Jetzt schauen wir einmal auf die Seite der Hochschulen. Herr Spaenle, da kennen Sie sich besonders gut aus. Die Hochschulen können das Geld der Studierenden gut gebrauchen. Sie sind mittlerweile in einer fi nanziellen Situation, in der sie jeden Euro nehmen müssen, den sie kriegen können, um vernünftig arbeiten zu können. Sie haben den Hochschulen frisches Geld versprochen, das ihnen vollständig zur Verfügung stehen soll. Dieses Versprechen haben Sie jetzt schon gebrochen. Die Hochschulen müssen die entstehenden Verwaltungskosten tragen, sie haben einen hohen bürokratischen Aufwand, und die größte Frechheit ist, dass sie 10 % der Einnahmen in einen Sicherungsfonds einzahlen sollen, aus dem die Ausfälle für nicht zurückgezahlte Kredite ausgeglichen werden. Zieht man das alles in Betracht, so kann man sich leicht ausrechnen, dass bei den Hochschulen sehr viel weniger ankommt, als Sie ihnen versprochen haben.
Das Ausfallrisiko wälzen Sie also auf die Hochschulen ab. Nun hören Sie gut zu: Die Hochschulen haben jetzt mehr Möglichkeiten, ihre Studierenden auszuwählen. Sie sind gut beraten, wenn sie in Zukunft keine Studierenden mehr aus Familien mit mehr als drei Kindern aufnehmen, wenn sie keine Studierenden mehr mit Kindern unter zehn Jahren aufnehmen, keine kranken und keine behinderten Studenten; denn von all jenen bekommen sie wahrscheinlich keine Studiengebühren. Sie wären dumm, würden Sie sie weiter aufnehmen.
(Dr. Jakob Kreidl (CSU): Mit welchen? Das ist wieder frei erfunden! Sie haben mit keinen Hochschulrektoren gesprochen! Sagen Sie einmal die Namen! – Gegenruf der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD): Das geht doch Sie nichts an! – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))
Reden Sie doch auch einmal mit den Hochschulrektoren. Vielleicht sprechen sie mit Ihnen auch so offen. Versuchen Sie es einfach. Ich kann Ihnen die Telefonnummer geben.
Frau Kollegin Radermacher! – Jetzt atmen wir alle einmal tief durch und halten uns dann an die Geschäftsordnung. Danach sind Zwischenrufe erlaubt. Aber genauso steht darin: Es darf nicht zu Reden ausarten. Herr Spaenle, Sie können sich aber jederzeit zu Wort melden. Die CSU hat
Haben Sie sich eigentlich überlegt, was Sie damit anrichten? Unter dem Label der Sozialverträglichkeit wird es nämlich genau zum Gegenteil kommen. Den genannten Gruppen unter den Studierenden droht die Diskriminierung bei der Zulassung.
Sicher werden die Hochschulen das ihnen verbleibende Geld sinnvoll einsetzen können. Wenn Sie sich allerdings ansehen, was die Hochschulen mit dem, was ihnen übrig bleibt, alles fi nanzieren sollen, und wenn Sie darüber hinaus fordern, dass unterschiedlich hohe Gebühren den Wettbewerb unter den Hochschulen in Gang bringen sollen, dann tritt damit die ganze Verlogenheit Ihrer Studienbeiträge zutage.
Denn mit 500 Euro im Semester wird all das nicht zu fi nanzieren sein. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass bei einer Differenz von 200 Euro – wenn die eine Hochschule nur 300 und die andere 500 Euro nimmt – ein Wettbewerb entsteht. Das glauben Sie nicht, und das glaube auch ich nicht; das wissen alle. Aus den 500 Euro pro Semester werden sehr schnell Tausende Euro, und das ist die Erfahrung.
Da lachen Sie, aber das ist die Erfahrung aus anderen Ländern. Dort wurden nämlich Studiengebühren nicht etwa in Schritten des Infl ationsausgleichs, sondern nach wenigen Jahren der Einführung locker um 30, 35 und 100 % erhöht; ich kann Ihnen hierfür Beispiele nennen. Schauen Sie es sich an, das ist die Realität
(Zuruf von der CSU: Nennen Sie Beispiele! – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Die kriegen Sie schriftlich!)
Doch, natürlich ist es so. Es wird nicht bei den 500 Euro bleiben. Sie werden in kürzester Zeit Tausende Euro eingeführt haben. Die 500 Euro sind für Sie nur der Türöffner für einen Systemwechsel in der Hochschulfi nanzierung.
Die Hochschulen rechnen insgeheim mit sehr viel höheren Gebühren, manche sagen es sogar ganz offen. Die Grenze von 500 Euro ist für die Studierenden weiße Salbe. Seien Sie wenigstens so ehrlich und sagen Sie offen, wohin die Reise gehen soll. Sie wollen an unseren Hochschulen amerikanische Verhältnisse nicht nur, wie Sie immer vorgeben, was die Qualität von Lehre und Forschung angeht, sondern vor allem was die Finanzierung betrifft. Das wollen Sie einführen.
Sie tun dies nicht aus einer Not heraus, sondern Sie sind Überzeugungstäter. Dieses Land ist nicht so arm, dass es sich die Bildung seines Nachwuchses nicht mehr leisten könnte. Sie wollen diesen Systemwechsel. Sie machen das ganz bewusst.
Sie haben die prekäre Lage der Hochschulen mit Ihrer Politik verschuldet. Seit Jahren fi ndet hier in Bayern ein schleichender Rückzug aus der Finanzierung statt. Ich spreche hier nur über die bayerische Haushaltspolitik; der Bund ist die andere Seite der Medaille, auch diese können wir bei passender Gelegenheit beleuchten.
(Zuruf von der CSU: Dann müssen Sie nur warten, bis die Leute vergessen haben, dass Sie das zu verantworten haben!)
Die fi nanzielle Situation im Bildungsbereich ist keine Naturkatastrophe, sondern sie ist hausgemacht, und zwar von Ihnen. Sie haben die Prioritäten jahrelang falsch gesetzt und an Bildung gespart.
Anstatt endlich umzusteuern, verlagern Sie jetzt die Lasten auf die Studierenden und ihre Familien. Sie privatisieren die Kosten der Bildung an dieser Stelle und auf vielen anderen Gebieten; das haben wir heute schon gehört.
Es wird immer deutlicher, Sie haben längst in Frage gestellt, dass es Aufgabe des Staates ist, den Zugang zur Bildung für jedes Mitglied der Gesellschaft zu ermöglichen. Sie steuern dieses Land in eine Zukunft, in der jeder seines Glückes Schmied sein muss, unabhängig von seiner fi nanziellen Leistungsfähigkeit und Herkunft. Sie stellen den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft zugunsten einer neoliberalen Politik und einer Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die die Starken belohnt und die Schwachen schwach bleiben lässt, in Frage. Genau das tun Sie, und Sie tun es bewusst.
Seien Sie doch an diesem Punkt – dazu bietet jetzt der Wechsel in Berlin eine gute Gelegenheit – im positiven Sinne einmal konservativ und laufen Sie nicht einem dümmlichen, pseudo-modernen Mainstream hinterher, der Ihnen erzählt, man müsse alle Bereiche des Lebens in Euro und Cent umrechnen und bezahlen.