Protocol of the Session on July 18, 2006

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, werte Kollegen! Herr Minister Miller, die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich sind wir uns in vielen Dingen, die Sie gesagt haben, einig. Natürlich ist die bäuerliche Landwirtschaft in Bayern das, was wir erhalten wollen. Aber allein schon in Ihrer Rede sind Widersprüche aufgetaucht. Seit 1974, als das Landwirtschaftsförderungsgesetz, das Lwfög, geschrieben wurde, haben sich die Rahmenbedingungen sowohl national als auch international geändert. Aber ob deswegen ein völlig neues Gesetz geschrieben werden muss, wage ich zu bezweifeln. Ich bin mir allerdings der Mehrheiten in diesem Hause und der Auffassung der Staatsregierung bewusst. Deswegen glaube ich, dass Sie unsere Meinung wenig beeindruckt.

Auch dieses Gesetz soll zumindest im Landtag möglichst schnell durchgezogen werden, wie es neuerdings in

Bayern üblich ist. Man könnte auch sagen, dass wir im Landtag die Verzögerungen, die im Ministerrat entstanden sind, sozusagen einholen sollen. Das zeigt aber auch, dass hinter dem Gesetz offensichtlich mehr Probleme stecken, als Sie hier eingestehen wollen. Das war eine schwere Geburt.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben deshalb – oder trotzdem – vor dem offi ziellen Einbringen heute in den Bayerischen Landtag, im Übrigen in Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung, unseren Dringlichkeitsantrag auf Anhörung eingebracht, weil wir wiederum mit Ihnen darin einig sind, für die Betroffenen so schnell wie möglich Sicherheit zu schaffen. Das können wir aber nur, wenn wir nach der Sommerpause die Beratungen zügig fortsetzen. Durch die Beratungen mit den Betroffenen wollen wir ein Gesetz erreichen, das dem Titel entspricht, ein Gesetz zur nachhaltigen Entwicklung der Agrarwirtschaft und des ländlichen Raumes, das nicht zu einem weiteren Einsparmodell auf dem Rücken derer wird, die derzeit hart kämpfen müssen und die bereits überproportional zur Kasse gebeten worden sind, nämlich die Bauern und ihre Selbsthilfeeinrichtungen.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Im Gesetzentwurf heißt es unter „D) Kosten“, Einsparungen sind zu realisieren. Das kann auf mehrere Arten passieren. Zum Beispiel wird eine Verlagerung der kostenneutralen Beratung sozusagen in die Verbundberatung für diejenigen, die sich beraten lassen, nämlich unsere Bauern, kostenträchtig. Wenn Institutionen künftig auf die Projektförderung verwiesen werden, wird dies nicht nur zu erheblich mehr Bürokratie führen, Herr Minister, nicht zu Bürokratieabbau, höchstens bei den Beamten. Aber bei denjenigen, die diese Förderung beantragen, wird sie zu erheblich mehr Bürokratie und zu massiver Unsicherheit darüber führen, ob man Geld bekommt, und wenn ja, wie viel Geld man letztendlich bekommt, mit verheerenden Auswirkungen auch auf das Personal, das praktisch nur von Projekt zu Projekt eingestellt werden kann.

Das steht für meine Begriffe dem Anspruch einer nachhaltigen Entwicklung diametral entgegen. Ich höre mir Ihre Signale zur Stärkung des ländlichen Raums und Ihre Aussagen an, wie wichtig der ländliche Raum sei. Wer aber den Haushalt ansieht, stellt fest: Dies widerspricht sich. Der ländliche Raum wird zwar immer wieder gelobt. Es werden auch Wettbewerbe ausgeschrieben, aber die Gelder werden massiv zusammengestrichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch darüber müssen wir uns eingehend unterhalten. Sie fordern ein Rahmengesetz und wollen zum Abbau von Bürokratie die weiteren Regelungen in Richtlinien, Programme und Erträge fassen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Damit hat das Parlament dann nichts zu tun!)

Das bedeutet, wir sind außen vor. Es ist nicht sinnvoll, dass wir uns für einen derart wichtigen Bereich das Heft aus der Hand nehmen lassen. Darüber werden wir uns bei den Beratungen im Ausschuss sehr eingehend unterhalten, nachdem wir auch die Verbände nochmals angehört haben. Im Gegensatz zu Ihnen habe ich von den Verbänden sehr viel Protest und überhaupt keine Zustimmung bekommen; denn die Unsicherheit ist sehr groß.

Ich hoffe und freue mich auf konstruktive Beratungen; denn wir haben schon mehrfach gezeigt, dass wir aus einer weit gefassten Vorlage gemeinsam etwas Sinnvolles basteln können.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf nun das Wort Herrn Kollegen Brunner erteilen. Herr Kollege Brunner hat das Wort, es lohnt sich zuzuhören.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lück hat des Öfteren in der Presse verlauten lassen, sie wisse nicht, warum wir ein neues Gesetz machten. Aber ich denke, der Minister hat eindrucksvoll die Begründung, den Sinn, den Zweck und das Selbstverständnis erklärt. Ich brauche nicht näher darauf einzugehen. Im Übrigen, Frau Lück, ist es kein völlig neues Gesetz. Wir bauen auf dem auf, was sich bisher bewährt hat. Wir erneuern und entwickeln weiter, wie es die Rahmenbedingungen und die veränderte Situation erfordern. Wir haben die Verbände und die Betroffenen bereits in die Vorberatungen eingebunden.

Das Agrarwirtschaftsgesetz ist kein Spargesetz. Das ist besonders erwähnenswert, weil die Staatsregierung und die CSU-Fraktion mutig und zukunftsweisend die neuen Rahmenbedingungen in einer Zeit vorlegen, in der die EU und der Bund kürzen. Wir bekennen uns uneingeschränkt zur Verantwortung für die Berufsstände der Landwirtschaft und den ländlichen Raum. Wir werden die Möglichkeit nicht dazu nutzen, hier Gelder einzusparen. Vielmehr ist sich Bayern seiner besonderen Verantwortung gegenüber dem ländlichen Raum bewusst.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Lück, 1970 wurde das Landwirtschaftsförderungsgesetz als Antwort auf die damalige EU-Agrarpolitik von Sicco Mansholt gemacht mit dem Ziel, auch in Zukunft möglichst vielen Landwirten und Bäuerinnen und Bauern die Möglichkeit zu erhalten, ihren Betrieb, egal in welcher Form – Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb –, weiter zu bewirtschaften. Das ist eindrucksvoll gelungen. Mansholt hat vorausgesagt, dass wir im Jahr 2000 nur noch 25- bis 30 000 Betriebe haben werden. Aber weit über 130 000 Betriebe hatten wir zu diesem Zeitpunkt. Der bayerische Weg hat sich also eindrucksvoll bewährt.

Aufbauend auf diesen Erfahrungen wollen wir das Gesetz jetzt aber nicht Landwirtschaftsförderungsgesetz, sondern ganz bewusst Agrarwirtschaftsgesetz nennen, weil wir unterstreichen wollen, dass Landwirtschaft insbesondere auch mit Wirtschaft etwas zu tun hat, zum Beispiel

mit der Produktion von Nahrungsmitteln, letzten Endes auch mit der Sicherung von Arbeitsplätzen. Uns geht es in Zukunft nicht nur um die fl ächendeckende Landbewirtschaftung, sondern auch darum, dass wir konkurrenzfähige landwirtschaftliche Betriebe erhalten, die sich auf dem Markt behaupten können. Funktionalität und Attraktivität des ländlichen Raums müssen sichergestellt werden. Auch wollen wir in Zukunft den Strukturwandel begrenzen und sozial begleiten.

Frau Lück, Sie haben vorhin davon gesprochen, das Gesetz sei ein Rahmengesetz, sodass Einzelheiten logischerweise in Ausführungsbestimmungen und Richtlinien festzulegen seien. Das ist vernünftig und sinnvoll. In einem Rahmengesetz kann man selbstverständlich nicht alle Details festlegen. Im Übrigen würden wir uns da eigentlich binden, wodurch die Flexibilität nicht sichergestellt wäre. Wir müssen auf neue Herausforderungen doch auch reagieren können. Vor zehn Jahren war die Förderung nachwachsender Rohstoffe nicht so ein Thema wie heute. Möglicherweise werden in fünf oder zehn Jahren wieder andere Schwerpunkte gesetzt. Da wollen wir reagieren können. Das liegt im Interesse auch der Betroffenen. Das Agrarwirtschaftsgesetz ist also ein Rahmengesetz nicht nur für einen Berufsstand, sondern für den gesamten ländlichen Raum.

Förderprogramme sind notwendig. Aber das Wichtigste ist aus meiner Sicht die Hilfe zur Selbsthilfe. Da müssen wir die Landwirte unterstützen. Dazu trägt dieses Rahmengesetz bei.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind uns einig: Die Bedeutung der Landwirtschaft wird oftmals im eigenen Land unterschätzt. Der Produktionswert liegt mittlerweile bei 9 Milliarden Euro. Mit einem Anteil von 20,4 % am Produktionswert der Bundesrepublik Deutschland steht Bayern hier an erster Stelle. Dass wir im vor- und nachgelagerten Bereich und im gesamten Agrarbereich 11 % der Erwerbstätigen aufweisen, ist eine Erfolgsbilanz. Da heute noch 330 000 Beschäftigte als Voll- oder Teilzeitkräfte in der Landwirtschaft arbeiten, ist die Landwirtschaft auch aus dieser Sicht bedeutungsvoll.

Wir werden auf Wunsch der Opposition selbstverständlich schnellstmöglich – nämlich Ende September – eine Anhörung von Experten durchführen. Ich verspreche auch eine verantwortungsbewusste Beratung im Ausschuss. Ich erinnere die SPD dabei an gute alte Traditionen. 1970 hatte die Opposition bei der Verabschiedung des Landwirtschaftsförderungsgesetzes die Zeichen der Zeit erkannt und dem Gesetz einstimmig zugestimmt. Vielleicht können Sie an diese gute Tradition anknüpfen und auch dem neuen Agrarwirtschaftsgesetz Ihre Zustimmung erteilen.

(Beifall bei der CSU)

Ich darf jetzt Herrn Kollegen Sprinkart das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Zeit von der Ankündigung der Gesetzesnovelle bis zu ihrer Einbringung in den Landtag etwas über ihre Qualität aussagen würde, wäre das Agrarwirtschaftsgesetz eindeutig eines von den besten. In einem Bericht vom 29. Juni 2004 kündigten Sie, Herr Staatsminister, die Novellierung für Oktober 2004 an. Auf meine Mündliche Anfrage verschoben Sie diese Änderung auf das Jahr 2005. Jetzt haben wir Mitte 2006.

Ganz im Gegensatz zu der Langsamkeit der Erstellung der Novellierung steht die Eile bei der Verbändeanhörung und bei der Art und Weise, wie das Ganze im Schweinsgalopp durchgezogen werden soll. Für den Termin zur Anhörung der Verbände gab es eine Vorlaufzeit von sage und schreibe vier Tagen. Angesichts der Zeit, die Sie sich bei der Erstellung dieses Gesetzentwurfs gelassen haben, wäre es gut gewesen, wir würden uns auch bei der Beratung hier etwas mehr Zeit lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Miller, was die Zustimmung zu diesem Gesetz anlangt, so haben wir ganz offensichtlich eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung. Der erste Gesetzentwurf wurde zwar nicht von allen, aber von einer breiten Gruppe von Verbänden aus allen Richtungen kritisiert. Selbst der Bauernverband, der die Staatsregierung höchst selten kritisiert, hat an diesem ersten Gesetzentwurf Kritik geübt. Inzwischen haben Sie ja auch an einigen Punkten nachgebessert.

Das Gesetz soll die Antwort auf mehr Wettbewerb in einer globalisierten Welt sein. Günstige Rahmenbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Bauern sollen geschaffen werden. Von mehr Unternehmertum und weniger Bürokratie ist die Rede, außerdem von wettbewerbsfähigen Landwirten. Da stellt sich die Frage, wie diese Wettbewerbsfähigkeit aussieht.

Schauen wir uns einmal den jüngsten Agrarbericht an. Landwirte mit Betrieben bis zu 30 Hektar – das sind immerhin über 70 % aller bayerischen Bauern – hatten einen Gewinn, der bei 73 % des bayerischen Durchschnitts lag. Vor zwei Jahren lag diese Betriebsgruppe noch bei 85 %. Ganz offensichtlich verlieren diese Betriebe – immerhin handelt es sich bei über 70 % um den mit Abstand größten Anteil – mehr und mehr an Boden bei der Einkommenssicherung. Das sollte uns nachdenklich machen. Es stellt sich die Frage: Versteht das die Staatsregierung unter Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit? Die Milchpreise liegen für diese Betriebe deutlich unter den Vollkosten. Wie will man diese Betriebe wettbewerbsfähig machen? Indem wir sie gnadenlos ins Wachstum schicken oder durch gezielte Förderungen? – Davon habe ich bisher nichts feststellen können.

Oder nehmen wir als drittes Beispiel die Bullenmastbetriebe, bei denen die betriebsbezogenen Beihilfen 110 % des Gewinns ausmachen. Dies heißt auf gut Deutsch nichts anderes, als dass ein Teil der staatlichen Fördermittel zur Deckung des Verlusts herangezogen wird. Sind das die wettbewerbsfähigen Betriebe, von denen Sie

sprechen? - Auf diese Fragen würde ich mir von Ihnen Antworten in der Beratung erhoffen.

Bezeichnend fi nde ich auch, dass etwas, was in Bayern bisher als nahezu unantastbar galt, nämlich das Nebeneinander von Voll-, Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben im Gesetzentwurf überhaupt nicht mehr vorkommt. Bestenfalls kann man sich vorstellen, dass das unter „Multifunktionalität“ fällt, aber diese Aufteilung und Berücksichtigung sind nicht mehr zu fi nden. Ganz offensichtlich wurden sie der Wettbewerbsfähigkeit geopfert.

Letztendlich geht es bei dem Gesetzentwurf um nicht mehr und nicht weniger als um Förderung und Beratung. Daher hätten wir auch den alten Namen beibehalten können; das wäre dem Inhalt gerechter geworden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Neu ist, dass die produktionstechnische und betriebswirtschaftliche Beratung nicht mehr staatlich erfolgen soll und – wie Sie im Ausschuss bereits erklärt haben – auf Dauer auch nicht mehr kostenlos sein wird. Das wirft die Frage auf, ob dann derjenige Betrieb, der die Beratung am dringendsten bräuchte, sie noch in Anspruch nimmt.

Schließlich wird mit dem neuen Gesetz von der institutionellen auf die Projektförderung umgestellt. Hier wirft sich folgende Frage auf: Wie schaut es mit der Planungssicherheit für die Betroffenen aus? Sie sprachen hier von „Leistungsbezogenheit“. Heißt das, dass es offene Ausschreibungen geben wird? Wenn ja, wie können die betroffenen Organisationen planen?

Kurz und gut: Dieses Gesetz wirft mehr Fragen auf, als es Antworten gibt, und wir sehen: Der Spruch „Was lange währt, wird endlich gut“ trifft nicht immer zu, ganz sicherlich nicht beim Agrarwirtschaftsgesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um das Wort gebeten hat noch einmal Herr Staatsminister Miller.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Hat er es so schlecht erklärt?)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf den Inhalt der Rednerbeiträge nicht eingehen. Wir werden dazu genügend Zeit bei den Beratungen im Ausschuss haben. Aber einen Punkt möchte ich doch aufgreifen. Herr Kollege Sprinkart, Sie haben so getan, als ob wir dieses Gesetz durchpeitschen wollten. Dafür gibt es überhaupt keinen Anlass.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen es ordentlich beraten und uns ausreichend Zeit nehmen.

Frau Lück hat schon vor langer Zeit angekündigt – lange, bevor der Gesetzentwurf vorlag –, dass sie eine Anhörung beantragen werde. Das hat sie nun getan. Es gibt keinen Grund zur Hektik.