Ich habe schon vor Jahren die Scheinheiligkeit der CSU gegeißelt, landauf landab dafür einzutreten, endlich den so genannten verknöcherten öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzuschränken und durch private Medien zu ersetzen. Das hat man getan. Gleichzeitig hat die FrauenUnion Unterschriften gegen bestimmte Sendungen gesammelt, die in den privaten Sendern gezeigt wurden. – So ist es.
Kein Thema eignet sich besser zur öffentlichen Polarisierung als Glaubensfragen. Das ist eine Jahrhunderte alte Erkenntnis, die auch im Jahre 2006 – 200 Jahre nach Immanuel Kant – bei der CSU immer noch hoch gehalten wird. Deswegen ist dieses Thema heute auf die Tagesordnung gekommen.
Jeder wird Ihnen Recht geben: Wir brauchen mehr Respekt vor der religiösen Überzeugung anderer. Den hätte ich von Ihnen erwartet, Herr Kollege Herrmann, Herr Kollege Welnhofer, und von allen, die von Ihrer Seite geredet haben, als es um die Kopftuch-Debatte ging, da waren Sie mit Ihrem Urteil sehr schnell und respektlos.
Sie haben sehr schnell gewusst, dass das Kopftuch, wenn es denn von einer Muslima getragen wird, gefährlich ist.
Auf meine Anfrage von vor zwei Wochen, ob es denn überhaupt einen solchen Fall gegeben habe, zeigte sich,
dass es keinen Fall gegeben hat. Das hat man vorher auch gewusst. Das hat man ahnen können. Sie haben es gewusst und haben dieses Thema dennoch „aufgeblasen“, weil Sie damit Wählerstimmen gewinnen wollten.
Respekt vor religiösen Überzeugungen ist für uns selbstverständlich. Das muss man uns nicht sagen. Meine Damen und Herren, in Klammern möchte ich nur anfügen: 60 Jahre, bevor die Christlich-Soziale Union gegründet worden ist, und 110 Jahre, bevor die GRÜNEN gegründet worden sind, hat der erste Vorsitzende der bayerischen SPD, Georg von Vollmar, in der Schweizergarde des Papstes gedient. Das sollten Sie als Spätgeborene immer im Hinterkopf haben.
Wir verlangen – genauso wie Sie – Respekt vor religiösen Überzeugungen. Wir verlangen aber auch Respekt vor anderen Überzeugungen, nicht nur vor Überzeugungen religiöser Art. Sie verengen hier den Blick ein bisschen.
Wir leben in einer säkularisierten Welt. Das kann man bedauern oder nicht. Wir haben über dieses Thema bereits im Zusammenhang mit dem Kopftuch diskutiert und festgestellt, dass auch in einem Land wie unserem schönen Bayern, das seit 50 Jahren von der CSU regiert wird, nicht verhindert werden konnte, dass sich immer weniger Menschen einer christlichen Religion zugehörig fühlen, die Kirchen besuchen oder tatsächlich religiös sind. Auch in diesem schönen Bayern gibt es eine Tendenz zur Säkularisierung. Auch die CSU muss das zur Kenntnis nehmen.
Die entscheidende Frage lautet: Was wollen Sie eigentlich? – Heute wurde gesagt, Sie wollen das Schutzgut des § 166 des Strafgesetzbuchs ändern. Bisher war das der öffentliche Friede, künftig soll es das Toleranzgebot sein. Nun ist dieser Gedanke nicht ganz neu; er hat schon eine gewisse Patina angesetzt. Die jetzige Fassung des § 166 geht nicht – wie das ein Kommentator vor einigen Tagen geschrieben hat – auf sozialliberale Verirrungen zurück. Er war vielmehr ein Werk der großen Koalition im Jahre 1969. Damals wurde der Gotteslästerungsparagraph abgeschafft und die jetzige Fassung des Gesetzes eingeführt.
Was hat sich in diesen 37 Jahren rechtlich verändert? – Wenn man bei den Staatsanwaltschaften nachfragt, wie viele Verfahren es gegeben hat, stellt man fest, dass sich die Zahl nicht verändert hat, sondern in etwa gleich geblieben ist. Die Zahl der Anzeigen, der Verfahren, der Verurteilungen und der Einstellungen von Verfahren ist seit 37 Jahren konstant geblieben. Geändert hat sich lediglich die Not der CSU, sich zu profi lieren. Das Problem als solches hat sich nicht verändert und ist im Jahre 1969 zufrieden stellend geregelt worden. Es bedarf keiner Änderung des § 166 des Strafgesetzbuches, zumal es auch noch andere Paragraphen im Strafgesetzbuch gibt, die vor Geschmacklosigkeiten schützen, wie sie die
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Zeit häufen sich Themen, die sich immer auf die gleiche Grundfrage zurückführen lassen, nämlich die Frage nach den Wertefundamenten unserer Gesellschaft. Ich stimme meinen Kollegen zu: Halt und Orientierung sind in Teilen erkennbar verloren gegangen. Für einen Bildungspolitiker ist dies eine Bestätigung für die große Notwendigkeit der Werteerziehung von Schülerinnen und Schülern. Zu dieser Werteerziehung gehört die Vermittlung von Toleranz und Respekt. Hier sind wir alle einer Meinung. Dies ist der wichtigste Beitrag zur Verhinderung eines Kulturkampfes, nicht etwa die Gleichgültigkeit gegenüber der Verletzung von religiösen Gefühlen.
Wer muss die Vermittlung von Werten, die Werteerziehung, leisten? – Wir sind uns sicherlich einig: Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Schule leistet hier viel. In Artikel 131 der Bayerischen Verfassung ist festgelegt, dass die Bildung von Herz und Charakter notwendig ist und die Ehrfurcht vor Gott und die Achtung religiöser Überzeugungen vermittelt werden sollen. Dazu gehören die Toleranz und der Respekt vor anderen religiösen Bekenntnissen. Dies schlägt sich in den Lehrplänen und im Unterricht nieder.
In Bayern gehört auch ein klares Ja zur religiösen Bildung dazu. Das Fach Religion gehört in Bayern zum Pfl ichtunterricht. Anders in Berlin: Dort wurde das Fach Religion als Pfl ichtfach abgeschafft und dies auch noch als Toleranz bezeichnet. Neben vielen Fehlern bei der Integration ist dies ein weiterer Schritt, der zur Erosion des Wertefundaments beiträgt. Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass so etwas auf Dauer nicht gut gehen kann.
Die Eltern leisten hier sehr viel. Auch die Gesellschaft muss viel leisten und tut dies auch: die Träger der Jugendarbeit, die Vereine, die Unternehmen. Die Medien sollten ebenfalls einen Beitrag leisten. Es wäre schön, wenn auch die Firma MTV aufgrund dieser Debatte ihren Beitrag leisten würde. Leider ist das Gegenteil der Fall. MTV zeigt Intoleranz und konterkariert damit die Bemühungen der Eltern, der Lehrer und der Träger der Jugendarbeit.
An die Adresse von MTV möchte ich sagen: MTV beleidigt das religiöse Gefühl vieler. MTV tut dies als Musiksender, der gerade von Jugendlichen gesehen wird, auch noch vor dem Osterfest und aus Kommerzgründen. Statt sich mit fadenscheinigen Begründungen herauszuwinden, sollte sich MTV lieber entschuldigen und auf die Ausstrahlung dieser Sendung verzichten. Das wäre ein wichtiger Schritt, vor allem für die jungen Zuschauer dieses Senders.
Was können wir als Politiker tun? – Wir sollten uns stärker für unsere religiösen Überzeugungen einsetzen sowie Toleranz und Respekt einfordern. Dazu ist diese heutige Debatte ein wichtiger Beitrag. Dies ist der wichtigste Schritt gegen einen Kulturkampf. Deswegen ist es wichtig, dass es diese Debatte und diesen Widerstand gibt. Richtig ist auch, dass der Fraktionsvorsitzende der CSU eine Strafanzeige eingeleitet hat. Wichtig ist außerdem, dass der § 166 des Strafgesetzbuchs reformiert wird. Dies ist seit Jahren ein Anliegen der CSU.
Ich möchte mit einem Wunsch schließen: Diese Serie wurde bisher in keinem Land Europas gesendet. Deutschland sollte bei dieser Geschmacklosigkeit kein Vorreiter sein.
Herr Präsident, Hohes Haus! Zitat: „Ein durchgeknallter Papst und ein krimineller Kardinal bedingen ungewolltegewollte Todesfälle, die Versklavung von Kindern und weitere äußerst seltsame Vorfälle in ‚Popetown’.“
So lautet die Werbung des Berliner Musiksenders MTV für die neue Zeichentrickserie „Popetown“. Diese Darstellung ist nicht nur respekt- und geschmacklos, sie ist auch dumm.
Sie ist Ausdruck einer stetig voranschreitenden Verwilderung von Sitten. Manchen Medienverantwortlichen scheint der schnelle Gag über allem zu stehen. Ihnen ist buchstäblich nichts mehr heilig. Joachim Herrmann hat sich intensiv zum Inserat von MTV geäußert und deutlich gemacht, dass damit die Grenzen des für Christen Tolerablen weit überschritten sind.
Bereits die Ankündigung hat zu einem Aufschrei in der Bevölkerung geführt. Die Menschen fühlen sich in ihrem religiösen Empfi nden zutiefst verletzt. Das ist zumal deswegen so, weil sich dieses Machwerk in eine Serie ähnlicher Produkte einreiht, Produkte, mit denen der christliche Glaube verhöhnt wird. Uns allen ist die Diskussion um die Mohammed-Karikaturen, die eine Beleidigung für Moslems waren, noch präsent.
Forderungen nach einem besseren Schutz der religiösen Gefühle unserer Bürgerinnen und Bürger – ob christlichen oder anderen Glaubens – sind deshalb nur zu verständlich. Mit Recht haben auch die christlichen Kirchen gegen MTV protestiert.
Nach derzeitigem Stand müssen wir jedoch davon ausgehen, dass der Sender trotz der wohlbegründeten Pro
teste an seiner Absicht festhält und dieses Machwerk zur Schau stellt, sodass wir uns nur wünschen können, dass möglichst wenige Zuschauer vor den Bildschirmen sitzen und dass die Einschaltquoten dieser Sendung so schlecht sind, dass sie baldmöglichst abgesetzt wird.
Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum, im Dialog darauf hinzuwirken, dass solche Sendungen überhaupt nicht ausgestrahlt werden. Es geht auch darum, für den Fall, dass man im Dialog nicht erreicht, dass solche Sendungen zurückgezogen werden, einen gesetzlichen Schutz für religiöse Bekenntnisse zu erhalten. Klar ist, dass aufgrund dieser und anderer Ereignisse auch der strafrechtliche Schutz religiöser Bekenntnisse auf den Prüfstand gestellt werden muss; denn das, was Sie, Herr Werner, als Souveränität bezeichnen, ist nichts anderes als das berühmte Vogel-Strauß-Verhalten, nämlich den Kopf in den Sand zu stecken.
Ich denke, es sind eher die GRÜNEN, die Nachhilfe brauchen, was den Schutz dieser Werte angeht. Wir bemühen uns seit vielen Jahren um diesen Schutz. Staatsregierung und Unionsfraktion im Bundestag haben bekanntlich mehrere Vorstöße zu einer Novellierung des § 166 des Strafgesetzbuches – StGB – unternommen, aber sie haben bislang nie die dafür erforderliche Unterstützung und Rückendeckung erhalten.
Lassen Sie mich kurz den Ausgangspunkt des Gesetzgebers darstellen. § 166 Absatz 1 des StGB lautet in der derzeitigen Fassung: „Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Unsere bisherigen Initiativen zielten darauf ab, das zweite Tatbestandsmerkmal, nämlich den Passus „geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören“ zu streichen. Das hat folgenden Hintergrund: Nach geltendem Recht liegt dieses Merkmal unter anderem dann vor, wenn die Angehörigen des beschimpften Bekenntnisses, also diejenigen, die beleidigt sind, nicht besonnen bleiben, sondern auf die Barrikaden gehen. Das ist völlig absurd. Werden die Beleidigten aggressiv, dann haben sie einen strafrechtlichen Schutz. Sie haben keinen strafrechtlichen Schutz, wenn sie besonnen bleiben, obwohl sie tief verletzt sind.
Papst Benedikt XVI. hat diesen Gedanken einmal mit den Worten aufgegriffen, dass § 166 des StGB im Grunde eine Aufforderung des Gesetzgebers enthalte, vom Faustrecht Gebrauch zu machen. Mit einer Änderung des Straftatbestandes würde dieses Problem vermieden; denn dann kommt es gerade nicht mehr darauf an, dass wir eine solche Störung als wahrscheinlich ansehen müssen. Damit könnte man den notwendigen Schutz für religiöse Bekenntnisse ohne weiteres erreichen. Zudem würde mit der Änderung ein Signal dahin gehend gesetzt, dass die
Achtung vor religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnissen zum ethischen Fundament unseres Staates gehört.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Staatsregierung und die CSU befi nden sich, was dieses Thema anbelangt, auch im Gespräch mit den Kirchen. Wir werden in einer Abstimmung mit Kirchen und Glaubensgemeinschaften prüfen, auf welchem Weg der Schutz religiöser Gefühle verbessert werden kann. Dabei ist es unser Ziel, einen möglichst breiten Konsens zu erreichen.
Hierzu noch eines: Das Vorgehen der Staatsregierung hat weder mit Populismus noch mit Fundamentalismus etwas zu tun. Wir sind es aber unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig, nach Lösungswegen zu suchen, damit sie einen Schutz erhalten, wenn sie in ihren religiösen Gefühlen verletzt sind.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Feiertagsgesetzes und der Bedürfnisgewerbeverordnung (Drs. 15/4588) – Zweite Lesung –