Ich möchte meine Weihnachtswünsche mit einigen Gedanken verbinden, die sich viele von uns während der Bundestagswahl und bei allfälligen Wahlanalysen gemacht haben. Zumindest halte ich das für eine der wichtigsten Erkenntnisse der politischen Akteure im Jahr 2005, das jetzt zu Ende geht. Wir alle wissen, dass wir in Zeiten des Wandels und des Umbruchs leben mit großen Veränderungen auf der ganzen Welt, mit großen Chancen für die jungen Menschen, aber auch mit großer Verunsicherung. Alle diese Veränderungen fi nden noch dazu in einem unglaublich raschen Tempo statt, was bei immer mehr Menschen die Sorge um die Zukunft wachsen lässt. Gleichzeitig verschwindet allzu oft das Vertrauen in die Politik und in uns Politiker, die wirklich großen Probleme der Zeit tatsächlich lösen zu können.
Globalisierung, Massenarbeitslosigkeit, demographische Entwicklung und die fi nanzielle Lage der öffentlichen Haushalte verunsichern die Menschen und engen gleichzeitig unseren Handlungsspielraum objektiv ein. Viele haben deswegen am Anfang des Jahres noch gesagt, in Zeiten wie diesen können wir uns einen Sozialstaat schlichtweg nicht mehr leisten. Ich sage – und das ist vielleicht das Ergebnis der Wahlauseinandersetzungen gewesen –, in Zeiten wie diesen wird der Sozialstaat besonders gebraucht. Soziale Gerechtigkeit und Ausgewogenheit sind Teil der Geschichte unseres Landes, und wir haben, denke ich, alle gemerkt, dass die Menschen das beibehalten wollen. Die Menschen wissen, dass nur mit einem funktionierenden Sozialstaat Arbeitslosigkeit nicht sofort zur Existenzbedrohung führt, dass eine ausreichende und allen zugängliche gesundheitliche Versorgung nur mit ihm möglich ist, dass die materielle Absicherung im Alter nur mit ihm möglich ist ebenso wie eine menschenwürdige Pfl ege und die Bildung unserer Kinder. Als Abfallprodukt des Marktes bekommen wir diese soziale Absicherung nicht. Wir müssen schon aktiv dafür handeln.
Wenn man das in den letzten Jahren so gesagt hat, ist man oft das Risiko eingegangen, dass man als altmodisch und als rückständig bezeichnet wird. Man hat gesagt, das sind Gedanken des 19., vielleicht noch des 20. Jahrhunderts, aber nicht mehr unserer Zeit. Ich meine, sozialstaatliches Denken passt besser denn je in die Zeit und ist ein modernes Konzept im Umgang mit den Herausforderungen der Globalisierung. Denn es greift die Ängste der Menschen auf und versucht, ein Netz der Sicherheit zu spannen – übrigens auch als Voraussetzung für die Freiheit des Einzelnen.
Wir haben uns gestern kurz über das neue, viel beachtete Buch von Verfassungsrichter Udo Di Fabio unterhalten mit dem Titel „Die Kultur der Freiheit“. Aber was bedeutet Freiheit für einen arbeitslosen Jugendlichen? – Er kann sich im Rahmen seiner Möglichkeiten frei entfalten. Er kann seine Freizeit verbringen, wie er es möchte im Rahmen der Gesetze. Aber ist er wirklich frei? Hat er wirklich die Voraussetzungen für die Entfaltung individueller Freiheit? – Ich meine, das ist nicht der Fall.
Dabei dürfen wir nicht staatsgläubig sein. Wir wollen nicht den überbordenden Sozialstaat und nicht die Überregulierung, aber wir brauchen den handlungsfähigen Staat. Dieser ist unabdingbar, um für sozialen Ausgleich zu sorgen. In seiner Weihnachtsbotschaft im letzten Jahr hat Kardinal Wetter gesagt, ein radikaler Abbau und die Privatisierung sozialer Absicherungen würden die Gesellschaft auseinander reißen und den sozialen Frieden stören. Davon wären dann auch die betroffen, die auf der Sonnenseite stehen. Ich denke, das ist die richtige Formulierung. Für die ganze Gesellschaft ist die soziale Absicherung nötig. Auch die innere Sicherheit aller ist nur dann garantiert, wenn zuerst allen Menschen Respekt entgegengebracht wird und ihnen Bildungs- und Zukunftschancen eingeräumt werden.
Hinweise dafür gibt es auch in unserer Bayerischen Verfassung, auf die wir verpfl ichtet sind und die im nächsten Jahr – der Herr Präsident hat es angesprochen – 60 Jahre alt sein wird. Hans-Jochen Vogel hat bei der Verleihung der Verfassungsmedaille zwei Artikel zitiert, die ich wiederholen will. Der eine lautet: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle.“ Der zweite Artikel lautet: „Die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen fi ndet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten und auf die sittlichen Forderungen des Gemeinwohls.“ – Das mag altmodisch klingen, aber es ist hochaktuell. Ich fi nde, es sollte unsere Politik leiten.
Ich wollte diese Gedanken so formulieren, weil ich den Eindruck habe, dass zu viele Entscheidungsträger und Meinungsführer heute blind geworden sind für die reale Lebenssituation der meisten Bürgerinnen und Bürger und bedenkenlos auf ökonomisches Kalkül fi xiert sind, und weil ich glaube, dass genau das ein Irrweg ist.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen zum Schluss noch einmal alles Gute und möchte den Dank anschließen an alle, die hier im Hause mitgewirkt haben, an alle Kolleginnen und Kollegen, an die Damen und Herren des Präsidiums, der Staatsregierung, an die Offi zianten, die Beschäftigten der Landtagsverwaltung und der Fraktionen, an die Reinigungskräfte, an die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und an die Berichterstatter der Medien, die dafür sorgen, dass über uns berichtet wird, und die hohe Verantwortung tragen dafür, wie Politik vermittelt wird, und dafür, dass sie gut vermittelt wird. Ihnen allen wünsche ich alles Gute und ein gesundes Wiedersehen im neuen Jahr an einer, wie ich fi nde, schönen Stätte des Parlamentarismus in Bayern. Herzlichen Dank und Ihnen alles Gute.
Herr Präsident, Hohes Haus! In Vertretung des Bayerischen Ministerpräsidenten und namens der gesamten Staatsregierung bedanke ich mich herzlich bei Ihnen, Herr Präsident, und bei Ihnen, Herr Maget, als Sprecher der Opposition für die guten Wünsche.
Die Verfasser meines Schlusswortes hatten erst am Ende meines Manuskripts vorgesehen, zu appellieren: Nutzen wir die vor uns liegenden Tage zur Besinnung und zur Einkehr. Ich will das auf Veranlassung der GRÜNEN gleich zu Anfang tun. Im Verlauf der gestrigen Diskussion über die Gesetzentwürfe zum Polizeiaufgabengesetz hat es eine heftige Auseinandersetzung um die Frage des Einsatzes von neuen Distanzwaffen für die bayerische Polizei gegeben. Dabei habe ich Formulierungen verwendet, die bei den GRÜNEN zu besonderem Ärger geführt haben. Es lag mir fern, Sie zu diffamieren. Ich will Ihnen Ihren guten Willen nicht absprechen, das Beste für unser Gemeinwesen anzustreben.
Ich breche mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich das ausdrücklich sage. Wir haben alle gemeinsam einen Willen, bei aller Unterschiedlichkeit in der Sache. Ich nehme den Appell des Herrn Landtagspräsidenten ernst: beim argumentativen Disput mehr Leidenschaft, bei der persönlichen Auseinandersetzung weniger Leidenschaft. Ich darf in aller Bescheidenheit aber auch anfügen, dass auch Sie nicht immer sehr pfl eglich, geschweige denn liebevoll mit mir umgegangen sind.
Wir lernen gerade, dass wir uns – wie das der Nürnberger Oberbürgermeister Maly immer wieder ausdrückt – in Berlin und in der großen Politik lieb haben müssen.
Es ist in der Tat so, dass die Bürgerinnen und Bürger mit dem Ergebnis der Bundestagswahl einen Zustand geschaffen haben, der uns von den großen Volksparteien die Aufgabe gibt, nach vier Jahrzehnten in einer schwierigen Lage die Zukunft Deutschlands gemeinsam zu gestalten. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die großen Volksparteien unser Land gemeinsam nach vorne bringen, Arbeitslosigkeit reduzieren, alle öffentlichen Haushalte in Ordnung bringen und die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass die Wirtschaft und damit der Wohlstand wieder wachsen. Wie notwendig das ist, haben wir gerade heute früh bei der Diskussion um AEG/Electrolux deutlich gesehen. Als Nürnberger darf ich sagen: auch erlitten.
Die Bundesregierung steht, kaum im Amt, schon vor einer weiteren riesigen Herausforderung. Die Entführung von Susanne Osthoff hat uns alle tief getroffen. Unsere Gedanken sind in den nächsten Tagen bei dem Opfer und ihren Angehörigen. Wir hoffen mit ihrer Familie und mit ihren Freunden, dass sie bald wieder gesund in Freiheit ist. Der Fall von Frau Osthoff zeigt uns aber auch, wie schnell wir in Probleme ganz anderer Dimension hineingezogen werden können. Ich bitte um Nachsicht, wenn ich als Innenminister selbst in der Weihnachtsansprache sage, dass dies auch die Situation mit dem islamistischen Terrorismus trifft.
2005 war ein Jahr, in dem wir in Bayern versucht haben, vieles auf den Weg zu bringen: die Verwaltungsreform, die Polizeireform, einen ausgeglichenen Haushalt. Alles stand und steht unter dem Motto „Sparen, Reformieren, Investieren“. Auch wenn wir hierbei nicht immer einer Meinung waren, auch wenn es bei den Debatten hoch herging, so sind wir uns im Ziel doch einig: Wir wollen, dass Bayern stark und zukunftsfähig bleibt. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir noch eine große Wegstrecke vor uns. Heutzutage ist das Lösen dieser Aufgaben viel schwieriger, als das früher der Fall war. Das ist auch aus Ihren Ausführungen klar geworden, Herr Präsident.
Die Arbeitsbedingungen hier im Haus sind besser geworden. Ich glaube, mit dem neuen Plenarsaal haben wir optimale Arbeitsbedingungen bekommen. Der Saal besticht durch seine Helligkeit, die Akustik und die technische Ausstattung lassen fast keine Wünsche offen. Ich jedenfalls habe nur noch den kleinen Wunsch, dass ich mit der Technik und mit meinem PC dann auch zu Rande kommen werde. Vielleicht geht es dem einen oder anderen ähnlich.
Ich möchte hier aber auch ausdrücklich feststellen, dass die Zusammenarbeit zwischen Landtagsamt und Bauverwaltung aus unserer Sicht optimal verlaufen ist. Ich möchte mich bei den Mitarbeitern der Obersten Baubehörde und dem Hochbauamt dafür bedanken, dass Sie in besonders sensibler und, wie ich meine, erfolgreicher Weise mit dem Landtag, dem Landtagsamt und den Kolleginnen und Kollegen die Aufgaben bewältigt haben. Dafür herzlichen Dank. Dem ersten, und wie ich hoffe, einzigen Opfer der Glastüre wünsche ich von hier aus schnelle Genesung.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Dank zu sagen. Der erste Dank gilt Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für
die Zusammenarbeit. Ein besonderes Dankeschön gilt selbstverständlich meiner Fraktion für die Unterstützung der Regierungsarbeit, auch wenn diese manchmal sehr fordernd gewesen ist. Ich danke den Angehörigen der Opposition für die konstruktive Kritik. Oft ging es hart, meist aber herzlich zur Sache. Ich danke allen Mitgliedern des Präsidiums. Sie haben auch in diesem Jahr die Arbeit des Parlaments mit fester, mit sicherer Hand geleitet, manchmal auch mit zarter Hand, Frau Vizepräsidentin. Ich danke den Angehörigen des Landtagsamtes und der Dienste und natürlich auch der Polizei. Ich danke den Medien, die eine ganz besondere Aufgabe und Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande haben. Die Feiertage, die vor uns liegen, dienen dazu, dass wir uns ein Stück entspannen, Kraft tanken, innerlich und äußerlich, körperlich, geistig, vielleicht auch geistlich. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr. Ich hoffe, dass wir uns alle im Januar gesund und munter wieder sehen, entweder in diesem Saal, oder – Herr Kollege Wiesheu – auch an anderer Stelle.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Erlauben Sie mir hinzuzufügen, das war am Schluss ein guter Brückenschlag nach der Hektik der vorangegangenen Debatten. Das ist ein gutes Zeichen.
Bevor ich mich mit guten Wünschen verabschiede, darf ich zunächst das Ergebnis der zuvor durchgeführten namentlichen Abstimmung bekannt geben. Mit Ja stimmten 77, mit Nein 39 Abgeordnete. Stimmenthaltungen gab es 4. Damit ist dem Votum des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz entsprochen.
Außerhalb der Tagesordnung gebe ich bekannt, dass eine Reihe von Anträgen für erledigt erklärt wurden. Im Einzelnen verweise ich auf die aufl iegende Aufstellung.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich Ihnen, Ihren Familien und Ihren Angehörigen ein besinnliches und gesegnetes Weihnachtsfest, einige Tage der Erholung, der Besinnung und der Entspannung. Ich wünsche Ihnen einige Tage der Distanz zur Politik, damit Sie das tun können, was uns außerhalb der Politik Freude macht. Ich hoffe, wir sehen uns im nächsten Jahr gesund wieder. Damit schließe ich die Sitzung.