnehmen kann. Das Kind soll seine vielfältigen Kompetenzen entwickeln, Verantwortung für den Lernprozess übernehmen und das Lernergebnis reflektieren können. Bei Vorgabe bestimmter Standards können die Schülerinnen und Schüler ihre Zielvereinbarungen auf verschiedene Weise und mit unterschiedlichem Tempo erreichen.
Wir als Bildungspolitiker müssen dafür sorgen, dass die Lehrkräfte eine Lernumgebung entwickeln und eine Lernkultur schaffen, in der individuelle Förderung möglich ist. Das sehen die Kolleginnen und Kollegen im Bildungsausschuss genauso, und ich danke Ihnen allen dafür, dass wir immer um beste Lösungen ringen, und für das gute Miteinander, Herr Güll.
Wir alle wissen, dass die bayerischen Schulen für die Zukunft entsprechend ausgestattet werden müssen, um das Bildungsangebot bereitzustellen, welches von Kindern, Eltern, der Gesellschaft, der Wirtschaft sowie den zukünftigen Arbeitgebern nachgefragt wird. Damit dies gelingen kann, entwickeln wir die vorhandene Bildungslandschaft weiter und geben den Schulen die Freiräume, in denen sie Verantwortung übernehmen und gezielt Unterrichtsentwicklung vorantreiben können. Alle Schulforscher bestätigen, dass mehr Freiheit
und Eigenverantwortung zu einer besseren Qualität des Unterrichts sowie besseren Bildungserfolgen führen.
Deshalb heißt für uns Liberale die Schulstruktur der Zukunft "Eigenverantwortung und Eigeninitiative". Das Konzept der eigenverantwortlichen Schule ist auf der Grundlage unseres liberalen Positionspapiers in der Koalition durchgesetzt und auf den Weg gebracht worden. Es ist ein Konzept, das nicht "von oben" verordnet, sondern von der Schulfamilie vor Ort getragen und gelebt wird. Dabei setzen wir einen Schwerpunkt bei der Personal- und Qualitätsentwicklung sowie dem Qualitätsmanagement.
Zu einer eigenverantwortlichen Schule gehört erstens eine zeitgemäße Führungsstruktur. Wir werden die erweiterte Schulleitung, die sogenannte mittlere Führungsebene, etablieren, denn die Erweiterung der Verantwortung auf mehrere Lehrkräfte einer Schule führt dazu, dass Bildungsstandards nachhaltiger und schneller in den Lehrerkollegien verankert und Führungspannen abgebaut werden. Schulleiter erhalten ein Plus an Zeit für konzeptionelle Arbeit an ihrer Schule. Das erleichtert auch die Teamarbeit im Kollegium und trägt zur Berufszufriedenheit bei. Zugleich werden Spielräume für zeitgemäße Lehr- und Lernformen geschaffen, siehe Oettingen. Die Organisation des Unterrichts in Doppelstunden etwa für fächerübergreifenden Unterricht ist in kleineren Lehrerteams viel leichter umzusetzen.
Zur eigenverantwortlichen Schule gehören zweitens mehr Kompetenzen vor Ort. Die Schulbürokratie wird von uns Liberalen deutlich reduziert werden, zum Beispiel durch Schaffung eines Stundenpools anstelle einer exakten Aufschlüsselung von Anrechnungsstunden sowie über mehr Gestaltungsfreiheit bei der Stundenplanorganisation.
Drittens gehört die Verantwortung für ein eigenes Budget dazu. Die Schulfinanzierung sollte im Idealfall in einer Hand liegen. Mit einem sogenannten Globalbudget wird nicht mehr zwischen den Sachaufwandsträgern, den Kommunen, sowie den Personalaufwandsträgern und dem Freistaat unterschieden. Diese zementierte Trennung zwischen äußeren Schulangelegenheiten und inneren Angelegenheiten der Schulen, wie zum Beispiel den Lehrplänen und dem Personal, die aus dem Staatssäckel finanziert werden, ist nicht mehr zeitgemäß. Denn Kommune und Freistaat als Bildungspartner sind gleichermaßen an einer guten Schulqualität interessiert.
Zu einer eigenverantwortlichen Schule gehört viertens mehr Eigenverantwortung bei der Einstellung der Lehrkräfte direkt an der jeweiligen Schule. Durch den Ausbau des Direktbewerbungsverfahrens schaffen wir Möglichkeiten, besonders engagierte Lehrkräfte einzustellen, die zum Schulprofil passen. Die Schulen können ihr Profil bilden und selbst gestalten und entscheiden, wer bzw. was zu ihnen passt, ob zum Beispiel in Laptop-Klassen oder anderes pädagogisches Personal investiert wird. Umgekehrt können sich die Lehrer die Schule aussuchen, die ihnen am besten zusagt.
Fünftens gehört für uns zu einer eigenverantwortlichen Schule mehr Mitbestimmung in den Schulen. Schulverfassungen und Schulvereinbarungen stellen wichtige Regeln für das demokratische Miteinander auf, für Solidarität und Toleranz an der jeweiligen Schule. Sie dokumentieren nach außen das Selbstverständnis einer Schule. Freiheit und Verantwortung sind die Basis, um mehr Beteiligungsmöglichkeiten und eine höhere Kreativität vor Ort zu entfalten. Sie ermöglichen eine systematische und zielorientierte innere Schulentwicklung.
Eine Schlüsselfunktion hat die jeweilige Schulleitung, die durch professionelles Leitungshandeln im Sinne von Leadership vorangehen soll. Das SchulleitungsFeedback ist hierbei ebenfalls von hoher Bedeutung, um effizientes Führen und systematische Schulentwicklung durch gezielte Rückkoppelung zu ermöglichen. Eine Schule schafft umso mehr Transparenz und Verständnis, je höher die Beteiligung und Mitwirkung der Schulfamilie ist. Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern sollen in Schulforen aktiv an Programmen zur Schulentwicklung mitwirken können.
Notwendig ist auch, dass Eltern- und Schülervertreter ein Initiativrecht im Schulforum erhalten, um die Aktivitäten dieses Gremiums noch zu fördern und voranzutreiben. Ergebnisse der internen und externen Evaluation müssen auch für Eltern sowie Schülerinnen und Schüler einsehbar sein, damit sie die Stärken und Schwächen der Schule kennen.
Durch mehr Mitbestimmung entsteht auch mehr Demokratie in den Schulen, denn nur dort, wo Demokratie vorgelebt und erlebbar gemacht wird, lässt sie sich glaubhaft vermitteln. Die Schulen werden somit zu einem Ort der Partizipation und Teilhabe von Schülern, Eltern, Lehrern und Kommunen, also der ganzen Schulfamilie. Sie sind nicht mehr nur Lehr- und Lernort, sondern werden somit zu einem "Lebensraum Schule" und in der Mitte der Gesellschaft verankert.
Mit der Freiheit und Eigeninitiative eng verknüpft ist die Verantwortung für das eigene Tun und Handeln.
Freiräume für Schulen bedeuten nicht Anarchie, denn die Schulen selbst müssen sich systematisch mit der Ermittlung und Verbesserung ihrer Qualität befassen. Die Schulaufsicht beschränkt sich auf die Zielvorgaben und das Erreichen dieser Ziele. Ein aussagekräftiges Qualitätsmanagement ist deshalb eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche, eigenverantwortliche Schule. Erste Bausteine der eigenverantwortlichen Schule bekommen mit dem geplanten Schulinnovationsgesetz ein Dach, das den Schulen den gesetzlichen Rahmen für mehr Freiheit und Verantwortung ermöglicht. Viele Schulen, die sich bereits auf den Weg gemacht haben, warten nur auf dieses Startsignal.
Nun zurück zum Ausgangspunkt, dem Individuum, dem einzelnen Kind, das im Mittelpunkt unserer Betrachtung steht. Der Schüler oder die Schülerin durchläuft ja nicht nur eine einzige Bildungsstätte. Ein Kind wächst in einer Familie auf und geht vielleicht in eine Spielgruppe oder Krippe und schließlich in den Kindergarten. Mit der Schule beginnt dann ein Ausbildungsweg durch verschiedene Schularten, an die sich eine Berufsausbildung oder ein Studium anschließt. Zusätzlich erfahren die jungen Menschen weitere Ausbildungen in Sport, Musik, Kunst und die Bindung an Vereine. Im Berufsleben suchen sie Weiterbildungsmöglichkeiten bei Trägern der Erwachsenenbildung. So gestaltet sich das lebenslange Lernen bei jedem ganz individuell und ist geprägt von vielen Übergängen zwischen den einzelnen Bildungseinrichtungen.
Auf diesem Weg, meine Damen und Herren, darf kein Kind verlorengehen, denn die Gesellschaft braucht alle Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft, ob mit oder ohne Beeinträchtigung. Jedes Kind hat ein Recht auf bestmögliche Bildung.
Deshalb brauchen wir ein Schulsystem, bei dem die Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit über alle Schularten in allen Regionen gegeben ist. Nur dann können wir eine bruchlose Bildungskette ganz nach der Devise gewährleisten: kein Abschluss ohne Anschluss.
Für einen ganzheitlichen Bildungsweg müssen wir im Dialog Brücken schlagen mit den Verantwortlichen vor Ort, und zwar zwischen den verschiedenen Bildungsstätten und den Bildungspartnern aus Handwerk, Wirtschaft, Wissenschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen. Es gibt sicherlich viele Initiativen, die nebeneinander herarbeiten, weil sie bisher kaum voneinander wussten. Deshalb müssen wir die Übergänge nicht nur zwischen den Schularten, sondern auch