Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 96. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie wurde erteilt.
Die vorschlagsberechtigte SPD-Fraktion hat hierfür als Thema benannt: „Mehr Tempo beim Ausbau der Ganztagsschulen und Hochschulen statt mit Hochgeschwindigkeit ins Milliardengrab Transrapid!“
Die Fragen werden vom Leiter der Staatskanzlei, Herrn Staatsminister Sinner, beantwortet. Der erste Fragesteller ist Herr Abgeordneter Maget.
Herr Staatsminister, der ausgedruckte Satz lautet: „Mehr Tempo beim Ausbau der Ganztagsschulen und Hochschulen statt mit Hochgeschwindigkeit ins Milliardengrab Transrapid!“
Ich will den Hintergrund dieses Satzes kurz erläutern. Es ist erkennbar, dass die Bayerische Staatsregierung nach wie vor vehement versucht, das Transrapid-Projekt zum Flughafen München II zu realisieren. Für ein solches Milliardenprojekt muss in der Bayerischen Staatsregierung eine Finanzkalkulation ausgearbeitet worden sein und bekannt sein. Ich frage deshalb, wie Sie die Finanzierung darstellen wollen, mit welchem konkreten Beitrag des Freistaates Bayern Sie im Augenblick rechnen und woher Sie diese Mittel nehmen werden.
Mit einer Presseveröffentlichung aus der Spitze der CSUFraktion wurde mittlerweile die Überlegung ins Spiel gebracht, in erheblichem Umfang Privatisierungserlöse einzusetzen. Ein Briefwechsel zwischen Bundesverkehrsminister Tiefensee und dem bayerischen Wirtschaftsminister Huber, der jüngst bekannt geworden ist, sagt deutlich, dass Bürgschaften oder bürgschaftsähnliches Engagement des Freistaates Bayern nicht zulässig und nicht ausreichend seien, sondern dass es sich um reales Geld der Steuerzahler handeln müsse.
Wir sind der Auffassung, dass sich der Beitrag des Freistaates Bayern bis zu einer Milliarde Euro bewegen wird, dass dieser nicht fi nanzierbar sein wird, und dass er wenn aber doch, dann zulasten anderer wichtiger Zukunftsprojekte gehen werde. Herr Staatsminister Dr. Goppel hat gestern dargestellt, dass der eigentliche Finanzierungsbedarf der Hochschulen in Bayern bei 5 bis 6 Milliarden Euro liegen wird. Wir brauchen den Ausbau der Ganztagsschulen und anderer Bildungseinrichtungen. In dieser Konkurrenz stehen die Mittel für den Transrapid.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Maget, Sie konstruieren in Ihrer Frage einen Gegensatz, den es nicht gibt. Logisch ist, dass wir eine bessere Schienenanbindung des Münchner Flughafens brauchen, die idealerweise vom Hauptbahnhof ausgehen soll. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist die Express-S-Bahn, die zur Gänze aus staatlichen Mitteln fi nanziert wird; eine andere ist der Transrapid, der als Technologieprojekt des Bundes mit einem erheblichen Bundeszuschuss fi nanziert wird.
Die SPD als Koalitionspartner hat, Herr Kollege Maget, im Koalitionsvertrag auf Seite 24 unterzeichnet, dass die Bundesregierung zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Technologiestandorts Deutschland ausgewählte innovative „Leuchtturmprojekte“ vorschlägt, wie zum Beispiel den Ausbau von Bahnschnellsystemen, unter anderem mindestens einer Transrapid-Referenzstrecke. Das haben Sie unterschrieben. Würden Sie das als Koalitionspartner unterstützen, würden Sie den bayerischen Haushalt massiv entlasten und uns helfen, für viele andere Bereiche fi nanzielle Spielräume zu schaffen.
Die wichtigste Förderung ist also: Unterstützen Sie dieses Projekt. Damit können Sie am meisten für die Leistungsfähigkeit des bayerischen Haushalts tun.
Eigentlich wundere ich mich über Sie, weil das Projekt schon von der rot-grünen Koalition im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde. 2002 wollten Sie 2,3 Milliarden Euro ausgeben. Das brachte der damalige parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bodewig, nicht fertig. Von der rot-grünen Landesregierung wurde der Metrorapid für die Strecke Düsseldorf – Dortmund vorgeschlagen. Der Bund muss für seine Beteiligung jetzt deutlich weniger zahlen als die damaligen 2,3 Milliarden Euro. – Damit die GRÜNEN auch zufrieden sind: Auch 1998 stand der Transrapid im rot-grünen Koalitionsvertrag. Damals wollten Sie 3 Milliarden Euro, also 6 Milliarden DM, ausgeben. Sie haben das sinnigerweise unter dem Kapitel „ökologische Modernisierung Transrapid“ geführt. Sie wollten Deutschland unter der Überschrift „Die Magnetschwebebahn Transrapid ist eine hoch entwickelte Technologie.“ in eine Schienenzukunft führen.
Aus diesen Gründen habe ich eine Frage an Sie: Warum distanzieren Sie sich von dem, was Sie 2005 im Koalitionsvertrag unterschrieben haben? – Wir wollen die Koalition zum Erfolg bringen. Wir wollen die Projekte durchsetzen.
Wegen der Finanzierung fi ndet ein Spitzengespräch statt, damit der Koalitionsvertrag erfüllt werden kann. Wir werden eine Finanzierung erreichen, die für Bayern günstiger als die Express-S-Bahn ist.
Nun zur zweiten Frage: Natürlich machen wir Bildungspolitik. Dafür sind die Gleise gelegt, der Zug steht sozusagen schon auf den Schienen. Der Transrapid wird, sollte er gebaut werden, 2015 fertig sein. Der „Bildungszug“ fährt viel früher. Das bedeutet, dass sich beides nicht ausschließt. Wenn Sie den Transrapid zu Fall bringen, gibt es den Spielraum, den wir uns für die Landespolitik ausrechnen, nicht. Insofern hat Ihre Frage einen falschen Ansatz.
Ich habe keine inhaltliche Bewertung getroffen. Mir war nur nicht klar, ob aus seiner Sicht die erste Frage beantwortet ist.
Zur Nachfrage von maximal einer Minute Länge für die vorschlagsberechtigte Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Pfaffmann das Wort.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, offensichtlich waren Sie bei der Fragestellung noch nicht ganz wach, weil die Frage noch immer nicht beantwortet ist. Ich will noch einmal darauf eingehen.
Angesichts des massiven Finanzbedarfsbedarfs von 5 bis 6 Milliarden Euro für den Bauunterhalt der Universitäten, des riesigen Finanzbedarfs für den Ausbau der Ganztagsschulen oder für die Stärkung des ländlichen Raums usw. frage ich Sie, warum Sie nicht endlich bereit sind, zulasten des Transrapids und zugunsten der Zukunft unserer Kinder die Finanzinvestitionsschwerpunkte auf Schulen und Ausbildung zu legen und warum Sie nach wie vor an einem Projekt fest halten, das zulasten einer guten und vernünftigen Ausbildung der Schülerinnen und Schüler geht? Halten Sie die Schaffung von Ganztagsschulen nicht nur für Hauptschulen, sondern auch für Gymnasien nicht für wichtig? Haben Sie nicht verfolgt, dass die Übertrittsquote an die Gymnasien sehr groß ist und die Gymnasien einen riesigen Investitionsbedarf haben?
Ist denn nicht zu befürchten, dass unter solchen Prestigeprojekten letztlich diejenigen Einrichtungen leiden, die zu einer guten Ausbildung gehören?
Was Sie in der Frage unterstellen, stimmt schlicht und einfach nicht. Wir kennen den Finanzbedarf an den Schulen. Man muss den internationalen Vergleich sehen. Bei Pisa belegt Bayern national Platz 1; international Platz 5. Ähnlich das neueste Shanghai-Ranking der Hochschulen. Unter den ersten 110 Hochschulen befi nden sich 3 bayerische, und 10 sind aus Deutschland. Das veranlasst uns nicht, uns zurückzulehnen.
Wir haben natürlich vor, in Bayern bis 2020 milliardenschwer in den Bildungsbereich einzusteigen. Die Überschrift heißt: „Kinder, Bildung, Arbeitsplätze“. Für einzelne Bereiche haben wir die Themen benannt. Den Hochschulausbau hat das Kabinett behandelt. Das erste Ausbauziel für 2011 lautet: 38 000 Studienplätze plus 3000 neue Stellen.
Ich kann bezüglich des G 8, also des achtjährigen Gymnasiums, und der Ganztagsangebote auf die Beschlüsse des Ministerrats hinweisen. Es geschieht eine Zusammenfassung im Programm 2020. Zusammen mit der CSU-Fraktion ist eine gemeinsame Strukturkommission „Moderner Staatshaushalt“ gebildet worden. Am 3. Juli wird über das Programm 2020 Bildung abschließend beraten.
Ich kann Ihnen absolut die Sorge nehmen, dass das Vorhaben nicht fi nanzierbar sei. Sie wissen, dass wir Steuermehreinnahmen haben. Das sind in den nächsten beiden Jahren 3,3 Milliarden Euro. Ich verstehe, dass Sie zum deutschen Finanzminister wenig Zutrauen haben.
Wenn man sieben Jahre Eichel erlebt hat, schwindet natürlich das Vertrauen in den Umgang mit der Wahrheit. Aber Herr Steinbrück hat gestern im Finanzplanungsrat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass wir einen robusten Aufschwung haben. Trauen Sie also Ihrem eigenen Finanzminister. Unter der Regie einer Kanzlerin Angela Merkel ist auch er zu Höchstleistungen fähig. Hier entsteht keine Konkurrenz. Es ist unser Anliegen, das noch einmal deutlich zu machen. Deswegen sind wir auch dankbar für die Fragestellungen.
Sie sprechen nicht von einem Verzicht auf die Schienenanbindung des Flughafens München. Sie führen vielmehr eine andere Diskussion. Aber unter den Alternativen, die wir jetzt haben, ist der Transrapid die günstigere Lösung als die Expressschnellbahn, noch dazu, wenn man unterstellt, dass wir in München auch die zweite Stammröhre brauchen. Beim Bahnhof werden 100 Millionen, beim Flughafen 50 Millionen Passagiere zugrunde gelegt. Angedacht ist eine Verbindung im Zehn-Minuten-Takt. Dadurch kriegt man natürlich 8 Millionen Passagiere für diesen Zug, die man niemals für eine Expressschnellbahn kriegen würde.
Die Lösung, für die wir uns aussprechen, ist nicht teurer als zwei Maß Oktoberfestbier. Das ist das Fahrpreisaufkommen, das 2015 zur Debatte steht.
Es ist erlaubt, auch einmal zurückzufragen: Wenn Sie im Koalitionsvertrag solche Dinge unterschreiben, warum unterstützen Sie dann nicht die Bayerische Staatsregierung in dem Bemühen, die Konditionen so zu gestalten, dass wir bestmögliche Win-Win-Situationen haben? – Wir schonen damit die Nahverkehrsmittel für den ländlichen Raum, weil wir Technologiemittel kriegen.
Sie brauchen sich nicht aufzuregen, Herr Wörner. Was Sie wollen, geht zulasten des ländlichen Raums und der fi nanziellen Spielräume, die die Staatsregierung auch für die Bildungspolitik hat.
Herr Staatsminister, Sie haben völlig richtig gesagt: Die Schienen für die Bildung sind gelegt. Wenn der für mich völlig unverständliche Vorwurf von der Oppositionsseite kommt, man sei hier noch nicht wach, dann darf ich das an die Opposition zurückgeben, die hier anscheinend permanent im Dämmerzustand lauert.
Herr Staatsminister, ich frage Sie: Wie viel hat Bayern in den letzten Jahren eigentlich in Bildung und Hochschule investiert? Wie stehen wir im Ländervergleich da? In welcher Größenordnung sind Investitionen im Zuge des Aktionsprogramms 2020 schon auf den Weg gebracht worden oder geplant?
Die Frage, was wir in den letzten Jahren getan haben, ist berechtigt. Es waren mit 7,5 Milliarden Euro gewaltige Investitionen im Schulbereich. Für den Doppelhaushalt 2007/08 sind 7,7 und 7,9 Milliarden Euro veranschlagt. Wir haben die Ganztagsangebote intensiviert.
Sie haben die Frage gestellt: Wie stehen wir im internationalen Vergleich bezüglich der jährlichen Ausgaben für Bildungseinrichtungen pro Schüler und Studierenden vom Primär- bis zum Tertiärbereich? – Im Ranking stehen wir im oberen Mittelfeld vor Baden-Württemberg.
Zur Information: Wir liegen in einem Bereich von über 7000 Euro pro Schüler. Das ist bei dem Vergleich relevant. Wir werden unseren Vorsprung noch ausbauen.
Ich habe vorhin auf Bayern 2020 hingewiesen. Wir haben in Bayern 2020 den Hochschulbereich abgehandelt. Da haben wir 38 000 Studienplätze und 3000 neue Stellen. Dann gibt es den Bereich der Hauptschulen. Das Thema Kinderbetreuung haben wir erst am vergangenen Dienstag im Kabinett behandelt.
Aus dem, was wir an Einzelprojekten für Bayern 2020 beschlossen haben, wird ein Gesamtprogramm 2020, das mit der Fraktion abgestimmt wird. Da ist eine dreistellige Millionenhöhe schon für die nächsten Jahre vorgesehen. Das können wir fortsetzen.
Es besteht also überhaupt keine Veranlassung zu Sorgen. Wir sehen kein Problem, diesen Bedarf für die Bildung zu fi nanzieren. Das hängt damit zusammen, dass wir eine gute Politik gemacht haben. Das muss man in dem Zusammenhang sagen.