Ich bitte darum, dass sich die Fraktionen überlegen, wie wir die Fragestunde in Zukunft handhaben wollen. Die
Herr Staatsminister, trifft es zu, dass bei den derzeit in München befi ndlichen Einsatzfahrzeugen mit dem Kennzeichen „BA…“ der Einsatzhundertschaft nach Auskünften der Fahrer die Motoren der dieselbetriebenen Busse laufen müssen, um so sicherzustellen, dass die Funkgeräte funktionieren, und wie ist dies mit der Feinstaubemission der Dieselfahrzeuge in Einklang zu bringen, wobei die Straßenverkehrsordnung gegen das Laufenlassen von Motoren Bußgelder vorsieht, und kommen somit Polizeibeamte, die diese Fahrzeuge führen, denn nicht in Interessenkonfl ikte mit den bestehenden Gesetzen, unabhängig davon, dass die Polizei Vorbildfunktion auch im Umweltschutz ausüben sollte?
Frau Präsidentin! Lieber Kollege Wörner, grundsätzlich sind die Polizeibeamtinnen und -beamten entsprechend der Regelung der Straßenverkehrsordnung, nach der es grundsätzlich verboten ist, Fahrzeugmotoren unnötig laufen zu lassen, gehalten, den Fahrzeugmotor abzustellen, soweit dies aus technischer und einsatztaktischer Sicht möglich ist.
Allerdings kann das Laufenlassen der Motoren im Stand zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben geboten sein, wenn die Einsatzfähigkeit der Fahrzeuge an sich oder die Funktionalität bestimmter technischer Aggregate, beispielsweise von Sondersignal- oder Funkanlagen, gewährleistet werden muss. Je nach Vorliegen batteriebelastender Faktoren kann ein gelegentliches Laufenlassen des Motors erforderlich sein. Insbesondere sind dies die Anzahl und Leistungsaufnahme elektrischer, im Stand zu betreibender Aggregate, die elektrotechnische Konzeption der Fahrzeuge, die Kapazität der im Fahrzeug verbauten Batterien, die Standzeiten während des Einsatzverlaufs oder die klimatischen Bedingungen. Auch Funkgeräte können aus Gründen der ständigen Einsatzbereitschaft nicht abgeschaltet werden. Die Einsatzfähigkeit der Fahrzeuge muss hier eine höhere Priorität gegenüber einer geringen zusätzlichen Umweltbelastung genießen.
Bei der Polizei gibt es keine Umweltsünder; vielmehr würde es eklatant dem gesetzlichen Auftrag an die Polizei – gerade während der Fußball-Weltmeisterschaft – zuwiderlaufen, wenn gerufene Polizeibeamtinnen und -beamte wegen leerer Batterien nicht erreichbar wären oder das Einsatzfahrzeug nicht mehr zu starten wäre.
Herr Minister, ich bin etwas überrascht, dass die Polizei offensichtlich mit Fahrzeugen ausgestattet ist – –
Die Frage ist: Trifft es zu, dass es Einsatzfahrzeuge gibt, die nur eine Batterie haben und dass deshalb der Betrieb nicht aufrechterhalten werden kann? Macht es Sinn, solche Fahrzeuge überhaupt zu beschaffen?
Herr Kollege Wörner, die Standzeiten sind sehr unterschiedlich. Das geht von wenigen Minuten bis zu vielen Stunden. Ich glaube, dass es keine Batterie geben wird, die dafür sorgt, dass sämtliche batteriebetriebenen Systeme, die es in einem Polizeifahrzeug gibt, über viele Stunden – wie das jetzt manchmal notwendig ist – aufrechterhalten werden. Im Übrigen würde auch ein Aggregat, das dann unter Umständen notwendig wäre, gewisse Umweltbelastungen mit sich bringen.
Ich rede nicht darum herum, ein neues Fahrzeug hat in der Regel eine günstigere Kapazität der Batterie als ein älteres Fahrzeug, aber auch im Sommer herrschen günstigere Bedingungen als im Winter. Deswegen hängt alles von den Umständen ab. Das ist übrigens auch in anderen Einsatzbereichen wie dem Sanitätsdienst oder der Feuerwehr eine gängige Erfahrung. Jeder weiß, dass das nicht immer zu vermeiden ist. Die Polizisten sind aber angewiesen, das Laufenlassen im Leerlauf zum Zwecke der Stromversorgung so weit wie möglich zu vermeiden.
Herr Minister, wenn ich Ihren Angaben folge, dann sehen Sie es nicht als notwendig an, dass dann, wenn drei, vier oder fünf Fahrzeuge an einem Standort stehen, sich also eine Gruppe bildet, bei allen Fahrzeugen – insbesondere im Sommer – der Motor läuft. Zum Beispiel den Funk könnte man über ein Fahrzeug abwickeln.
Herr Kollege Wörner, ich rede nicht darum herum: Ich weiß, dass mancher junge oder ältere Polizeibeamte – übrigens auch mancher junge oder ältere Verkehrsteilnehmer – manchmal Fahrzeuge im Leerlauf belässt, auch wenn es möglich wäre abzuschalten. Wir versuchen, durch Aufklärungsarbeit darauf hinzuwirken, dass alle Polizeibeamten nach Möglichkeit den Motor abschalten, um auf diese Weise die Emissionen, die im Stand auftreten, zu reduzieren.
Wir versuchen aber auch, die Umweltbelastungen durch eine Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen mit Filtern zu verringern, aber Sie wissen selbst, dass die Menschen unterschiedlich sind und dass man sich manchmal verrechnet, wenn man vor der Ampel steht und abschaltet, während die Ampel kurze Zeit später auf Grün umschaltet. Dann hat man sich in Bezug auf die Umwelt falsch verhalten. Auch die Fahrzeuge sind unterschiedlich. Sie
dürfen uns aber abnehmen, dass wir versuchen, jungen Polizeibeamtinnen und -beamten – die Bereitschaftspolizei besteht in der Regel aus jungen Beamtinnen und Beamten – in ihrem eigenen und im staatlichen Interesse ein hohes Maß an Sensibilität für Umweltbelange anzuerziehen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich danke Ihnen nicht nur für die Beantwortung der Fragen; vielmehr gibt mir die letzte Frage die Gelegenheit, Ihren Beamten und unseren Sicherheitskräften in Bayern sehr herzlich für das zu danken, was an Großartigem derzeit in Bayern geleistet wird.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Fragestunde beendet. Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 8. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.
Hier im Plenarsaal sind die Temperaturen immer noch am angenehmsten. Hier kann man es am längsten aushalten. Ich lade Sie heute Nachmittag dazu herzlich ein. Heute darf auch das Jackett ausgezogen werden.
Dringlichkeitsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Renate Dodell, Thomas Kreuzer, Joachim Unterländer u. a. u. Frakt. (CSU) Arbeit soll sich lohnen! – Bei „Hartz IV“ Anreize für Arbeit verstärken, Schnittstellen beseitigen und Kommunalfi nanzen sichern (Drs. 15/5707)
Ich eröffne die Aussprache und darf für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Unterländer das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die unter dem Begriff „Hartz IV“ in den letzten Jahren durchgeführten Diskussions- und Reformprozesse kann man so zusammenfassen, dass sie zwar zu sinnvollen Zielen führen sollten, aber in der Praxis schwer oder kaum umsetzbar waren. Die Ziele, die mit Hartz IV erreicht werden sollten, sind bisher nicht erreicht worden. Diese Feststellung hat nichts mit politischen Schuldzuweisungen zu tun, sondern ist rein sachlich zu sehen.
Zum Zweiten möchte ich in diesem Zusammenhang feststellen, dass auf Bundesebene zuletzt mit dem SGB-IIFortentwicklungsgesetz erste Ansätze zu einer Verbesserung vorgenommen worden sind, die uns aber nicht weit reichend genug sind.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, dass ich zurückkomme auf die Ziele, die mit Hartz IV verbunden waren. Es sind dies in der Tat vier Punkte. Es ist die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeitssuchende. Es ist eine wirksame Unterstützung zur Integration in den Arbeitsmarkt. Es ist eine stärkere Erschließung des Niedriglohnsektors und damit verbunden eine stärkere Anstrengung, Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der nach wie vor schwierigen wirtschaftlichen Situation ist die Bezeichnung „Mutter der Reformen“ durch den früher zuständigen Minister Clement für das Gesetzeswerk durchaus zutreffend, allerdings ist die Umsetzung dieser Ziele in Anbetracht der Wirklichkeit das größte sozialpolitische Problem der Nachkriegsgeschichte.
Wenn Sie sich mit dem Thema auseinander setzen, wenn Sie Kommunalpolitiker anhören, wenn Sie mit Betroffenen sprechen oder wenn Sie sich mit denen unterhalten, die in den Arbeitsgemeinschaften oder in der Bundesagentur für Arbeit tätig sind, dann stellen auch Sie fest, was der Ombudsmann für Hartz IV, der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, festgestellt hat, dass es sich nämlich um ein Organisationschaos handelt, das hier angerichtet worden ist. Ich darf den in diesem Zusammenhang sicher unverdächtigen „Spiegel“ zitieren, der aus meiner Sicht sehr prägnant die Situation dargestellt hat:
Geplant war, den staatlichen Aufwand für die Verwaltung der Langzeitarbeitslosigkeit drastisch zu senken und viel Geld für Bildung und Kinderbetreuung freizuschaufeln. Tatsächlich sind die Hartz IV-Ausgaben heute doppelt so hoch, wie von den Reformarchitekten vorgesehen. Die Fusion von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollte Bürokratie abbauen und die staatliche Jobvermittlung effi zienter machen. Entstanden ist eine komplizierte Mischverwaltung durch kommunale und Bundesbehörden, die selbst Spitzenfunktionäre der Nürnberger Bundesagentur-Zentrale inzwischen als „organisierte Verantwortungslosigkeit“ beschreiben.
Es war vorgesehen, die Langzeitarbeitslosen besser zu betreuen. Es gab Schlagworte so süß wie Honig – sie hießen „Fördern und fordern“ oder „Passgenaue Angebote für Jobsuchende“ –, aber sie beschrieben ein Wunschdenken: Tatsächlich – so ein Gutachten des Bundesrechnungshofes – haben Hartz IV-Neulinge im Schnitt heute nach drei Monaten noch nicht einmal ein erstes Gespräch mit ihrem Vermittler geführt.
Nur beim Bezahlen von Nichtarbeit liegt Deutschland im internationalen Vergleich weit vorne. Eine Familie mit zwei Kindern, deren Ernährer vor einem Jahr arbeitslos geworden ist, kann mit staatlichen Leistungen zwischen 1.500 Euro und 1.700 Euro rechnen. Ein Vater mit zwei Kindern braucht demnach einen Verdienst von brutto rund 10 Euro pro Stunde, wenn er mit seinem Job wenigstens das Fürsorgeniveau erreichen
Ich unterstütze diese Beschreibung nachdrücklich. Wir haben in einer vom sozialpolitischen Arbeitskreis der CSU-Landtagsfraktion durchgeführten Anhörung von allen, die auf diesem Gebiet tätig sind, diese Erfahrungen bestätigt bekommen. Wir alle sollten aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, aus sozial- und gesellschaftspolitischen Gründen, vor allem aber aus kommunalpolitischen Gründen daran interessiert sein, dass die Reformen wirklich mit großer Massivität weitergeführt werden. Nur darauf zu warten, dass es irgendwann einmal klappt, ist zu wenig.
Erlauben Sie mir, die Kostenentwicklung darzustellen. Hier ist die Situation dramatisch, und hier besteht ein weiterer Handlungsbedarf. Wenn man das frühere Arbeits- und Sozialhilferecht dem System von Hartz IV gegenüberstellt, erkennt man, dass die Kosten der Fürsorgesysteme erheblich gestiegen sind. Nach altem Recht betrugen die Kosten bundesweit 38,6 Milliarden Euro. Nach neuem Recht betragen sie 44,4 Milliarden Euro. Für die Arbeitslosenhilfe waren im Bundeshaushalt insgesamt 24 Milliarden Euro veranschlagt. Heute sind schon Kosten in Höhe von 28 Milliarden Euro Realität.
Die Einkommenshöhe und die Zunahme der Bedarfsgemeinschaften um rund 700 000 bestätigen, dass das System nach Hartz IV eindeutig nicht ausreicht, um die eingangs genannten Ziele erreichen zu können. Dahinter steckt auch ein grundsätzliches Problem. Politisch sind wir uns auch in diesem hohen Haus darin einig, dass wir eine Wende in der Sozialstaatsdiskussion und einen Umbau des Sozialstaats brauchen. Auch der frühere SPD-Parteivorsitzende Platzeck hat genau so wie die Union zu Recht von einem Anreize aktivierenden Sozialstaat gesprochen. Dieses Ziel ist mit diesem Gesetzeswerk nach jetzigem Stand absolut nicht zu erreichen.
Ein zweites Thema im Zusammenhang mit der Akzeptanz von Hartz IV in der Bevölkerung bereitet mir große Sorgen. Ich meine das Problem, welches im früheren Sozialhilferecht mit dem Lohnabstandsgebot bezeichnet worden ist. Wer in München oder einem anderem Ballungsraum mit hohen Mietkosten als Beschäftigter im einfachen Dienst in der öffentlichen Verwaltung tätig ist
und zwei Kinder hat, liegt mit seinem Einkommen unter dem, was er als Empfänger von Hartz IV bekommt.
Frau Kollegin, wenn Sie die Historie betrachten würden, wüssten Sie, dass die Ballungsraumzulage nicht gekippt ist, sondern mit einem veränderten Konzept weitergeführt wird. Darauf haben sich die CSU-Landtagsfraktion und die Bayerische Staatsregierung geeinigt.
Es ist Geschichtsklitterung, wenn sie davon sprechen, dass wir die Ballungsraumzulage abschaffen wollten. Das ist ein absoluter Unsinn.