Ich bin überzeugt, das sage ich auch für mich persönlich, dass sich die Neuerung in weiten Teilen als positiv herausstellen wird. Es gibt möglicherweise im Abgabenrecht gewisse Zweifel, weil es sich hier um eine komplizierte Materie handelt und kleinere Gemeinden viele Bescheide herausgeben müssen, bei denen sie möglicherweise überfordert sind. Aber in den allermeisten Rechtsgebieten werden bei Widerspruchsverfahren nur relativ wenige Bescheide aufgehoben. Da wird mit anderen Worten wiederholt, was im Ausgangsbescheid bereits gesagt worden ist, und das ist dann in der Tat nur eine Verzögerung.
Ich wiederhole: Nachdem es gelungen ist, das Verwaltungsgerichtsverfahren auf eine Instanz zu beschränken, sollte es auch möglich sein, mit einem solchen einstufigen Verwaltungsverfahren auszukommen. Der Gesetzentwurf soll es ermöglichen, dies in einem zweijährigen Versuch beschränkt auf Mittelfranken zu erproben. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Gesetzentwurf zur Behandlung in die Ausschüsse zu überweisen und dort reformorientiert zu beraten.
Herr Minister, vielen Dank. Auch für mich war es eine Freude, Sie von hier oben zu hören. Nicht nur für Frau Stamm.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. Für die Fraktion der SPD hat sich Kollege Schindler gemeldet.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Insider werden sich nicht darüber wundern, dass die SPD-Fraktion grundsätzlich immer dafür ist, Verwaltungsabläufe zu verbessern.
Schließlich haben wir in dieser Richtung schon viele Anläufe gemacht, die von Ihnen bisher aber leider nicht akzeptiert worden sind. Deswegen stehen wir heute diesem Vorschlag der Staatsregierung unvoreingenommen gegenüber. Wir meinen aber, dass wir genau beobachten müssen, was in diesen zwei Jahren passiert. Denn es geht nicht darum, lediglich unsinnige Verwaltungsvorschriften abzubauen, sondern es geht im Kern darum, die Rechtschutzmöglichkeiten der Beteiligten zu verkürzen.
Nun kann man sich fatalistisch hinstellen und sagen: Das haben wir in anderen Bereichen schon längst. Ich erinnere an das Ausländerrecht und auch an viele andere Rechtsmaterien, bei denen es die Widerspruchsmöglichkeiten fast nicht mehr gibt.
Deswegen könne man es jetzt quasi auf alle Verfahren ausweiten mit Ausnahme derjenigen, die Sie selbst in Ihrem Gesetzentwurf nennen. Ich meine, darüber kann man auch reden. Aber klar sein muss schon: Es geht um die Verkürzung des Rechtsschutzes. Das kann man dann hinnehmen, wenn der Effekt eintritt, dass bei den Ausgangsbehörden versucht wird, die Ausgangsbescheide mit großer Akribie gerichtsfest zu machen. Das geht in Erlangen, da bin ich mir sicher. Das geht in Fürth, sicherlich auch in Nürnberg. Aber ob es auch in den kleinen Gemeinden geht, wo das Personal nicht vorhanden ist und aufgrund der Größe der Gemeinde auch nicht sein kann, ob es dort geht, ist einer genaueren Untersuchung wert.
Drittens, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann passieren, dass das eintritt, was Sie angesprochen haben: Dass diejenigen, die es sich leisten können, letztlich zum Verwaltungsgericht gehen; die anderen tun es nicht. Ich weiß natürlich auch, dass es in vielen Bereichen so ist, dass dann, wenn ein Widerspruch eingelegt wird, ein Formblattschreiben zurückkommt mit dem Inhalt: Wir geben Ihrem Widerspruch wenig Chancen. Nehmen Sie ihn doch bitte zurück. Das kostet nur die Hälfte, als wenn Sie weitergehen oder gar einen Widerspruchsbescheid haben wollen. Ich weiß, dass sich davon bisher schon viele beeindrucken lassen. Ob die anderen weiterhin den Weg zum Verwaltungsgericht gehen, vielleicht mehr als bisher, das wird man sehen. Das muss man, meine ich, ergebnisoffen beobachten und die entsprechenden Konsequenzen ziehen.
Vierte Bemerkung. Meine Damen und Herren, als Oberpfälzer frage ich mich natürlich: warum Mittelfranken?
Natürlich gibt es ein Kriterium, das sachlich nicht zu schlagen ist, nämlich: Der Innenminister kommt aus Mittelfranken.
Außerdem habe ich in den letzten Monaten gelernt, dass es in Mittelfranken eine Metropolregion gibt – das habe ich zur Kenntnis genommen, das spricht auch für Mittelfranken – und dass es daneben auch ländliche Gebiete gibt. Das ist mir bekannt, denn so weit ist es von der Oberpfalz nach Mittelfranken auch wieder nicht. Aber die Frage stellt sich schon: Wenn Sie sagen, Mittelfranken sei phänotyptisch für Bayern, dann habe ich als Oberpfälzer schon wegen der Sprache ein bisschen was dagegen, aber auch aus anderen Gründen. Das will ich aber nicht vertiefen.
Aber die Frage muss schon auch erlaubt sein: Was sagen wir demjenigen in Mittelfranken, der jetzt zwei Jahre lang keinen Widerspruch einlegen darf im Vergleich zu demjenigen in Niederbayern oder Oberfranken, der es weiterhin darf? Kann er sich darauf berufen, dass er anders, ungleich, möglicherweise sogar noch aus sachfremden Motiven behandelt wird? Wäre deshalb nicht vielleicht zu überlegen – wir werden es im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durchaus als Überlegung anheim stellen, wenn wir die Spitzenverbände anhören, was ich für erforderlich halte –, ob man, wenn man es schon macht und sagt, schaden wird es nichts, wir gewinnen Erfahrungen, des Test ausweitet,
und ihn nicht nur in Mittelfranken macht, sondern in ganz Bayern. Ob man dann die Manpower noch hat, um das wirklich zu evaluieren, wie man es heutzutage nennt, kann ich jetzt nicht beurteilen. Das muss im weiteren Gesetzgebungsverfahren diskutiert werden.
Worum es uns geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, dass das Ergebnis nicht bereits vorweggenommen wird, dass man genau beobachtet, dass man dem Gesetzgeber immer wieder rechtzeitig, bevor man Fakten schafft, berichtet, dass man die Spitzenverbände jetzt in die Diskussion mit einbezieht. Wir sind ergebnisoffen in dieser Frage. Ich hoffe, dass es die Staatsregierung auch ist.
Herr Kollege Schindler, vielen Dank. Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Guttenberger. Bitte schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme es auch vorweg wie der Kollege Schindler: Die CSU-Fraktion begrüßt diese Gesetzesvorlage. Es zeigt sich, dass die wesentlichen Ziele des Widerspruchsverfahrens, wie wir beide es im Studium gelernt haben, Herr Kollege, nämlich Rechtsschutz des Widerspruchsführers oder der Widerspruchsführerin sowie Selbstkontrolle der Verwaltung – es wird noch mal geprüft, es wird am Schluss korrigiert – und Befriedungsfunktion der Bürger: „Nehmt die Entscheidung hin und akzeptiert sie“, leider oft nicht oder nur unzureichend in der Praxis vonstatten geht.
Letztlich kommt das Verfahren bei vielen Bürgern als Verzögerung an, das nur dem entgegensteht, endlich Rechts- und Planungssicherheit zu erhalten. Wir sehen es aber auch, freilich nicht ergebnisoffen, so: Diese Erprobungsphase soll dazu dienen festzustellen, in welchen Bereichen die Nachteile den Vorteil überwiegen, ein kostengünstiges Rechtsmittel zur Verfügung zu haben.
Warum Mittelfranken? Jetzt sage ich es auch mal so flapsig. Ich bin natürlich angreifbar, weil ich aus Fürth komme. Auch Mittelfranken – gut, ich gebe es zu. Ich gebe aber zu bedenken, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in Mittelfranken haben Sie Ballungsräume: Nürnberg, Fürth, Schwabach. Sie haben den ländlichen Raum im Bereich der Planregion 7 und Sie haben auch kleinere Städte. Ich denke, somit haben wir einen ganz guten Überblick, wie sich die einzelne Mentalität der Bürgerinnen und Bürger gerade vor dem Gesichtspunkt der Befriedungsfunktion auswirkt. Wir haben noch viel Zeit, das im Ausschuss intensiv zu diskutieren. Wir werden sehen, wie sich das auf die Kosten auswirkt. – Ich danke fürs Zuhören.
Frau Kollegin Guttenberger, vielen Dank. Als Letzte hat das Wort zu diesem Antrag Frau Kollegin Stahl. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wir stimmen dem Modellprojekt zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Mittelfranken zu. Wir sind froh, dass wegen dieses Modellprojektes eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird, was ja nicht immer der Fall ist. Aber wir wollen selbstverständlich, so wie es der Gesetzentwurf vorsieht, eine Evaluierung, wie versprochen, und wir würden natürlich auch gerne in diese Evaluierung nicht nur die Sicht des Innenministeriums einbezogen wissen wollen, sondern auch die der Richterschaft oder eben der betroffenen Verwaltungsebenen.
Das Widerspruchsverfahren dient dazu, die Selbstkontrolle der Verwaltung sicherzustellen. Sie dient dazu, den Rechtsschutz der Bürger und Bürgerinnen zu sichern, und das Widerspruchsverfahren dient der Entlastung der Verwaltungsgerichte. Ein bisschen verwundert sind wir schon, warum man trotzdem auf die Idee kommt, diese Widerspruchsverfahren einfach zu canceln. Man hat das in einzelnen Bereichen schon so vorgenommen. Man hat jedoch bisher keine Evaluierung vorgenommen, obwohl es eine Reihe von Problemen gegeben hat und obwohl es eigentlich so ist, dass die allgemeine Entwicklung in der Justiz eine andere ist. Man verlagert nicht auf andere Ebenen, wie es der Fall sein würde, wenn man das Widerspruchsverfahren abschafft und gleich den Weg auf die Verwaltungsgerichtsebene öffnet, sondern man versucht im Vorfeld schon Lösungen zu finden, zum Beispiel indem man die Streitschlichtung eingeführt hat, um Gerichtsverfahren zu vermeiden, indem man das Vorverfahren im Sozialrecht erweitert hat oder einfach indem man die Mediationsmöglichkeiten bei den Rechtsanwälten gestärkt hat.
Wir müssen bei dem Modellprojekt sehr genau darauf achten, welche Nachteile für die Verwaltung entstehen können, welche Nachteile unter Umständen auch für die Gerichte entstehen können oder natürlich auch für die Bürgerinnen und Bürger.
Die Verwaltung soll natürlich gerade dort, wo ein Ermessensspielraum eröffnet ist, nicht davon abgehalten werden, dass sie einheitliche Verwaltungsentscheidungen treffen kann. Das ist, wenn das Widerspruchsverfahren abgeschafft wird, unter Umständen ein Problem. Wir haben jetzt bereits bei abgeschafften Widerspruchsverfahren, etwa bei Ausländerrechtsentscheidungen, Probleme bei einem gerichtlichen Verfahren, weil sich an die Entscheidungen der Verwaltung gleich das Verfahren anschließt und eigentlich nur noch eingeschränkt auf das Verwaltungsverfahren rückwirkend eingewirkt werden kann, wie wir es zum Beispiel mit der aufschiebenden Wirkung bei Ermessensfehlern nach § 80 Absatz 5 Satz 5 VwGO haben. Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens im Ausländerrecht hat – belegbar – zu Mehrarbeit geführt. Die Richter beklagen das, weil beispielsweise Eilverfahren nur bei gleichzeitiger Klageerhebung möglich sind, das heißt, es hat zu einem verstärkten Run auf die Gerichte geführt.
Bei all diesen genannten Punkten müssen wir deutlich darauf achten, wie sich die Aufhebung der Widerspruchsverfahren auswirkt. Wir wollen jedenfalls nicht erleben, dass die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens weniger Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Wir wollen die Überprüfungs- und Heilungsmöglichkeiten der Verwaltung nicht erschwert sehen, und wir wollen nicht, dass die Gerichte zusätzlich belastet werden. Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens wird – wie auch eben – von Ihnen als Beitrag zur Verwaltungsreform angese
hen. In der Begründung Ihres Gesetzes wird insgesamt sehr stark auf Verfahrensbeschleunigung eingegangen. Das greift unseres Erachtens für eine echte Verwaltungsreform zu kurz.
Wir GRÜNEN wollen eine Verwaltungsreform, die aus Einsicht in die modernen Anforderungen im Spannungsverhältnis zwischen Globalisierung, demographischer Entwicklung und neuen Technologien erfolgt. Wir wollen die Verwaltung neu denken. Wir wollen nicht einfach abschaffen, sondern überlegen, wie man diese Widerspruchsverfahren, die zugegebenermaßen haken, wo es viel Reformbedarf gibt, wo auch vieles im Sand verläuft, reformiert. Wir wollen uns aber nicht auf schnell erfundene und verpuffende Spargesichtspunkte beschränken. Ich befürchte, dass wir mit der Abschaffung letztendlich die Probleme auf eine andere Ebene verlagern. Aber wir lassen uns 2006 gerne vom Gegenteil überzeugen. Man hätte sich eigentlich aber nur die Mühe machen müssen, die Erfahrungen in Hessen, wo einiges schon läuft, anzuschauen. Dann hätte man vielleicht schon einige Entscheidungen für Bayern treffen können.
Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechtsund Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? Ich bitte um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist das so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum weiteren Ablauf: Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, dass der Antrag zum G 8 morgen zusammen mit den Dringlichkeitsanträgen aufgerufen wird. Das heißt, wir haben für heute noch vier Punkte auf der Tagesordnung. Wer sich noch nicht in die Anwesenheitsliste eingetragen hat, der sollte das jetzt nachholen.
Nach Artikel 23 des Bayerischen Abgeordnetengesetzes ist eine aus sieben unabhängigen Mitgliedern bestehende Kommission zu bilden, die vom Präsidenten bei beabsichtigten Änderungen von Leistungen nach dem Bayerischen Abgeordnetengesetz zu hören ist. Die Mitglieder der Kommission, die weder dem Landtag noch dem Bundestag angehören dürfen, werden vom Landtag auf Vorschlag des Ältestenrates berufen. Im Einzelnen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Übersicht, aus der die vom Ältestenrat
Gibt es Ihrerseits Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Besteht damit Einverständnis, dass ich über die zu berufenden Mitglieder gemeinsam abstimmen lasse? – Das ist so, Widerspruch erhebt sich nicht. Dann lasse ich gemeinsam abstimmen.
Wer mit der Berufung der vorgeschlagenen Persönlichkeiten einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das bei zwei Enthaltungen bei der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN so beschlossen.
Nach Artikel 14 Absatz 2 des Denkmalschutzgesetzes gehören dem Landesdenkmalrat neben den bereits am 10. Dezember 2003 bestellten Vertretern des Landtags weitere Mitglieder anderer Institutionen an, die jeweils für die Dauer der Legislaturperiode zu bestellen sind. Im Einzelnen verweise ich wieder auf die Ihnen vorliegende Übersicht, der die von den jeweiligen Institutionen vorgeschlagenen Persönlichkeiten entnommen werden können.