Protocol of the Session on October 18, 2006

Der Entwurf des Doppelhaushalts 2007/2008 sieht für die beiden Haushaltsjahre insgesamt 784 zusätzliche Planstellen vor. Wir möchten sie wie folgt verteilen: für das Haushaltsjahr 2007 für Förderschulen 18 Planstellen, für Realschulen 286 Planstellen, für Gymnasien 217 Planstellen, in der Verteilung noch offen 79 Planstellen, das sind insgesamt 600 Planstellen. Im nächsten Haushaltsjahr werden wir die 184 Planstellen wie folgt unterbringen: für die Realschulen 100 Planstellen und für die Gymnasien 84 Planstellen. Alle Planstellen unterliegen keiner Befristung.

Keine weitere Zusatzfrage. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Damit ist die Fragestunde geschlossen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Schade!)

Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Wolfgang Vogel, Adelheid Rupp u. a. u. Frakt. (SPD) Aussetzung der Studienbeiträge (Drs. 15/6457)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache und darf für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Vogel das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Goppel, muss ich Sie jetzt mit Exzellenz ansprechen, nachdem wir diesen Erfolg miteinander gehabt haben?

(Heiterkeit)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das Bundesverfassungsgericht hat mit der Verantwortung zur sozialen Flankierung von Studienbeiträgen nun eindeutig den Ländern eine ganz bestimmte Aufgabe zugewiesen. Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, und die Staatsregierung preisen nun im Zusammenhang mit der Föderalismusreform landauf, landab wie toll es ist, dass die Staatsregierung endlich nahezu uneingeschränkt für die bayerische Hochschullandschaft und deren Entwicklung zuständig ist.

Aber in wesentlichen Fragen hat man doch den Eindruck, dass der zuständige Minister und auch die politische Mehrheit in diesem Hohen Hause dieser Verantwortung nicht so gewachsen sind, wie man sich das wünscht. Sie können sich zwar stolz in die Brust werfen, wenn es darum geht, sich das Verdienst der bayerischen Hochschulen bei

der Exzellenzförderung auf die eigene Fahne zu schreiben, und in der Produktion von schönfärberischen Hochglanzbroschüren wie die, die uns jetzt wieder ins Fach gelegt wurde, zu den Studienbeiträgen und in lyrisch euphemistischen Presseerklärungen sind Sie auch oft kaum zu überbieten.

Doch wenn es dann um die konkrete finanzpolitische und juristische Kärrnerarbeit für eine in der Breite abgesicherte bayerische Hochschullandschaft geht, dann bestimmen Ratlosigkeit, Unvermögen und Realitätsferne Ihre Hochschulpolitik.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Danke, Frau Kollegin Gote. Die von Ihnen so hochgelobten Studienbeiträge sind dafür das beste Beispiel. Herr Goppel, Sie haben nicht nur einen falschen, unsozialen Kurs in der Hochschulpolitik eingeschlagen, Sie haben es nicht einmal geschafft, diesen inhaltlich falschen Kurs wenigstens in formaljuristisch korrekte Rechtsnormen umzusetzen.

Als Ergebnis müssen wir uns heute wahrscheinlich nicht zum letzten Mal mit den Folgen eines wenig durchdachten und überhastet beschlossenen Modells zur Einführung von Studienbeiträgen auseinandersetzen. Nach und nach stellt sich immer deutlicher heraus: Teile des Gesetzes sind Murks. Es droht eine Klageflut bei den Studienbeiträgen, und die Erfolgschancen der Klägerinnen und Kläger sind ziemlich hoch.

Natürlich könnten wir jetzt als Opposition voller Schadenfreude die Entwicklung abwarten. Uns treibt aber die Sorge um, die wir mit den Studierenden teilen, um deren Geldbeutel es geht. Tagtäglich hören wir von den Hochschulleitungen, dass die Rechtsunsicherheit nahezu unerträglich ist, weil jede juristische und finanzielle Planungssicherheit fehlt, wie nun mit den ab dem Sommersemester 2007 zu erhebenden Beiträgen umzugehen sei.

Wir stellen deshalb heute einen Dringlichkeitsantrag, um Schadensbegrenzung für alle Betroffenen zu betreiben. Wir fordern eine juristisch eindeutige Klarstellung darüber, ob die im Hochschulgesetz vorgesehenen Regelungen zu den Studienbeiträgen überhaupt verfassungsgemäß sind. Erst wenn dies bejaht ist, können die Beiträge auch eingezogen werden.

Es ist nahezu schon eine Ironie der aktuellen Entwicklung, wenn einer der eifrigsten Befürworter von Studiengebühren jetzt zu der juristischen Auffassung kommt, dass Sie haarsträubende verfassungsrechtliche Fehler gemacht haben: Ludwig Kronthaler, Richter am Bundesfinanzhof und früherer Kanzler der TU München, hat in einem Gutachten zur rechtlichen Einordnung der Einführung von Studienbeiträgen Stellung genommen und den im Gesetz vorgesehenen Sicherungsfonds als verfassungswidrig beurteilt. Nach seiner Ansicht ist der Staat verpflichtet, ein sozialverträgliches Studium zu gewähren und zu finanzieren. Die sozialverträgliche Absicherung von Studienbeiträgen könne aber nun nicht, wie von der Staatsregierung vorgesehen, von den Studierenden selbst beantragt

und selbst getragen werden. Es ist auch wirklich der blanke Hohn, wenn nun Studierende selbst dafür sorgen sollten, dass Studienbeiträge sozialverträglich sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Gutachten weist im Wesentlichen auf zwei juristische Schwachstellen hin.

Erstens geht es um die Sozialverträglichkeit von Studienbeiträgen. Das Hochschulgesetz schreibt vor, dass ein Teil der Studiengebühren als Ausfallbürgschaft über einen Sicherungsfonds zurückgelegt werden soll. Darauf sollen die Banken dann zurückgreifen, wenn Absolventen ihre Darlehen nicht zurückzahlen. Das Gutachten stellt aber fest, dass die Kosten für die sozialverträgliche Absicherung Sache des Staates sind und nicht Aufgabe der Studierenden.

Zweitens geht es um die konkrete Bemessung der Studienbeiträge. Wenn den Hochschulen die Beitragsbemessung durch Gesetz übertragen wird und wenn diese Beiträge nur, so wie es im Gesetz heißt, zur Verbesserung der Studienbedingungen erhoben werden dürfen, dann sind einheitliche Studienbeiträge nach Kronthaler gesetzeswidrig. Die Hochschulen müssen vielmehr erst verbindlich klären, welche Verbesserungsmaßnahmen ergriffen werden, was diese kosten und nach welchem Maßstab sie auf die Studierenden umgelegt werden sollen.

Erst danach kann dieser Aufwand in konkrete Beiträge der Studierenden umgelegt werden, und zwar nach dem Maß der jeweiligen Vorteile in den einzelnen Studiengängen. Einheitsbeiträge, so wie Sie sie vorsehen, sind also unzulässig. Die Studierenden haben ein Recht zu erfahren, für welche konkreten Leistungen sie zahlen sollen. Schließlich sollen sie als zahlende Kunden – Herr Goppel, dieses Wort führen Sie ja immer im Mund – auch einfordern können und einfordern dürfen.

Das Wissenschaftsministerium sieht hingegen keinen Anlass, an der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesvorschriften zu zweifeln

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): So ist es!)

und spielt lieber juristisch mit dem Feuer. Mit dieser Vorlage wären Sie, Herr Goppel, beim Staatsexamen im Verfassungsrecht durchgefallen.

(Beifall bei der SPD)

Aber selbst die Klärung der juristischen Detailfragen wird nicht das soziale Dilemma auflösen, das durch die Einführung von Studiengebühren verschärft wird. Es gibt nämlich keine sozialverträglichen Studiengebühren. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben der sozialen Absicherung scheitern in der Praxis. Es ist deshalb nach wie vor unsere feste Überzeugung: Studiengebühren sind und bleiben sozial ungerecht, sie führen bildungspolitisch in die falsche Richtung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin froh, dass die GRÜNEN da sind. Meine Fraktion reagiert überhaupt nicht.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ja, wenigstens wir klatschen! – Heiterkeit)

Wenigstens ihr! Aber sagen wir lieber mal nichts darüber. Wie sollen nun junge Menschen ihre Zukunft planen, wenn sie nicht wissen, was morgen kommt? Die Verunsicherung bei den Studierenden ist jetzt schon sehr groß. Es heißt, die Studiengebühren müssen sozialverträglich sein. Aber was heißt das? Ist es sozialverträglich, wenn die sogenannte soziale Abfederung bei den Gebühren im Gewand erheblicher Darlehensbelastungen daherkommt? Ist es sozialverträglich, wenn junge Menschen zur Finanzierung ihres Studiums einen Schuldenberg anhäufen müssen?

Sie behaupten immer, eine nachgelagerte Gebühr sei sozialverträglich. Aber wer glaubt, dass das die Geldbarriere wegnimmt, sollte sich einmal daran erinnern, wie es beim BAföG gelaufen ist. Die Regierung Kohl hat von 1982 bis zum Jahre 2000 beim BAföG auf Darlehen umgestellt. Die Folge war ein Rückgang des Anteils der Studierenden aus den so genannten bildungsfernen Schichten von 23 % auf 13 %.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Mein lieber Ludwig Spaenle, Sie alle miteinander bleiben die Antwort auf die Frage schuldig, seit wann Schuldenmachen für diejenigen, die die Gebühr nicht cash bezahlen können, sozialverträglich ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Seit wann ist es sozialverträglich, wenn jemand für seine Bildung einen Kredit aufnehmen muss, während der Wohlhabende bar zahlen kann?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau! – Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Die alte Gebetsmühle!)

Es ist halt leider wahr und manchmal muss man es euch oft sagen. Die Hoffnung, dass ihr es einmal kapiert, geben wir noch nicht auf.

(Beifall bei der SPD)

Das ist unser positives Menschenbild, das auch beim Vorsitzenden des Hochschulausschusses nicht aussetzt. Wir haben die Hoffnung, dass ihr einsichtig seid.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Schauen Sie sich doch einmal die konkreten Zahlen an. Das kann bei einem Studierenden bis zu 11 000 Euro Darlehensbelastung führen. Das ist das Doppelte von dem, was jemand zahlen muss, der immer gleich bar zahlt. Ist das denn sozialverträglich?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Kaum!)

Und wer profitiert davon? Schauen wir uns doch einmal die Zeitungsüberschriften in der letzten Woche an: Förderbank zockt Studenten ab! – Banken verdienen an Studiengebühren! Das war letzte Woche landesweit in den Zeitungen zu lesen.

Vom Sommersemester 2007 an sollen die Kredite der LfAFörderbank und der KfW-Bankengruppe an Studierende vergeben werden können. Der variable Zinssatz wird zwischen 5,95 % und 8,38 % liegen.

Das heißt doch ganz konkret: Die LfA und die KfW machen aus einem Studium einen Gewinn, der zwischen gut 4000 und 6500 Euro liegt, ohne für ein Risiko einzustehen; denn das tragen die Studierenden selbst über den Ausgleichsfonds. Ist das sozial verträglich? Ist das juristisch korrekt?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es gibt eine ganze Reihe von weiteren Bedenken, die wir schon häufig vorgebracht haben. Solange es dieses unerträgliche Gebührenmodell gibt, werden wir nicht aufhören, diese Bedenken vorzubringen. Die nachgelagerte Gebühr sorgt dafür, dass die Benachteiligung der Studierenden aus niedrigen Einkommensverhältnissen, zum Beispiel aus Familien mit Kindern, als starker Einkommensnachteil in der Berufsphase fortgesetzt wird. Leider Gottes gilt in Bayern verstärkt: Wer reiche Eltern hat, startet ohne Hypothek, wer arme Eltern hat, muss mit Darlehen in sein Berufsleben starten.