Protocol of the Session on December 14, 2005

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir sind aber im bayerischen Parlament und reden über Bayern!)

Wir haben heute eine ganze Reihe von Vorschlägen, an Maßnahmen und Empfehlungen gehört, die aber auch alle fi nanziert werden müssten. Ich sage das ganz ausdrücklich zu diesem Thema. Auch Familienpolitik muss sich am fi nanziell Machbaren ausrichten, sonst sprechen wir in fünf oder zehn Jahren über ganz andere Maßnahmen.

(Renate Dodell (CSU): So ist es!)

Meine Damen und Herren, Ehe und Familie haben in der CSU einen ganz besonderen Stellenwert und sind im Grundsatzprogramm der Partei fest verankert.

(Bärbel Narnhammer (SPD): Auf dem Papier!)

Ich habe zwei Kinder, Frau Kollegin. Wir wissen, wie wichtig für Kinder und Jugendliche eine gesunde und geordnete Familiensituation ist. Daher muss es auch unser oberstes Ziel sein, die politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, um sowohl Familien mit Vater, Mutter, Kind oder Kindern, aber auch allein erziehende Elternteile bestmöglich zu unterstützen. Ich sage es noch einmal: Unser klassisches Familienbild sind Vater, Mutter und Kinder.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Da ist die Koalition in Berlin schon weiter!)

Unser familienpolitisches Ziel ist es, dass die Eltern frei wählen können, wie Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit miteinander kombiniert werden. Die Eltern müssen bei der partnerschaftlichen Arbeitsteilung – das heißt, dass sowohl Vater als auch Mutter entscheiden können, ob ihr Kind bzw. ihre Kinder eigen- oder fremdbetreut werden – bestmögliche Wahlfreiheit und Flexibilität erhalten.

Bayern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ist ein Familienland. Hierzu gehört eine verlässliche fi nanzielle Unterstützung für Familien. Gerade in den ersten drei Lebensjahren ihres Kindes ist die fi nanzielle Belastung für Eltern besonders hoch, sodass der Verlust von Erwerbstätigkeit kompensiert werden muss. Für die CSU steht daher die fi nanzielle Unterstützung von Familien an oberster Stelle. Bayern, meine Damen und Herren, gewährt als eines der wenigen Bundesländer – das sollten Sie auch mal wieder zur Kenntnis nehmen – im dritten Lebensjahr ein Landeserziehungsgeld. Es beträgt für das erste Kind 200 Euro,

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das ist nur ein Steinbruch!)

für das zweite Kind 250 Euro und ab dem dritten Kind 350 Euro. Herr Kollege Wahnschaffe, das gewährt als eines der wenigen Länder der Freistaat Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Im Jahr 2004, Frau Kollegin, betrugen die Ausgaben für das Landeserziehungsgeld über 150 Millionen Euro. Bayern unterstützt junge Familien insbesondere durch ein gutes und breites Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Hierfür wurden knapp eine halbe Milliarde Euro pro Jahr in unsere Zukunft, nämlich die der Kinder investiert.

Weitere Maßnahmen der Familienförderung in Bayern will ich nur stichpunktartig erwähnen: Es gibt die Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“, die Förderung von Familienferien, die Förderung der Ehe- und Familienberatung sowie der Schwangerschaftsberatung, die Förderung der Erziehungsberatung. In Bayern gibt es die umfangreichste Förderung für kinderreiche Familien. Die Unterstützungsleistungen für Familien haben in den letzten Jahren stetig zugenommen und betrugen 2004 bereits 714 Millionen Euro. Bayern tut also einiges, was das Finanzielle betrifft. Ein umfassendes Betreuungsangebot für Kinder, aber auch Maßnahmen und Aktivitäten für familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind der Grundstein für die bestmögliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Dass Bayern bereits auf dem besten Wege ist, belegt die höchste Quote aller Bundesländer bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen, die bei 63,2 % liegt. Gleichzeitig gibt es in Bayern die geringste Sozialhilfequote bei Frauen.

Wir müssen unsere Gesellschaft wieder kinderfähig und damit kinderfreundlich machen. Die politischen Rahmenbedingungen auch auf kommunaler Ebene beispielsweise mit den so genannten Familientischen können dazu einen guten Teil beitragen. Gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung und die damit verbundenen Problemstellungen müssen wir aber alle – und hier sind alle Bürgerinnen und Bürger, die Städte, Märkte und Gemeinden, Vereine und Medien mit einbezogen – daran arbeiten, dass wir wieder eine familienfreundlichere Gesellschaft werden.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wahnschaffe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kinder, Jugendliche und Familien – dieses Thema wird uns in den nächsten Jahren ein ständiger Begleiter sein, ob wir das wollen oder nicht. Frau Kollegin Dodell, es ist richtig, man kann dazu viel sagen, nur dürfen wir den Familien nicht sagen, wie sie leben sollen. Es geht vielmehr darum, dass dann, wenn wir es nicht vermögen, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen die Familien sich entwickeln und entfalten können, Bayern sein soziales Gesicht verlieren wird.

(Beifall bei der SPD)

Renate Schmidt hat das vor zwei Jahren in einem Artikel in der „Zeit“ treffend so ausgedrückt: „Für eine Gesellschaft und damit eine Volkswirtschaft wie die unsere bedeuten weniger Kinder weniger Wohlstand, weniger Dynamik, weniger Innovation und weniger Lebensqualität.“ Was können wir tun, um ein Umdenken zugunsten von Kindern, Jugendlichen und Familien zu erreichen? – Das Wichtigste scheint mir, wir sollten nicht nur reden, sondern wir sollten handeln, vor allem sollten den Ankündigungen der Staatsregierung Taten folgen.

(Beifall bei der SPD)

Ministerpräsident Dr. Stoiber hat vor etwas mehr als zwei Jahren hier in diesem Hause vollmundig erklärt, wir investieren in die Familie, Bayern soll Familienland Nummer eins werden. Wir stellen fest, dass diesen Ankündigungen bisher kaum Taten gefolgt sind, und wenn, dann meist in die falsche Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Ihr stellvertretender Parteivorsitzender, Herr Seehofer, den Sie manchmal verleugnen, hat Ihnen das bescheinigt, indem er gesagt hat, die CSU ist nicht mehr der Leuchtturm der Familienpolitik. Ich füge hinzu: Wenn sie es denn je war. Wir sieht nun Ihre Bilanz für Kinder, Jugendliche und Familien aus?

(Thomas Kreuzer (CSU): Sie haben doch regiert!)

Herr Kollege Kreuzer, als junger Ehemann sollten Sie genau zuhören. Bayern ist noch immer das Schlusslicht bei der Bereitstellung von Krippenplätzen; wir haben es heute wieder gehört. Notwendig wäre, Frau Stewens, ein ganzheitliches bayerisches Kinder- und Jugendprogramm, in dem verschiedene Bausteine zu einem Ganzen geformt werden.

(Beifall bei der SPD)

Während Ihnen sonst kein Thema zu billig ist, um daraus eine Regierungserklärung zu machen, haben Sie in den letzten zwei Jahren dieser Legislaturperiode dieses Thema nicht einmal zum Gegenstand einer Regierungserklärung, geschweige denn zum Thema einer Debatte gemacht, bei der man sich etwas intensiver hätte austauschen können.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir haben das BayKiBiG gehabt; da waren die Kräfte gebunden!)

Meine Damen und Herren, Sie sollten sich den Koalitionsvertrag zum Vorbild nehmen, mit dem viel Sinnvolles und Hilfreiches der rot-grünen Regierung fortgeführt wird. Ich nehme als Beispiel das Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG – und die Ganztagsschulförderung des Investitionsprogramms „Zukunft Bildung und Betreuung“ – IZBB. Ihre Politik in Bayern lässt jeden Ansatz für ein tragfähiges Familienkonzept vermissen. Sie ist in Teilen – ich muss es sagen – familienfeindlich.

(Beifall bei der SPD)

Statt Elterngeld, wie es die Bundesregierung plant, kürzen Sie planvoll das Landeserziehungsgeld um sage und schreibe 52 Millionen Euro. Statt mehr Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Bildung zu schaffen, deckeln Sie die Ausgaben im BayKiBiG und tragen dazu bei, dass die Eltern mehr Beiträge zahlen müssen.

Meine Damen und Herren, gleichzeitig kürzen Sie das Familien- und das Jugendprogramm, und statt mehr Prävention bei gefährdeten Kindern und Jugendlichen propagieren Sie ein kommunales Entlastungsgesetz nach Kassenlage. Statt gegen die auch in Bayern steigende Kinderarmut anzugehen, nehmen Sie nicht einmal zur Kenntnis, dass es in Bayern eine solche gibt, Sie weigern sich sogar, den Sozialbericht diesbezüglich fortzuschreiben.

(Beifall bei der SPD)

Wer so handelt, kann sich nicht als familienfreundliche Partei oder gar Regierung darstellen. Die Wähler haben Sie, meine Damen und Herren von der CSU, nicht mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattet, damit Sie auf diesem Gebiet nichts tun, sondern damit Sie handeln. Auf diese Taten warten der bayerische Wähler und wir. Wir bieten Ihnen an, einen konstruktiven Dialog zum Thema zu führen. Ich glaube, das, was in der Regierungsklärung bzw. im Koalitionsvertrag in Berlin vorgesehen ist, wäre eine gute Handlungsanweisung auch für Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Imhof. Dann folgt die Frau Staatsministerin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nicht in alte Rituale verfallen und in das alte Fahrwasser geraten – das haben Sie, Frau Werner-Muggendorfer, am Anfang angekündigt, und das hat Herr Dr. Förster fortgesetzt. Ich möchte bei Ihnen, Herr Wahnschaffe, anknüpfen; denn Sie fordern die Bereitschaft zum Dialog von der CSUFraktion hier im Bayerischen Landtag für eine in der Tiefe, Breite und Vielfalt gelungene Familien- und Sozialpolitik ein. Wir können von unserer Seite sagen, dort, wo Sie bereit sind, mit uns in einen konstruktiven Dialog einzutreten, sind wir bereit, mit Ihnen nach Lösungen zu suchen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Haben wir immer gemacht!)

Das haben Sie schon getan. Wir müssen aber immer wieder neu versuchen, ein Scharnier zu bilden. Sie wissen alle, wir befi nden uns in einem starken Wettbewerb mit allen anderen Gebieten der Politik. Aber das Ja von Ihrer Seite – ich glaube, das darf ich auch im Auftrag des Vorsitzenden unseres Arbeitskreises und des stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion sagen – nehmen wir an.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Packen wir es an!)

Ja, packen wir es an. Das müssen wir zu einem Brückenpfeiler machen.

Frau Ackermann, um auf Sie zurückzukommen, natürlich könnte ich Ihnen jetzt die vielen vorhandenen Daten und Fakten vortragen und das Gegenteil beweisen, nämlich dass das soziale Antlitz Bayerns nach wie vor existiert, und zwar in allen Bereichen, sei es bei der Jugendarbeitslosigkeit, der Armut, der Sozialhilfe, der Bildung oder der Selektion im Schulwesen. Sie sprechen immer von der Selektion. Auch hier hat Bayern nach wie vor im Vergleich mit anderen Bundesländern nachweislich die Nase vorn. Ich nenne keine weiteren Fakten, aber ich gebe Ihnen Recht, dass wir unsere Aufmerksamkeit weiter auf diese zentralen Themen richten müssen im Sinne der Prävention.

Lassen Sie mich dazu ein oder zwei Beispiele nennen. Ein Beispiel, das die Sozialministerin maßgeblich mit geprägt hat, ist das Programm „Fit for work“. Sehen Sie sich die Ausbildungssituation im Lande an. Natürlich müssen uns weitere Tausende von Jugendlichen, die sich noch an der Schwelle von der Schule zur Ausbildung befi nden und keinen Arbeitsplatz haben, nachdenklich und betroffen machen. Deswegen ist das Programm „Fit for work“ eine Klammer, die eine Verbindung mit Wirtschaft, Betrieben, Handwerk, Industrie und Gewerkschaften herstellt, um in vorbildlicher Weise Ausbildungsplätze zu akquirieren.

Das haben wir getan. Sehen Sie sich die Zahlen an. Ich bin optimistisch, zumindest teilweise optimistisch, dass wir am Ende dieses Jahres im Großen und Ganzen einen Ausgleich schaffen.

Wir schaffen allerdings keinen Ausgleich, was die Frage der Ausbildungsfähigkeit anbelangt. Sie kennen die Schlüsselkompetenzen, über die die Betriebe klagen. Selbstverständlich müssen wir dort ansetzen; wir müssen die Schlüsselkompetenzen, die sozialen Kompetenzen – im Kindergarten und in der Grundschule beginnend – stärken.

Eine zweite präventive Aufgabe steht uns allen ins Haus: die Jugendsozialarbeit. Hier leisten unsere Jugendverbände sehr viel, hier bin ich mit Ihnen, Frau Ackermann, und mit Ihnen, Herr Förster, d’accord. Allerdings weiß ich nicht, ob wir das Ganze durchsetzen werden. Ich meine aber, wir dürfen die Fachzweige nicht weiter einschränken.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen die Jugendarbeit, die Jugendsozialarbeit stärken, und zwar nicht nur fi nanziell, sondern vor allem auch die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche. Ich bin selbst im Landesjugendhilfeausschuss tätig. Dort höre ich die Klage der Jugendverbände im Hinblick auf die Vernetzung.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Die berechtigten Klagen!)