Protocol of the Session on December 14, 2005

Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen, die in den Ausschüssen über das Gesetz beraten haben. Ich bedanke mich, dass wir es in diesem Jahr verabschieden, sodass insbesondere die Kennzeichenerkennung, über das im Ausschuss weitgehend Einigkeit bestanden hat, im nächsten Jahr eingeführt werden kann. Im Vertrauen auf die Verabschiedung haben wir die Geräte in der Zwischenzeit bestellen können. Wir werden das im nächsten Jahr auf den Weg bringen. Ich denke, dass wir damit unserer Marktführerschaft gerecht werden.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Kollege Schindler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie haben davon geredet, dass wir unsere Rolle noch nicht gefunden hätten. In Ihren Ausführungen soeben ist deutlich geworden, dass Sie Ihre neue Rolle noch nicht gefunden haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Sie haben sich überhaupt nicht bemüht, auf ernsthaft vorgetragene Argumente einzugehen, sondern Sie haben das getan, was Sie immer wieder am liebsten machen, nämlich in Richtung Ihrer eigenen Fraktion zu reden und für Stimmung zu sorgen. Das haben Sie gemacht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Sie haben nicht das gemacht, was gestern der Herr Landesbischof, der Herr Kardinal und der Herr Präsident bei der Einweihung des neuen Plenarsaals angemahnt haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zurufe von der CSU: Oh!)

Sie haben angemahnt, dass wir die Sache in den Mittelpunkt rücken sollen, dass wir Argumente abwägen und Argumente des Anderen anhören und zerpfl ücken, wenn es sein muss. Das kann man tun, aber nicht in dieser Art und Weise.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn sich hier jemand schäbig verhält, dann ist es zu meinem Bedauern der bayerische Innenminister, der seine Rolle noch nicht gefunden hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe keine Hoffnung, dass es etwas bewirkt, dass Sie mehr tun, als nur zuzuhören, es akzeptieren, dass wir es ernst meinen. Ich möchte dennoch klarstellen, dass bei den Verhandlungen in Berlin mit keinem Wort über präventive Telekommunikationsüberwachung in den Landesgesetzen geredet worden ist.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Mit keinem Wort steht im Koalitionsvertrag, dass in den Ländern präventive Telekommunikationsüberwachung eingeführt wird.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Peterke? – Er hatte sich zuerst gemeldet, dann der Herr Innenminister.

Herr Kollege Schindler, ich möchte Sie fragen, ob es aus Ihrer Sicht bereits notwendig ist, hohe geistige Würdenträger in diese Diskussion einzubinden?

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir waren alle mit dabei und können uns nicht entsinnen, dass der Herr Kardinal oder der Herr Landesbischof in diese Diskussion eingegriffen hätten.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das kommt von der richtigen Seite! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich habe Sie leider nicht vollständig verstanden, aber ich meine schon, dass der Herr Kardinal und der Herr Landesbischof gestern hier richtige Worte gefunden haben. Es muss möglich sein, daran zu erinnern, was sie gesagt haben. Das wird man wohl dürfen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Schindler, Sie haben vorhin gesagt, es sei bei den Koalitionsgesprächen mit keinem Wort über präventive Wohnraumüberwachungsmaßnahmen durch das Bundeskriminalamt gesprochen worden.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das hat er nicht gesagt!)

Wollen Sie bestreiten, dass Frau Zypries und Bundesinnenminister Schäuble in meiner Anwesenheit diese Fragen intensiv erörtert haben und dass das im Rahmen der Föderalismuskommission Niederschlag in einer Änderung des Grundgesetzes fi ndet, um dem BKA präventivpolizeiliche Befugnisse zuzubilligen? Wollen Sie das ernsthaft bestreiten?

Sehr geehrter Herr Dr. Beckstein, das bestreite ich mitnichten, und schon gar nicht ernsthaft. Es stimmt, was Sie sagen. Ich habe das Gegenteil nicht ausgeführt. Sie hören nicht zu.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe gesagt, dass im Koalitionsvertrag nicht geregelt ist, dass in den Ländern die präventive Telekommunikationsüberwachung eingeführt werden soll. Das steht nicht im Koalitionsvertrag.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Koalitionsvertrag steht die Überlegung, dem Bundeskriminalamt präventive Befugnisse einzuräumen. Dabei

war nicht die Rede von Telekommunikationsmaßnahmen, sondern von präventiven Befugnissen insgesamt. Das war Gegenstand der Verhandlungen. Das habe ich nie bestritten.

Das Beispiel aus Rheinland-Pfalz, das Sie angeführt haben, ist in der Anhörung zerpfl ückt worden, nachdem es Herr Preußinger dort eingeführt hat. So, wie Sie diesen Fall heute geschildert haben, brauche ich mit Verlaub keine neue Befugnis. Da reicht die StPO voll aus. Wenn es so ist, wie Sie es geschildert haben, besteht der Verdacht der Begehung einer schweren Straftat. Da reicht die StPO. Da brauche ich keine neue Befugnis. Auch dieses Beispiel reicht nicht zur Begründung Ihres Gesetzentwurfs aus.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss aufhören, die Redezeit ist zu Ende; ich bedauere, dass der Innenminister nicht die Chance ergriffen hat, ernsthaft in eine sachliche Diskussion über die Notwendigkeit der präventiven TKÜ auf Landesebene einzutreten, sondern dass er das getan hat, was er immer tut: Ressentiments bedienen, so gut es geht, um die Stimmung in den eigenen Reihen anzuheizen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Beckstein.

Herr Präsident, ich habe mich deswegen direkt gemeldet, weil ich diese Argumentation aufnehme. Ich frage Sie, Herr Schindler, ob Ihr eigener Sachverständiger, Herr Preußinger, gesagt hat, eine präventive Telekommunikationsüberwachung sei notwendig. Er hat ausdrücklich erklärt, was auch Meinung aller meiner Mitarbeiter ist, dass im genannten Fall eine TKÜ nach § 100 a der Strafprozessordnung nicht möglich ist, weil keine Anlassstraftat vorliegt. Wenn jemand, der eine schwere Straftat begangen hat und dessen Gefährlichkeit sich aus dem Gutachten eines Bezirkskrankenhauses ergibt, fl ieht, können Sie doch nicht ernsthaft annehmen, es liege bereits der Versuch einer schweren Straftat wie zum Beispiel einer Kindesmisshandlung vor. Sie wissen nicht einmal, ob der Entfl ohene irgendwo ein Kind sieht. Sie sagen aber ernsthaft, das sei der Versuch einer Straftat. Ich kenne keinen Sachverständigen, der so etwas sagt. Ich weiß, dass in Ihrer Fraktion darüber auch hart gestritten worden ist. Sie können hier auch nicht sagen, Sie diskutieren nicht mit mir, denn Sie haben nicht einmal die Diskussion in Ihrer eigenen Fraktion ernsthaft gesucht und bestanden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das geht jetzt aber zu weit!)

Ich füge ein Weiteres hinzu. Das Bundeskriminalamt soll präventiv polizeiliche Befugnisse bekommen. Wollen Sie ernsthaft bestreiten, dass in der Gefahrenabwehr zunächst die Länderkompetenz gegeben ist? Die Länderkompetenz ist bei der Gefahrenabwehr erstrangig. Sie soll auf einem bestimmten Teilgebiet durch Grundgesetzände

rung dem BKA übertragen werden. In den Koalitionsverhandlungen wurde auch über die präventivpolizeilichen Befugnisse geredet. Mit aller Massivität wehre ich mich dagegen, dass Sie überhaupt nicht bereit sind, andere Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie aber selber den Eindruck erwecken, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen.

(Widerspruch bei der SPD – Susann Biedefeld (SPD): Ausdrücke sind das! – Zurufe von der SPD: Wo bleibt die Rüge?)

Sie sagen wörtlich, Sie hätten eine knappe Mehrheitsmeinung in der SPD. Dann müssten Sie aber auch respektieren, dass die CSU die knappe Minderheitsmeinung der bayerischen SPD und die große Mehrheitsmeinung der deutschen SPD vertritt. Das ist die Gefechtslage. Sie können nicht den Eindruck erwecken, als wären nur die Bayern die Verrückten, die derartige Befugnisse wollen. Das ist nicht sehr seriös, und es wird auch nicht dadurch seriöser, dass Sie ein offensichtlich unwahres Argument unter den geistlichen Schutz stellen. Das erscheint mir nicht sonderlich anständig zu sein, wenn man Lügen sagt und meint, die könnte man in die Aussagen der Bischöfe von gestern mit einbeziehen.

(Widerspruch bei der SPD – anhaltender Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Stahl. Dann hat sich noch Herr Kollege Kreuzer zu Wort gemeldet. Herr Kollege Schindler, Sie hätten noch eine halbe Minute Redezeit. – Ich nehme Sie noch mit auf die Rednerliste.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Sie werden wissen, was jetzt kommt. Ich weise auf das Schärfste die Unterstellung zurück, wir würden aus ideologischen und politischen Gründen in Kauf nehmen, dass Menschenleben aufs Spiel gesetzt werden. So eine Äußerung ist armselig ohne Ende.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Diese Aussage passt in eine Reihe von Auseinandersetzungen, die immer dann geführt werden, wenn man merkt, dass die Argumente ausgehen. In dem Glauben, man könnte von der eigentlichen Debatte ablenken, wird dann zu Totschlagargumenten gegriffen. Das war ein Ablenkungsmanöver. Sie wollen einen Nebenkriegsschauplatz aufmachen. Heute geht es aber um ganz andere Fragen. Es wird Ihnen nicht gelingen, uns von der Debatte zu Ihren verfassungswidrigen und in Teilen verfassungsrechtlich bedenklichen Gesetzentwürfen abzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Beckstein, ich fordere Sie auf, auch wenn es etwas eng wird, gemeinsam mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in den Raum der Stille zu gehen. Dann hat dieser Raum endlich einmal seine Berechtigung, und dann hat er auch eine Funktion. Sie können den Raum einweihen. Ich fordere Sie auf, dort in sich zu gehen und sich einmal zu

überlegen, was Sie hier für ein Schauspiel geboten haben.