Protocol of the Session on July 18, 2006

Der letzte Akt in diesem Theaterstück ist die Änderung des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen. Darin haben Sie festgelegt, dass zukünftig Spracherhebungen durchgeführt werden sollen. Das ist gut. Es ist auch gut, dass die Kinder, die nicht richtig deutsch sprechen können, Vorkurse besuchen sollen. Die Spracherhebung bei den 8 % Kindern, die keinen Kinder

garten besuchen, in der Schule durchzuführen, ist aber viel zu spät. Wir fordern deshalb seit langem, dass das letzte Kindergartenjahr kostenfrei und verpfl ichtend ist. Das ist die Lösung.

(Beifall bei der SPD – Renate Dodell (CSU): Das macht es auch nicht besser!)

Frau Dodell, Sie sprechen von gezieltem Spielen und von Lernfenstern. Erfüllen Sie doch unsere Forderungen. Machen Sie das letzte Kindergartenjahr kostenfrei und verpfl ichtend!

(Beifall bei der SPD – Renate Dodell (CSU): Das hat nichts mit Qualität zu tun!)

Das ist richtig, Frau Dodell; das alleine hat noch nichts mit Qualität zu tun. Die Qualität der Sprachkurse ist wichtig – schön, dass Sie das auch erkannt haben. Leider haben Sie aber die Qualität in Ihrem Gesetz nicht festgeschrieben. Im Kindergarten sollen die Sprachkurse in die allgemeine Gruppenarbeit integriert werden. Ich frage Sie, wie eine Kindergärtnerin ohne Zusatzausbildung in einer Gruppe mit 25 Kindern Sprachkurse abhalten soll.

(Beifall bei der SPD – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Eine gute Frage! Das ist die bittere Wahrheit!)

Für effektive Sprachlernkurse müssen zuallererst die Erzieherinnen qualifi ziert werden. Es darf doch nicht dem Zufall überlassen werden, ob eine Erzieherin eine solche Zusatzqualifi kation hat oder nicht.

(Beifall bei der SPD)

Um ein solches Projekt erfolgreich zu machen, brauchen wir eine solide Finanzierung. Sie können die Maßnahmen doch nicht so fi nanzieren, wie es im Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz vorgesehen ist, dass also nur die Kinder nichtdeutscher Herkunft den Faktor 1,3 bekommen. Anknüpfungspunkt für die Förderung muss doch die Sprachkenntnis des Kindes sein und nicht dessen Herkunft. So werden wir es sicherlich nicht erreichen, dass all die Kinder, die zusätzlichen Förderbedarf haben, letztendlich auch gefördert werden.

Ungelöst ist auch das Problem, dass die eine Hälfte der Vorkurse im Kindergarten und die andere Hälfte in der Schule stattfi nden soll. Viele Kindergärten arbeiten mit mehreren Schulen zusammen. Wie soll das in der Praxis realisiert werden? Wer bringt denn die Kinder dann in die Schulen? Sollen das die Erzieherinnen tun? Sollen die Erzieherinnen die Eltern anrufen, dass sie um 11 Uhr ihre Kinder vom Kindergarten abholen und in die Schule bringen sollen? Wie soll denn eine berufstätige Mutter das leisten? – Ich kenne aus der Praxis viele Kinder, die nicht in den Genuss eines Vorkurses kommen, weil sich das organisatorisch einfach nicht realisieren lässt.

Frau Sem, Sie sagten, die Eltern müssten angehalten werden, Deutsch zu lernen. Wo passiert das aber in der Praxis? Ich bin selber in einer Bürgerstiftung, die „Mama

lernt Deutsch“ unterstützt. Dass die Eltern Deutsch lernen, ist eine Ausnahmeerscheinung in Bayern.

Der Ministerpräsident hat aber eine Lösung parat für die Kinder, die nicht Deutsch gelernt haben. Er steckt sie in die Förderschulen und baut diese zu Ausländergettos um. Aussortieren ist das oberste Gebot.

(Beifall bei der SPD)

Das ist aber eine politische Bankrotterklärung, und pädagogisch ist das völlig sinnlos. Sie sparen hier wirklich an der falschen Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem neuen Kindertagesstättengesetz sollen bei gleichen Finanzen mehr Kinder betreut werden. Wie soll so bessere Bildung in den Kindertagesstätten stattfi nden? – Auch das bleibt Ihr Geheimnis, Frau Dodell.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das ist doch alles falsch!)

Unsere Umfragen in Kindertagesstätten haben ergeben, dass sich alle unsere Befürchtungen bestätigt haben. Die Einrichtungen stehen mit dem neuen Gesetz unter größerem Druck. Viele Einrichtungen müssen die Gruppen vergrößern, um über die Runden zu kommen. Gerade bei kleinen Kindern ist das Verhältnis zwischen Erzieher und Kind besonders wichtig, um Sprache vermitteln zu können. Gerade hier werden die Gruppen aber oft größer, und das geht zulasten des Bildungsauftrages. Gerade auf dem Land schließen besonders viele Gruppen. Dort wird es zukünftig weniger wohnortnahe Angebote geben. Es wird größere Gruppen geben.

(Renate Dodell (CSU): Wo leben Sie denn?)

Das fi nden wir auch im Bildungsbericht wieder. Auf dem Land haben die Kinder von Anfang an schlechtere Bildungschancen.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Kollegin, Ihre Zeit ist leider zu Ende.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Wir könnten noch lange zuhören!)

Frau Dodell, Sie haben vom Markenzeichen „Bildungs- und Erziehungsplan“ gesprochen. Sie schweigen aber all das tot, was das Staatsinstitut für Frühpädagogik als Voraussetzungen zur Umsetzung des Bildungsplanes vorgeschlagen hat. Totschweigen ist also auch eine Art Ihrer Politik. Bayern ist das Land der Bildungsungerechtigkeit, und die fängt bereits im Kindergarten an.

(Beifall bei der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich mit der Rednerliste fortfahre, darf ich eine Delegation aus China begrüßen. Sie kommt vom Lehrerfortbildungszentrum Shanghai und Zhejing. Sie sind an einem Projekt der Bundesrepublik Deutschland und Chinas beteiligt. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Sie sind auf Einladung des Ausschussvorsitzenden Henning Kaul, des Herrn Kollegen Herbert Müller und der Frau Kollegin Ruth Paulig bei uns im Hause. Ich wünsche Ihnen gute Gespräche, einen schönen Aufenthalt und alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Nun darf ich fortfahren. Herr Kollege Dr. Spaenle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Auch die Aneinanderreihung ideologisch überladener Plattitüden macht es nicht besser, Frau Kollegin Dr. Strohmayr.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Wider- spruch bei der SPD)

Wenn man aus der Mottenkiste nicht herauskommt, macht es auch das lärmende Echo im linken Wald des Hauses nicht besser.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sie sind doch der Chefi deologe!)

Chef schon – das mag sein, Frau Kollegin –, Ideologe nicht!

Wir sollten uns wieder ernsthaft dem Thema widmen. Ich möchte zwei Punkte ansprechen. Der eine Punkt ist die Integration, der andere ist die Durchlässigkeit des gegliederten Schulwesens.

Wenn wir diese Debatte vor einigen Jahren auf der Basis eines vergleichbaren Berichts zur Lage der Bildung in Bayern geführt hätten, hätten wir wegen der verpfl ichtend durchzuführenden Sachstandsprognose, wie etwa Deutsch für Kinder mit Migrationshintergrund, und den notwendigen Folgen wilde Aufschreie auf der linken Seite dieses Hauses hervorgerufen.

(Karin Radermacher (SPD): Das behaupten Sie!)

Wir freuen uns, dass Sie in der Wirklichkeit angekommen sind. Die Große Koalition hat ihr Gutes. Mit dem Grundsatzbeschluss des SPD-Bundesvorstandes von voriger Woche ist die SPD auf dem Weg in die Realität. Hier werden Dinge anerkannt und festgeschrieben, die gemeinsam vorangetrieben werden müssen, um – das ist die Verantwortung einer großen Volkspartei, mein Respekt – bei dieser Kernaufgabe Integration unserem Land gerecht zu werden.

(Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Die Notwendigkeit guter Deutschkenntnisse, der möglichst frühen Feststellung der Kenntnisse und der ausdifferenzierten Anwendung aller zur Verfügung stehenden Instrumente, ist – Gott sei Dank, so glaube ich zu erkennen – inzwischen Konsens in der Bildungspolitik in Bayern. Wenn wir die soziale Disparität, verbunden mit der Herkunft aus einem Elternhaus mit Migrationshintergrund, die in Bayern so schwierig ist wie in allen Bundesländern – Kollege Dr. Waschler hat dankenswerterweise darauf hingewiesen –, – mit einer derartigen Schülerpopulation in allen anderen Ländern der Republik vergleichen, stellen wir fest, dass die Situation der Kinder mit Migrationshintergrund am Standort Bayern um ein Vielfaches besser ist als an allen anderen Standorten in den Bundesländern der Republik, in denen über lange Zeit Ihre Kolleginnen und Kollegen Verantwortung getragen haben. Hier ist das totale Scheitern ideologisch verblendeter Bildungspolitik zu erkennen.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen die Schwächen erkennen und etwas verbessern. Mit der Offensive zur Sprachvermittlung und Sprachkompetenz haben wir in den letzten Jahren auf diese Notwendigkeit reagiert. Wir reagieren vor allem darauf, dass immer mehr Familien mit Migrationshintergrund, die Deutschland ursprünglich als vorübergehenden Aufenthaltsort gewählt hatten, für sich selbst die Entscheidung getroffen haben, Deutschland dauerhaft als Lebensmittelpunkt zu wählen. Dies geschieht in Millionenstärke. Darauf müssen wir reagieren. Die Linke in diesem Land reagiert mit Erschrecken – die SPD – und mit einem Kopf-in-den-Sand-stecken – die GRÜNEN.

(Simone Tolle (GRÜNE): Ha, ha!)

Ja, beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Realität erfordert, dass wir Integrationsleistungen anbieten, einfordern und überprüfen müssen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Deshalb kürzen Sie?)

Nur so kann Nachhaltigkeit beim Erwerb der Sprache und der Akzeptanz der Lebensbedingungen und Traditionen in unserem Land erzielt werden.

Nun zur Durchlässigkeit des gegliederten Schulwesens. Die OECD-Zahlen sind trotz ständiger Wiederholung falsch. Die Gesamtzahl derjenigen, die in Bayern den Hochschulzugang erreichen, liegt nicht bei 20 %, sondern bei 30 % plus X. All diejenigen, die über die Fachhochschule, die Berufsoberschule oder andere berufl iche Wege die Hochschulzugangsberechtigung erwerben, werden in diesen Faktor nicht eingerechnet. Dies muss man genauso oft wiederholen, wie von Ihnen in Abrede gestellt wird, dass wir weit über ein Drittel – mit steigender Tendenz – Schulabgänger aufweisen, welche die entsprechende Hochschulzugangsberechtigung haben. Das entscheidende Moment ist, jedem Kind, jedem