Die Antwort ist klar, meine Damen und Herren: Die, die seine Nachfolge antreten wollen, einst Rivalen und jetzt Verbündete und Königsmörder.
Man muss es ganz deutlich sagen: Wie Sie Ihren Parteivorsitzenden in den nächsten Monaten auskungeln werden, ist Ihre Sache ganz alleine, wie Sie aber mit dem Amt des Ministerpräsidenten umgegangen sind und weiter umgehen, das ist eines Staatsamts unwürdig, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Natürlich gab und gibt es überall und immer wieder Gerangel um Nachfolgeregelungen. Jetzt zitiere ich aber Theo Waigel wörtlich:
In keiner Partei, weder bei den Sozialdemokraten noch bei den Liberalen, ja nicht einmal bei den Kommunisten hat es je einen so brutalen und diffamierenden Umgang gegeben, wie in meiner eigenen Partei.
(Dr. Thomas Beyer (SPD): Der wird es wohl wissen! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Der kennt sich ja aus!)
In nächtlichen Absprachen hinter dem Rücken des Amtsinhabers seine Posten und sein Amt zu verschachern ist diesem Land nicht zumutbar. Bayern hat fürwahr Besseres verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Frage, die sich viele stellen, lautet: Wie konnte es eigentlich zu dem rapiden Ansehensverlust von Herrn Dr. Stoiber kommen? Der schon angesprochene Herr Hoeneß sagt – Zitat: „Natürlich ist er nach dem Erfolg 2003 überheblich geworden.“ In der Tat: Fehlentscheidung reihte sich an Fehlentscheidung. Zur überstürzten
Einführung des achtjährigen Gymnasiums hagelte es Kritik vonseiten der Gymnasiallehrer, der Schüler und der Eltern. Zur Arbeitszeitverlängerung für die Beamten, von der vor der Wahl natürlich auch keine Rede gewesen ist, sagte der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes kurz und knapp, das sei Wahlbetrug. Auch von den massiven Kürzungen bei den Sozialleistungen war vor den Wahlen 2003 nicht die Rede. Zu diesen unsozialen Maßnahmen erklärte die Präsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes wörtlich:
Das war der Anfang des Niedergangs und des Vertrauensverlustes. Zu diesen und vielen weiteren Fehlentscheidungen kam noch der Rückzug aus Berlin, der den Stolz der CSU verletzt und die Partei nachhaltig geschwächt hat. Verheerend war aber dann die bekannt gewordene Bespitzelungsaktion gegen Frau Landrätin Pauli. Aus der Staatskanzlei heraus sollten möglichst belastende Dinge aus dem persönlichen Umfeld von Frau Pauli herausgefunden werden, um sie als unliebsame Kritikerin mundtot machen zu können. Das, meine Damen und Herren, ist die pure Arroganz der Macht.
Die Kritikerin auch noch mit dem Satz „Sie sind nicht so wichtig“ abzukanzeln, ist Hochmut, und der kommt bekanntlich vor dem Fall.
Im CSU-System ist dieser Vorgang kein Einzelfall, sondern er hat Methode. Viele er innern sich sofort an den Machtkampf zwischen Herrn Stoiber und Herrn Waigel, als dessen Privatleben an die Öffentlichkeit getragen wurde, um ihm zu schaden. Viele fühlten sich sofort daran erinnert, als das private Liebesverhältnis von Herrn Seehofer gerade zum richtigen Zeitpunkt in der Bildzeitung auftauchte. Wer hier an einen Zufall glaubt, der glaubt auch noch an den Osterhasen, meine Damen und Herren.
Noch in bester Erinnerung sind die Erpressungs- und Bedrohungsversuche der ehemaligen Kultusministerin, Frau Hohlmeier, die ebenfalls ihre Parteifreunde mit dem Satz „Ich habe über jeden von Euch etwas“ einzuschüchtern und zu bedrohen versuchte.
Dem Versuch, sie durch Ihre Mehrheit im Untersuchungsausschuss von allen Sünden reinzuwaschen, widersprechen sogar Ihre eigenen Leute aus der Münchner CSU. Diese unerträgliche Art des Umgangs miteinander hat den frühern Mythos einer starken und unangreifbaren Partei zerstört. Der Mythos CSU ist zerstört.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Mehrheitspartei in diesem Hause trägt Verantwortung für unser Land, aber sie beschäftigt sich nur noch mit sich selbst.
In Kreuth, Herr Kollege Kreuzer, saßen Sie zehn Stunden lang unter einem großen Transparent, auf dem „Politik für den ländlichen Raum“ stand. Sie haben sich in diesen zehn Stunden keine Minute lang über den ländlichen Raum unterhalten.
Sie haben zehn Stunden lang über die Zukunft des Ministerpräsidenten diskutiert. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Daran sieht man, dass Sie keine Ahnung haben!)
Der Bürger ist verbittert und wendet sich ab. Denn er erkennt, dass es Ihnen nicht ums Land, sondern allein um Macht und Mandate geht.
Ich mache Ihnen in der Tat den Vorwurf, meine Damen und Herren, dass Sie in den letzten Monaten einen maßgeblichen Beitrag zu weiterer Politik- und Parteienverdrossenheit geleistet haben, worunter wir alle leiden müssen. Die Regierungskrise ist aber noch längst nicht abgeschlossen und gelöst. Sie setzt sich weitere quälende Monate fort. Niemand würde dem Herrn Ministerpräsidenten das Recht auf einen würdigen Abschied absprechen. Diese Chance haben Sie aber selbst vertan, weil Sie statt einer sauberen Lösung, die wieder zur Handlungsfähigkeit geführt hätte, eine weitere mehrmonatige Hängepartie veranstalten.
Ein Rückzug ist in Ordnung. Die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ist dabei nicht notwendig. Sie gilt nämlich nicht für leitende Angestellte.
Ein Rückzug, der so lange dauert wie eine Schwangerschaft, verlängert die Regierungskrise in Bayern und schadet unserem Land. „Ganz Deutschland lacht“, kommentiert dazu der „Münchner Merkur“. Es heißt dort zynisch – ich zitiere: „Wegen der riesigen Nachfrage gibt die Laienspielgruppe der CSU jetzt offenbar eine Verlängerung des Intrigantenstadels“. – Zitat Ende.
Wir brauchen einen Neuanfang, der uns dabei hilft, die großen Chancen für unser Land zu ergreifen und wieder tatkräftig die Zukunft zu gestalten. Diese Zukunft darf man nicht mehr Ihrer Partei überlassen, die offenkundig die Kraft zur Gestaltung Bayerns eingebüßt hat.
Wir brauchen kein „weiter so“ mit Personen, die über zwanzig Jahre lang dem System Stoiber angehörten, zentraler Bestandteil davon waren und jede auch noch so falsche Entscheidung mitgetragen und mitverantwortet haben. Mit Verlaub, Herr Dr. Beckstein und Herr Huber, ein Neuanfang sieht wahrlich anders aus.
Es geht dabei übrigens auch und nicht zuletzt um die Bedeutung Bayerns in der Bundesrepublik Deutschland. Der Bedeutungsverlust Ihrer Partei ist nicht zu kaschieren. Schon fast spöttisch blickt die CDU auf ihre Schwesterpartei im Freistaat. Der bundespolitische Bedeutungsverlust der CSU interessiert mich persönlich weniger, aber wenn die „Süddeutsche Zeitung“ schreiben kann „ Bayerns Stern sinkt“ und damit den bundespolitischen Bedeutungsverlust unseres Landes beschreibt, dann ist das ein Drama, das Sie zu verantworten haben.
Deshalb muss schnellstens ein Neuanfang gemacht werden. Der Rücktritt des Bayerischen Ministerpräsidenten ist dafür die erste und notwendige Voraussetzung.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gewürge und Gezerre, das Sie, Kollegen von der CSU, und Sie von der Staatsregierung den Bürgern in Bayern in den letzten Wochen geboten haben, muss endlich Schluss sein.