Protocol of the Session on December 14, 2005

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Redezeit wurden 30 Minuten je Fraktion vereinbart. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Kreidl.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Terroranschläge der letzten Jahre haben überaus deutlich gemacht, dass es nicht mehr ausreicht, lediglich Maßnahmen zum Zwecke der Strafverfolgung einzusetzen, sondern dass es notwendig ist, zur Gefahrenabwehr präventiv tätig zu werden. Spätestens seit Selbstmordattentate stattfi nden, ist es zwingend notwendig, nicht nur Straftäter, die bereits Terroranschläge verübt haben, zu bestrafen. Es ist vielmehr notwendig, alle Möglichkeiten des Rechtsstaates zu nutzen, um von vorne herein Terroranschläge und schwere Straftaten zu verhindern. Es ist notwendig, dass die polizeiliche Ermittlungsarbeit effi zienter gestaltet wird und dass für die polizeiliche Ermittlungsarbeit Instrumente zur Verfügung stehen, die helfen, Straftaten vorbeugend zu verhindern.

Der effektive Schutz der Bevölkerung vor Terroristen aber zum Beispiel auch vor Kinderpornographie, grenzüberschreitenden organisierten Banden und Menschenhändlern darf nicht davon abhängen, dass Straftaten bereits begangen wurden. Um die Lücken im Sicherheitsnetz zu schließen, brauchen die Sicherheitsbehörden die Befugnis, modernste technische Hilfsmittel einzusetzen, um vorbeugend dafür zu sorgen, dass Leib, Leben und Freiheit der Menschen in unserem Lande wirkungsvoll geschützt werden können.

Im Zentrum des Gesetzentwurfs zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes steht die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur vorbeugenden akustischen Wohnraumüberwachung – kurz WRÜ genannt – und zum Einsatz der Telekommunikationsüberwachung – kurz TKÜ genannt. Der Einsatz technischer Überwachungsmaßnahmen ist – darauf möchte ich besonders hinweisen – nur bei bestimmten besonders schwerwiegenden Anlasstaten nach diesem Gesetzentwurf zulässig. Enthalten sind in dem Straftatenkatalog Delikte, die einen besonderen Unrechtsgehalt aufweisen und zugleich eine erhöhte Gefährdung für die Allgemeinheit mit sich bringen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mehrfach mit der Zulässigkeit des Einsatzes verdeckter Maßnahmen durch die Sicherheitsbehörden befasst. So erging im Juli dieses Jahres eine höchstrichterliche Entscheidung zum niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz – kurz SOG genannt. Nachdem Teile dieses niedersächsischen Gesetzes eine ähnliche Gesetzesmaterie wie unser bayerisches Polizeiaufgabengesetzes zum Inhalt haben, habe ich mich ausdrücklich in meinem Ausschuss dafür ausgesprochen, das entsprechende Urteil abzuwarten, um darauf reagieren zu können.

Diese Vorgehensweise – so kann man im Nachhinein feststellen – hat sich aus folgenden Gründen als absolut richtig und notwendig erwiesen. Zum einen haben wir durch das Urteil des höchsten deutschen Gerichts die Bestätigung erhalten, dass der vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes hinsichtlich Normenklarheit, Verhältnismäßigkeit und auch der Reichweite im Kernbereich privater Lebensgestaltung weitestgehend und grundsätzlich den Anforderungen des Verfassungsgerichts entspricht. Zum anderen enthielt die Urteilsbegründung vom Juli dieses Jahres die eindeutigen Hinweise auf erforderliche Konkretisierungen und Nachbesserungen, die uns in die Lage versetzt haben, diesen Gesetzentwurf der Staatsregierung noch einmal genau zu prüfen und entsprechende Konkretisierungen vorzunehmen. Mit dem von meiner Fraktion eingereichten Änderungsantrag wurden alle diese Punkte aufgegriffen.

Um das geänderte Polizeiaufgabengesetzes möglichst gerichtsfest zu machen, wurde bei den Ergänzungen besondere Sorgfalt darauf verwendet, die Vorgaben des Gerichts möglichst genau und exakt, und zwar besonders für die Bereiche des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, für die Berufsgeheimnisträger und auch für einen konkreten Straftatenkatalog zu übernehmen. So ist die Anwendung technischer Überwachungsmaßnahmen bei der Bildung einer kriminellen Vereinigung auf den besonders schweren Fall beschränkt. Der Katalog der Anlasstaten, die hierfür maßgebend sind, ist abschließend. Dieser geschlossene und abschließende Straftatenka

talog betrifft schwere Straftaten mit einer Höchststrafe von über fünf Jahren.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich auch besonders darauf hinweisen, dass den Belangen des Datenschutzes mit dem Gesetzentwurf und dem Änderungsantrag insgesamt voll Rechnung getragen worden ist. So bestehen umfangreiche Erhebungs- und Verwertungsverbote, die Pfl icht zur Löschung der Daten in bestimmten Fällen und die Pfl icht zur Information der betroffenen Personen. Der Datenschutzbeauftragte hat von Anfang an eine klare Eingrenzung der Befugnisse, eine richterliche Kontrolle und den Schutz der besonderen Lebensverhältnisse gefordert. Nachdem diesen Forderungen umfassend Rechnung getragen wurde, hat der Datenschutzbeauftragte bei den abschließenden Ausschussberatungen erneut bestätigt, dass er das Gesetz für verfassungskonform hält.

Im Einzelnen sind TKÜ und WRÜ nur unter folgenden Bedingungen zulässig: Bei der Telekommunikationsüberwachung muss eine vorherige Zustimmung eines Richters vorliegen; das ist der so genannte Richtervorbehalt. Außerdem gilt ein Erhebungsverbot bei erkennbaren Eingriffen in den Kernbereich privater Lebensgestaltung. Auch das ist mit dem Änderungsantrag der CSU-Fraktion noch einmal konkretisiert worden. Für Gespräche, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, bestehen Verwertungsverbote und Löschungsgebote. Außerdem besteht eine Benachrichtigungspfl icht gegenüber dem Betroffenen nach Abschluss der Maßnahme. Schließlich haben die Anbieter von Telekommunikationsleistungen eine Mitwirkungspfl icht. Insbesondere haben sie die Verpfl ichtung, Telekommunikationsdaten an die Polizei zu übermitteln.

Einige Ausführungen zur Wohnraumüberwachung, zur WRÜ: Der Einsatz der akustischen Wohnraumüberwachung wird als Ultima ratio, als letzte Möglichkeit, angewandt, wenn alle anderen Maßnahmen vorher ausgeschöpft worden sind. Die Wohnraumüberwachung ist nur dann zulässig, wenn alle anderen polizeilichen Aufklärungsmaßnahmen ohne Aussicht auf Erfolg sind.

Der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Schutz des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung wird durch ein grundsätzliches, also relatives Erhebungsverbot bezüglich der Gespräche mit Familienangehörigen und nicht herausragend schützenswerten Berufsgeheimnisträgern gewahrt. Es wird außerdem ein absolutes Erhebungsverbot für Gespräche mit herausragend schützenswerten Berufsgeheimnisträgern, z. B. Ärzten oder Geistlichen mit in das Gesetz aufgenommen. Der Schutz erstreckt sich dabei auf Räumlichkeiten, die von Berufsgeheimnisträgern ausschließlich zu deren Berufsausübung genutzt werden. Wird für die Polizei erkennbar, dass im Schutzbereich der Wohnung Gespräche mit den genannten Vertrauenspersonen geführt werden, sind diese Maßnahmen zu unterbrechen und die daraus gewonnenen Daten dürfen nicht verwendet werden.

Ausnahmen bestehen nur in denjenigen Fällen, in denen die Verwendung der Daten zur Verhütung einer schwerwiegenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer

Person erforderlich ist. Daten, bei denen ein Verwendungsverbot besteht, sind zu löschen oder, soweit sie zur Abwendung der Gefahr benötigt werden, zu sperren. Die Anordnung der Maßnahme ist dem Einzelrichter – worauf ich schon hingewiesen habe – vorbehalten; nur in Eilfällen erfolgt die Anordnung durch einen Dienststellenleiter. Die aus einer akustischen Wohnraumüberwachung gewonnenen Daten sind als solche zu kennzeichnen und der Betroffene ist nach Beendigung der Maßnahme grundsätzlich zu unterrichten.

Zusammenfassend stelle ich fest: Der Gesetzentwurf der Staatsregierung in der Fassung des Änderungsantrages der CSU stellt einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den notwendigen Befugnissen einer effektiven Gefahrenabwehr einerseits und den Belangen des Datenschutzes sowie des Schutzes der Intimsphäre des Bürgers andererseits dar. Er gewährleistet weiterhin die Vorreiterrolle Bayerns in den Fragen der inneren Sicherheit und stattet die Sicherheitsbehörden mit den dringend notwendigen Mitteln aus. Ich bin der Meinung, dass alle wichtigen und notwendigen einschränkenden Maßnahmen mit aufgenommen worden sind. Wir haben nach einem langen und ausgiebigen Diskussionsprozess eine Lösung gefunden, die verantwortbar ist, die notwendig ist und die in der Praxis auch so umzusetzen ist, wie es die Sicherheitsbehörden für dringend notwendig erachten. Ich bitte Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Als nächstes hat Frau Kollegin Stahl das Wort.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Die Einführung neuer Aufgaben und Befugnisse bei der Polizei darf niemals ausschließlich nur unter Sicherheitsaspekten diskutiert werden, sondern muss immer auch – da sind wir uns sicher einig – die Konsequenzen bedenken, die das für unsere Demokratie und damit für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie für unsere Freiheitsrechte hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Überall dort, wo das Gewaltmonopol des Staates zum Tragen kommt, müssen Eingriffe in das Privatleben von Bürgerinnen und Bürgern gut begründet sein und dürfen sich – das ist an und für sich eine Selbstverständlichkeit; ich wiederhole sie dennoch – nur in den Schranken der Verfassung bewegen.

Der Staat ist kein Selbstzweck, er ist erst einmal Organisationsform und Schutzraum. Erst dann, wenn es tatsächlich eine Notwendigkeit gibt einzugreifen, weil etwa sehr wichtige Rechtsgüter wie das Leben oder die Gesundheit von Menschen verletzt werden könnten, ist er berechtigt, nach einem Abwägungsprozess tatsächlich einzugreifen. Es ist den Verfassungsrichterinnen und -richtern zu verdanken, dass sie die Schranken, die unsere Grundrechte vor solche Eingriffe gesetzt haben, in Erinnerung rufen und die Zugriffe der Sicherheitspolitikerinnen und -politiker auf ein Minimum reduzieren. Die Urteile zur Wohnraumüberwachung, zum Zollfahndungsdienstgesetz, zur

Überwachung der Bewegung von Menschen mittels GPS oder auch zur Telekommunikationsüberwachung im niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz zeigen das Spannungsverhältnis, in dem wir uns in dieser Debatte bewegen. Auf der einen Seite steht das ernst zu nehmende Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger und auf der anderen Seite steht der private Raum, den es herauszuhalten gilt und in den sich der Staat nicht einzumischen hat.

Ich habe großes Verständnis für die Position von Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern, die der Polizei keinerlei präventive Maßnahmen – das war von Anbeginn an bei unseren Gesetzen nicht vorgesehen – übertragen wollen, unter anderem auch deswegen, weil der Verfassungsschutz schon sehr weit reichende Rechte hat. Das wird in dieser Debatte immer ein bisschen vergessen. Andererseits – deshalb treten wir dem Gedanken der präventiven Maßnahmen etwas näher – sind im Vergleich zu den nur schwer kontrollierbaren Möglichkeiten des Verfassungsschutzes Maßnahmen, die strukturell bei der Polizei angeordnet sind, für uns sehr viel leichter parlamentarisch zu kontrollieren. Das darf man in der Debatte nicht vergessen.

Sämtliche Urteile von Verfassungsgerichten der vergangenen Monate haben jedoch – deswegen haben wir uns mit einem eigenen Gesetzentwurf dieser Frage gestellt – präventive Maßnahmen nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die Länder machen von der damit eröffneten Möglichkeit zunehmend Gebrauch, und zwar auch – deswegen beraten wir über den Gesetzentwurf der Staatsregierung – der Freistaat Bayern. Wir hatten uns deshalb entschieden, selbst ganz strenge Bedingungen zu formulieren, zu denen eine präventive Telekommunikationsüberwachung denkbar ist, und zwar nur für den Einzelfall und auch nur dann, wenn eine sehr schwere Bedrohungslage bevorsteht und Leib und Leben eines Menschen gefährdet sind.

Damit weiß aus unserer Sicht die Polizei, was sie darf und wo ihre Grenzen sind. Die Polizei kann dann auch entsprechend beschränkt bzw. in dem vorgesehenen Rahmen agieren. Sie muss sich – was wir für besonders wichtig halten – keine eigene Rechtsgrundlage für Eingriffe basteln. Diese Gefahr sehen wir, wenn beispielsweise im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung die Allgemeinbefugnis des Artikels 11 des Polizeiaufgabengesetzes zur Begründung herangezogen wird.

Die präventive Wohnraumüberwachung haben wir schon seit längerem. Es hat bisher noch niemand daran gedacht, einen Antrag mit dem Ziel zu stellen, diese nicht mehr anzuwenden und die gesetzlichen Möglichkeiten dazu zu streichen. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil zur Wohnraumüberwachung war es notwendig, ebenfalls Anpassungen vorzunehmen, was unseres Erachtens im Gesetzentwurf der Staatsregierung, auch unter Berücksichtigung der Änderungsanträge der CSU, nicht ausreichend erfolgt ist. Ebenso anzupassen war das Verfassungsschutzgesetz.

Der Satz, was lange währt, wird endlich gut, trifft mit Sicherheit nicht auf den vorliegenden Gesetzentwurf der

Staatsregierung zu, der hinsichtlich der Wohnraumüberwachung und der Telekommunikationsüberwachung eingereicht worden ist. Ich muss sogar sagen: Im Gegenteil, je mehr Köchinnen und Köche, desto unverdaulicher der Brei, der angerichtet worden ist. Im Innenausschuss konnte uns – es tut mir sehr Leid, Herr Kollege Peterke – kein wirklich ernst zu nehmendes Beispiel genannt werden, das aus Ihrer Sicht und zu Ihren Bedingungen die Einführung der präventiven Telekommunikationsüberwachung rechtfertigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben, obwohl wir sehen, dass die CSU versucht hat, Änderungen einzubringen, die das Ganze vielleicht entschärfen sollten, dennoch den Eindruck, dass diese Änderungen nicht ausreichen. Wir haben in vielen Punkten verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Gesetzentwurfs der Staatsregierung. Mit einer präventiven Telekommunikationsüberwachung und der präventiven Wohnraumüberwachung begeben wir uns in eine gefährliche Vorfeldermittlung.

Wir begeben uns also in einen Bereich, in dem tatsächlich noch keine Straftat stattgefunden hat; denn für die bereits stattgefundene Straftat gibt es genügend und ausreichende Regelungen auf Bundesebene. Weil wir uns im Bereich der Vorfeldermittlung befi nden, die ich für sehr, sehr kritisch halte, müssen wir besonders strenge Regelungen zum Schutz unserer Bürger und Bürgerinnen formulieren.

Im Folgenden möchte ich Ihnen die Punkte nennen, die aus unserer Sicht gegen die Entscheidungen des Verfassungsgerichts und die Urteile, die ich vorhin genannt habe, verstoßen.

Das Verfassungsgericht verlangt dann, wenn man eine TKÜ will, ein klares gesetzgeberisches Konzept. Das fehlt hier beim Polizeiaufgabengesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Ausweitung des Straftatenkataloges ist angesichts der Bedeutung der Telekommunikationsfreiheiten unverhältnismäßig, ist also ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, auch wenn versucht worden ist, das abzuschwächen – da wollten Sie als Koch mit herumbacken –, indem Sie die TKÜ nur bei Taten zulassen wollten, die Sie im Einzelfall als „schwer“ bezeichnen. Der im PAG neu verwendete Begriff der „konkreten Vorbereitungshandlung“ entspricht nicht dem, was das Verfassungsgericht als vorbildlich zitiert hat. Die Möglichkeit, die Kommunikation, zum Beispiel die Handytelefonate, zu unterbrechen – obwohl ich manchmal Lust hätte, das zu tun –,

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

ist hier ebenfalls unverhältnismäßig. Das bei der TKÜ – anders als bei der Wohnraumüberwachung – fehlende Erhebungsverbot unzulässiger Daten ist ebenfalls ein unverhältnismäßiger Eingriff. Die Möglichkeit, dass nach dem PAG erhobene Daten auch zur repressiven Strafverfolgung verwendet werden, ist unseres Erachtens ein

Eingriff in Bundeskompetenzen. Hier hat der Landesgesetzgeber nichts verloren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es fehlt der Schutz – bestimmte Berufsgruppen und Berufsgeheimnisträger und -trägerinnen sollen ausgenommen sein – der Schwangerschaftsberatung. Warum Sie die ausgelassen haben, weiß ich nicht. Ich halte das nicht für eine Marginalie angesichts des Spannungsfeldes, in dem sich so manche Abtreibungsberatungen bewegen. Sie haben außerdem für Journalisten und Journalistinnen und für Landtagsabgeordnete keine Schutzregeln vorgesehen.

Warum nenne ich gerade die Journalisten und Journalistinnen? – Das ist kein Hobby von mir, sondern hier geht es um Freiheitsrechte, um die Meinungsfreiheit und um die Möglichkeit von Journalisten und Journalistinnen, frei zu ermitteln, zu recherchieren und zu berichten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Angesichts der vielen Fälle von Wohnungsdurchsuchung und Bespitzelung von Journalisten, die wir in der vergangenen Jahren hatten – ich glaube, es waren 150 –, bin ich schon der Meinung, dass wir bei solchen Gesetzentwürfen besonders darauf achten müssen, wie sich der Staat gegenüber bestimmten Berufsgruppen verhält.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist zwar richtig, dass es den Richtervorbehalt gibt, aber leider wird er in manchen Fällen etwas abgeschwächt, wenn erst im Nachhinein eine richterliche Erlaubnis eingeholt werden muss. Die Richter werden also nicht von vornherein an dem ganzen Verfahren beteiligt. Das ist meines Erachtens besonders in den Fällen schwierig, in denen sich hinterher herausstellt, dass eine Erhebung von Daten überhaupt nicht hätte stattfi nden dürfen.

Ich habe bei diesem Gesetzentwurf – und ich kann allen nur dringend raten, ihn durchzulesen – den Eindruck, dass damit der Unübersichtlichkeit gehuldigt wird. Von Normenklarheit für diejenigen, die das Gesetz beachten müssen, und für diejenigen, die sich auf das Gesetz berufen wollen, kann jedenfalls keine Rede sein. Hier wurden Normen nicht deutlich formuliert.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir kritisieren, dass es auch nach Ihrem Gesetzentwurf immer noch möglich ist, eine automatisierte Überwachung durchzuführen, obwohl das in den Verfassungsgerichtsurteilen ganz klar kritisiert worden ist.

Meine Herren und Damen, die große Philosophin Hannah Arendt, deren Todestag sich am 4. Dezember zum dreißigsten Mal jährte, sagte einmal, als sie sich mit dem Sinn von Politik aufgrund ihrer Erfahrung mit dem nationalsozialistischen Terror auseinander gesetzt hatte: Der Sinn von Politik ist Freiheit. Meine Herren und Damen, wir alle

haben als Politiker und Politikerinnen die Pfl icht, darauf zu achten, dass die Demokratie nicht scheibchenweise stirbt. Dass sie das tut, muss ich feststellen, wenn ich mir eine Reihe von Entscheidungen der letzten Jahre ansehe.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Heute geht es nicht nur um eine kleine Gesetzesänderung, sondern es geht darum, dass Sie einen Stein aus der Mauer der Freiheits- und Bürgerrechte herausbrechen wollen. Ich fordere Sie auf: Seien Sie sich bei der Abstimmung der Verantwortung, die Sie damit übernehmen, bewusst!