Protocol of the Session on April 25, 2006

Im Innenausschuss wurde unser Antrag kritisiert: Wir hätten ihn nicht bis ins Detail ausgeführt. Er enthielt aber genau das, was wir wollten. Wir wollten eine gewisse Flexibilität erreichen. Entsprechend haben wir den Antrag offen formuliert. Er hat dem Innenministerium etwas Spielraum eingeräumt, damit ein für beide Seiten tragfähiges Ergebnis dabei herauskommt.

Ich habe vor einigen Wochen in den „Nürnberger Nachrichten“ gelesen, dass Sie jetzt endlich ein bisschen reagiert haben. Vonseiten der CSU-Fraktion und der Staatsregierung hat man aber noch nichts gehört. Es geht darum, Polizistinnen und Polizisten, die im Schichtdienst tätig sind, zwei zusätzliche Urlaubstage zu geben.

Über das Ergebnis freue ich mich natürlich für die 15 000 Polizistinnen und Polizisten, die Schichtdienst leisten. Es war ein langer Kampf, bis Sie endlich zumindest ein paar Zugeständnisse gemacht haben. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Berufsvertretungen bedanken, die nicht nachgegeben und weiter gekämpft haben, genauso wie wir von der SPD-Fraktion. Allerdings ist dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Man hat den Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei elf Freischichten genommen und gibt ihnen jetzt eventuell zwei zurück, wenn man den Medien glauben darf.

Interessant fi nde ich auch die Entscheidung Ihres Fraktionsvorsitzenden Herrmann. Sie wurde genau zwei Tage vor der letzten Plenumssitzung, in der dieser Antrag aufgerufen werden sollte, getroffen. Das zeigt mir, dass auch Anträge der Opposition irgendwann zum Erfolg führen können. Unser Antrag hat sich aufgrund Ihrer medialen Absichtserklärung aber nicht erledigt. Sie können mit einer Zustimmung zu unserem Antrag zeigen, dass es Ihnen wirklich Ernst damit ist, etwas für die Beamtinnen

und Beamten bei der Polizei im Schichtdienst und auch bei den Justizvollzugsbeamten im Schichtdienst zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schuster, Sie haben für Ihre Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Die Abstimmung ist über Lautsprecher schon angekündigt worden. Wenn wir diese Beratung abgeschlossen haben, können wir gleich die namentliche Abstimmung vornehmen.

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Peterke von der CSU-Fraktion.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich als, wie mir nachgesagt wurde, Fachmann zur Sache sprechen werde, möchte ich zum SPD-Antrag Stellung nehmen.

Ich empfehle, diesen Antrag abzulehnen. Warum? – Ganz einfach deswegen, weil er in die Kategorie der jährlich wieder vorzulegenden und aus der untersten Schublade zu entnehmenden Regelanträge gehört. Dieses Regularium kennen wir. Wir haben es im Innenausschuss mehrfach erlebt. Dort haben wir die Diskussion auch mehrfach geführt.

(Zurufe von der SPD)

Nicht zuletzt deswegen, lieber Herr Kollege Wörner, werden wir diesem Antrag nicht näher treten. Sie können sich beruhigen. Wir werden ganz ruhig zur Sache reden. Da gibt es noch wesentlich bessere Argumente, als sie Herr Kollege Schuster aus seiner Sicht vorgetragen hat. Sie müssen eben aufpassen und dürfen nicht immer dazwischenreden.

Das zweite Argument dafür, dass dieser Antrag nicht zustimmungsfähig ist, ist die Tatsache, dass er oberfl ächlich gehalten ist. Sie entziehen sich Ihrer Verantwortung, indem Sie oberfl ächlich eine nicht näher zu bestimmende Menge an zusätzlichen Urlaubstagen fordern. Sie müssen auch sagen, wie viele es sein sollen. Das habe ich Ihnen bereits in der Ausschusssitzung gesagt. Es gilt, es hier zu wiederholen. Eine klare Defi nition, eine klare Summe, eine klare Aussage hätte die Diskussion sicher anders aussehen lassen als dieser Antrag, der sich als nur oberfl ächlich darstellt.

Dieser Antrag enthält insbesondere keine Angabe über Finanzierung und Gegenfi nanzierung. Eine solche Angabe wäre aber Pfl icht.

In Ihrer Pressemitteilung sprechen Sie von einem Tropfen auf den heißen Stein und auch davon, dass die CSU-Fraktion mit den beabsichtigten zwei Tagen Zusatzurlaub für die Schichtdienstleistung die Polizei ruhig stellen möchte. Damit sind Sie sehr über den Rahmen dessen, was hier zu sagen ist, hinausgegangen. Ich weise diese Formulierung ganz entschieden zurück.

Aus diesen ganz konkreten Gründen lehnen wir den Antrag ab.

Ich nehme noch einmal zur Situation und damit zur Sache Stellung. Sie haben die Gegebenheiten von 2003 und 2004 erwähnt. In der Tat war es eine Situation, die uns zum Handeln gezwungen hat. Die entscheidende Frage damals – wie heute – war: Gehaltskürzungen oder Arbeitszeiterhöhungen? Die Lebensarbeitszeit stand hier genauso im Brennpunkt der Diskussion wie viele andere Fragen.

Ich erinnere mich noch gut an die Mahnungen einer ganzen Reihe von Berufsvertretern und Spitzenleuten der Gewerkschaften: Geht bei der Polizei nicht an die Lebensarbeitszeit bis zum Lebensalter von 60 Jahren heran; allenfalls schlucken wir die 42 Stunden. Es ging nicht darum, dass wir es so wollten, sondern darum, dass es so entschieden werden musste. Genauso haben wir entschieden, und deshalb sind wir diesen Weg gegangen.

Wir haben die Arbeitszeit pro Woche auf 42 Stunden erhöht, und zwar nicht nur für die Polizei, sondern für alle Beamten. Das hat natürlich bewirkt, dass durch diese Arbeitszeiterhöhung bei den Schichtdienstleistenden mit Überstunden – diese Leute haben schon immer 42 Stunden gearbeitet – eine Kompensation eingetreten ist, wodurch die so genannten Freischichten wegfi elen.

Das ist richtig. Andererseits muss aber auch gesagt werden, dass für die Regelschichtdienstleistenden, die 150 Stunden im Jahr und mehr Nachtschicht leisten, nach wie vor im Rahmen der Urlaubsverordnung bis maximal sechs Zusatztage im Jahr für die Beamten bis 50 Jahre gewährt werden, und für die Beamten, die über 50 Jahre sind, sieben Tage; denn da greift die Arbeitszeiterhöhung in der Woche auf nur 41 Stunden, Der Anteil jener über 50 Jahre liegt bei etwa 8 %, wie das Ministerium berichtet hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CSU-Fraktion hat die Schichtdienstleistenden und ihre Belastung nicht vergessen, ganz im Gegenteil. Ich weiß, wovon ich rede. Wie Kollege Schuster bei der Feuerwehr, war auch ich – allerdings in grauen Vorzeiten – viele Jahre im Schichtdienst. Aber dieser hat sich bis heute nicht geändert.

(Ludwig Wörner (SPD): Selbstverständlich!)

Ich weiß, wie belastend der Schichtdienst ist und wie stark er die Arbeitskraft beeinfl usst. Andererseits haben sich die größten Freizeitmöglichkeiten aus dieser Beschäftigung ergeben.

Wir haben uns immer im Rahmen der Möglichkeiten darum bemüht – ich sage ausdrücklich, dass das auch für den Innenminister gilt –, eine Regelung zu fi nden und eine Verbesserung für die Schichtdienstleistenden bei der bayerischen Polizei zu erreichen. Das Anliegen ist grundsätzlich berechtigt. Ich wiederhole ganz konkret: Es geht nicht um das Wollen, sondern es geht um das Können, wenn wir verantwortungsvolle Politik auch in Bezug auf den soliden Haushalt machen wollen. Die Antwort darauf

wäre gewesen, dass wir uns nicht nur wegen der Polizei, sondern wegen des gesamten Spektrums hätten verschulden müssen. Dies war nicht die Zielrichtung der CSU-Landtagsfraktion – ich glaube letztendlich mit Erfolg.

In eine künftige neue Regelung ist der Justizvollzugsdienst einzubinden – ich sage das ausdrücklich –; denn auch hier gelten die gleichen Kriterien wie bei der Polizei.

Ich möchte die konstruktive Mitarbeit der Polizeigewerkschaft und der Berufsvertretungen nicht unerwähnt lassen. Es war durchaus richtig, die Vorschläge wie etwa Faktorisierung der Stundenzeit ernsthaft zu prüfen. Auch hier gilt, was ich bereits gesagt habe: Sie müssen sich im Rahmen der Möglichkeiten bewegen, die wir haben. Es geht nicht darum, ob wir das wollen. Letztendlich muss es möglich und vertretbar sein.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Zwei Tage Zusatzurlaub sind signalisiert. Das ist ein Erfolg, meine Damen und Herren. Damit wird den besonderen Belastungen des Schichtdienstes im Vollzug sicherlich nicht in Gänze entgegengekommen. Es ist aber eine deutliche Anerkennung, und das wird zu einer deutlichen Entspannung führen. Was kostet uns das? – Es wäre unredlich und unseriös, wenn wir die stellenbezogene Gegenrechnung nicht aufmachen würden. Zwei Tage Zusatzurlaub bei der Polizei und beim Justizvollzugsdienst kosten uns rund 160 Stellen mit einem Aufwand von etwa 6 Millionen Euro. Betroffen sind nach meiner Rechnung 11 000 Schichtdienstleistende – Sie haben eine Zahl von 15 000 genannt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): 11 000 hat er gesagt)

Das ist nicht ganz nachzuvollziehen. Es sind eher 11 000 Schichtdienstleistende bei Polizei und Justizvollzugsdienst. Aber – jetzt kommt eine Komponente, die wir auch im Rahmen unserer politischen Gesamtverantwortung beachten müssen – nicht nur Polizei und Vollzugsdienst leisten Nachtdienst. Die Zahl derer, zum Beispiel in den Kliniken und Krankenhäusern, die unter den gleichen Belastungen arbeiten müssen, wird auf etwa 66 000 beziffert.

(Ludwig Wörner (SPD): Das geht am Problem vorbei!)

Nein, das geht nicht am Kernproblem vorbei. Auch sie haben unter den typischen Belastungen von Nacht- und Schichtdienst zu leiden.

(Christa Steiger (SPD): Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Jetzt stehen wir vor der Frage, ob 5 bis 6 Millionen Euro – wahrscheinlich 6 Millionen Euro – zu vertreten und zu leisten sind. Ich sage: Ja, das ist vertretbar und richtig und wird zu einer deutlichen Entspannung führen, auch dann,

wenn wir bei den Beratungen zum Doppelhaushalt eine Regelung anstreben, die die Verteilung von einem Tag auf 2007 und einem Tag auf 2008 vorsieht. Der Fraktionsvorsitzende hat bereits in einer Pressemitteilung signalisiert, dass er diese Regelung unterstützen wird. Ich glaube, dass diese Absicht am Ende konsensfähig werden wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer aber den Abbau der Belastungen nur mit neuen, zusätzlichen Urlaubstagen im Schichtdienst für möglich hält, trifft nicht den Kern der Sache.

(Ludwig Wörner (SPD): Das habe ich gesagt!)

Ich sage das ausdrücklich. Wir müssen redlich über kreative Möglichkeiten der Entlastung nachdenken. Ich habe immer die Bemühungen vieler Dienststellen und Polizeidirektionen unterstützt, den Schichtdienst im gesamten Bereich zu fl exibilisieren. Inzwischen laufen langjährige Modelle. Noch nie hatte die Polizeibasis so viele Möglichkeiten der eigenen Gestaltung, wie das gegenwärtig der Fall ist. Das ist zu begrüßen und zu unterstützen. Dies liegt voll im Trend und fi ndet immer mehr und sehr gute Akzeptanz. Das ist entscheidend. Das ist ein Weg, der gegangen werden muss, um Möglichkeiten zu schaffen, den einen oder anderen Nachtdienst zu verkürzen oder zu konzentrieren, um mehr Freizeitmöglichkeiten, etwa für die Familie, zu haben und eine wesentliche Verbesserung zu erreichen.

Auch das nächste Element sei nicht unerwähnt. Wir müssen es zwar noch prüfen, aber ich formuliere das als Forderung: Es ist die Möglichkeit der Übertragung der Nachtdienststunden auf das nächste Jahr. Nach der bisherigen Regelung verfallen die nicht als Freizeit verbrauchten Nachtdienststunden, weil sie nicht angerechnet werden konnten. Wenn wir die Möglichkeit schaffen, diese Stunden in das nächste Jahr zu übernehmen, schaffen wir automatisch Möglichkeiten und Korridore, um weitere Freizeitmöglichkeiten wegen der Belastungen im Schichtdienst einzuführen.

Ich glaube, das alles zusammen ist ein durchaus anerkennenswerter Entschluss.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Zwei Tage Zusatzurlaub zu geben, die Schichtdienstzeiten weiter zu fl exibilisieren und die Übertragung der Nachtdienststunden auf das nächste Jahr einzuführen, ist eine sehr gute Regelung, die sicherlich von der Polizei begrüßt werden wird. Deswegen sind wir insgesamt gesehen auf einem sehr guten Weg.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Insbesondere sehr geehrte Kollegen der CSU, Sie haben die 42

Stunden-Woche eingeführt, ohne die besonderen Härten und Anforderungen des polizeilichen Schichtdienstes zu berücksichtigen, obwohl Sie diese – wie Herr Kollege Peterke ausgeführt hat – kennen. Entsprechende Initiativen zur Verbesserung der Situation der Schichtdienstleistenden unsererseits haben Sie abgelehnt. Ihnen müsste bekannt sein, dass die 42-Stunden-Woche zu erheblichen zusätzlichen Belastungen führt. Sie ist familienfeindlich. Sie erschwert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf insbesondere für junge Familien, und sie dient im massiven Umfang dem Abbau von Polizeidienststellen.

Die zusätzlichen Belastungen der 42-Stunden-Woche können vielleicht leichter weggesteckt werden, wenn es um eine Tätigkeit tagsüber geht und eine gewisse Arbeitszeitfl exibilität gegeben ist. Dies trifft für den polizeilichen Schichtdienst nicht zu. Hier hat man wechselnd Frühschicht, Spätschicht und Nachtschicht ohne jegliche Arbeitszeitfl exibilität.

Da hilft es nicht viel, dass die Lebensarbeitszeit nicht verlängert wurde. Die gesundheitlichen Belastungen aus einem solchen Schichtdienst treffen die Beamten schon wesentlich früher.

Hinzu kommt, dass Bürgerinnen und Bürger zu einem nicht vorhersehbaren Zeitpunkt auf die volle Einsatzbereitschaft eines Schichtdienst Leistenden angewiesen sein können. Meine Kollegen und Kolleginnen von der CSU, Ihre Infl exibilität ist ein negativer Beitrag zu unserer inneren Sicherheit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)