(Dr. Thomas Beyer (SPD): Ich schon! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Er ist auch ein Mittelfranke!)
Ich wiederhole, ich kenne keinen Anwalt, der Ihre Meinung für richtig hält, jetzt das Widerspruchsverfahren wieder zuzulassen, um es in den nächsten Monaten in Teilbereichen womöglich abzuschaffen. Ich frage Sie: Kennen Sie jemand aus der Anwaltskammer, aus den Anwaltsvereinen oder den großen Kanzleien in Mittelfranken, der das sagt?
Ich sage Ihnen: Das geht schon deswegen nicht, weil dann am Telefon aufgrund des Hinweises keine Auskunft mehr darüber gegeben werden kann, wann der Bescheid erlassen worden ist, sondern da muss der Anwalt sagen: Bitte, legen Sie mir die Rechtsmittelbelehrung vor. Das kann doch nicht richtig sein.
Deshalb wäre es sinnvoll gewesen, in den zwei Jahren vorzusehen: Wo wird das Widerspruchsverfahren abgeschafft, wo nicht? Das hat sich wegen anderer Änderungen, beispielsweise wegen der Vorschusserhebung, aber auch wegen des Versuchslaufs in den beteiligten Landratsämtern, die auch außerhalb Mittelfrankens als Vergleichsbehörden herangezogen wurden, als kompliziert herausgestellt. Man musste erst eine einheitliche Erfassungsgrundlage schaffen. Die Vergleichslandratsämter haben auch nicht mit der gleichen Begeisterung mitgemacht – ich bin ja dankbar, dass sie überhaupt freiwillig mitgemacht haben. Deswegen dauert die Evaluation länger.
Noch einmal: Ich komme aus der Anwaltschaft, und ich habe viele Freunde, die Anwälte sind. Ich kenne niemanden, der das, was Sie vorschlagen, Herr Schindler – dann führen wir die Widerspruchsverfahren wieder fl ächendeckend ein, um sie nachher wieder partiell abzuschaffen –, für vernünftig hält, weder beim Anwaltsverein in Mittelfranken noch im Bereich der Anwaltskammer.
Herr Staatsminister, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen wollen, dass ich noch als Rechtsanwalt zugelassen und als solcher auch tätig bin – durchaus, durchaus –, sodass ich mir erlaube, das zu unterstreichen, was ich gesagt habe.
Aber meine Frage ist eine ganz andere: Sie scheinen schon zu wissen, in welchen Bereichen Sie das Widerspruchsrecht bayernweit abschaffen wollen.
Wenn das stimmt, stimmen Sie mir dann zu, dass Ihre Behauptung nicht stimmt, es gebe ein ergebnisoffenes Verfahren – was doch auch bedeuten könnte, es bleibt im restlichen Bayern im Prinzip so, wie es ist?
Herr Kollege Schindler, meine vorläufi ge Meinung ist, dass es Teilbereiche gibt, in denen das Widerspruchsverfahren Sinn macht, und Bereiche, in denen es keinen Sinn macht. Welche Bereiche das sind, weiß ich noch nicht, weil ich die Evaluierung noch nicht kenne. Deswegen muss man abwarten.
Jetzt kann man uns vorwerfen, dass die Evaluierung noch nicht vorliegt. Wir hatten erwartet, dass die Evaluierung eher vorliegt. Ich habe dargelegt, dass das Verfahren durch gesetzliche Veränderungen, beispielsweise Vorschusspfl icht, deutlich verändert wurde. Es hat auch länger gedauert, als wir uns vorgestellt hatten. Auch die Auswertung dauert länger, als wir uns vorgestellt hatten. Aber für den Vorschlag fl ächendeckend in Mittelfranken das Widerspruchsverfahren einzuführen und es in den nächsten Monaten teilweise wieder abzuschaffen, fi nde ich in meinem Freundeskreis, und ich komme aus der Anwaltschaft, niemanden, der das für vernünftig hält.
Herr Kollege Beyer, Sie kennen aus dem Anwaltsverein und der Anwaltskammer sicher auch Leute, die sagen: Das dauernde Hin und Her ist nicht akzeptabel, wobei man den Mandanten fragen muss: Was steht in der Rechtsbelehrung?
Deswegen muss ich sagen: Wir brauchen mehr Zeit als die zwei Jahre für die Evaluierung. Das ist bedauerlich, aber es hat auch deutliche Veränderungen gegeben. Dass sich die Klagezahlen erhöht haben, beweist zunächst noch gar nichts. Denn zunächst kommen die Verfahren, in denen ein Widerspruchsverfahren gelaufen ist, zum Gericht und dann die Verfahren ohne Widerspruchsver
fahren. Das heißt, es muss rechnerisch die ersten Monate zu einer Verdoppelung kommen, wenn sich nichts verändert. Nachdem Widerspruchsverfahren nicht alle gleich lang dauern, wäre extrem schwer zu evaluieren, was die Erhöhung oder Reduzierung der Klagebelastung ist. Von daher verstehe ich ehrlich gesagt nicht, warum Sie sich über die Verlängerung so furchtbar ärgern und aufregen. Sie haben den Versuch als solchen ja mitgetragen.
Ich wollte, dass wir den Versuch nicht ohne Auswertung lassen. Diese Auswertung können wir noch nicht vornehmen. Deshalb hätte ich eigentlich eher Kritik daran erwartet – ich sage das ganz offen –, dass die Auswertung des Versuchs länger dauert, als wir zunächst erwartet haben. Das ist eine Kritik, die ich einstecke. Aber ich halte Ihren Vorschlag, das Widerspruchsverfahren für ein paar Monate einzuführen und es dann wieder abzuschaffen, für völlig unvertretbar und unverständlich, weil ich auch in meinem Freundeskreis, der natürlich noch sehr viele Anwälte enthält, keinen einzigen kenne, der das für richtig hält, was Sie haben wollen; denn für den Bürger, das muss man auch sagen, ist das Widerspruchsverfahren nicht nur etwas Positives, sondern es erhöht die Kosten, wenn sich ein Klageverfahren anschließt. Die Widerspruchskostengebühr kostet zusätzlich etwas.
Ob es tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist, zu sagen: Wir machen zunächst einmal Bescheide, die relativ oberfl ächlich sind, und wem das nicht passt, der soll Widerspruch erheben, und dann machen wir eine Klage durch drei Instanzen, weiß ich nicht. Das wäre möglicherweise anders zu regeln.
Deswegen sollten wir die Ausgangsbescheide freundlich und sorgfältig erstellen, sodass man davon ausgehen kann, dass das die Meinung der Verwaltung ist, ohne zu beanspruchen, dass sich eine komplette zweite Behörde, nämlich die Widerspruchsbehörde, damit beschäftigt.
Herr Staatsminister, wollen Sie mit Ihrem Hinweis darauf, dass die Ausgangsbehörde dort, wo es kein Widerspruchsverfahren gibt, die Bescheide gerichtsfest und freundlich gestalten soll, zum Ausdruck bringen, dass dort, wo es das Widerspruchsverfahren noch gibt, nämlich in den anderen sechs Regierungsbezirken, die Ausgangsbehörden ihre Bescheide oberfl ächlich erlassen?
Dass in manchen Bereichen Ausgangsbescheide einer Überprüfung nicht standhalten, ist die Begründung. Sonst bräuchten wir kein verwaltungsinternes Widerspruchsverfahren. Ein verwaltungsinternes Widerspruchsverfahren macht nur dann Sinn, wenn man sagt, dass die erste Instanz das nicht sorgfältig genug angeschaut hat, was bei kleinen Gemeinden vielleicht sinnvoll ist. Deswegen sage ich: Ich akzeptiere sofort Ihre Kritik, wenn Sie sagen, wir hätten von Anfang an drei Jahre nehmen sollen. Dann würde ich anfügen: Wir hätten dann vielleicht auch die hellseherische Fähigkeit haben müssen zu wissen, dass wir in dieser Zeit das Vorschussverfahren für die verwaltungsgerichtlichen Verfahren einführen, was das Klageerhebungsverfahren völlig geändert hat. Aber diese hellseherische Fähigkeit hatten wir nicht.
Ihr Begehren, das Widerspruchsverfahren in Mittelfranken wieder fl ächendeckend einzuführen und in den nächsten Monaten schaffen wir es partiell wieder ab, halte ich für völlig falsch und unvertretbar.
Ich kenne in meinem Freundeskreis, der aus vielen Anwälten besteht, keinen einzigen, der Ihre Meinung unterstützt. Sie sagen: Ihr hättet es von vornherein etwas schneller designen oder von vornherein auf drei Jahre anlegen sollen. Aber zunächst das Widerspruchsverfahren wieder einzuführen, um es in den nächsten Monaten partiell wieder abzuschaffen, das kann ich nicht für vernünftig ansehen.
Wir brauchen mehr Zeit. Das ist unerfreulich. Es hat Änderungen gegeben, Stichwort Vorschusspfl icht, und es hat insbesondere Schwierigkeiten gemacht, den Vergleich mit anderen Landratsämtern auf den Weg zu bringen.
Bezüglich der Landwirtschaft will ich darauf hinweisen, dass gerade Bescheide mit mehrjähriger Bindung und Subventionsbescheide nicht von der Verlängerung erfasst werden, weil die Bescheide in diesem Verfahren im Frühjahr dieses Jahres erlassen wurden, sodass sie in jeder Weise von der probeweisen Abschaffung in Mittelfranken betroffen waren.
Das hat in der Tat dazu geführt, dass der mittelfränkische Bauernverband sagte, nun haben wir ein Verfahren weniger als die anderen. Dies ist in der Tat unerfreulich. Allerdings war das Bestandteil des probeweisen Abschaffens, das Sie, meine Damen und Herren, ursprünglich mitgetragen haben.
Ihre Grundidee, zu sagen, die Verwaltung soll sich lieber einmal sorgfältig überlegen, welchen Bescheid sie erlässt, als dass sie zunächst einen Bescheid herausgibt und abwartet, ob eine Beschwerde kommt, teile ich. Aus diesem Grunde halte ich eine Verlängerung um ein Jahr für vernünftig. Wir werden diese Verlängerung für eine sorgfältige Evaluation nutzen. Wenn wir gewusst hätten, dass wir es ganz abschaffen müssten, hätten wir nicht die Verlängerung gewählt, sondern ich hätte die vollständige Abschaffung vorgeschlagen. Wenn es als Flop anzusehen wäre, würden wir es schlichtweg auslaufen lassen.
Ich meine allerdings nach den vielen Gesprächen, die ich mit meinen Freunden in der Anwaltschaft geführt habe,
sagen zu können, dass es zum Teil durchaus Sinn hat. Und dafür soll auch diese Evaluation stattfi nden. Ich kann das Ergebnis jetzt noch nicht vorlegen, und deshalb meine ich, dass die Verlängerung um ein Jahr sinnvoll ist.
Ich hätte mich gefreut, wenn ich dafür die Zustimmung der Opposition gefunden hätte, und ich hätte auch Ihre Kritik akzeptiert, Herr Kollege Dr. Beyer und Herr Kollege Schindler, wenn Sie uns vorgeschlagen hätten, die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens von Anfang an auf drei Jahre zu begrenzen.
Wir haben natürlich auch das Pech gehabt, dass die Kostenvorschusspfl icht gerade in der Zeit eingeführt worden ist.
(Dr. Thomas Beyer (SPD): Nein, das ist falsch!– Franz Schindler (SPD): Sie haben doch gewusst, als Sie das Gesetz beschlossen haben, dass gleichzeitig das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in Kraft tritt!)
Wie weit sich das auswirkt und wie lange wir für die Evaluation brauchen, darüber hat es eben unterschiedliche Meinungen gegeben. Ich gestehe auch, dass meine Mitarbeiter von Anfang an erwartet hatten, dass nach Abschluss der Probephase die Evaluierung durchgeführt wird,
wobei ich allerdings sage – das habe ich zu vertreten; da dürfen Sie mich als Person selbstverständlich kritisieren – : Das Widerspruchsverfahren probeweise abzuschaffen, es dann wieder für einige Monate einzuführen, um dann eine Entscheidung herbeizuführen, hätte draußen keine Zustimmung gefunden.
Ich meine also, wir brauchen diese Verlängerung des Probelaufs. Wir werden dann sorgfältig evaluieren. Die Bescheide in den Verwaltungsbehörden sollten so abgefasst werden, dass sie einer Überprüfung standhalten. Wir können hier kein learning by doing versuchen mit einer anderen Behörde; das ist verwaltungsaufwendig und kostet eine Menge Geld. Das erhöhte sicherlich auch nicht das Vertrauen in die Verwaltung.
Natürlich haben die Anwälte in der Regel ein Interesse daran, zunächst ein Widerspruchsverfahren durchzuführen und anschließend in das Klageverfahren einzutreten. Dann bekommen Sie eine komplette Gebühr zusätzlich.