Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine familienpolitische Grundsatzdiskussion haben wir im Ansatz schon beim ersten Dringlichkeitsantrag geführt. Deshalb möchte ich mich aufgrund der Kürze der Redezeit aufs Wesentliche beschränken. Allerdings freue ich mich sehr, dass die Familienpolitik jetzt in Deutschland diskutiert wird – auch kontrovers; denn damit rückt sie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Das ist gut so, denn dann kommen wir auch weiter.
Ihren Antrag, Frau Kollegin Strohmayr, müssen wir differenziert sehen. Sie haben das Land Rheinland-Pfalz genannt. Dort gibt es in Kürze Landtagswahlen und da gibt es natürlich Forderungen von allen Seiten.
Ich frage mich schon, ob das Land Rheinland-Pfalz aufgrund der Höhe seiner Schulden das alles so locker aus der hohlen Hand fi nanzieren kann. Es hat unter den deutschen Ländern meines Wissens den zweithöchsten Zuwachs bei der Verschuldung.
Ich habe in Rheinland-Pfalz auch nichts von einem ausgeglichenen Haushalt gehört, nicht einmal von einem ansatzweisen Ziel. Da muss man schon einmal sehen, wie sich das Ganze verhält.
Wir haben hier für Bayern unsere eigene Verantwortung und müssen auch unsere eigenen Prioritäten setzen.
Wenn die Zahl stimmt, dass die Gebühren bei einer Kindergartenbetreuung von acht Stunden täglich im Durchschnitt 75 Euro pro Monat betragen und jetzt auch noch aufgrund der gestrigen Beschlüsse teilweise steuerlich absetzbar sind, ist es doch die Frage, ob es der richtige Weg ist, diese Gebühren zu erlassen,
zumal wir in Bayern auch Studiengebühren einführen. Damit gibt es durchaus eine Ausgewogenheit, wenn auf der einen Seite Kindergartengebühren und auf der anderen Seite Studiengebühren verlangt werden.
Ich habe von Ihnen auch keine Summe gehört. Es wäre verantwortungsvoll gewesen, wenn Sie in Ihrem Antrag einmal eine Summe genannt hätten, wie viel das kostet.
Was wir in diesem Zusammenhang auch nicht außer Acht lassen dürfen, ist die Frage, wie sich die Kommunen dazu äußern; denn sie tragen einen Gutteil der Kosten für die Kindergärten und müssen für viele Defi zite aufkommen. Also muss man sich sicherlich mit ihnen ins Benehmen setzen. Aber ich denke, wir haben eine andere Zielsetzung, und diese möchte ich Ihnen gern noch einmal nennen.
Priorität haben für uns ganz klar die Investitionen in die Familien. Wir haben viele Aufgaben, die wir erledigen wollen und müssen. Wir wollen in die Quantität und in die Qualität der Kinderbetreuung investieren. Wir wollen die Kinderbetreuung ausbauen. Das haben wir mehrfach klipp und klar erklärt. Wir wollen etwas für die unter Dreijährigen tun. Wir wollen in die Krippen, in die Tagespfl ege, in die Kinderbetreuung der Schulkinder am Nachmittag investieren. Wir wollen in die Elternbildung investieren, weil wir sie für ganz wichtig halten. Wir wollen auch noch deutlicher in die Fortbildung der Erzieherinnen investieren.
Das ist ein so großer Aufgabenkatalog, dass es, glaube ich, wichtig ist, dass wir diesen Aufgabenkatalog bei den Investitionen mit aller Kraft angehen und dass wir deshalb jetzt nicht Kosten übernehmen, ohne dass im Ergebnis die Qualität verbessert wird. Denn die Qualität der Kinderbetreuung von der Elternbildung über die Tagespfl ege, über die Kinderkrippen, über den Kindergarten bis hinein in die schulische Nachmittagsbetreuung, das ist das Wesentliche, womit wir den Kindern, sekundär auch den Familien, einen größeren Dienst erweisen, als wenn wir jetzt vielleicht etwas spektakulär die Kindergartengebühr übernehmen. Dies hätte zur Folge, dass wir, weil das viel Geld bindet, weder in der Qualität noch in der Quantität der Kinderbetreuung einen entscheidenden Schritt vorankommen.
Deswegen ist unsere Auffassung, dass wir Ihrem Antrag in diesem Punkt nicht folgen, auch wenn anderswo so gehandelt wird; aber die Entscheidungen müssen immer dort getroffen werden, wo die Zuständigkeiten sind, und wir haben eine andere Priorität.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Dr. Strohmayr? Ich rechne Ihnen das nicht auf die Zeit an.
Deswegen wollen wir unsere Prioritäten ganz klar in die Qualität und in die Quantität setzen und nicht in den Erlass der Kindergartengebühren, so wie Sie das vorschlagen.
Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann. Danach spricht noch einmal Frau Dr. Strohmayr. Sie hat noch vier Minuten und 21 Sekunden. Weil ich gerade dabei bin: Sie, Frau Kollegin Ackermann, haben noch reichlich sechs Minuten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dodell, ich habe vorhin meiner Begeisterung darüber, dass Familienpolitik jetzt auch von Ihrer Seite her Thema im Bundesrat ist, schon Ausdruck verliehen. Aber es genügt nicht, über Familienpolitik zu diskutieren. Man muss auch Konsequenzen ziehen und diese Konsequenzen müssen den Familien auch zugute kommen. Erst dann nützt die Diskussion etwas.
Die Kindergartengebühren mit Studiengebühren zu vergleichen ist gewagt, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass auch die Studiengebühren falsch sind. Da können Sie die Kindergartengebühren schlecht mit den Studiengebühren rechtfertigen.
Ich fi nde es auch sehr mutig von der Bundesfamilienministerin von der Leyen – besonders dann, wenn sie nicht bereit ist, auch nur einen Cent dafür zu bezahlen –, zu fordern, dass die Kindergärten grundsätzlich kostenfrei sein sollen. Eine solche Forderung kann ich sehr leicht erheben, wenn ich dafür nichts bezahlen muss und wenn die Kosten an den Ländern und an den Kommunen hängen bleiben.
Gleichwohl glaube ich, dass dieser Vorschlag natürlich richtig ist. Ich fi nde ihn nur aus dem Munde von Frau von der Leyen verlogen, weil sie nichts dazu beitragen wird.
Das Programm der GRÜNEN sieht schon seit längerer Zeit vor, dass wir uns für einen stufenweisen Abbau der Kindergartengebühren einsetzen wollen, und zwar aus der Erkenntnis heraus, dass es ein Land vermutlich überfordern würde, von heute auf morgen alle Kindergartengebühren abzuschaffen. Trotzdem ist es richtig.
Wenn der Abbau aber stufenweise vor sich geht, wollen wir nicht das letzte Kindergartenjahr gebührenfrei machen, sondern mit dem ersten beginnen. Das will ich gleich begründen. Es ist ganz wichtig, dass Kinder in einem jungen Alter in den Kindergarten gebracht werden. Bei den über Fünfjährigen haben wir jetzt schon einen Deckungsgrad von mehr als 90 %. Dort Anreize zu schaffen ist nicht sehr zielführend. Wir brauchen die Anreize bei den kleinen Kindern. Bildung beginnt früh, Integration beginnt sehr früh und Sprachentwicklung beginnt noch früher. Genau deshalb brauchen wir einen frühen Kindergartenbesuch, den wir durch ein beitragsfreies Kindergartenjahr im ersten Jahr fördern wollen.
Wir haben im Moment mit dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz zu kämpfen, das nach unserer Auffassung sehr viele Lücken aufweist, das den Gemeinden unglaublich viele Probleme macht, noch mehr Probleme den Eltern, und die meisten Probleme wird es den Familien und den Kindern machen. Wir werden nicht aufhören, Verbesserungsvorschläge zu diesem Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz einzubringen. Wir werden nicht aufhören, uns dafür einzusetzen, dass dieses Gesetz so gestaltet wird, dass es ein Kinderbildungs- und betreuungsgesetz ist, das diesen Namen auch wirklich verdient und nicht nur so heißt.
Wir wollen vor allen Dingen auch, dass Kinder in Bayern ebenso wie im Bund ein Recht auf einen Kindergartenplatz haben; denn Kinder haben ein Recht auf Bildung, und Bildung beginnt früh. Deshalb müssen wir den Kindern das Recht auf den Kindergartenplatz auch früh einräumen.
Sie sehen, wir haben noch sehr viel vor uns. Deswegen können wir auch nicht früh genug beginnen. Bildung kostet im Übrigen auch Geld. Da wir im Gegensatz zur SPD nicht der Meinung sind, dass das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei sein soll, sondern das erste, werden wir uns bei diesem Antrag enthalten.
Frau Dodell, ich möchte an Ihre Rede anknüpfen. Sie haben gesagt, Ihre erste Priorität sei eine qualitative und quantitative Verbesserung und erst dann könnten Sie sich vorstellen, vermehrt in diesen Bereich zu investieren. Ich muss Ihnen sagen, da haben Sie wohl einiges von dem falsch verstanden, was Ihre eigene Ministerin auf den Weg gebracht hat; denn das neue Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz soll in Verbindung mit dem BEP, also mit dem Bildungs- und Erziehungsplan, dazu dienen, qualitative Veränderungen im Kindergarten zu erreichen.
Genau daraus resultiert dann auch die Pfl icht des Freistaates Bayern, da es um Bildung geht, hier verstärkt zu investieren, sich verstärkt an den Gebühren zu beteiligen. Bildung ist Aufgabe des Freistaates Bayern und daher kommt auch die Verpfl ichtung, sich an den Kosten zu beteiligen.
Zum zweiten Punkt, also zum quantitativen Ausbau der Betreuungsplätze: Ich habe mir aus der Statistik, die der Presseerklärung der Frau Ministerin beilag, die Zahlen herausgeholt. Sie haben von dem Ausbau der Betreuung gesprochen. Wenn ich auf diese Statistik schaue, stelle
ich fest, dass es seit 1999 nur geringe Schwankungen bei der Zahl der betreuten Kinder in Bayern gab. Die Zahl der Kinder, die betreut wurden, hat sich nicht erhöht. Sie verbreiten eine Lüge, wenn Sie sagen, dass man in diesem Bereich investiert hat.
Ich sage Ihnen eines: Seit 2003 sind die Zahlen laut Ihrer eigenen Statistik rückläufi g. Ich denke, es war ein erster Schritt auf Bundesebene für die Familienpolitik, den wir getan haben und den wir auch für gut halten. Jetzt ist der Freistaat Bayern gefragt, diesen Weg weiter zu beschreiten.