In der Regierungserklärung vom November 2003 hat Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber ausgeführt: „Bis Ende 2004 werden wir ein neues schlankes Landesentwicklungsprogramm aufstellen.“ Eingebracht wurde es von Herrn Huber im März 2006. Warum? – Hier gibt es immer noch einige Rätsel. Herr Kollege Bocklet oder Herr Kollege Huber, vielleicht können Sie uns einmal aufklären. Ich muss Herrn Staatsminister Huber in Schutz nehmen. Er hat bislang nur ein paar Wochen Zeit gehabt, da er das Landesentwicklungsprogramm von seinem Vorgänger übernehmen musste. Deshalb ist er in dieser Sache ein bisschen außen vor.
In den weiteren Beratungen des Ausschusses wurde mit großer Eile versucht, das Landesentwicklungsprogramm durchzudrücken. Die Gründe dafür werde ich später noch ausführen. Die SPD hat der CSU vorgeworfen, das Landesentwicklungsprogramm im Hopplahopp-Verfahren durchpeitschen zu wollen. Darauf hat der Ausschussvorsitzende, Kollege Pschierer, zur SPD gesagt:
Frau Kollegin, Sie haben es selbst angedeutet. Seit dem 6. November 2003 wissen Sie, dass dieses Thema auf der Tagesordnung steht. Es war Ihnen seit diesem Zeitpunkt unbenommen, sich kundig zu machen und sich zu informieren, Anhörungen durchzuführen und Beratungen auf den Weg zu bringen.“
Wenige Stunden vor der entscheidenden Beratung im Ausschusss wurden zwei Anträge, eine Resolution und ein Antrag mit sage und schreibe 32 Spiegelstrichen vorgelegt.
Wer in dieser Weise über die SPD und teilweise auch über uns spottet und uns vorwirft, wir hätten unsere Hausaufgaben nicht gemacht, sollte seinen eigenen Antrag nicht in letzter Minute vorlegen. Darüber kann ich nur den Kopf schütteln.
Herr Kollege Bocklet, damit komme ich zu unserem Geschäftsordnungsantrag und zu Ihren Vorwürfen gegenüber meiner Kollegin Scharfenberg. Frau Kollegin Scharfenberg hat heute morgen als unsere parlamentarische Geschäftsführerin einen Geschäftsordnungsantrag eingebracht. Das ist ihr gutes Recht und ihre Pfl icht. Sie war längere Zeit in der Ausschusssitzung anwesend und hat sich die Debatte angehört. Dabei spielt es keine Rolle, dass sie dabei nicht geredet hat. Herr Kollege Dr. Runge und ich haben uns im Ausschuss abgewechselt. Wir wollten den Vorsitzenden nicht mit einer dritten Rednerin verwirren. Frau Kollegin Scharfenberg hat jedoch die Diskussion mitbekommen.
Sehr richtig. Das Präsidium und der Ältestenrat haben sich damit auseinander setzen müssen. Unsere Forderung, die Debatte für heute abzusetzen, ist dadurch begründet, dass wir einen Verstoß gegen § 174 Nummer 4 unserer Geschäftsordnung sehen. Dort ist geregelt, dass bei wesentlichen Änderungen von solchen Rechtsverordnungen die kommunalen Spitzenverbände ein weiteres Mal gehört werden sollten. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass dies dringend notwendig wäre. Sie wollen doch nicht behaupten, dass in den 32 Spiegelstrichen Ihrer Resolution, die als Anhang in das Landesentwicklungsprogramm kommen wird, keine wesentlichen Forderungen enthalten waren? Herr Kollege Bocklet, waren diese Forderungen Pipifax?
Herr Kollege Bocklet, ich muss jetzt einmal auf diesen Antrag eingehen. Ich habe mir die Punkte, auf die es ankommt, markiert. Im Antrag auf Drucksache 15/5487 steht auf der Seite 2 unter Ziffer 19:
Es wird folgendes neues Ziel B III 2.2.2.5 eingeführt: Es soll darauf hingewirkt werden, dass sich das Versorgungssystem für psychisch kranke
Menschen an den individuellen Hilfsbedürfnissen der in einer Region lebenden Menschen mit psychischen Erkrankungen orientiert (personenori- entierter Ansatz). Hierzu gehört insbesondere, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen in allen Landesteilen ein selbstbestimmtes Leben, möglichst an ihrem eigenen bisherigen Wohnort führen können.
Das ist ein völlig neues und auch ein wichtiges Ziel. Das ist kein Pipifax, den Sie hier eingeführt haben.
„Kapitel 20 B III 3.1.1 wird wie folgt geändert: Satz 1 wird als Ziel festgelegt.“ Vorher war es Grundsatz, dann wurde es zum Ziel heraufgestuft. Sie haben in Ihrem Antrag eine ganze Menge solcher Änderungen. Ich könnte noch weiter fortfahren, doch ich möchte nicht alle 32 Spiegelstriche aufzählen. So haben Sie die Eisenbahnlinien aufgenommen – wie ich meine, richtigerweise -; denn auch das ist eine wesentliche Änderung. Hier wäre aus unserer Sicht zwingend die Anhörung der kommunalen Spitzenverbände nach § 174 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung notwendig gewesen.
Sie missachten das Anhörungsrecht dieser kommunalen Spitzenverbände, wenn Sie die Beratungen zum LEP heute nicht aussetzen und die daraus resultierenden Entscheidungen nicht zu einem späteren Zeitpunkt treffen.
Ein weiterer Punkt zur Genese: Ich kann über das, was Sie hier machen, nur den Kopf schütteln, Herr Kollege Pschierer, denn Sie verlassen die bisherige an sich gute Linie mit dem LEP, wenn Sie sagen, das ist für acht bis zehn Jahre das Programm, mit dem wir Bayern entwickeln wollen. Es war grundsätzlich die richtige Entscheidung, einen Zeitrahmen zu setzen, in dem die Entwicklung des Landes Bayern stattfi nden soll. Das, was Sie jetzt machen, nämlich die permanente Teilfortschreibung – Sie haben sogar mehrere Fortschreibungen angekündigt –, ist eine Bankrotterklärung. Da stellt sich für mich die Frage nach Ihrer Regierungsfähigkeit.
Sie waren nicht fähig, sich in wesentlichen Punkten zwischen der Ankündigung 2003 und dem Einbringen hier im Landtag im März 2006 zu einigen. Zum Beispiel zu Einzelhandelsprojekten oder zur zentralörtlichen Gliederung waren Sie nicht in der Lage, sich hier zu einigen. Deshalb zu sagen, jetzt machen wir diese Fortschreibung auf die Schnelle, weil der 21. Juli droht, ist nicht richtig; darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Herr Kollege Bocklet, Sie haben heute noch versucht, das als eine Teilfortschreibung zu deklarieren. Das ist es aber nicht, es ist eine Gesamtfortschreibung des LEP.
Ihre Haltung ist: Machen wir das auf die Schnelle noch, damit wir sozusagen den 21. Juli noch einhalten, und alles andere, was momentan noch strittig ist, verschieben wir auf irgendwann, vielleicht sogar auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. So, meine ich, kann man Politik nicht machen, und so, meine ich, kann man das Land auch nicht entwickeln.
(Beifall bei den GRÜNEN Ich fasse zusammen: Sie sind mit dem, was Sie gemacht haben, völlig auf dem Holzweg. Das ist der falsche Weg. Sie haben heute noch die Möglichkeit umzukehren, und ich fordere Sie, Herr Staatsminister, Herr Kollege Bocklet auf: Tun Sie dieses auch; denn das ist der falsche Weg. Es ist die Angst vor dem 21. Juli und vor der strategi- schen Umweltprüfung. So dramatisch ist das Ganze auch wieder nicht, dass man das Verfahren, das Sie gewählt haben, durchziehen müsste. Um was geht es denn beim 21. Juli und bei dieser strategischen Umwelt- prüfung? – Dazu erwähne ich einige Punkte, damit man sieht, wovor Sie sich hier drücken. Es geht Ihnen darum, die Beteiligung der Bevölkerung außen vor zu halten. Sie scheuen die eigene Bevölkerung wie der Teufel das Weih- wasser. (Beifall bei den GRÜNEN)
Ich zitiere, damit man sieht, wie das Ganze gelaufen ist, aus der Anhörung des Wirtschaftsausschusses unseren geschätzten Vorsitzenden Franz Josef Pschierer:
Sie wissen vielleicht, dass wir gehalten sind, dieses Landesentwicklungsprogramm bis zum 21. Juli dieses Jahres fortzuschreiben. Wenn uns die Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms bis zu diesem Datum nicht gelänge, dann müsste das LEP vor einer Fortschreibung einer sehr umfangreichen Umweltverträglichkeitsprüfung und einem Scoping-Verfahren unterzogen werden.
Was scheuen Sie? Dass diese strategische Umweltprüfung von der EU eigentlich schon wesentlich eher beschlossen war und schon hätte gemacht werden können und sollen, und zwar rechtzeitig, wäre unsere Auffassung gewesen. Worum geht es bei dieser strategischen Umweltprüfung? – Es gab – nicht ganz zu Unrecht – an der momentanen Umweltverträglichkeitsprüfung immer wieder Kritik, weil diese erst zum Ende der Planfeststellungsphase einsetzt. Daraufhin sagte man, gut, wir reagieren darauf und machen eine neue EU-Richtlinie, die regelt, dass wir bereits bei Programmen – und ein solches ist das Landesentwicklungsprogramm – die strategische Umweltprüfung und damit auch eine Beteiligung der Bevölkerung haben, und zwar, um eine bessere Rechtssicherheit für Unternehmen zu schaffen.
Schon vorher muss klar sein, ob etwas umweltverträglich ist oder nicht. Es darf nicht so laufen, dass man erst eine halbe Ewigkeit plant und am Ende der Planfeststellung herauskommt: Das Ganze ist nicht umweltverträglich. Diese Kritik hat in einem speziellen Fall – ich kann mich noch gut an die Wirtschaftsausschusssitzung erinnern –
Ihr Vorgänger Herr Dr. Wiesheu geäußert, und zwar im Falle des Raumordnungsverfahrens zur Marzlinger Spange. Er hat seinerzeit Kritik an seinem Kollegen Schnappauf geübt, der damals noch zuständig war, und hat gefragt, warum denn die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht schon beim Raumordnungsverfahren durchgeführt wurde, weil dann die eine oder andere Variante längst hätte ausgeschrieben werden können.
Das ist jetzt EU-Recht. Aus meiner Sicht wäre es hervorragend gewesen – das können Sie auch jetzt noch machen -, wenn bereits an dieser Stelle die strategische Umweltprüfung durchgeführt worden wäre. Das hätte Sinn. In Zukunft müssen Sie das bei der Teilfortschreibung ohnehin machen. Fassen Sie das alles zusammen! Sie sind einmal großspurig angetreten, gerade Sie, Herr Huber, und haben Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung angekündigt. Das war vielleicht einmal. Das LEP trägt dazu nicht bei, Herr Kollege Bocklet, gewiss nicht.
Wenn eine Sonderfortschreibung auf die andere folgt, dann ist das ein Aufbau und nicht ein Abbau von Bürokratie.
Allein bei diesem LEP sind tausend Äußerungen von Verbänden gekommen. Wollen Sie alle Kommunen und alle Beamten mit einer Fortschreibung nach der anderen immer weiter beschäftigen? Soll sich der Wirtschaftsausschuss ständig mit einer Fortschreibung nach der anderen beschäftigen? Wir haben auch noch etwas anderes zu tun. Man sollte das normalerweise zusammenfassen, und dann wäre für einige Jahre Ruhe. Anscheinend wollen Sie diese Debatte bis in alle Ewigkeit hinziehen.
(Franz Maget (SPD): Da hat er wieder einmal etwas zu tun! – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Er ist unterbeschäftigt! – Weitere Zurufe von der SPD – Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Richtig. Herr Kollege Maget, das Thema „Spielwiese“ können wir vielleicht noch ein wenig ausweiten. – Ich will noch einige Anmerkungen zu den Inhalten des jetzigen LEP machen. Auch daran haben wir berechtigte umfassende Kritik geübt. Wir haben über 30 Änderungsanträge zum Entwurf des LEP eingebracht. Wir werden heute zwar nicht zu allen Änderungsanträgen reden, aber doch
zu einigen, sehr wesentlichen Anträgen. Frau Paulig und Herr Kollege Runge werden noch reden. Auch ich werde noch einmal die Bütt besteigen. Herr Kollege Hallitzky wird zum Donauausbau sprechen.
hat unbedingt – ich habe ihn nicht gewählt – ein neues LEP haben wollen. Das LEP ist in unseren Augen eine sehr wichtige Angelegenheit, und deshalb reden wir zu den Punkten, die uns wichtig sind, in der gebotenen Kürze, aber auch in der gebotenen Ausführlichkeit.
Das LEP krankt daran, dass eine große Zukunftsaufgabe und Zukunftsherausforderung viel zu wenig beachtet wird, nämlich der demographische Wandel. Der demographische Wandel hat zwei Bestandteile. Ein Bestandteil ist der Rückgang der Bevölkerungszahl nach unten, das heißt ein Schrumpfen der Bevölkerung. Der zweite Bestandteil ist das Altern der Bevölkerung; der Anteil der älteren Mitbürger und Mitbürgerinnen wird in Zukunft deutlich größer. Sie haben im Ausschuss gesagt, wir stünden in Bayern noch relativ gut da; die Prognosen gingen bis zum Jahr 2020 in einigen Regionen sogar noch von einem kleinen Zuwachs aus, in Randbereichen von einer Schrumpfung. Das mag in Teilen so stimmen, wenn diese Prognosen richtig sind. Das heißt aber nicht, dass man sich dieser Zukunftsaufgabe nicht stellen müsste. Die Bevölkerung wird nämlich nicht nur in ein paar unbedeutenden Randbereichen schrumpfen, sondern auch in einigen größeren Bereichen, zum Beispiel in Ostbayern, Nordostbayern, in Oberfranken und im Hofer Raum, wo zum Teil die Bevölkerung jetzt schon schrumpft. Dort wird bis zum Jahr 2020 eine Schrumpfung von deutlich über 10 % vorhergesagt.