Protocol of the Session on April 25, 2006

(Christa Steiger (SPD): Darum habe ich das auch überhaupt nicht erwähnt!)

Darüber hinaus informiert die Staatsregierung auch in der Öffentlichkeit laufend über die berufl ichen Erfolge von „Fit for Work“.

(Zuruf des Abgeordneten Eike Hallitzky (GRÜNE))

Außerdem wurde vereinbart, dass das Sozialministerium und das Kultusministerium dem Ausschuss noch einen schriftlichen Bericht bis etwa Anfang Mai 2006 liefern werden.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, warum der Antrag zum jetzigen Zeitpunkt auf Wunsch der SPD im Plenum behandelt werden muss.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Schauen Sie doch die Zahlen an!)

Die CSU wird daher für die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags der SPD plädieren.

(Beifall bei der CSU – Christa Steiger (SPD): Das ist zum Weinen! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist unglaublich!)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Hallitzky. Ach, Sie sind schon da, Herr Kollege? Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Frau Stierstorfer, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Stierstorfer, es ist Tatsache: Die SPD legt mit ihrem heutigen Antrag tatsächlich den Finger in die große zentrale Wunde der bayerischen Arbeitsmarktpolitik. Es geht dabei um die Unfähigkeit der Bayerischen Staatsregierung, jedem Jugendlichen in Bayern ein vernünftiges Ausbildungsplatzangebot zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir alle müssen feststellen, dass die Lage am bayerischen Ausbildungsmarkt weiterhin katastrophal ist und noch katastrophaler wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist durch die heute veröffentlichten Zahlen ganz deutlich geworden. Was die Staatsregierung dagegen unternimmt, ist im Wesentlichen Prosa, die, wenn man sie an der Wirklichkeit misst, einer Kapitulation gleichkommt. Das zeigt auch die heutige Pressemitteilung aus der Kabinettssitzung. Herr Heike, immerhin haben Sie zugegeben, dass Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Das war ein beachtlicher und wahrer Satz. Leider stand er ganz hinten. Sie hätten ihn eigentlich auf die Titelzeile nehmen sollen. Die dpa, die Deutsche Presse-Agentur, hat ihn Gott sei Dank auch als Titelzeile verwendet.

Ich erinnere Sie exemplarisch an die Kabinettssitzung vom 29.11.2005. Da hat das heutige Vorstandsmitglied eines großen deutschen Infrastrukturunternehmens mit großer Geste Folgendes verkündet: „Bayern wird auch künftig öffentliche Aufträge an die Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen koppeln.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen: Ausbildungsbetriebe werden bei gleichwertigen Angeboten bevorzugt berücksichtigt – diesen Beschluss gibt es, soweit ich weiß, schon seit 1998. Ich habe mir im letzten Jahr erlaubt, mich bei der Staatsregierung zu erkundigen, wie die Wirksamkeit dieses Beschlusses, der immerhin schon sieben Jahre in Kraft ist, ist. Antwort der Staatsregierung: „Aus der Staatskanzlei und den Staatsministerien ist kein Fall mit

zwei gleichwertigen Angeboten bekannt. Deswegen wurde auch von der Erfassung der Erfolgszahlen abgesehen.“ Im Klartext: Nicht einen einzigen neuen Ausbildungsplatz haben Sie mit dieser sinnlosen Aktion geschaffen, und diesen Witz von einer Maßnahme verlängern Sie auch noch im Jahr 2005, nachdem sie sechs oder sieben Jahre unwirksam war. Oder Sie haben mich bei der Antwort belogen. Davon kann ich nicht ausgehen, weil die Staatsregierung das nicht täte. Auf dem Papier steht also, Sie haben nicht eine neue Maßnahme geschaffen, und das verlängern Sie noch und loben sich dafür, was die Staatsregierung im Interesse der arbeitslosen Jugendlichen alles schafft.

Das ist nur ein Beispiel von vielen, in welche untauglichen Sackgassen Sie sich mit großer prosaischer Geste gefl üchtet haben und wo Sie sich jetzt versteckt halten. Nicht einmal einen Bericht über die Situation der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz und über Wege, diesen endlich einmal eine Perspektive zu eröffnen, und darüber, wie man das Problem dauerhaft in den Griff bekommt, hat die Staatsregierung bis heute hinbekommen.

Frau Stierstorfer hat dankenswerterweise, aber für mich nicht nachvollziehbar auf solche Kabinettspressemitteilungen verwiesen, in denen das gelobt wird, was überwiegend nicht zu loben ist; denn erstens ist es überwiegend EU-Geld, zweitens ist es viel zu wenig, drittens sind die Maßnahmen zum Teil falsch, zum Teil richtig. Aber wie gesagt, das lohnt nicht des Selbstlobs, und vor allem löst es das Problem nicht grundsätzlich.

Zum SPD-Antrag und zu der Forderung, dass angesichts von rund 14 000 Jugendlichen in Jungarbeiterklassen ohne sonstige Maßnahmen analog zu NRW in Bayern ein Werkstattjahr gefördert und gestartet werden sollte: In der Tat ist das unver-drossene Setzen der Staatsregierung auf die so genannten Jungarbeiterklassen fatal und wird auch durch die Blockbeschulung nicht grundsätzlich besser.

(Christa Steiger (SPD): Genau!)

Jeder, der sich einmal in den Berufsschulen umhört, erfährt: Jungarbeiterklassen sind Beschäftigungstherapie, und sie werden von den Schülerinnen und Schülern, die sie besuchen müssen oder sollen, auch meist so gesehen. Die Jugendlichen sind frustriert, sie fühlen sich in Warteschleifen abgeschoben. Das Lehrpersonal fühlt sich frustriert.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sie haben vor allem keine Perspektive!)

Danke, Kollege Wahnschaffe. Sie haben vor allen Dingen keine Perspektive – fürs Protokoll: Kollege Wahnschaffe. Das Lehrpersonal fühlt sich mit Recht mehr als Dompteur denn als Pädagoge. Erleichtert wird die Arbeit allenfalls dadurch, dass immer nur ein Teil der Jugendlichen da ist.

Deswegen ist der Weg grundsätzlich richtig, uninteressante Maßnahmen durch interessante zu ersetzen. Zum nächsten Ausbildungsjahr könnte das realisiert werden. Das war übrigens im Haushaltsausschuss weniger eine inhaltliche Debatte, sondern, wozu wir als Haushälter ja

auch befugt sind, mehr eine fi nanzielle Debatte. Wenn Gelder die zentrale Rolle dabei spielen sollten, dass das Werkstattjahr nicht eingeführt wird, sage ich den Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss: Das Werkstattjahr mag teuer sein, aber nichts, gar nichts wird die Gesellschaft so teuer zu stehen kommen, wie wenn wir heute tatenlos zusehen,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

wie ein erheblicher Teil unserer Jugendlichen ohne stabile Berufsperspektiven in eine prekäre Zukunft geht.

Auch darüber müssen wir uns im Klaren sei, liebe Kolleginnen und Kollegen: Staatliche Maßnahmen können das Problem einer nicht ausreichenden Nachfrage nach Jugendlichen durch die Unternehmen und damit die mangelhafte Integration dieser Jugendlichen in den ersten Arbeitsmarkt nicht lösen, sondern sie produzieren günstigstenfalls Nachqualifi kationen, schlimmstenfalls bloße Warteschleifen, die den Staubereich vor den betrieblichen Ausbildungsplätzen – darauf wurde bereits hingewiesen – weiter anschwellen lassen.

Diese mangelhafte Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen, sehr geehrte Frau Stierstorfer, ist kein gottgegebenes Faktum. Wir dürfen die Unternehmerschaft nicht aus der Verantwortung entlassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sonst rennen wir als Staat diesem Problem ständig hinterher. Es ist ein Skandal, dass in 70 % der Unternehmen keine betriebliche Ausbildung mehr stattfi ndet. Ich erinnere mich noch zu gut an die lässigen Gesten, die ja oft Kenntnislosen oder Desinteressierten zu eigen sind und die uns, die damalige rot-grüne Bundesregierung, trafen, mit denen Sie polemisierten, das Problem der geringen Ausbildungsbereitschaft sei doch lediglich ein Problem insgesamt zu hoher Arbeitslosigkeit. Wir haben stets darauf hingewiesen, dass diese Vorstellung naiv ist; das sehen wir auch heute an den Zahlen.

Heute muss die Staatsregierung erneut beichten, dass trotz der von Ihnen sehr hervorgehobenen Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt, die Sie vermutlich auf Ihre Steuererhöhungspläne und weitere Verbürokratisierungen zurückführen werden, keine Verbesserung auf dem Ausbildungsmarkt eingetreten ist. Wir haben den Eindruck, dass die Bevölkerung Sie eingeladen hat, die Früchte der guten Politik Ihrer Vorgängerregierung zu ernten. Heute muss die Staatsregierung doch feststellen, dass sich diese Aufwärtsentwicklung auf dem Arbeitsmarkt von der Abwärtsentwicklung auf dem Ausbildungsmarkt im dualen System abgekoppelt hat. Die Zahlen haben wir heute vermittelt bekommen: Einer um 4,3 % höheren Nachfrage nach Ausbildungsplätzen stehen 6,6 % – das ist eine Menge – weniger gemeldete Ausbildungsplätze gegenüber. Mittlerweile schlagen sich auch in Bayern 100 Bewerberinnen und Bewerber um 70 Ausbildungsstellen.

Angesichts dieser gefährlichen Realität haben wir natürlich die Möglichkeit, weiterhin in Prosa zu verfallen zum Nachteil der Jugendlichen, die Ausbildung und Arbeit suchen. Aber wir können auch eins und eins zusammenzählen und sagen: Eine Ausbildungsumlage muss wieder auf die Tagesordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Die neuesten Zahlen aus diesem Jahr belegen dies. Die Unternehmer ziehen sich mehr und mehr aus ihrer Verantwortung zurück. Die Zeit wohlfeiler Absichtserklärungen, dieser Pakte – wir haben es ja selber in der Bundesregierung versucht – sind gescheitert. Wir müssen endlich die Unternehmen fördern, die ihren Ausbildungsverpfl ichtungen über das Soll hinaus nachkommen, und wir müssen jene bestrafen, die sich mit ihrer Verweigerungshaltung an der jungen Generation versündigen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Abschließend erlaube ich mir noch einen Hinweis. Wenn wir wissen, dass die bayerischen Wirtschaftskapitäne und -kapitäninnen – falls es diesen Begriff gibt – bei vielen Hauptschulabgängern mangelndes Fachwissen, mangelndes Sozialverhalten, mangelnde Leistungsbereitschaft feststellen und eine Erhöhung der Ausbildungsfähigkeit fordern, dann mögen sie zwar leider Recht haben, aber das ist ein Vorwurf, der ehrlicherweise nicht die Opposition treffen kann, sondern die bayerische Kultuspolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ihre Politik ist im Zentrum der Kritik, Ihr Versagen bei der Mittelbereitstellung für die Sozialarbeit an Schulen, Ihre Vernachlässigung der Hauptschulen, Ihre schulische Ausgrenzungspolitik gegenüber jenen, die nicht an der Spitze, sondern am unteren Ende der Bildungspyramide stehen.

Dem SPD-Antrag – das zum Schluss – stimmen wir zu, nicht weil der Antrag der Weg ist, aber weil er der erste Schritt ist. Den sollte man belohnen. Deshalb gibt es von uns Zustimmung. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für die SPD hat sich Frau Kollegin Pranghofer noch einmal zu Wort gemeldet. Sie haben noch zwei Minuten 41 Sekunden.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil es eine Unverschämtheit ist, sich hier herzustellen, Frau Stierstorfer,

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

ein Programm herunterzupredigen, das Sie in jeder Zeitung nachlesen können, und nichts dazu zu sagen, wie Sie die Jugendlichen, die aus der Schule entlassen werden, in eine Ausbildung bringen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Das ist wirklich eine Vernachlässigung von Schülerinnen und Schülern, denen, überwiegend in den Hauptschulen, keine Ausbildungsangebote mehr gemacht werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Sie werden jedes Jahr, und das tun Schülerinnen und Schüler schon seit vielen Jahren, aus der Hauptschule gehen ohne einen Ausbildungsplatz. Sie werden damit einfach keine Perspektive haben. Sie lassen sie jedes Jahr wieder ohne Ausbildungsangebote, ohne Qualifi zierungsangebote.

Es wird durchaus erkannt, dass die Ausbildungssituation ein Problem ist. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 4. April