Protocol of the Session on June 21, 2006

Bitte schauen Sie sich in diesem Zusammenhang einmal die Kriminalitätszahlen sowie die Aufklärungsquote beider Länder an. Nachdem Sie mit Ihrer Verfassungsklage nicht den gewünschten Erfolg erzielt haben, wird versucht, die Schleierfahndung auf dem Weg des Gesetzgebungsverfahrens zu entwerten. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat jedoch ganz klar festgestellt, dass die Schleierfahndung verfassungsgemäß ist. Das Gericht entkräftete auch den Einwand, die Schleierfahndung sei nicht erforderlich. Ich zitiere aus der Urteilsbegründung: „Ein auf das Grenzgebiet reduzierter Kontrollraum wäre nicht in gleicher Weise wirksam.“ Und weiter: „Ein gleich wirksames, die betroffenen Grundrechte weniger beeinträchtigendes Mittel steht nicht zur Verfügung.“ Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sagt weiterhin, Maßnahmen der Schleierfahndung nach Artikel 13 des Polizeiaufgabengesetzes greifen nur gering in die allgemeine Handlungsfreiheit und in das Recht auf individuelle Selbstbestimmung ein. Auch liegt die Wahrscheinlichkeit, kontrolliert zu werden, für den einzelnen Bürger im Promillebereich.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 28.03.2003 die Vereinbarkeit der Schleierfahndung mit der bayerischen Verfassung grundsätzlich bestätigt. Das Urteil legt zur Durchsuchung von Personen und Sachen im Rahmen der Schleierfahndung Kriterien fest. Diese Durchsuchungen sind nur dann zulässig, wenn zusätzliche und als solche greifbare Kenntnisse hinzukommen, die den Schluss auf eine erhöhte abstrakte Gefahrenlage im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Krimi

nalität zulassen. Der Verfassungsgerichtshof hat dabei ausdrücklich zugestanden, dass die handelnden Polizeibeamten für eine solche Prognose auch die Erkenntnisse aus vorausgegangenen Identitätskontrollen heranziehen können. Mit Urteil vom 07.02.2006, auf welches Ihr Gesetzentwurf Bezug nimmt und das auf einer Entscheidung zu einem Einzelfall aus dem Jahr 2002 beruht, wird dies auch noch einmal bestätigt. Darin wird ein abgestuftes Vorgehen gefordert, das unsere bayerische Polizei schon praktiziert. Das Bayerische Staatsministerium des Innern stellt durch Weisung sicher, dass die verfassungsgerichtlichen Vorgaben beachtet werden. Dies hat unser geschätzter Innenminister, Herr Dr. Günther Beckstein, auch bei der Ersten Lesung ausführlich dargelegt. Aus dem Urteil ergeben sich keine neuen Anforderungen an die Durchsuchung im Rahmen der Schleierfahndung, so wie sie im Freistaat Bayern praktiziert wird.

Nachdem der Versuch der GRÜNEN, uns ein wichtiges Mittel der Gefahrenabwehr aus der Hand zu nehmen, somit vor Gericht gescheitert ist, wird durch den Gesetzentwurf hier im Parlament versucht, dies zu konterkarieren Dies läuft den bayerischen Sicherheitsinteressen zuwider. Die Begründung des Gesetzentwurfes, er sei wegen der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 7. Februar 2006 erforderlich, gilt aus meiner Sicht nur als Vorwand, ist leicht durchschaubar und erfolgt aus rein ideologischen Gründen.

Ich zitiere nochmals den entscheidenden Leitsatz: „Die Regelung über die polizeiliche Durchsuchung mitgeführter Sachen im Rahmen der Schleierfahndung ist mit der bayerischen Verfassung vereinbar.“ So hat es das Gericht festgeschrieben. Selbstverständlich handelt es sich bei einer Durchsuchung um einen schwereren Eingriff als bei einer bloßen Identitätsfeststellung. Dies bestreitet niemand. Das geforderte abgestufte Verfahren jedoch wird bei der Schleierfahndung angewendet. Ich empfehle deshalb, das Urteil auf Seite 35 nachzulesen. Dort wird das abgestufte Verfahren genau beschrieben. Der Verfassungsgerichtshof hat erklärt: Die bestehenden gesetzlichen Regelungen für den Grundrechtsschutz sind ausreichend. Er hat die Erforderlichkeit der Durchsuchungsmöglichkeit bei der Schleierfahndung betont.

Was möchten Sie mit Ihrem Gesetzentwurf? Zum einen die Begrenzung auf den 30-km-Raum. Des Weiteren möchten Sie, angeblich nur zur Klarstellung, in Artikel 21 Absatz 1 des Polizeiaufgabengesetzes eingefügt haben, dass die Durchsuchung von Personen durch eine neue „Nummer 5“ konkret geregelt wird. Danach soll die Durchsuchung von Personen im Rahmen der Schleierfahndung nur noch dann zulässig sein, wenn der Polizei tatsächliche Anhaltspunkte bekannt sind, die den Schluss nahe legen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Durchsuchung zur Verhütung oder Unterbindung des unerlaubten Überschreitens der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts oder zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität erforderlich ist.

Auch die Durchsuchung mitgeführter Sachen wird an entsprechende Voraussetzungen geknüpft. Die Durchsuchung von Sachen, welche sich in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs und sich nicht im Besetz von Personen befi nden, soll Ihrem Gesetzentwurf

zufolge entfallen. Das muss man sich einmal vorstellen. Zu den Beschränkungen auf den 30-km-Bereich habe ich bereits Stellung genommen. Das ist auf keinen Fall mitzutragen. Entgegen der Darstellung in Ihrer Begründung handelt es sich bei der neuen „Nummer 5“ nicht bloß um eine klarstellende Regelung. Die Vorgaben der „Nummer 5“ schränken den Anwendungsbereich der Durchsuchung bei der Schleierfahndung erheblich ein und behindern damit die Ermittlungstätigkeit der Polizei in hohem Maße.

Die in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehene Kumulation von tatsächlichen Anhaltspunkten und hoher Wahrscheinlichkeit legt einen unverhältnismäßig strengen Maßstab an die Prognose der an Ort und Stelle handelnden Polizeibeamten an, die der Verfassungsgerichtshof selbst in seinem Urteil nicht verlangt. Der Verfassungsgerichtshof hat ausdrücklich zugestanden, dass auch Erkenntnisse verwertet werden dürfen, die sich aus der vorausgehenden Identitätskontrolle ergeben.

Der Vorschlag, die Befugnis zur Durchsuchung von Sachen, welche nicht von Personen mitgeführt werden, im Zusammenhang mit der Schleierfahndung zu streichen, ist ebenfalls abzulehnen. Der Gesetzentwurf verkennt, dass dieser Alternative eine eigenständige Bedeutung zukommt. Zwar kann die Durchsuchung von mitgeführten Sachen auf Artikel 22 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Artikel 21 Absatz 1 Nummer 3 Polizeiaufgabengesetz gestützt werden. Davon nicht erfasst sind jedoch Sachen, die in dem Kontrollbereich abgestellt bzw. hinterlassen wurden. Somit wäre eine erhebliche Sicherheitslücke zu befürchten.

In der Ersten Lesung erwähnte ich bereits, dass Ihr Gesetzentwurf rechtstechnisch fehlerhaft ist. Er verwechselt Durchsuchung mit Untersuchung. Während der eigentliche Gesetzestext zutreffend die Durchsuchung, nämlich die Suche am Körper von Personen, regelt, wird im Vorblatt von Untersuchungen gesprochen. Eine Untersuchung liegt jedoch nur dann vor, wenn im Körper bzw. in den zugänglichen Körperöffnungen nach Beweismitteln gesucht wird. Solche Untersuchungen sind der Strafprozessordnung unterstellt.

Aufgrund der gemachten Ausführungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die CSU-Fraktion Ihren Gesetzentwurf, sollten Sie ihn aus Vernunftgründen nicht zurücknehmen, ablehnen müssen.

Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen und mich ganz herzlich beim Bayerischen Staatsminister des Innern, Herrn Dr. Günther Beckstein, und seinem Hause bedanken. Dort wird hervorragende Arbeit auf dem Gebiet der Sicherheit geleistet. Die bayerischen Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass ihnen Schutz und Sicherheit geboten werden, wenn sie diese benötigen.

Mein Dank gilt ausdrücklich auch allen Beamtinnen und Beamten der bayerischen Polizei und unseren Sicherheitsbehörden, die durch engagierte Arbeit und durch Einsatz immer wieder Spitzenleistungen erbringen, wenn es um Verbrechungsbekämpfung geht. Die CSU-Fraktion wird auch weiterhin ein verlässlicher Partner an der Seite

unserer Sicherheitsbehörden sein. Ihren Gesetzentwurf lehnen wir ab, da machen wir nicht mit.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Schuster.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in Zweiter Lesung über einen Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes. Aus Sicht der GRÜNEN ist dieser Gesetzentwurf auf Grund des Urteils des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 7. Februar 2006 notwendig geworden. Auch die SPD-Fraktion nimmt die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zur Einschätzung von Durchsuchungen im Rahmen der Schleierfahndung zur Kenntnis. Die Entscheidung steht in einer Linie mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Stellenwert des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung. Der Verfassungsgerichtshof hat zwar nur klargestellt, dass auch im Rahmen der Schleierfahndung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist, dennoch ist die Entscheidung im Hinblick auf die polizeiliche Praxis von großer Bedeutung. Es geht nicht darum, die Arbeit der Polizei zu erschweren, sondern darum, die Voraussetzungen für polizeiliche Eingriffe zu präzisieren.

Wir hatten deshalb einen Antrag, der zusammen mit dem Gesetzentwurf der GRÜNEN im Ausschuss beraten wurde, eingebracht. In dem Antrag hatten wir gefordert, dass aufgrund der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs eine entsprechende Klarstellung der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zum Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes vorzunehmen ist. Der Verfassungsgerichtshof hat enge Grenzen gesetzt. Den Polizeibeamtinnen und -beamten, die eine Schleierfahndung durchführen, muss Rechtssicherheit an die Hand gegeben werden. Leider wurde aber dieser Antrag von der Mehrheitsfraktion in den Ausschüssen abgelehnt. Sie lassen wieder einmal, wie bei vielen anderen Dingen, die Polizeibeamtinnen und beamten bei dieser Problematik im Regen stehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme auf den Gesetzentwurf der GRÜNEN zurück: Wenn ich Ihren Gesetzentwurf zur Hand nehme und mir die Problemstellung vergegenwärtige, dann stelle ich fest, dass dort genau das steht, was der Verfassungsgerichtshof auch angemahnt hat und was in die Praxis umgesetzt werden muss. Wenn ich jedoch weiter blättere und lese, was Sie alles im Polizeiaufgabengesetz ändern wollen, dann stelle ich fest, dass Ihre Wünsche weit über das hinausgehen, was der Verfassungsgerichtshof gefordert hat. Das hätte zur Folge, dass eine Durchsuchung einer Person nur noch möglich wäre, wenn sie sich im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km aufhält, dann allerdings nur unter der Voraussetzung – wie Sie das formulieren; jetzt kommt der Schachtelsatz –, dass „der Polizei tatsächliche Anhaltspunkte bekannt sind, die den Schluss zulassen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit

davon auszugehen ist, dass die Durchsuchung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthaltes oder zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität erforderlich ist.“

Diese Formulierung geht viel weiter als die des Verwaltungsgerichtshofs. Frau Kollegin Stahl, Sie haben bei der Ersten Lesung angedeutet, dass Ihr Gesetzentwurf etwas weiter geht. Bei uns jedoch wiegt viel schwerer, dass eine Durchsuchung von Personen, die sich auf Durchgangsstraßen, also auf Bundesautobahnen, auf Europastraßen und anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr bewegen oder in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs aufhalten, zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze, des unerlaubten Aufenthalts oder zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität nach der beantragten Änderung nicht mehr möglich wäre. In einem Gesetzentwurf, der die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 7. Februar 2006 umzusetzen versucht und damit der Mehrheitsmeinung der Verfassungsrichter im Polizeiaufgabengesetz Genüge tun würde, hätte die Berücksichtigung der weiteren Orte, also der Bundesautobahnen, der Durchgangsstraßen und der öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs nicht einfach entfallen dürfen.

In Ihrem Gesetzentwurf geht es so weiter. In Artikel 22 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 wollen Sie die Worte „oder 5“ streichen. Das hätte zur Folge – Herr Kollege Schramm hat es schon angesprochen –, dass ein herrenloser Koffer, der am Flughafen steht, nicht mehr durchsucht werden dürfte. Bei unserer momentanen Sicherheitslage wäre das ein Wahnsinn; ich denke in diesem Zusammenhang nur an die Weltmeisterschaft.

(Christine Stahl (GRÜNE): Das ist doch absurd!)

Nein, das ist es nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wirklich wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir glauben, der Gesetzentwurf der GRÜNEN schießt weit über das Ziel hinaus. Ich muss allerdings auch sagen: Herr Kollege Schramm, Sie haben sich hier als Wahrer der inneren Sicherheit dargestellt. Sie reden hier über die Verhältnisse anders, als es sich in der Praxis darstellt. Dies gilt allein, wenn ich mir ansehe, was aufgrund der Polizeireform in Mittelfranken umgesetzt wird. Die Fahndungskontrollgruppen Erlangen und Ansbach, die die Schleierfahndung durchführen sollen, werden aufgelöst. Hier im Hohen Haus werden die Sachverhalte in einer bestimmten Weise dargestellt, während die Maßnahmen vor Ort anders umgesetzt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben zu diesem Thema einen eigenen Antrag gestellt, der in den nächsten Wochen in den Ausschüssen

beraten wird. Wir werden dann sehen, ob Sie unserem Antrag zustimmen werden.

Ich habe schon gesagt, der Gesetzentwurf der GRÜNEN schießt aus unserer Sicht über das Ziel hinaus. Die SPDFraktion wird ihn deshalb ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Schleierfahndung stellt ein unverzichtbares Instrument zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und zur Abwehr von Gefahren, die durch Menschenhändler, Rauschgifthändler, Waffenschmuggler sowie durch international agierende Banden und organisierte Kriminalität drohen, dar. Als Ausgleich für die im Zuge der europäischen Einigung weggefallenen Grenzkontrollen ist es für die Polizei unverzichtbar, im Grenzgebiet, aber auch auf den Durchgangsstraßen mit einer erheblichen Bedeutung für den internationalen Verkehr und in öffentlichen Einrichtungen nach gefährlichen Personen zu suchen und dabei auch verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen.

Die in Bayern Mitte der Neunzigerjahre entwickelte Befugnis wurde daher in andere Landespolizeigesetze übernommen. Bayern war und ist der Vorreiter für diese überaus erfolgreiche Methode zur Abwehr grenzüberschreitender Kriminalität. Ich selbst bin als Vertreter der Bundesländer im Europäischen Rat für Inneres und Justiz. Auch dort hat es intensive Diskussionen gegeben. Die Europäische Union, die ursprünglich dieser Methode kritisch gegenübergestanden ist, sieht sie nunmehr als herausragend notwendige Maßnahme, um Europa auch bei einem Wegfall der Grenzkontrollen als Raum von Freiheit und Sicherheit zu verwirklichen. Alle Praktiker werden eine Vielzahl von Fällen darstellen können, in denen die Schleierfahndung in den vergangenen Jahren herausragende Fälle von Kriminalität aufgeklärt hat.

Ziel der Maßnahme ist natürlich nicht die willkürliche Kontrolle von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern. Die Polizei kontrolliert zwar verdachtsunabhängig, sie legt dabei aber einschlägige Erfahrungen und Lageerkenntnisse zugrunde. Bei den Kontrollen gehen die Beamten selbstverständlich abgestuft vor. Erst wenn ausreichende Hinweise dafür vorliegen, dass der Betroffene einer näheren Überprüfung bedarf, werden über die Identitätsfeststellung hinaus weitere Maßnahmen durchgeführt.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat dieses hochwirksame Instrument der Gefahrenabwehr bereits im Jahre 2003 für verfassungsgemäß erklärt. Der damalige Versuch der GRÜNEN, Frau Kollegin Stahl, die Schleierfahndung zu Fall zu bringen, ist defi nitiv gescheitert. Man muss einmal sagen: Das Verfassungsgericht hat Ihnen damals ins Stammbuch geschrieben, dass Ihre Auslegung der Verfassung nicht richtig ist. Man kann Ihre Meinung vertreten – wir wissen, in der Juristerei ist vieles vertretbar und nur weniges völlig abwegig –, aber der Verfassungsgerichtshof hat Ihnen in eindeutiger Weise gesagt, dass

Ihre Auffassung von Recht nicht von der Auslegung durch die Verfassungsrichter gedeckt ist. Darum muss man Ihnen ein falsches Verständnis der Verfassung vorwerfen, was Ihnen 2003 in das Stammbuch geschrieben worden ist.

Die aktuelle Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs bestätigt die Rechtsprechung.

Ich habe bei der Ersten Lesung auch die beiden Kollegen Schramm und Schuster darauf hingewiesen, dass die neue Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs auf einen Fall aus dem Jahr 2002 zurückgeht. Die rechtlichen Hinweise, die das Gericht in beiden Entscheidungen zur Durchführung der Schleierfahndung gegeben hat, haben wir jeweils umgesetzt. Die Polizeibeamten wurden nach der Entscheidung im Jahr 2003 bereits durch entsprechende Vollzugshinweise darauf aufmerksam gemacht, wie das Verfassungsgericht geurteilt hat.

Eine Änderung des Polizeiaufgabengesetzes ist nicht notwendig und in dem Maße, wie Sie das vorschlagen, auch nicht sinnvoll. Die Sicherheit in Bayern würde deutlich darunter leiden, wenn der Gesetzentwurf der GRÜNEN Realität würde. Jeder Praktiker, mit dem ich gesprochen habe, hält es für sehr gefährlich, wenn wir bei fehlenden Grenzkontrollen – in absehbarer Zeit werden auch noch die Grenzkontrollen in Richtung Tschechien wegfallen – keine Ausgleichsmaßnahmen hätten. Die Sicherheit würde darunter massiv leiden. Frau Kollegin Stahl, ich würde Ihnen empfehlen, einmal mit den Menschen zu reden, die in der Nähe der österreichischen oder der tschechischen Grenze leben. Sie sollten mit diesen Leuten einmal darüber reden, ob sie sich nur freuen, wenn die Grenzkontrollen wegfallen. Wenn man von Furth im Wald in Richtung Prag fährt, sieht man Erscheinungen der Rotlichtkriminalität an der Straße; als weiteres Stichwort nenne ich vietnamesische Händlerbanden. Wir wollen nicht, dass solche Dinge ungebremst zu uns herüberkommen. Die Schleierfahndung ist eine vernünftige Balance zwischen Sicherheit und Freiheit.

(Beifall bei der CSU)

Selbstverständlich soll im Zusammenhang mit der Schleierfahndung eine Durchsuchung vorgenommen werden können, wenn weitere Erkenntnisse gegeben sind, zum Beispiel aufgrund von gezielten Lageerkenntnissen, Täterprofi len oder konkreten Fahndungsrastern. Die Schleierfahndung ist zwar verdachtsunabhängig, aber nicht willkürlich. Ein Polizist, der einfach den Nächstbesten heraussuchen würde, würde versagen, weil er dadurch nichts herausfi ndet. So wie ein Polizeihund schon winzige Mengen Rauschgift riecht, hat ein guter Schleierfahnder eine Nase dafür, wo sich eine Kontrolle lohnt und wo nicht. Der erste Schritt ist, die Identität des Betreffenden festzustellen. Wenn sich dazu weitere Hinweise ergeben, die eine tiefer gehende Kontrolle als sinnvoll erscheinen lassen, werden im Einzelnen weitere Schritte ergriffen. Unsere Erfolge zeigen, dass das ganze System klappt.

Herr Kollege Schuster, kein Mensch denkt daran, die Fahndungseinheiten in Mittelfranken aufzulösen. Ich sage

hier noch einmal: Es gibt dazu in Mittelfranken keine von mir abschließend gebilligten Pläne. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich das sage. Ich will meinen Leuten keine Maulkörbe umhängen. Das erfordert aber, dass Kollegen des Parlaments es nicht der Staatsregierung anlasten, wenn Polizisten über ihre eigenen Vorstellungen reden. Dann sagen Sie bitte, dass zum Beispiel Herr Hauptmannl und andere Pläne haben, die Sie ablehnen. Örtliche Polizeileute haben das auf der Fachebene entwickelt. Das Polizeipräsidium Mittelfranken hat den Plan entwickelt, der von mir noch nicht gebilligt ist, da wir das Ergebnis des Pilotbetriebs abwarten wollen. Eines kann nicht sein: dass Sie zu einem Zeitpunkt, zu dem es noch keine von der Politik gebilligten Pläne gibt, mit den Leuten reden, um mich hinterher deswegen anzugreifen. Dann werden die Beamten in Zukunft eben nicht mit Ihnen reden, weil es noch keine politisch gebilligten Pläne gibt. Ich werde für die nächsten Male ausdrückliche Hinweise geben, dass nur das mit Ihnen besprochen werden kann, was von mir auch gebilligt ist. Ich bitte da um Nachsicht. Wir müssen aber in dieser Weise verfahren, weil ich nicht die Absicht habe, mich wegen Dingen, die nicht von mir entwickelt sind und von mir auch noch nicht abschließend gebilligt wurden, attackieren zu lassen. Wenn Sie zu einem Zeitpunkt, zu dem dem Ministerium noch nicht vorgelegt wurde, was Sie wissen, mit den Betreffenden reden, dann sollten Sie auch die Fairness haben, diese Leute selbst anzugreifen.

Ich weiß noch nicht, wie wir das mit der Fahndungskontrollgruppe Mittelfranken nach Evaluation des ergebnisoffenen Pilotbetriebs organisieren. Die Fachebene hält es für sinnvoll, die Fahndung am Autobahnkreuz Feucht zentral zu installieren, weil man damit die Fahndungskontrollgruppen der A 6, der A 3 und der A 9 an einer Stelle bündeln kann und damit der Koordinierungsaufwand reduziert würde. Ich weiß noch nicht ob ich das akzeptiere, weil ich darin Tendenzen zu einer stärkeren Zentralisierung sehe, die mir problematisch erscheinen, gerade in Mittelfranken. Noch einmal: In Mittelfranken hat die Polizeiorganisationsreform noch nicht begonnen. Sie beginnt nach der Fußballweltmeisterschaft. Wir werden dann sehr schnell die Entscheidungen fällen. Das betrifft auch Fragen wie die Hundestaffel und ähnliche Dinge.

Ich hebe hervor, dass Arbeitsgruppen auf der Fachebene das entwickelt haben und jeweils vorschlagen. Wir werden in den nächsten Monaten, auch hier im Parlament, erörtern, wie wir das machen werden. Wenn die Ergebnisse aus Unterfranken vorliegen, will ich diesen transparenten Prozess auch mit dem Parlament erörtern. Ich habe mich bisher keiner Diskussion in den Ausschüssen entzogen. Das habe ich auch in Zukunft nicht vor, weil ich es für sinnvoll halte, dass wir nach einer Beratung mit den Kollegen des Parlaments zu einer ausreichend abgewogenen Entscheidung kommen.

Der Gesetzentwurf der GRÜNEN geht weit über die Entscheidung des Verfassungsgerichts hinaus; darauf haben auch die Kollegen der SPD hingewiesen. Damit würde die Schleierfahndung ohne verfassungsrechtliche Notwendigkeit in einem Maße eingeschränkt werden, das die Sicherheit erheblich beeinträchtigen würde. Frau Kollegin Stahl, Sie haben in Ihrer Begründung, die ich wegen der schwierigen Verkehrssituation zum Teil nur elektronisch

mitbekommen habe, kritisiert, dass die Staatsregierung die Bürgerrechte zu wenig beachte. Selbstverständlich müssen wir uns in dem Spannungsfeld zwischen Freiheitsrechten und Sicherheit sehr sorgfältig bewegen. Wir dürfen nicht einfach einem Jagdinstinkt folgen und die Freiheitsrechte übergehen. Wir können für uns in Bayern in Anspruch nehmen, dass wir uns in diesem Spannungsverhältnis vorbildlich bewegen. Ich kenne niemanden, der uns ernsthaft vorwirft, dass die Polizei in Bayern zu viele Kompetenzen habe und die Bürger hier in einem Polizeistaat lebten. Wer Derartiges behauptet, muss irgendwo krankhafte eigene Erfahrungen gehabt haben, vielleicht deswegen, weil er selbst Anlass zur Kontrolle gegeben hat, zum Beispiel im Zusammenhang mit Drogen.