Protocol of the Session on May 18, 2006

Im Übrigen geht es nicht um 18 Minuten pro Tag, wie in den Medien regelmäßig kolportiert wurde, sondern es geht um die Differenz zwischen einer 38,5- und einer 42- Stunden-Woche. Kollege Kreuzer hat eben zu mir gesagt: Im Prinzip müssen sich die Gewerkschaften bewegen, denn auf 42 Stunden wollen wir schon bleiben. Wer auf 42 Stunden bleiben will, der fährt die Tarifverhandlungen willentlich an die Wand.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Es geht um 45 Minuten – oder 42, die genauen Rechnungen werden sicher nachgeliefert – Mehrarbeit jeden Tag, und 45 Minuten sind ein qualitativer Sprung. Da geht es nicht darum: Fährst du einen Bus früher hin. Das ist ein qualitativer Sprung, vor dessen Hintergrund Ihre Dauerrufe nach „Schutz der Familie“ oder nach „ehrenamtlichem Engagement“ blanker Hohn sind.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ihr Geheimnis bleibt auch, warum Sie die gravierenden Folgen Ihrer falschen Arbeitszeitpolitik für die arbeitsplatzsuchenden Jugendlichen nicht sehen wollen. Gerade in den Jahren 2005 bis 2010 haben wir das Problem der ganz stark auf den Ausbildungsmarkt drängenden Jugendlichen. Gerade in diesen Jahren, die für das Problem Jugendlicher in den Beruf zu kommen, entscheidend sind, tun Sie alles dafür, damit, jedenfalls was die öffentliche Hand angeht, Jugendliche keine Chance haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das ist verantwortungslos gegenüber der nachwachsenden Generation, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall des Abgeordneten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Vielleicht noch ein Satz: Meines Wissens – da hat Kollege Wörner möglicherweise mehr Insiderwissen – sind die Vorwürfe, die der Minister im Rahmen der Beratungen immer wieder mal gegen verdi bezüglich der Notversorgung in Krankenhäusern wie der Uniklinik Würzburg erhob, falsch. Richtig ist, dass es in der Tat furchtbare Fälle gab, wo Krebspatienten abgewiesen wurden.

Das ist nicht zu entschuldigen. Die Frage ist nur: Wer ist der Schuldige? Das lag eben nicht an verdi, denn verdi hatte die Klinikleitungen aufgefordert zu sagen, wer gebraucht wird und wie viel Personal gebraucht wird. Da gibt es kein Wenn und Aber. Die Klinikleitungen jedoch haben falsche Zahlen angegeben. Das kann man beim besten Willen nicht verdi in die Schuhe schieben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb sind das Vorwürfe, die in ihrer Art schon fast an Rufmord grenzen – das muss ich einmal so hart ausdrücken – und die gegenüber den Gewerkschaften an dieser Stelle nicht zu akzeptieren sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Vorwurf, von den Gewerkschaften würden Menschenleben durch eine unzureichende Notfallversorgung aufs Spiel gesetzt, ist aber nur eine Variante.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das stimmt doch!)

Sie hätten zuhören sollen, dann hätten Sie vielleicht mitgekriegt, was ich eben gesagt habe, und damit hätte sich Ihr Einwurf erledigt.

Sie benutzen Ihre Denkpause systematisch und mit Kraftmeierei unterhalb der Gürtellinie, um die Gewerkschaft unter Druck zu setzen. Ich reiße das nur ganz kurz an. Es gibt ein internes Papier des Wirtschaftsministeriums, in dem steht, dass bei „fehlender Einsicht der Gewerkschaften“ konsequent privatisiert und verbeamtet werden soll. Sie machen also die Frage, ob Sie privatisieren oder verbeamten wollen, nicht an sachlichen Dingen fest, wie zum Beispiel an der Frage, ob es um öffentliche Aufgaben oder hoheitliche Aufgaben geht, sondern nur daran, ob Ihnen die Tarifergebnisse passen oder nicht. Es ist unglaublich, wie Sie dieses Instrument der Privatisierung und Verbeamtung für solche Dinge instrumentalisieren.

Es ist im Übrigen eine unverschämte Drohkulisse, die da gegenüber den Gewerkschaften aufgebaut wird. Ich vermute, Sie werden sie nicht durchhalten können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestern hat die Staatsregierung zum x-ten Mal versucht, die Presse mit Zukunftsvisionen eines modernen Staatshaushalts vollzutexten. Dabei geben Sie als eine Ihrer Leitlinien aus, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu bürgerfreundlichem Verhalten motiviert werden sollen und dass Sie hierzu die geeigneten Rahmenbedingungen schaffen wollen. Das liegt an Ihnen, denn Sie sind ja schon seit einiger Zeit an der Regierung. Niemand hindert Sie, diese Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir fordern Sie auf, nicht ständig alte Papiere neu aufzulegen, sondern entsprechend Ihrer eigenen Leitlinie, die Sie da beschreiben, die Beschäftigten anzunehmen und zu motivieren. Handeln Sie endlich!

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – das vielleicht als letzter Gedanke – ist modern und fl exibel, sonst hätten ihn Bund und Kommunen nicht unterzeichnet. Die Unterschrift zeigt aber auch, es sind die Länder, die blockieren, und zwar vor allen Dingen Länder wie Bayern, die mit ihren Forderungen von 42 Stunden bundesweit eine extreme Haltung einnehmen und damit den monatelangen Stillstand zu verantworten haben.

Ich stelle fest, ich bin langsam am Ende; ich kann die Zeit gar nicht erkennen. Aber sei´s drum.

(Thomas Kreuzer (CSU): Die Zeit muss nicht unbedingt ausgeschöpft werden!)

Das mache ich auch nicht, Kollege Kreuzer. Ich schenke Ihnen noch zwei Minuten, dann können Sie vielleicht sagen, was Sie jetzt gelernt haben.

Meine Damen und Herren, es liegt nun sehr maßgeblich an der Bayerischen Staatsregierung – deshalb ist der SPD-Antrag „Tarifverhandlungen dürfen nicht an Bayern scheitern“ sehr sinnvoll –, weil sie die extremsten Forderungen in diese Verhandlungen hineingebracht hat, endlich von diesem hohen Ross herunterzukommen und aus der Sackgasse, in die sie die Tarifverhandlungen hineingeführt hat, wieder herauszufi nden. Es liegt an Ihnen, zu einem gerechten Verhandlungsabschluss zu kommen, den dieses Land und seine Beschäftigten dringend braucht. Wir fordern Sie dazu heute mit allem Nachdruck auf.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Naaß.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kreuzer, Sie werden es wohl ertragen, mir noch ein paar Minuten zuzuhören. So schlecht war das bisher ja nicht.

(Thomas Kreuzer (CSU): Sie wissen schon, dass wir noch etliche Tagesordnungspunkte zu behandeln haben!)

Herr Kollege Pachner, nach Ihren Ausführungen kann ich nur feststellen: Sie haben nichts verstanden.

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Verstanden hat der Gerhard nichts! – Lachen bei der SPD)

Sie sind scheinbar nicht in der Lage zu begreifen, was wir mit unserem Dringlichkeitsantrag „Tarifverhandlungen dürfen nicht an Bayern scheitern“ ausdrücken wollen. Gerade weil wir in der Vergangenheit von der Bayerischen Staatsregierung immer wieder harte Worte vernehmen mussten – ich denke nur an die Aussage vom Ministerpräsidenten: Wenn die Mehrheit der Länder nachgibt, dann treten wir aus der Tarifgemeinschaft aus –, braucht man sich nicht zu wundern, wenn etwas scheitert.

(Zuruf des Abgeordneten Ernst Weidenbusch (CSU))

Weil wir genau wissen, welche hoch angesetzten Forderungen die Bayerische Staatsregierung hat, haben wir heute einen sehr moderaten Antrag gestellt.

(Zuruf des Abgeordneten Ernst Weidenbusch (CSU))

Es ändert auch nichts, wenn Sie noch so laut reden, Herr Kollege. Wir haben einen sehr moderaten Antrag gestellt, in dem wir die Staatsregierung bitten und auffordern, verantwortungsvoll zu handeln und alles dafür zu tun, dass es zu einer Einigung zwischen den Tarifparteien kommt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein!)

Das ist eigentlich eine Forderung, liebe Kolleginnen und Kollegen, dem sich das ganze Hohe Haus anschließen müsste. Es sollte nicht so blöd dahergeredet werden, das muss ich ganz ehrlich sagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist doch das Ziel aller Tarifverhandlungen, mit Forderungen in die Verhandlungen hineinzugehen und mit einem Ergebnis herauszukommen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Zumindest mit einem Kompromiss!)

Da muss halt dann jede Seite von ihrer Maximalforderung abrücken. Ich denke, da wird in Deutschland übrigens auch verantwortungsbewusst gehandelt angesichts der wenigen Streiks, die wir haben. Die Tarifparteien gehen sehr verantwortungsvoll miteinander um. Das müssten Sie eigentlich in Ihrem vielleicht noch etwas kürzeren Politikerleben inzwischen auch mitbekommen haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner?

(Christa Naaß (SPD): Gern!)

Frau Kollegin, wenn ich es richtig wahrnehme, muss der Herr Minister unseren Antrag jetzt erst noch lesen. Glauben Sie, dass das der richtige Stil ist?

Das möge jeder für sich selbst beurteilen; Sie kennen doch unseren Minister.

(Zurufe und Unruhe – Franz Josef Pschierer (CSU): Das ist unverschämt, das können Sie doch gar nicht sehen! – Anhaltende allgemeine Zurufe – Glocke der Präsidentin)

Nochmals, Kolleginnen und Kollegen: Ich habe versucht, unseren Antrag, der sehr moderat ist, zu begründen und aufzuzeigen, dass es auch die Metallindustrie jüngst vorgemacht hat, wie Tarifautonomie ausschaut, dass man nämlich auf dem Verhandlungswege Lösungen sucht und auch fi ndet. Und genau das wollen wir mit diesem Antrag aufzeigen, dass das sehr wohl möglich ist, wenn alle Partner von ihrem hohen Ross heruntersteigen und bereit sind zu verhandeln.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hat sich zwei Monate lang zurückgezogen; das hat den Staat ein Heidengeld gekostet. Die Einnahmenverluste allein im Bereich der Universitätskliniken betrugen rund 200 Millionen Euro. Ich denke, das muss auch einmal klar und deutlich gesagt werden, wohin diese Verweigerungshaltung der TdL geführt hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Saarland musste beispielsweise wegen der Streiks der Finanzkassen schon ein Kassenkredit von 467 Millionen Euro aufgenommen werden. Daran zeigt sich allerdings auch, wie wirkungsvoll Streiks sein können, um die Tarifpartner endlich zu bewegen.

Der zweite Punkt unseres Antrags – da sollten wir alle gemeinsam mithelfen – zielt darauf ab, es nicht dazu kommen zu lassen, dass Beschäftigte deshalb, weil sie ihr Streikrecht wahrnehmen, ein Recht, das im Grundgesetz verankert ist, Nachteile an ihrem Arbeitsplatz bekommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)