Protocol of the Session on May 23, 2012

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab- geordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Nächster Redner ist Herr Hallitzky.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns heute über die Haushaltsrechnung Bayerns für das Jahr 2010 unterhalten, müssen wir nicht nur dem Obersten Bayerischen Rechnungshof für seine unabhängige Arbeit danken, die in der Regel - das ist nun einmal Tatsache - nachweist, dass die Oppositionsfraktionen mit ihrer Kritik an der Worthülsenpolitik der Staatsregierung so falsch nicht liegen. Also, vielen Dank, Herr Dr. Fischer-Heidlberger und Ihrem Team. Wir stimmen Ihrer Entlastung natürlich zu. Aber anlässlich der Haushaltsrechnung 2010 müssen wir uns auch über den eklatanten Widerspruch zwischen Schein und Wirklichkeit in der bayerischen Finanzpolitik unterhalten.

Da ist erstens das Märchen vom ausgeglichenen Haushalt. Auf Seite 27 des ORH-Berichts - ich empfehle jedem Kollegen und jeder Kollegin auf der rechten Seite des Hauses, sich einmal schlau zu machen, die auf der linken Seite haben es getan - wird der Finanzierungssaldo des bayerischen Staatshaushaltes von 1986 bis 2010 aufgelistet. Lediglich in fünf von 25 Jahren lagen die bereinigten Einnahmen über den bereinigten Ausgaben. In 20 Jahren wurde also das Ziel, das Sie sich selber gesteckt haben, deutlich verfehlt. Seit 2003 war der Finanzierungssaldo in sechs von acht Jahren negativ, in den beiden letzten Jahren allein um zusammen rund zehn Milliarden Euro. Also stimmen entweder die Zahlen des Obersten Rechnungshofes nicht - dann sagen Sie es bitte

oder Ihr Gerede vom ausgeglichenen Haushalt stimmt nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Doch die Märchenstunde des bayerischen Finanzministers geht noch viel weiter. "Bayern schuldenfrei bis 2030" ist nichts anderes als ein weiteres Versprechen, nicht zur Wiedervorlage 2030 bestimmt, sondern zum Einlullen der bayerischen Bevölkerung bis zur Landtagswahl. Denn das, was Herr Söder zur Finanzierung dieses Versprechens einstellt - es sind immerhin über 30 Milliarden, die er zusammenkriegen muss -, ist eine reine Luftbuchung.

Erstens will er, dass die Landesbank die Kosten ihrer Rettung selbst übernimmt. Dabei geht es um zehn Milliarden Euro. Nun ist die Bayerische Landesbank blöderweise nur fünf Milliarden Euro wert. Das hängt auch damit zusammen, dass das Geschäftsmodell der Bayerischen Landesbank keineswegs so tragfähig ist, wie der Bevölkerung gerne vorgegaukelt wird. Denn zu viele Landesbanken streiten hier auf einem viel zu kleinen Markt um gedeihliche Margen. Die wird es nicht geben. Lesen Sie nur die entsprechenden Wirtschaftszeitungen, dort können Sie sich informieren. Sicher ist nur, dass die Landesbank bisher nicht einen einzigen Euro Gewinn abführen konnte, sondern dass ganz im Gegenteil die bayerischen Steuerzahler jedes Jahr über 300 Millionen Euro allein für die Zinsen auf die zehn Milliarden Euro für die Landesbank zahlen müssen.

Auf eine Größenordnung in Milliardenhöhe kommen wir, wenn wir die Pensionsansprüche der Rentner der Bayerischen Landesbank zusammenzählen. Sie kennen das höchstinstanzliche Urteil, das dazu kürzlich erging. Die BayernLB muss die überhöhten Pensionsansprüche bezahlen. Also: Die zehn Milliarden Euro BayernLB sind eine reine Luftbuchung. Die können Sie vergessen.

Zweitens verspricht sich Finanzminister Söder Einsparungen im Länderfinanzausgleich von über zehn Milliarden Euro. Auch dies ist blöderweise eine Rechnung ohne den Wirt. Denn der jetzige Finanzausgleich ist bis 2019 verbindlich, und es ist nicht erkennbar, in welche Richtung er sich hinterher entwickeln wird. Dazu passt natürlich auch, dass sechs Landtagsfraktionen der GRÜNEN ein gemeinsames Reformkonzept für den Länderfinanzausgleich vorgelegt haben, der bayerische Finanzminister sich aber darin gefällt und es ihm auch ausreicht, lautstark über die drei bis vier Milliarden zu lamentieren, die Bayern jährlich zahlt, und seit Jahr und Tag Klagedrohungen gegen den Länderfinanzausgleich auszustoßen, wäh

rend er selbst aber keinerlei konzeptionelle Vorschläge für die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs macht.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Vielleicht führt ja das Neuverhandeln des Länderfinanzausgleichs zu einer Entlastung Bayerns - vielleicht aber auch nicht. Heute aber davon auszugehen, dass wir zehn Milliarden Euro sozusagen als Gewinn für Bayern in das Schuldenabbauversprechen einstellen können, ist schlicht unredlich.

(Beifall bei den GRÜNEN - Bernhard Roos (SPD): Absolut richtig!)

Drittens: Von geradezu bizarrer Konsequenz ist da natürlich, dass die milliardenschweren Zinsgewinne der Luftbuchung "Landesbank" und der Luftbuchung "Länderfinanzausgleich" als dritte große Säule des Konzepts eingebucht werden. Völlig unberücksichtigt bleiben zudem viertens die hohen finanzpolitischen Risiken, die sich zum einen daraus ergeben, dass die Gefährdung der weltwirtschaftlichen Stabilität durch die ungeregelten Finanzmärkte völlig ignoriert wird, und zum anderen, dass die finanzpolitische Solidität der EU zunehmend aus dem Ruder läuft.

Wenn Herr Söder dann über seinen sogenannten Rückzahlungsplan auch noch sagt: "Der ist sehr konservativ, ohne jedes Risiko, ohne jeden Einschnitt und ohne jede Problemstellung zu bewältigen", dann möchte ich persönlich nicht wissen, wie dieser Herr die Worte "ambitioniert" und "risikoreich" definieren würde und wo bei ihm eigentlich Probleme beginnen.

Was uns im nächsten Jahr auch drohen wird, sozusagen als Ersatzhandlung für ernsthafte Finanzpolitik, die ich hier leider vergeblich suche, das wird die Aufnahme der Schuldenbremse in die Bayerische Verfassung sein. Warum Ersatzhandlung? Weil die Schuldenbremse ohnehin im Grundgesetz geregelt ist, brauchen wir das nicht in der Bayerischen Verfassung zu wiederholen. Für die drei Ausnahmeregelungen, die uns das Grundgesetz eröffnet, reicht wirklich eine einfachgesetzliche Regelung, um diese in Bayern umzusetzen.

Ich verspreche Ihnen, wir werden um diese Scheindebatte hier ewig lange Wahlkrampfreden hören und führen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Da können Sie sicher sein!)

Kritisch stellen müssen wir auch, dass sich die Bayerische Staatsregierung offensichtlich keinerlei Gedan

ken darüber macht, dass der Staat auch eine Verantwortung dafür hat, wie er seine Einnahmen denn bekommen soll. Da sind zum einen die bayerischen Initiativen für Steuergeschenke beispielsweise an Hoteliers. Da sind zum anderen die für sich betrachtet vernünftigen Vorschläge zum Abschmelzen des Mittelstandsbauches zu kritisieren, weil auch sie ohne Gegenfinanzierung sind. Des Weiteren ist es die Forderung nach einer Neuorganisation der Erbschaftssteuer als Ländersteuer, um damit den Steuerwettbewerb zwischen den Ländern auszurufen. Dass dies letztlich die Einnahmesituation aller finanzschwachen Bundesländer, insbesondere der Ostländer, glatt vor die Wand fahren würde, wofür im Übrigen in unserem Föderalstaat die reichen Bundesländer, also auch Bayern, wieder geradestehen müssten, interessiert Sie wohl nicht.

Da ist schließlich die bundesweit einmalige Weigerung Bayerns, ausreichend Personal in die Steuerverwaltung zu stecken. Es wurde von meinen Vorrednern schon darauf hingewiesen: Steuern werden hier nicht mehr nach Recht und Gesetz eingetrieben. Ich bitte Sie, die Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite, die Seiten 51 bis 61 des Rechnungshofsberichtes zu lesen. Das sollte eine Pflichtlektüre sein.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Bayerns Finanzminister leistet mit dieser Personalknappheitspolitik nicht nur der Unterfinanzierung des Staates Vorschub, sondern er ist auch verantwortlich für den Verlust der Steuerehrlichkeit bei den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern. Ich kann nur jedem Steuerbetrüger oder dem, der es werden will, empfehlen, in Bayern seinen Wohnsitz zu nehmen und bei der nächsten Wahl CSU oder FDP zu wählen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Widerspruch von der CSU)

Was war noch auffällig? Nicht nur der Teilabverkauf bei der BayernLB soll im Wahlkampf 2013 die Kriegskasse füllen; sondern dem gleichen Zweck dienen auch die Ausgabenreste. Sie steigen und steigen. Von 2010 auf 2011 wurden allein fast vier Milliarden Euro Ausgabereste übertragen, beispielsweise im öffentlichen Nahverkehr, vielleicht um für die zweite Stammstrecke eine neue Initiative zu starten, oder im Programm "Bayern 2020". Man kann halt diese Gelder, diese übertragenen Ausgabereste so schön für den Wahlkampf nutzen.

Viel weniger attraktiv ist es für den bayerischen Finanzminister offensichtlich, das zu tun, was seine Aufgabe wäre, nämlich lieber gestern als heute damit anzufangen, die langfristigen Finanzierungsaufgaben

des Staates endlich anzugehen. Ich nenne nur zwei: den Sanierungsstau in Milliardenhöhe bei staatlichen Straßen und Bauten und die Tatsache, dass die Versorgungsansprüche bayerischer Beamter lediglich in homöopathischen Größenordnungen abgesichert sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch diese beiden Probleme werden auf jene geschoben, die in den nächsten Jahren hier in finanzpolitischer Verantwortung stehen. Dabei kann ich mir allerdings sehr gut vorstellen, dass die Bevölkerung gemeinsam mit uns der Meinung ist, dass es nicht mehr der jetzige Minister sein sollte, dessen erste Bemerkung nach der Übernahme seines Ressorts war, man könne auch ein Finanzministerium politisch - in Klammer: im Unterschied zu solide - führen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Fraktion der GRÜNEN wird deshalb der Entlastung der Staatsregierung mit Freuden nicht zustimmen. Leider geht es nicht um die Entlassung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Hallitzky. Der nächste Redner ist Herr Dr. Barfuß, und Kollege Bachhuber macht sich auch schon bereit.

Herr Präsident, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ein bisschen überrascht. Wir haben noch keinen Wahlkampf, aber Sie, Kollege Hallitzky, haben hier fast ein perfektes Wahlkampfszenario aufgeführt, statt dass wir uns über das Jahr 2010 unterhalten, das jetzt zur Debatte steht.

Ich möchte mich ebenfalls bedanken, und zwar zunächst - das wird Sie überraschen - bei der Staatsregierung,

(Zuruf der Abgeordneten Maria Noichl (SPD))

denn sie ist verantwortlich für die Gestaltung und Umsetzung dessen, was wir hier im Parlament beschließen. Frau Noichl, das muss doch irgendjemand machen, und das machen die Damen und Herren hier auf der Regierungsbank. Ich will es nicht damit bewenden lassen, zu sagen, es seien nur die Unternehmer, sondern es sind auch die Arbeitnehmer, die in unserem Land mitarbeiten, also unser Volk. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Selbstverständlich bedanke ich mich an zweiter Stelle auch beim ORH; denn wir Liberalen verstehen ihn als ein unabhängiges Instrument des Qualitätsmanagements, das uns immer wieder mit dem konfrontiert, was wir vielleicht wollten und was letztlich daraus geworden ist. Aber ich darf hier noch einmal daran erinnern, dass es ein Unterschied ist, ob man in der Exekutive oder in der Opposition ist. In der Exekutive muss man sehr zeitnah und manchmal sehr rasch auf Dinge reagieren, und das ist manchmal etwas anderes.

Zu der grundsätzlichen Kritik am angeblichen Haushaltsgebaren des Freistaates Bayern kann ich nur sagen: Wenn das schlecht ist, was wir hier machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, frage ich, wie die anderen Bundesländer bestehen sollen. Also, das möchte ich auch einmal wissen. Trotz der Bayerischen Landesbank - und darüber, dass das ein Desaster ist, brauchen wir gar nicht zu reden - frage ich: Haben Sie vergessen, dass es auch andere Landesbanken in anderen Bundesländern gibt, in denen die Leute leider Gottes genauso gehandelt haben? Das macht es in Bayern nicht besser, aber diesen Zusammenhang sollte man herstellen.

Und das Zweite: Wenn gefragt wird, ob man vielleicht durch Schuldentilgung, durch Einsparungen - Hans Herold hat das gesagt - für die Pensionen der Beamten im öffentlichen Dienst etwas aufbauen kann, dann werden wir das künftig diskutieren. Was mir nicht gefällt - so gern ich dich habe, lieber Kollege Halbleib -, ist die Tatsache, dass Sie uns immer Klientelpolitik vorwerfen. Zeigen Sie mir doch einmal jemanden, der keine Klientelpolitik macht!

(Zurufe von der SPD)

Jede Partei ist gewählt, weil sie für eine gewisse Klientel ist.

(Beifall bei der FDP)

Mir wäre es sehr lieb, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir einmal mit dem Schmarrn aufhören würden: Das sind die Bösen, die machen Klientelpolitik, und das sind die Guten.

(Beifall bei der FDP)

Jeder hier im Parlament, die GRÜNEN, die FREIEN WÄHLER und die SPD, macht genauso Klientelpolitik. Hören Sie Ihre Reden vom 1. Mai an, dann werden Sie wissen, was ich meine.

(Beifall bei der FDP)

Wir tun das auch.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))