Protocol of the Session on February 27, 2007

Die Anträge, die nach unserer Meinung unproblematisch sein dürften, werden wir tatsächlich noch diskutieren. Wir werden uns in dieser Debatte natürlich hauptsächlich dem Gesetzentwurf mit seinen zwei Hauptanliegen widmen, nämlich zum einen die Bestattungsriten anderer Glaubensgemeinschaften zu achten und zu respektieren, denn hier sehen wir noch großen Nachholbedarf, und zum anderen der Lockerung des Friedhofzwangs.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Änderung des Bestattungsrechts mag auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig sein, ist aber den Änderungen, dem Wandel in unserer Gesellschaft geschuldet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Matschl.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Drucksache 15/7450 vom 06.02.2007 wird die Änderung des Bestattungsgesetzes beantragt. Zur Ersten Lesung zum Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erlaube ich mir, Folgendes anzumerken: Natürlich haben sich die Lebensbedingungen geändert. Gerade unter dem Aspekt der Kultur ist es wichtig, ein gewisses Ritual einzuhalten und zu leben.

Grundsätzlich verweisen wir die Thematik – in diesem Fall „Beerdigung nach islamischem Ritus“ – in die zuständigen Ausschüsse. Wir werden dann die Einzelberatungen durchführen.

Gestatten Sie mir jedoch im Vorfeld der Überweisung einige Bewertungen. Es geht zum Beispiel auch um die Räume für Leichenwaschungen. Es spricht einiges gegen eine generelle Verpfl ichtung der Gemeinden zur Vorhaltung von Räumlichkeiten. Es sind mir auch keine Forderungen islamischer Glaubensgemeinschaften nach Räumlichkeiten bekannt, die vorgehalten werden müssen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die islamischen Glaubensregeln erfordern eine rituelle Waschung auf dem Friedhof nicht zwingend. In der Praxis führen die muslimischen Bestattungsunternehmen die Waschungen in der Regel in ihren Räumlichkeiten durch. Die Religionsfreiheit erfordert nicht die Bereitstellung von Räumen für Leichenwaschungen. Die bestehenden Bestattungsregeln verhindern keine muslimische Bestattung. Die Religionsfreiheit verlangt nur, dass der Staat die freie Religionsausübung nicht verhindert. Sicher entstünden den Gemeinden bei einer Pfl icht zur Bereitstellung von Räumlichkeiten Mehrkosten, und diese wären erheblich. Des Weiteren geht es um die Erörterung der Möglichkeit für Angehörige, Aschenreste Verstorbener in der Urne mit nach Hause zu nehmen.

Ausgangspunkt ist: Die Regelung des grundsätzlichen Bestattungszwangs betrifft nur das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit. Der Gesetzgeber hat hier einen breiten Gestaltungsspielraum geschaffen. Daher gilt es abzuwägen. Der Aufhebung des Bestattungszwangs stehen keine hygienischen, wasserrechtlichen oder bodenschutzrechtlichen Gründe entgegen. Die Bestattungspfl icht auf einer öffentlich zugänglichen Grabstätte dient jedoch dem Bedürfnis der Angehörigen und von Freunden, an einem festen Ort der Toten oder des Toten zu gedenken. Die Aufbewahrung der Urne in einer Wohnung verträgt sich meiner Meinung nach nicht mit der Totenruhe. Die Urnenaufbewahrung zu Hause entspricht sicher nicht den pietätvollen Empfi ndungen der Mehrheit unserer Bevölkerung. Bei den Einzelberatungen im Ausschuss werden wir unsere entsprechende Stellungnahme abgeben.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Frau Kollegin, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kathrin Sonnenholzner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen diesen Anstoß der Diskussion zu diesem Thema über sich ändernde Bedingungen. Naturgemäß kann ich hier aber nur über das sprechen, was in dem Gesetzesentwurf steht. Die Anträge, über die die Kollegin Stahl gesprochen hat, liegen mir noch nicht vor.

Wir begrüßen auch, dass hier die Enttabuisierung des Todes aufgegriffen wird, wobei natürlich in der umfänglichen Betrachtung im Wesentlichen auch die Enttabuisierung des Sterbens die Aufgabe ist. Aber eine Änderung des Bestattungsrechts ist mit Sicherheit nicht die geeignete Stelle, um über dieses Thema zu reden.

Sie fordern in diesem Gesetzentwurf konkret zwei Änderungen: Sie fordern zum einen die Möglichkeit, an allen Friedhöfen Räume zur Leichenwaschung zur Verfügung zu stellen. Wir begrüßen es, dass diese Möglichkeit für Mitbürgerinnen und Mitbürger islamischen Glaubens oder auch anderer Religionsgemeinschaften, bei denen sie eine Rolle spielt, geschaffen werden soll. Allerdings sind wir ebenso wie Frau Kollegin Matschl sehr in Zweifel, ob die von Ihnen geforderte allgemeine Verpfl ichtung der Gemeinden möglich ist; denn ich komme selber aus einer kleinen Gemeinde mit mehreren Ortsteilen. Es würde mit Sicherheit nicht ohne große bauliche Maßnahmen gehen. Deswegen ist für mich die Frage, ob es nicht zum Beispiel die Möglichkeit gibt, das Vorhaben eher in den Krankenhäusern anzusiedeln und damit dem Anliegen auf eine vernünftige Art und Weise Rechnung zu tragen. Aber auch darüber werden wir im Ausschuss noch debattieren.

Zur Frage des Bestattungszwangs: Es ist richtig, dass in Europa außer in Deutschland nur noch in Österreich und in Italien dieser Bestattungszwang praktiziert wird, in anderen Ländern aber nicht: Als Leitmotiv muss die von Ihnen, Frau Kollegin Stahl, schon zitierte Menschenwürde über unseren Diskussionen stehen. Dazu muss ich eines klar sagen: An keiner Stelle dürfen fi nanzielle Aspekte wie etwa die Kostenersparnis einer Bestattung in dieser Diskussion eine Rolle spielen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe große Zweifel, ob das nur über die Verfügung mit Einverständnis des Verstorbenen geregelt werden kann. Dies ist das Hauptbedenken bei der an der einen oder anderen Stelle – sicherlich auch zur Trauerbewältigung – hilfreichen Initiative, das ich formulieren möchte.

Als Gesetzgeber sind wir gehalten, gerade an diesem Punkt größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen. Wir werden von unserer Seite aus dazu beitragen, dass wir über diesen Gesetzentwurf und die damit verbundenen Themen im Ausschuss konstruktiv diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Die Debatte wird sehr interessant werden.

Tatsächlich sind ein paar Bedenken genannt worden, über die wir reden müssen, die ich aber für ausräumbar halte. Ich möchte mit dem Beitrag der Kollegin von der CSU anfangen. Natürlich geht es beim islamischen Bestattungsritus nicht nur um die Leichenwaschung, sondern auch um eine frühzeitige Bestattung. Bisher haben wir die Regelung, dass frühestens nach 48 Stunden bestattet werden darf. Bei Muslimen ist diese Zeit auf 24 Stunden beschränkt. Bereits jetzt gibt es davon Ausnahmen, aber nur, wenn es die Verwaltung will.

Neben der Leichenwaschung und der frühzeitigen Bestattung ist den Muslimen auch die sarglose Bestattung ein Anliegen. Ich versichere Ihnen, ich wäre nicht von alleine auf diese Idee gekommen, wenn mich nicht schon Verbände seit längerer Zeit auf die Probleme, die mit einer solchen Bestattung zusammenhängen, hingewiesen hätten. Bei den Fachgesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Verbände haben wir über dieses Problem gesprochen. In wenigen Großstädten gibt es die Möglichkeit, mit einer entsprechenden Ausrichtung der Gräber einer Bedingung der islamischen Riten entgegenzukommen. Die übrigen Forderungen werden aber leider nicht erfüllt, weshalb rund 80 bis 90 % der Muslime nach wie vor in ihrer Heimat bestattet werden wollen, obwohl viele ihrer Angehörigen hier leben. Deshalb sollten wir es uns zum Anliegen machen, dass Änderungen vorgenommen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieses Anliegen hat schlicht und ergreifend auch einen integrativen Hintergrund.

Darüber, ob Waschräume an den Friedhöfen vorgehalten werden müssen, kann man diskutieren. Ich sehe hier durchaus Schwierigkeiten für kleinere Kommunen. Die Vorhaltung von Waschräumen wird ein räumliches Problem werden, das aber durch die Einrichtung von Zweckverbänden oder durch die Bereitstellung anderer Räume gelöst werden kann. Hier habe ich überhaupt keine Bedenken. Dafür wird es Lösungsmöglichkeiten geben.

Dass es für die Aufbewahrung der Urne nur – der Tradition geschuldet – für einzelne erlauchte Kreise wie hochrangige kirchliche Würdenträger – diese lassen sich jedoch eher beerdigen als verbrennen –, Angehörige adliger Familien oder für Franz-Josef Strauß, der die Ausnahmegenehmigung bekommen hat, in einer Gruft beigesetzt zu werden, Ausnahmen geben soll, kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir ist es sehr wohl ein Anliegen, selbst darüber bestimmen zu dürfen, was nach meinem Ableben mit meinen sterblichen Überresten geschieht. Ich möchte nicht unbedingt, dass sich jeder an meinem Grab aufhalten und weinen kann. Ich möchte selbst bestimmen können, dass meine Urne beispielsweise meiner Schwester in die Hand gegeben wird. Deshalb kann ich das Argument der Kollegin von der SPD nicht nachvollziehen. Ich glaube nicht, dass ich damit Angehörigen und Freunden die Möglichkeit zu trauern entziehe. Dieses Argument ist nur bedingt richtig,

denn in erster Linie zählt der Wille des Verstorbenen und nicht der Wille von Freunden und Angehörigen. Das sehe ich anders.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir werden uns im Detail um die einzelnen Fragen, die aufgetreten sind, kümmern. Ich freue mich auf die Diskussion, denn sie ist aus unserer Sicht längst überfällig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist hiermit geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Abstimmung über Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden

Ausgenommen von der Abstimmung wird die Listennummer 13, das ist der Antrag der Abgeordneten Bause, Dr. Dürr, Scharfenberg und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) , betreffend „Schutz vor zunehmenden Stromausfällen in Bayern“, Drucksache 15/6805. Hierzu wurde vonseiten der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Einzelberatung beantragt. Diese fi ndet später statt.

Vorweg lasse ich über die Listennummer 16, nämlich über den Antrag der Abgeordneten Pschierer und anderer (CSU) , betreffend „Erfahrungsbericht über die Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen“, Drucksache 15/6906, einzeln abstimmen. Die CSU-Fraktion hat hierzu noch einen Änderungsantrag gestellt. Danach sollen in der vom federführenden Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie vorgeschlagenen Neufassung nach dem Wort „über“ die Worte „die Arbeit und insbesondere“ eingefügt und das Wort „Finanzdienstleistungen“ durch das Wort „Finanzdienstleistungsaufsicht“ ersetzt werden. Im Betreff ist das Wort „Finanzdienstleistungen“ ebenfalls durch das Wort „Finanzdienstleistungsaufsicht“ zu ersetzen.

Wer dem Votum des federführenden Ausschusses für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie auf Drucksache 15/7481 mit diesen Änderungen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Es sieht mir so aus, als ob das alle Fraktionen sind. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Alle Fraktionen haben zugestimmt. Es ist so beschlossen.

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen zu den übrigen Anträgen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(siehe Anlage 1)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. mit dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Einmütig so beschlossen. Der Landtag übernimmt diese Voten.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 bis 15 auf:

Antrag der Abg. Johanna Werner-Muggendorfer, Joachim Wahnschaffe, Dr. Simone Strohmayr u. a. (SPD) Auswirkungen des BayKiBiG (2) hier: Gastkinderregelung (Drs. 15/5219)

Antrag der Abg. Johanna Werner-Muggendorfer, Joachim Wahnschaffe, Dr. Simone Strohmayr u. a. (SPD) Auswirkungen des BayKiBiG (3) hier: Entwicklung der Horte (Drs. 15/5220)

Antrag der Abg. Johanna Werner-Muggendorfer, Joachim Wahnschaffe, Dr. Simone Strohmayr u. a. (SPD) Auswirkungen des BayKiBiG (4) hier: Personalsituation (Drs. 15/5221)

Antrag der Abg. Johanna Werner-Muggendorfer, Christa Steiger, Joachim Wahnschaffe u. a. (SPD) Auswirkungen des BayKiBiG (5) hier: Integration behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder in Tageseinrichtungen im Zusammenhang mit der kindbezogenen Förderung nach BayKiBiG (Drs. 15/5222)

Antrag der Abg. Johanna Werner-Muggendorfer u. a. (SPD) Auswirkungen des BayKiBiG (6) hier: Erzieherinnen- und Erzieherausbildung in Bayern (Drs. 15/5297)

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nachbesserungen zum BayKiBiG 1 – Finanzierung auf drei Säulen stellen (Drs. 15/5650)