Ich kann auch nichts besonders Pädagogisches erkennen, wenn man einem achtjährigen Kind zum Beispiel im zweiten Schuljahr das Rechnen benotet. Das hätte nur Sinn, wenn Rechenschwächen, die festgestellt werden, konsequent individuell beseitigt würden. Genau das ist das Problem.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Nur durch das Testen wird man nicht gescheiter!)
Das Nutzungsverbot für Handys, ein weiteres Thema in diesem Gesetz, zeigt die völlige Hilfl osigkeit der Staatsregierung auf vor einem Problem unserer Zeit. Wollen Sie denn wirklich ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem damit lösen, dass Sie vorschreiben, dass das Handy im Schulgelände ausgeschaltet werden muss? Das ist doch nicht der Fall. Sie lösen kein einziges Problem. Sie verbieten es nur von der Schule weg, und selbst das wird Ihnen nicht gelingen, meine Damen und Herren.
Ich denke, dass es schwer ist, zu verurteilen, was junge Leute – und übrigens auch ältere, um das einmal zu sagen – mit den Möglichkeiten von Handys anstellen. Da gibt es einen dringenden Handlungsbedarf, und ich wünschte mir, dass dieser Handlungsbedarf in diesem Haus einmal echt problematisiert würde und nicht, wenn er irgendwo hochkommt, jetzt in der Schule, einfach verboten wird. Meinen Sie denn wirklich, dass mit diesem Verbot das Problem gelöst wird? Ich wünsche mir, dass sich die Schule konsequent mit dem Nutzen solcher Möglichkeiten pädagogisch auseinander setzt und nicht sagt: Das verbieten wir! Damit ist das Problem vom Tisch.
Ich will noch dazu sagen, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, wie Sie das kontrollieren wollen. Sollen denn die Lehrer jetzt in der Tat bei Verdachtsmomenten als „Handypolizei“ auftreten und Taschenkontrollen machen, ob die Handys wirklich ausgeschaltet sind? Wie wollen Sie ein solches Verbot in der Schule kontrollieren? Darauf gibt es keinerlei Antworten, und ich würde mir wünschen, dass man Gesetze macht, die letztendlich auch umsetzbar sind. Sie können doch nicht von den Lehrern verlangen, dass sie die Taschen kontrollieren, damit dieses Gesetz umgesetzt wird. Da sind Sie jede Antwort schuldig geblieben, auch in der Ausschussberatung.
Ich möchte noch das Thema Schulausschluss problematisieren. Auch wenn es hart klingt: Der Schulausschluss ist eine Bankrotterklärung der Pädagogik.
Herr Schneider, auch wenn viele Maßnahmen vorher eingeleitet wurden und wenn Sie meinen, wenn es dann halt nicht mehr geht, dann schmeißen wir ihn raus, dann ist das eine Bankrotterklärung der Pädagogik, und ich will sie nicht akzeptieren.
Ich bin nicht bereit, diesen Weg mitzugehen. Ich bin der Auffassung, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um solche Probleme – die in der Tat vorhanden sind, das will ich überhaupt nicht abstreiten – zu lösen.
Aber solange wir zu wenige Lehrer, keine Schulsozialarbeit, keine Förderung und Möglichkeiten haben, so etwas pädagogisch zu lösen, können Sie niemanden ausschließen. Und genau diese Dinge wollen Sie nicht fi nanzieren. Mit Ihren lächerlichen 87 Schulsozialarbeiterstellen für 5000 Schulen können Sie solche Probleme nicht lösen, das ist schon klar.
Mit einem Haushaltsvorbehalt für 350 Stellen irgendwann können Sie solche Probleme auch nicht lösen. Auch mit der Überlastung der Lehrerinnen und Lehrer können Sie sie nicht lösen. Was machen Sie also? Sie schließen die jungen Leute aus. Das kann keine Pädagogik sein. Deswegen meine ich, das kann man so nicht machen.
Es kann gegenüber der Gewalt an Schulen oder anderswo keine Toleranz geben. Gewalt ist nicht akzeptabel.
Die Konsequenz aus einer solchen Feststellung kann doch nicht sein: Ausschluss von der Schule. Die Konsequenz muss doch sein, auch Prävention zu betreiben. Wo ist an unseren Schulen die Gewaltprävention, Herr Kultusminister? Das ist doch die Frage.
Wo sind an unseren Schulen die Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, Prävention zu betreiben? Das sind die entscheidenden Fragen.
Wir fordern in diesem Haus seit vielen Jahren eine ausreichende und bedarfsgerechte Stellensituation zur Schulsozialarbeit. Machen Sie es um Himmels willen! Indem wir immer wieder mit dem Finger auf die Kommunen zeigen und sagen, die sollen es halt machen, lösen wir dieses Problem nicht.
Bevor diese Dinge – neben der Schulsozialarbeit weitere Belange, die ich eben angesprochen habe – nicht geklärt sind, kann niemand von der Schule ausgeschlossen werden.
Im Übrigen halte ich das, was Sie hier machen, verfassungsrechtlich für höchst bedenklich. Ich gehe davon aus, dass hier eine verfassungsrechtliche Überprüfung durchaus Sinn macht, weil man die Schulpfl icht nicht
Ich darf vielleicht noch darauf verweisen, dass die kommunalen Spitzenverbände dieses Gesetz ablehnen. Die zuständigen Fachschaften an der Universität lehnen dieses Gesetz ebenfalls ab. Abgesehen von den Konsenspunkten haben Sie bei fast allen Themen keine Unterstützung für dieses Gesetz.
Ich kritisiere zum Schluss, dass Sie so problematische Themen wie den Schulausschluss in einen Gesetzentwurf packen. Auch das ist eine Kritik wert. Ich wünsche mir, dass solche Themen gesondert beraten werden.
Grundsätzlich meine ich: Ordnungspolitik darf nicht die Pädagogik ersetzen, aber Ihr Gesetzentwurf macht das.
Eine Hauruck-Pädagogik betreiben Sie immer dann, wenn es schwierig wird, wenn wir gesellschaftliche Probleme haben, deren Existenz wir durchaus anerkennen, etwa durch Verbieten, Draufhauen usw. Das ist Ihre Politik – nicht unsere. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf setzt eine Reihe bildungspolitischer Vorhaben um. Wir haben es gehört: Ein Teil ist unstrittig, bei einem Teil gehen die Meinungen auseinander, insbesondere bei den Themen „Deutschförderung für Migrantenkinder“, „Ergänzung der Ordnungsmaßnahmen“, Handynutzungsverbot. Vorweg: Ich halte die Maßnahmen für richtig und für notwendig. Ich möchte unserem Ministerpräsidenten und unserem Kultusminister ganz herzlich danken für eine klare Richtung, für klare Worte und klare Regelungen. Genau das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger von der Politik erwarten, und nicht die Orientierungslosigkeit, die die Opposition treu begleitet.
Ein besonders gelungenes Beispiel für Orientierungslosigkeit sind die Ausführungen des Kollegen Pfaffmann zur Föderalismusreform und zu den Bildungsstandards. Daran sollten Sie nochmals den einen oder anderen Gedanken verschwenden,
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist die Wertigkeit des Parlaments, die man da vielleicht diskutieren müsste!)
Zu dem Thema „Keine Einschulung ohne Deutschkenntnisse“: Der Gesetzentwurf legt fest, dass Kinder mit Migrationshintergrund, die nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, zunächst nicht eingeschult werden. Verbunden ist damit ein abgestuftes System zur Förderung des Erlernens der deutschen Sprache.
Deswegen wollen wir nicht, dass diese Schülerinnen und Schüler mit Startschwierigkeiten ihre Schullaufbahn beginnen. Der Schlüssel dazu ist die deutsche Sprache.
Rot-Grün sagt locker, fl ockig, das sei doch klar. Das war eben lange nicht klar; denn es hat Jahrzehnte gedauert, bis wir jetzt langsam zu einem Konsens kommen. Die politische Linke hat das Erlernen der deutschen Sprache über Jahrzehnte hinweg als „Assimilierung“ und „Zwangsgermanisierung“ diffamiert, und diesen Vorwurf müssen Sie sich immer wieder gefallen lassen.
Selbst die „Süddeutsche Zeitung“, der übertriebenen Nähe zur CSU wirklich unverdächtig, schrieb gestern – ich zitiere: „Grüne und Sozialdemokratie halten es“ – ich ergänze: inzwischen – „nicht mehr für einen Ausbund an Nationalismus, von Zuwanderern Deutschkenntnisse zu verlangen.“ – Herzlichen Glückwunsch! Wir freuen uns, wenn Sie gescheiter werden. Aber wir würden uns auch freuen, wenn es das nächste Mal ein bisschen schneller ginge.