Protocol of the Session on April 25, 2006

Wichtig ist es auch, auf die regionalen Partner zu schauen, mit ihnen zusammenzuarbeiten und auf die regionalen Gegebenheiten zu achten.

Kolleginnen und Kollegen, Herr Staatssekretär, schauen Sie sich einmal an, was Nürnberg macht. Die berufl ichen Schulen in Nürnberg werden für alle, die keinen Ausbildungsplatz bekommen, ein Berufsgrundausbildungsjahr – so nennen sie es – aufl egen. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel. Dort heißt es Berufsgrundausbildungsjahr, wobei ich leidenschaftslos bin in der Frage, wie das Kind heißt. Die Kammern werden dort mit eingebunden. Die Kammern werden diese Maßnahme zertifi zieren. Dieses Berufsgrundausbildungsjahr wird auch auf die spätere Ausbildung, die dann hoffentlich folgen wird, angerechnet. Sechs Klassen für je 30 Schüler sind geplant. Der Stoff wird analog der Ausbildung von Lehrlingen im ersten Ausbildungsjahr einer dualen Ausbildung vermittelt werden. Warum bringt die Staatsregierung nicht fertig, was Nürnberg macht?

(Beifall bei der SPD)

Wir befi nden uns mit unserem Vorschlag in guter Gemeinschaft mit dem Landeskomitee der Katholiken, das sich vehement für ein solches Werkstattjahr einsetzt. Auch die katholische Jugendsozialarbeit der Caritas sieht es so. Sie alle haben sicherlich dieses Anschreiben bekommen. Ich zitiere aus dem Brief:

Modelle wie exemplarisch ein Werkstattjahr können durch einen Ausbau in ganz Bayern wertvolle Beiträge leisten zur Eröffnung von Lebensperspektiven von Schülerinnen und Schülern mit schlechten Startchancen.

Das können Sie doch nicht ablehnen. Dass das etwas kostet, ist natürlich keine Frage. Dazu müssen Sie Geld in die Hand nehmen. Die jungen Menschen müssen uns das aber wert sein, und sie sind es uns auch wert. Sie haben Geld in die Hand genommen, um die sechsklassige Realschule einzuführen. Sie haben Geld in die Hand

genommen, um das achtjährige Gymnasium einzuführen. Sie haben Geld, woher auch immer, in die Hand genommen, um eine Task Force zu fi nanzieren. Das alles war kein Problem für die CSU-Fraktion, für die Staatsregierung, für die Haushaltspolitiker und für den Finanzminister. Für Jugendliche ohne einen Ausbildungsplatz muss genauso Geld da sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir dürfen diese Jugendlichen, die überwiegend Hauptschulabsolventen sind, nicht draußen vor der Türe stehen lassen. Auch das ist Integrationspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Integrationspolitik hat viele Gesichter. Ein Gesicht davon kann sein, dass wir fl ächendeckend ein Werkstattjahr einführen.

Meine Damen und Herren von der CSU, die vielen Maßnahmen, die bisher ergriffen worden sind – der Markt auf diesem Gebiet ist sehr unübersichtlich –, reichen nicht aus. Weder „Fit for Work“ noch sonstige Maßnahmen reichen aus. Die Zahl der Ausbildungsstellen hat abgenommen. Im April 2006 sind 4022 Ausbildungsangebote weniger gemeldet worden als im April 2005. Wir haben aber mehr Jugendliche, weil wir zunehmend die geburtenstarken Jahrgänge bekommen. Die Maßnahmen reichen daher nicht aus.

Über die Ausgestaltung eines Werkstattjahres, wie wir es fordern, können wir reden; das ist überhaupt keine Frage. Wichtig ist, dass etwas passiert. Ein Werkstattjahr würde daher helfen. Die jungen Menschen hätten damit ein Angebot und damit auch eine Lebens- und eine Zukunftschance. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag und beantrage dazu namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der SPD)

Namentliche Abstimmung ist beantragt. Das wurde auch schon über Lautsprecher bekannt gegeben. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stierstorfer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag fordert die SPD-Fraktion die Bayerische Staatsregierung auf, zur Verbesserung der Berufschancen und der Erhöhung der Ausbildungskapazitäten von Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag ein Sofortprogramm analog der Initiative „Werkstattjahr“ des Landes Nordrhein-Westfalen aufzulegen und dem Landtag einen Bericht über den Vermittlungserfolg der Maßnahme und Initiative „Fit for Work 2005“ zu geben. Ich möchte betonen, dass es mir und meinen Kolleginnen und Kollegen von der CSU im sozialpolitischen Ausschuss ein großes Anliegen ist, Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz eine berufl iche Perspektive zu geben.

Unser besonderes Interesse gilt dabei den Jugendlichen in Bayern, die in Eingangsklassen und in Jungarbeiter

klassen an den Berufsschulen unterrichtet werden. Wir haben den vorliegenden Antrag im Sozialausschuss deshalb bereits intensiv behandelt und dann beschlossen, aus fachlichen Gründen eine Ablehnung des Antrags zu empfehlen.

(Christa Steiger (SPD): Ach, aus fachlichen Gründen!)

Ich möchte Ihnen die Gründe hierfür im Folgenden darstellen. Das von der SPD geforderte Werkstattjahr ist, übrigens auch nach Einschätzung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, eine reine Parkmaßnahme. Bayern hingegen setzt mit „Fit for Work“ insbesondere darauf, Jugendliche möglichst schnell in eine Ausbildung zu bringen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Bayern macht lieber gar nichts!)

An bayerischen Schulen gibt es derzeit rund 21 000 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Davon sind 3300 im Berufsvorbereitungsjahr, 3300 Jugendliche sind in Maßnahmen der Arbeitsverwaltung, und die restlichen 14 000 Jugendlichen sind ohne Maßnahme.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das sind keine Parkmaßnahmen?)

Ein gewisser Teil dieser Jugendlichen ist nicht ausbildungsfähig. Der größere Teil ist zwar durchaus ausbildungsfähig, aufgrund des mangelnden Ausbildungsplatzangebots aber nicht untergekommen. Um diese Jugendlichen geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren. Für diese Jugendlichen ist das Werkstattjahr nicht die optimale Lösung, weil diese Maßnahme nicht genügend differenziert ist.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): So ein Schmarr‘n!)

Zwei Tage in der Schule, zwei Tage beim Träger und ein Tag im Betrieb, das ist zu pauschal, um auf die jeweilige Situation eingehen zu können.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da tut die Staatsregierung lieber gar nichts!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, unserer Meinung nach ist es sinnvoller, die bestehenden Strukturen im Freistaat Bayern zu nutzen und zu intensivieren.

(Unruhe bei der SPD)

Das gilt insbesondere für das kooperative Berufsvorbereitungsjahr. Dort fi ndet, ähnlich wie beim Werkstattjahr, eine Kooperation statt.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD)

Hören Sie doch bitte zu. Es fi ndet eine Kooperation zwischen Berufsschule, freiem Träger und gegebenenfalls

der Praktikumsstelle statt. Außerdem wird es später - und das ist für uns wichtig - auf die Ausbildungszeit angerechnet. Dies ist gesamtwirtschaftlich betrachtet die günstigere Lösung, und sie gibt den Jugendlichen eine Perspektive, da ein Grundstein für eine anschließende Ausbildung gelegt wird.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch beim Werkstattjahr das Gleiche! So ein Schmarr‘n!)

Mit den kooperativen Modellen gibt es gute Erfahrungen. Die Vermittlungsquote liegt bei circa 50 %. Im kooperativen Berufsvorbereitungsjahr ist auch die sozialpädagogische Betreuung inbegriffen. Die Jugendlichen, die noch nicht ausbildungsfähig sind, werden gut vorbereitet, sodass sie eine gute Möglichkeit haben, zu einem Ausbildungsverhältnis zu gelangen. Die persönliche Entwicklung wird unterstützt, sodass die Jugendlichen das Kriterium der Ausbildungsreife erfüllen können. Ein zusätzlicher und äußerst erfreulicher Nebeneffekt dieses Weges ist, dass mit dem erfolgreichen Absolvieren des Berufsvorbereitungsjahres automatisch der Hauptschulabschluss erworben wird, ohne dass dafür eine zusätzliche Prüfung abgelegt werden muss.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wie viele dieser Maßnahmen gibt es denn?)

Eine weitere Fördermöglichkeit für sehr schwache Jugendliche ist das Praxisklassen-Programm. Hier gibt es zwei Förderschienen: Einerseits werden Kleinbetriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern gefördert, andererseits auch größere Betriebe, wenn diese zusätzliche Altbewerber einstellen.

(Unruhe bei der SPD – Glocke der Präsidentin)

Dies wurde bewusst eingeführt, um gerade diese Jugendlichen zu unterstützen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zurufe von der SPD: Das ist doch eine Frau! Wir haben eine Frau Präsidentin!)

Der Freistaat Bayern hat eine Menge getan. Trotzdem muss man sich der Verantwortung gegenüber den Jugendlichen bewusst sein, die keine Perspektiven haben. Es muss versucht werden, diese Jugendlichen im Arbeitsmarkt unterzubringen und sie zu qualifi zieren. Hierfür wurde auch aus den Privatisierungserlösen der Arbeitsmarktfonds „Zukunft Bayern II“ aufgelegt. Seit 1997 wurden insgesamt 320 Projekte mit verschiedenen Schwerpunkten gefördert. Bayernweit wurden 22 neue Projekte aufgelegt, die mit 3,3 Millionen Euro gefördert wurden. Für Jugendliche auf Lehrstellensuche gibt es 16 verschiedene Projekte. Da kann man doch wirklich nicht sagen, dass der Freistaat sich seiner Verantwortung nicht bewusst wäre!

Den Freistaat hat die große Inanspruchnahme des Ziel-3Programms insgesamt 11,25 Millionen Euro gekostet. Selbst dann, wenn sämtliche noch freien Mittel genutzt würden, könnte das Werkstattjahr nicht fi nanziert werden. Der derzeitige Finanzierungszeitraum des Europäischen Sozialfonds endet mit Ablauf des Jahres 2006.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD – Glocke der Präsidentin)

Wie es in der neuen Förderperiode ab 2007 weitergeht, steht bislang nicht fest. Insgesamt hat Bayern mehr als 22 Millionen Euro für die Schaffung zusätzlicher Qualifi zierungsangebote aufgewendet. Mit dieser Unterstützung konnten aufgrund der Ausbildungsinitiative mehr als 4700 jungen Menschen Perspektiven eröffnet werden. Zudem wurden landesweit 43 Arbeitsbildungsakquisiteure gefördert und 185 Mobilitätshilfen für Lehrlinge bewilligt.

Eine gute Zukunft für unser Land schaffen wir nur, wenn wir dafür sorgen, dass wir allen unseren Jugendlichen eine Chance bieten. Dazu müssen wir alle Anstrengungen unternehmen und diese Anstrengungen verstärken, zusammen mit den Verbänden, mit der IHK, mit den Schulen, mit der Handwerkskammer und mit der Wirtschaft. Die Wirtschaft hat im Jahr 2005 mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt. Wir brauchen die Wirtschaft im Boot. Ich appelliere deshalb auch an die Wirtschaft, noch mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. In den kommenden Jahren wird es weniger Auszubildende geben.

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wer hier und heute investiert, investiert in die Zukunft. Der Auszubildende von heute ist der erfahrene Mitarbeiter von morgen.

(Christa Steiger (SPD): Genau!)

Zur Forderung der SPD, dem Landtag einen Bericht über den Vermittlungserfolg der Initiative „Fit for Work“ zu geben, möchte ich Folgendes ausführen: Ein Bericht wurde, soweit die betreffenden Zahlen vorliegen, im sozialpolitischen Ausschuss bereits am 26. Januar 2006 gegeben.

(Christa Steiger (SPD): Darum habe ich das auch überhaupt nicht erwähnt!)