Protocol of the Session on February 7, 2007

(Zuruf der Abgeordneten Renate Dodell (CSU))

Ich stelle zunächst fest: Er ist ein Dringlichkeitsantrag. Es ist jetzt auch klar geworden, warum Sie einen Dringlichkeitsantrag gestellt haben: Sie haben eine „Kinderkonferenz“ gebraucht, um sich über dieses Thema überhaupt klar zu werden,

(Beifall bei der SPD)

über ein Dauerthema, das Sie seit Jahren beschäftigen müsste und das wichtig ist. Sie versuchen heute in einer Plenarsitzung, einen Dringlichkeitsantrag mit 11 Spiegelstrichen abzuhandeln. Da kann ich doch nur mit Herrn Dr. Beckstein sprechen, der vorhin gesagt hat: Wir brauchen eine ehrliche, eine ernsthafte Auseinandersetzung. Schaufensteranträge helfen uns nicht weiter.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Antrag hätte in den Ausschuss gehört. Dort hätten wir sicherlich über den einen oder anderen Spiegelstrich debattieren können. Mit Sicherheit stecken in dem Antrag gute Ansätze. Aber hier ist mit Sicherheit der falsche Ort, um über dieses Thema ernsthaft und ehrlich zu reden.

(Beifall bei der SPD)

Schade ist auch, dass Sie die Staatsregierung nicht zum Handeln aufgefordert haben, sondern wieder einmal nur prüfen lassen, sodass es auch in Zukunft nicht zu Handlungen kommt und wir nicht weiterkommen.

Elternbildung ist wichtig. Wir brauchen – das hat die Ministerin angesprochen – ein niederschwelliges Angebot. Es ist wichtig, Kindergärten zu Familienzentren auszubauen. Das hat die SPD im Übrigen seit Jahren gefordert.

(Beifall bei der SPD)

Aber Sie haben das immer abgelehnt. Jetzt sind Sie selbst darauf gekommen, dass wir derartige Familienzentren brauchen; das ist schon einmal positiv.

Ich möchte allerdings auch fragen: Was haben Sie in den letzten Jahren getan? Sie, die Sie in der Regierungsverantwortung sind, haben die Familienberatung zuerst gekürzt und dann wieder etwas draufgelegt. Es gibt in Bayern, wohin man auch kommt, zu wenig Erziehungsberatungsstellen; die kommen mit ihrer Arbeit kaum nach. Auch die Jugendhilfe wurde in den letzten Jahren auf nahezu allen kommunalen Ebenen gekürzt. Sie haben auf Bundesebene das kommunale Entlastungsgesetz – KEG – gefordert. Ich warte darauf, wie lange es dauern wird, bis Sie eine neue Initiative starten werden.

(Beifall bei der SPD)

Frau Stewens, Sie haben richtig gesagt, Familien bräuchten Hilfe, Familien bräuchten niederschwellige, aufzusuchende Angebote. Eine Möglichkeit hierfür ist, Kindergärten in Familienzentren umzuwandeln; auch das wollen Sie jetzt. Das ist positiv. Aber es ist natürlich eine Ironie, dass Sie das jetzt fordern, da Sie die Kinderbetreuungseinrichtungen durch das Kinderbildungs- und betreuungsgesetz derart geschwächt haben.

(Beifall bei der SPD)

Ihnen jetzt zusätzliche Lasten aufzubürden, wird ohne ehrliche Finanzausstattung nicht möglich sein.

(Beifall bei der SPD)

Wichtig wird es sein, dass zukünftig die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe besser klappt. Wir brauchen Schulsozialarbeit, Ganztagsschulen und vieles mehr.

Ich möchte aber auch daran erinnern, dass wir auch an diejenigen denken müssen, die die Erziehungsarbeit nicht mehr leisten können. Schon über ein Drittel aller Kinder wird heute in außerehelichen Beziehungen geboren. Es gibt viele Doppelverdiener-Ehen; denn in vielen Familien müssen beide Partner arbeiten. Es gibt zunehmend viele Familien mit sozialen Problemen, Krankheiten, psychischen Belastungen und Drogenproblemen. Es ist festzustellen, dass der Druck auf die Familie allgemein zunimmt. Vernachlässigung und Misshandlung sind in diesem Zusammenhang ein Aspekt; Sie haben ihn selber angesprochen.

Wir stärken Eltern am Besten, indem wir die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich so gestalten, dass die Eltern nicht mehr so unter Druck stehen und nicht mehr so kämpfen müssen.

Frau Dodell, Sie haben davon gesprochen, dass wir die Eltern nicht überfordern sollen. Das ist richtig. Wir wollen die Eltern nicht überfordern. Denken Sie aber doch einmal daran, wie heute Familie und Beruf miteinander vereinbart werden können.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage Sie: Wer soll denn in den Familien die Erziehungsarbeit leisten, wenn oft keine erwachsene Person anwesend ist? Ich kenne viele berufstätige Väter und Mütter, die alle darüber klagen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ihre private Angelegenheit ist, dass sie zu wenig Zeit für ihre Kinder haben, um Erziehungsarbeit zu leisten, dass die Kinder Nachmittage lang vor dem Fernseher oder am Computer sitzen. So sieht doch die Realität aus. Daran darf man einfach nicht vorbeischauen.

(Beifall bei der SPD)

Um hier etwas zu ändern, müssen wir die Rahmenbedingungen verändern. Ganz wichtig ist dabei aus meiner Sicht ein Anspruch auf Kinderbetreuung für Kinder im Alter von null bis 14 Jahren. Das bedeutet keine Zwangsbetreuung, wie Sie es immer darstellen. Ein Anspruch heißt, dass alle die, die Betreuung brauchen, auch Kinderbetreuung bekommen sollen. Das bedeutet nicht, dass jedes Kind zwangsweise betreut werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen ausreichend Betreuungsplätze insbesondere für Kinder im Alter unter drei Jahren und für Kinder im Alter über sechs Jahren. Ich bringe immer wieder gern das Beispiel aus dem Landkreis Augsburg. Dort gibt es für 1,9 % der Kinder im Alter unter drei Jahren eine Kinderbetreuung. Bei einer Umfrage haben wir aber festgestellt, dass 37 % aller Eltern Kinderbetreuung wünschen. So sieht die Realität bei uns in Bayern aus. Daran müssen wir endlich etwas ändern.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Unterländer?

Frau Kollegin Strohmayr, teilen Sie meine Auffassung, dass für eine Stärkung der Eltern im Erziehungsprozess ein Ausbau der Kinderbetreuung allein nicht reicht, sondern dass man dazu den Eltern Unterstützung geben muss? – Dann wäre Ihre Aussage nämlich zu kurz.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das hat sie doch aufgelistet! Da haben Sie nicht aufgepasst!)

Herr Unterländer, da haben Sie mir nicht zugehört. Ich habe sehr wohl gesagt, dass beides notwendig ist. Auf der einen Seite muss die Möglichkeit gegeben sein, dass die Kinder eine Betreuung bekommen, wenn sie sie benötigen. Auf der anderen Seite ist aber auch Erziehungsberatung notwendig.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Erst die Mittel für die Erziehungsberatungsstellen kürzen und dann sagen, wir brauchen sie! – Joachim Unterländer (CSU): Das ist die Unwahrheit!)

Ich glaube, Sie haben vorhin mit Frau Stewens geredet, als ich das gesagt habe. Ich kann es Ihnen aber gerne schriftlich zukommen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Weiter brauchen wir eine qualitätsorientierte Betreuung. Bildungspläne sollen nicht nur geschaffen oder erneuert werden, sondern sie müssen in erster Linie umgesetzt werden. Die Bedingungen dafür, dass sie umgesetzt werden können, müssen geschaffen werden. Wir brauchen in den Kinderbetreuungseinrichtungen mehr Personal. Das ist der wichtigste Faktor. Wir brauchen mehr frühkindliche Bildung, mehr Sprachförderung, wir müssen Schule und Kindergärten verzahnen. Wir müssen Lehrer in die Kindergärten und Erzieher in die Schulen schicken. Das könnte mit Sicherheit ein Weg sein, um eine bessere frühkindliche Bildung zu erreichen.

Wir müssen die Erzieherausbildung reformieren. Ich glaube aber auch, dieses Thema gehört in den Ausschuss. Wir sollten darüber im Detail im Ausschuss reden.

Letztendlich glaube ich, dass wir für Bildung Zeit brauchen. Wir wollen den Kindern nicht immer etwas Neues eintrichtern, sondern sie müssen es auch begreifen. Ganz wichtig sind Ganztagsbetreuungsangebote oder Ganztagsschulen.

Natürlich muss auch die Elternarbeit in den Betreuungseinrichtungen intensiviert werden. In der Betreuungseinrichtung „KIDS“ in Günzburg, die von der Wirtschaft mitfi nanziert wird, wird das hervorragend gemacht. Dort liegt in jeder Gruppe ein kleines Heft aus, in dem die Eltern

jeden Tag sehen können, was mit der Gruppe gemacht wurde. Das ist beispielhaft, aber das kann auch nur dort geleistet werden, wo der Personal-Kind-Schlüssel angemessen ist.

Wir brauchen eine kostenlose Kinderbetreuung. 8 bis 10 % der Kinder besuchen keinen Kindergarten. Natürlich können wir mit Kostenlosigkeit erreichen, dass auch diese Kinder einen Kindergarten besuchen und sich so auf die Schule vorbereiten können. Kinderbetreuung ist Bildung, und der Zugang zu Bildung muss kostenfrei sein.

Zum Inhalt Ihres Antrags. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, für jedes Problem ein Fach zu installieren. Ich erinnere daran, dass Sie selbst das Fach Erziehungslehre abgeschafft haben. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir in den Schulen mehr Zeit für Lebenskunde, für das Erlernen von Konfl iktfähigkeit, für gewaltfreie Lösungen, für Herzensbildung usw. haben.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Frau Kollegin, einen Augenblick bitte. Bei diesem Thema wäre es wirklich angenehm, wenn sich alle, die hier im Plenarsaal sind, den Rednerinnen und Rednern zuwenden würden. Ich möchte Sie noch einmal darum bitten, wer etwas zu besprechen hat, möge bitte nach draußen gehen. Im Übrigen darf ich noch anmerken, dass zu Beginn der Sitzung die Höfl ichkeit angesprochen worden ist. Das gilt für alle Rednerinnen und Redner, und nicht nur für bestimmte, die hier am Pult stehen.

Wir brauchen an der Schule mehr Zeit. Ich habe es schon angesprochen. Ganztagsschulen wären eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen. Es gibt auch andere Ansätze, um Kinder selbstbewusst zu machen. Individuelle Förderung ist sicher ein Stichpunkt, der in diesem Zusammenhang ganz wichtig ist.

Ihr Antrag hat mich ein bisschen an die „Bräute-Schule“ vergangener Jahre erinnert. Ich glaube aber, das wäre ein Schritt in die falsche Richtung. So möchte ich das nicht verstanden haben.

Bei vielen Ihrer Forderungen kann man sich fragen, ob sie zielführend sind. Sie haben die Staatsregierung nur zur Prüfung aufgefordert. Wir wären dankbar, wenn über die Prüfung im Ausschuss auch berichtet würde, damit wir über den einen oder anderen Punkt inhaltlich diskutieren können. Wir werden uns im Übrigen bei Ihrem Antrag ebenso wie beim Antrag der GRÜNEN enthalten.

(Beifall bei der SPD)

Für eine Zwischenbemerkung hat sich Frau Kollegin Kamm gemeldet.

Meine Zwischenbemerkung kommt jetzt etwas zu spät, weil Frau Stewens nicht mehr im Saal ist.

Frau Kollegin, Sie können nur zum Beitrag von Frau Kollegin Dr. Strohmayr eine Zwischenbemerkung machen.