Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Keine Kürzung der Regionalisierungsmittel (Drs. 15/4903)
Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Dr. Thomas Beyer, Dr. Heinz Kaiser u. a. u. Frakt. (SPD) Regionalisierungsmittel für Bayern erhalten und nachweisbar einsetzen (Drs. 15/4934)
Herr Präsident, Hohes Haus! Es ist sehr berechtigt, heute diesen Dringlichkeitsantrag zu stellen und uns mit der Thematik der Regionalisierungsmittel etwas grundlegender zu befassen, nicht nur mit der Kürzung, die die Bundesregierung plant, sondern auch mit der Handhabung der Regionalisierungsmittel in Bayern, partiell auch in anderen Bundesländern; denn da ist vieles aus meiner Sicht nicht in Ordnung. –
Herr Huber, Sie schütteln den Kopf, aber ich werde Ihnen gleich etwas aus Ihrem eigenen Haus vorlesen.
Erstens. Die von der Bundesregierung geplante Kürzung der Regionalisierungsmittel ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Steuergelder in einigen Bundesländern, darunter auch Bayern, nicht so sachgemäß verwendet werden, wie es das – wachsweiche – Regionalisierungsgesetz vorsieht.
Zweitens, diese Zweckentfremdung wurde dadurch begünstigt, dass die Bundesregierung entweder nicht in der Lage oder nicht willens war, wirkungsvolle Kontrollen durchzuführen und entsprechende Verwendungsnachweise zu verlangen.
Drittens fordern wir die Staatsregierung auf, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen, dass auf die geplanten Kürzungen verzichtet wird; ferner dass, wie ursprünglich vorgesehen, 2007 die bisherige Vereinbarung überprüft wird und dass schließlich sichergestellt wird, dass die Regionalisierungsmittel ausschließlich dem Schienenpersonennahverkehr zugute kommen.
Wir werden dem SPD-Antrag zustimmen. Der SPDAntrag geht aus unserer Sicht in eine durchaus sinnvolle Richtung. Wir unterscheiden uns zwar etwas, aber man sollte in diesem Fall der SPD nicht die Zustimmung verweigern.
Zu den ersten zwei Punkten: Wir wissen aus anderen Bundesländern, unter anderem aus Berlin, dass dort der gröbste Missbrauch mit diesen Regionalisierungsmitteln getrieben worden ist. Dort ist ein Krankenhaus und sind wahrscheinlich sogar Schulen aus diesen Mitteln fi nanziert worden sind. Es kann aber nicht sein, dass Mittel, die eigentlich zur Finanzierung des Nahverkehrs gedacht sind, in völlig andere Bereiche investiert werden. Aber auch in Bayern läuft es nicht so, wie es laufen soll. Auch hier wird mit diesen Mitteln nicht ganz so verfahren, wie wir es uns vorgestellt haben.
(Staatsminister Erwin Huber: Ihr seid doch nicht der Maßstab! – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))
Herr Staatsminister Huber, seit wann sind Zwischenrufe von der Regierungsbank zulässig? Ob wir der Maßstab sind oder nicht, bleibt dahingestellt. Aber ich werde jetzt ein paar Zitate auch aus Ihrem Haus bringen, dann werden Ihnen vielleicht die Augen aufgehen.
Sicherlich schreibt das Regionalisierungsgesetz nicht ausschließlich die Finanzierung des Schienenverkehrs vor, sondern insbesondere die Finanzierung des Schienenverkehrs. Ich meine aber schon, dass im Sinne und
Geiste des Gesetzes der Schienenverkehr zwar nicht schwerpunktmäßig, aber gewaltig, wenn nicht sogar ausschließlich, im Vordergrund stehen soll. Leider Gottes ist auch in Bayern eine Reihe von Dingen anders gelaufen. Ich möchte hierzu aus Anfragen zitieren.
Herr Huber, vielleicht geben Sie jetzt Obacht, denn das, was Herr Kollege Dr. Runge jüngst mit dem Kultusministerium erlebt hat, nämlich dass er eine Anfrage mit Randbemerkungen des Ministeriums bekommen hat, ist leider auch in Ihrem Hause passiert.
Ich habe es hier vorliegen. Diese Randbemerkungen sind insbesondere dann hochinteressant, wenn man den Inhalt der Anfrage, der ausgedruckt wurde und auch diesem Haus vorliegt, mit dem vergleicht – Herr Staatssekretär Spitzner, Sie runzeln die Stirn –, was zufällig auf meinen Tisch gefl attert ist. Es geht dabei um die Regionalisierungsmittel. Darin heißt es als Randbemerkung, bei diesem Punkt nicht gelöscht:
Die Regionalisierungsmittel wurden in den Jahren 1997 bis 2001 nicht vollständig ausgegeben. Im Gegensatz zu den Ausgleichszahlungen an Verkehrsunternehmen war bei den Investitionsmitteln ein stetiger Mittelabfl uss nicht möglich. Die Mittel sind haushaltsrechtlich in die Folgejahre übertragbar.
Ich habe bis heute nicht herausgebracht, in welchem Umfang, was hier läuft, und welches Haushaltsgebaren hier stattfi ndet. In der einschlägigen Szene der Nahverkehrsunternehmen werden teilweise Summen von etwa 1 Milliarde Euro genannt, die im Laufe der Jahre aufgelaufen und nicht in Maßnahmen investiert wurden, die dafür vorgesehen waren. Wie groß ist denn der Topf, den Sie im Ministerium angesammelt haben?
Soweit die jeweils nicht verwendeten Mittel nicht in den Folgejahren ausgegeben wurden, stehen sie für zukünftige Projekte zur Verfügung. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die umfangreichen Projekte hinzuweisen, die bei der S-Bahn in München und Nürnberg in den kommenden Jahren anstehen und vom Freistaat mitfi nanziert werden.
Das Haus, das eigentlich für den Haushalt zuständig ist und das die Haushaltshoheit hat, weiß von diesen Mitteln nichts. Auch ich habe trotz 16 Anfragen den Mittelabfl uss nicht herausbringen können. Deshalb braucht man sich kaum zu wundern, dass Berlin entsprechende Kürzungen überlegt, wenn Berlin auch nur ein bisserl weiß, welche Praktiken auf Länderebene ablaufen. Wahrscheinlich ist hier Bayern nicht das einzige Land, sondern sind alle Bundesländer zu nennen.
Im Übrigen verweigern Sie auch dem Hohen Haus Informationen, indem Sie in die Antwort schreiben, dass Informationen entweder nicht vorlägen oder dass sich Informationen nur mit einem unvertretbar hohen Aufwand ermitteln ließen. Wir alle von der Opposition kennen diese Formulierungen, aus den Antworten auf unsere Anfragen.
Zudem fi ndet sich folgende „schöne“ Anmerkung: „Schließlich erlaubt die DB Regio AG die Verwendung dieser Ausgangsdaten – insbesondere streckenbezogen – nur für interne Zwecke.“ Wie haben wir es denn? Wir zahlen doch als Freistaat Bayern und bestellen über die BEG Leistungen in gigantischem Umfang bei der DB AG. Die aber sagen dann, an das Parlament würden diese Daten, wie sich die Nutzungszahlen und Kilometerzahlen auf den einzelnen Strecken entwickelten, nicht herausgegeben. Das ist ein Armutszeugnis. Da zeigen sich wieder einmal die Unterschiede zwischen den Fakten, die uns das Ministerium verheimlicht, und dem, was in die Antworten auf Anfragen hineingeschrieben wird.
Deshalb meine ich, ist der Entschließungsteil unseres Antrags außerordentlich wichtig und notwendig. Daher ist auch das Auskunftsersuchen, worüber Herr Kollege Beyer und die SPD noch sprechen werden, absolut notwendig. Ich hoffe, dass das gesamte Haus beiden Anträgen zustimmen wird.
Es geht aber auch um die Kürzung der Regionalisierungsmittel. Auch wenn auf diesem Gebiet einiges schief läuft, dürfen die Regionalisierungsmittel nicht gekürzt werden, denn de facto würde es, wenn wir weitermachen wie bisher, zum Wegfall jedes zehnten, sechsten oder siebten Zuges kommen, wie manche sagen. Deshalb müssen wir Berlin klar und deutlich signalisieren: keine Kürzung der Regionalisierungsmittel.
Ich möchte hierzu aus einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums vom 1. Oktober 2001 zitieren. Darin hat Herr Wiesheu Forderungen des SPD-Landtagsfraktionschefs abgekanzelt, wobei es auch um die Frage der Kürzung von Regionalisierungsmitteln geht. Originalzitat Wiesheu:
So kann das nicht laufen. Wenn der SPD-Fraktionsvize Maget hier etwas Sinnvolles tun will, soll er sich bei der Bundesregierung und beim zuständigen Finanzminister dafür einsetzen, dass die den Ländern zustehenden Ausgleichsleistungen nicht gekürzt, sondern sinnvoll weiterentwickelt werden. Ansonsten kann man den Anforderungen, die für die Entwicklung des Schienenpersonennahverkehrs in den nächsten Jahren gegeben sind, nicht entsprechend gerecht werden.
So Ihr Amtsvorgänger im Jahr 2001, als es schon einmal um die Kürzung der Regionalisierungsmittel ging. Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen. Er hat in diesem Fall ausnahmsweise vollkommen Recht.
Ich bitte Sie um Unterstützung unseres Antrags für den Kampf, dass die Regionalisierungsmittel vom Bund nicht gekürzt werden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für die Möglichkeit, zum Antrag des Kollegen Magerl von den GRÜNEN Stellung zu nehmen und gleichzeitig unseren Antrag begründen zu können. Ich möchte meinen Vortrag weniger spekulativ halten als Herr Kollege Magerl, aber in der Sache werde ich genau wie er aufzeigen, dass das Verhalten Bayerns in den letzten Jahren dazu beigetragen hat, dass wir uns jetzt in der Situation befi nden, die wir heute haben. Herr Minister Huber, Sie hören das nicht gern, Sie schütteln den Kopf. Das ist Ihr gutes Recht, aber Bayern hat massiv dazu beigetragen.
Nach Artikel 106 a des Grundgesetzes steht den Ländern ein Anteil aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes zu, damit die Länder insbesondere den Schienenpersonennahverkehr bestellten können. Das Wort „insbesondere“ ist wichtig, weshalb ich die GRÜNEN bitte, dieses Detail zu berücksichtigen. Es gibt zwar den Vorrang für den SPNV – den Schienenpersonennahverkehr –, aber es gibt mitnichten eine ausschließliche Zweckbindung. Das muss man ganz klar sehen, das war auch nie anders gewollt. Der Antrag der GRÜNEN hat in den Randpunkten deutliche Schwachstellen. Herr Kollege Magerl, das liegt offensichtlich daran, dass Sie Ihrem Antrag nicht die gesetzliche Systematik zugrunde legen. Die Regionalisierungsmittel werden so ausgereicht, dass eine Zahlungspfl icht des Bundes besteht. Es handelt sich dabei aber nicht um Finanzhilfen, wie wir sie andernorts diskutieren; Artikel 104 a Absatz 4 des Grundgesetzes ist also nicht einschlägig. Lesen Sie das Regionalisierungsgesetz, man mag es beklagen, aber der Bund hat nun einmal keine Prüfungsrechte. Damit besteht auch keine Berichts- und Nachweispfl icht im rechtlichen Sinne. Diese Punkte Ihres Antrags sind deshalb obsolet.
Trotzdem ist es sinnvoll und notwendig – das betrifft jetzt wieder das Kopfschütteln von Staatsminister Huber –, dass dem Bund die Verwendung der Mittel in transparenter Weise nachgewiesen wird. Wozu ist es gekommen? – Bevor noch die im Regionalisierungsgesetz vorgesehene Überprüfung im Jahre 2007 greifen kann, ist im Etatentwurf 2006 – genauer gesagt im Haushaltsbegleitgesetz des Bundes – eine Kürzung vorgesehen. Diese Kürzung beträgt 2,3 Milliarden Euro für die Jahre 2006 bis 2009. Ursprünglich mussten wir ein Abschmelzen der Mittel in einem Umfang von 3,1 Milliarden Euro befürchten. Sie erinnern sich sicher noch sehr gut, und wir werden es auch gleich hören, dass wir im November des letzten Jahres bereits über diese Fragen gesprochen haben. Sie, Herr Minister, waren damals erst wenige Tage im Amt und haben uns zu großer Zurückhaltung aufgefordert. Sie waren der Meinung, dass wir uns künstlich aufregen. Aber von 3,1 Milliarden Euro auf 2,3 Milliarden Euro, das ist eine gewisse Verbesserung. Aber auch
2,3 Milliarden Euro sind einfach zu viel. Das verkraften wir nicht, deshalb müssen wir uns dagegen wehren.
Natürlich, wunderbar, jetzt sind Sie auch dabei. Kollege Rotter wird also auf den Koalitionsvertrag hinweisen. Doch dieser Vertrag spricht, das wissen Sie, Herr Rotter, mit einer gespaltenen Zunge. Im Verkehrstitel beschreibt er die Regionalisierungsmittel als gut und richtig und sagt, wir brauchen den ÖPNV und dafür Mittel in ausreichendem Umfang. Ganz versteckt steht aber gleichzeitig im Abschnitt über die Finanzen, dass für verschiedene staatliche Leistungen ein Kürzungsrahmen vorgesehen ist, und dort werden auch die Regionalisierungsmittel aufgelistet.
Um mit einer Legende aufzuräumen, denn davon wird Herr Rotter gleich wieder sprechen, oder wir bekommen sie von Herrn Staatsminister Huber zu hören: Im Koalitionsvertrag wird der Umfang der Kürzungen bei den Regionalisierungsmitteln nicht in Zahlen festgeschrieben. Deshalb gilt: Wer sich hier nicht wehrt, der will die Mittel nicht, der leistet vorauseilenden Gehorsam. Niemand bricht den Koalitionsvertrag, wenn er nachweist, dass er die Mittel für den ÖPNV braucht.
Das Haushaltsbegleitgesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Deshalb haben wir eine klare Vorstellung, wie Bayern sich in dieser Frage verhalten soll. Wir als Landtag müssen der Staatsregierung sagen, was sie tun soll: Die Staatsregierung soll Mittelkürzungen nicht zustimmen. Wahrscheinlich kommt jetzt der Einwand – von Ihnen, Herr Staatsminister Huber, oder von Ihnen, Herr Rotter –, dass wir das doch den eigenen Leuten in Berlin sagen sollen. Sie dürfen sicher sein, dass wir über diese Fragen mit unseren Leuten in Berlin sprechen. Nach der Verfassung wird der Freistaat im Bundesrat aber noch immer durch die Bayerische Staatsregierung vertreten. Deshalb sind Sie unser Adressat. Das sage ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen in der eigenen Fraktion, die gefragt haben, warum wir diesen Antrag stellen. Wir stellen diesen Antrag, weil die Staatsregierung die Verhandlungen für Bayern führt, niemand sonst. Wir werden alle Mittel und Wege nutzen, aber hier steht die Staatsregierung in der Pfl icht.
Im November haben wir einen eigenen Antrag eingebracht, der sich nicht auf Zahlen festgelegt hatte. Sie hätten damals bemerken können, dass wir nur „ausreichende Mittel“ für den ÖPNV gefordert haben. Heute aber sagen wir klipp und klar, eine Kürzung von 2,3 Milliarden Euro lässt keine ausreichenden Mittel übrig. Wir müssen diese Kürzung deshalb unbedingt verhindern.
Was die Kürzung um 2,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2009 für Bayern bedeutet, darüber gibt es verschiedene Spekulationen. Herr Staatssekretär Spitzner hat heute Morgen im Rahmen der Fragestunde eingeräumt, es werde mit einer Mittelkürzung von 344,4 Millionen Euro gerechnet. So viel haben Sie also heute Morgen selbst eingeräumt. Das bedeutet, der ÖPNV verliert in Bayern fast 350 Millionen Euro. Sollen wir dabei zusehen? – Nein, das können wir nicht. Wir verlieren in Bayern bis zu 1200 Arbeitsplätze. Wir verlieren auch eine Vielzahl der Leistungen, ob das bedeutet, jeder zehnte Zug entfällt oder sogar jeder fünfte bis sechste Zug, wie das der Bund Naturschutz ausgerechnet hat. Das lasse ich einmal offen. Jeder Zug, der aus dem Bayerntakt herausgenommen wird, bedeutet eine Beendigung desselben, dabei sind Sie, Herr Staatsminister Huber, doch so stolz auf das Erbe von Herrn Wiesheu. Erhalten Sie uns also bitte dieses Erbe.