Dazu gehört, dass unabhängig von der Komponente einer eventuellen Befreiung von der Beitragspfl icht den Studierenden ein Darlehensmodell zur Verfügung stehen wird, und zwar unabhängig von Vermögen und Einkommen.
Lieber, geschätzter Herr Kollege Wägemann, wären Sie bereit, entweder hier vorzulesen oder mir in einem Privatissimum zu zeigen, wo all das im Gesetzentwurf steht, was Sie hier aufgezeigt haben? – Wortwörtlich. Ich bin gern bereit, zu lesen. Ich habe gelesen, aber ich habe nur Leerstellen gefunden.
Lieber Herr Kollege Vogel, ich bin sicher, dass das, was ich nicht in meinem Beitrag abdecke, die beiden Kollegen im Anschluss bringen werden.
Wir werden Ihnen das darstellen. Ich kann das nur nicht innerhalb von fünf Minuten erschöpfend behandeln.
Zurück zum Thema. Ich meine, wir sollten uns dieses Darlehensmodell durchaus einmal ansehen. Im Rahmen dieses Darlehensmodells sollen Studierende unabhängig von den Eltern, ohne Sicherheiten, ohne Bonitätsprüfung und unabhängig vom Studienfach die Möglichkeit haben, die Studienbeiträge durch ein Darlehen zu fi nanzieren, das sie erst nach dem Studium zurückzahlen müssen. Eine solche Darlehensfi nanzierung ist unserer Meinung nach gerechtfertigt, weil sich gezeigt hat, dass Akademiker und Akademikerinnen im Schnitt ein höheres Einkommen erzielen und ein geringeres Risiko haben, arbeitslos zu werden.
Das Darlehensmodell ist bereits relativ weit gediehen, es ist allerdings noch nicht komplett ausgestaltet, das wissen auch Sie. Die Eckpunkte mit einem Zinssatz von 5 % bis 6 %, wie mit der KfW besprochen, liegen vor. Auch die Sparkassen haben ihre Bereitschaft zur Mitwirkung erklärt. Darlehensberechtigt werden die Studierenden sein, und zwar Deutsche und mit ihnen rechtlich Gleichgestellte, aber auch ausländische Studierende, die in Deutschland ihre Hochschulzugangsberechtigung erworben haben.
Ich meine, wir können durchaus darauf hinweisen, dass sozialverträglich ausgestaltete Studienbeiträge, wie wir sie jetzt haben wollen, keineswegs abschreckend wirken, wie Erfahrungen im internationalen Vergleich zeigen. Herr
Ich will nur zwei Beispiele herausgreifen. Als in Österreich die Studienbeiträge in Höhe von rund 360 Euro eingeführt wurden, ging zwar im ersten Jahr die Zahl der Erstsemester zurück, was aber bereits im nächsten Jahr kompensiert wurde.
Diese Zahlen müssen Sie zur Kenntnis nehmen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Inzwischen ist die Zahl der Studienanfänger höher, als sie vor Einführung des allgemeinen Studienbeitrags war. Um 18,2 % haben sich die Zahlen erhöht. Wenn Sie die Quelle wissen wollen: Österreichisches Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Da können Sie das nachlesen. In Australien ist die Entwicklung ähnlich abgelaufen. Auch hier können die Studiengebühren über Darlehen fi nanziert werden, und es hat letztlich keine soziale Benachteiligung gegeben.
Die Eckpunkte des Darlehensprogramms – Herr Kollege Nadler wird auf die Befreiungstatbestände eingehen – wurden inzwischen vorgelegt und sind Ihnen bekannt. Ich denke, mit der Rückzahlung nach Abschluss des Studiums nach einer Karenzzeit mit der Möglichkeit einer weiteren Stundung, wenn das Einkommen nicht ausreicht, mit der Möglichkeit, unter bestimmten Umständen das Darlehen ganz oder teilweise zu erlassen, und mit einer Verschuldensobergrenze erfüllen wir die Voraussetzung, dass Studienbeiträge sozial abgefedert werden müssen. Den Studierenden ist sicher deutlich mehr geholfen, wenn sie mit einem über Darlehen fi nanzierten Studienbeitrag ihren Hochschulen zusätzlichen fi nanziellen Spielraum zur Verbesserung der Studienbedingungen geben können. Insofern meine ich, dass wir den zweiten Teil Ihres Antrags, der darauf gerichtet ist, künftigen Studierenden den Zugang zum Hochschulstudium unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern zu eröffnen, auch mit unseren Vorstellungen Realität werden lassen und damit die Forderung nach Chancengerechtigkeit erfüllen.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wissen Sie eigentlich, wer an unseren Hochschulen studiert? Jetzt? Wissen Sie das?
Ja, da gehöre ich auch dazu, Herr Nadler. Auch meine Kinder werden es einmal einfacher haben als viele andere.
Vier Fünftel stammen aus der Herkunftsgruppe „hoch“. Von 100 Kindern aus der sozialen Herkunftsgruppe „hoch“ studieren 81 Kinder. Vier Fünftel Ihrer Kinder, die Sie alle hier sitzen, werden studieren können. Das ist toll. Von Kindern aus der sozialen Gruppe „niedrig“ sind es nur 11 Kinder – heute bereits. Das hat sicher nicht alles die Hochschulpolitik zu verantworten.
Aber von dieser höheren Bildungsbeteiligung haben wiederum die Bessergestellten mehr profi tiert als jene aus unteren Gesellschaftsgruppen.
Ist Ihnen das eigentlich egal? Finden Sie das in Ordnung? Wollen Sie an der Situation, die wir heute schon haben, eigentlich etwas ändern? Was tun Sie denn, um das zu ändern? Dazu fällt mir leider nichts ein. Mir fällt wirklich nichts ein, was Sie getan hätten oder tun wollen, das an dieser Situation etwas ändert.
Heute diskutieren wir über Studiengebühren. Meinen Sie nicht auch, dass es Ihre Aufgabe wäre, aus Verantwortung für unsere ganze Gesellschaft und für die Menschen in Bayern an diesem Punkt für mehr Gerechtigkeit zu sorgen?
Meinen Sie nicht auch, dass wir es uns gar nicht leisten können, die Ressourcen der Kinder aus ärmeren oder sozial schwächer gestellten Familien weiter in dieser Weise zu verschwenden? Wenn auch nur ein kluger Kopf verschwendet wird, ist es einer zu viel.
Was tun Sie, damit sich das ändert? Werden Ihre Studiengebühren an dieser Situation etwas ändern, etwas verbessern? Glauben Sie, dass die Einführung von Studiengebühren ein geeignetes Mittel ist, um mehr begabten jungen Menschen aus sozial schwächeren Familien ein Studium zu ermöglichen? Glauben Sie das?
Sie werden die soziale Ungerechtigkeit weiter verschärfen. Sie verschlechtern die Situation derer, die es ohnehin schon schwer genug haben.
Sie tun immer so, als sei ein Studium bei uns kostenlos. Wissen Sie eigentlich, was es heute kostet zu studieren? Wenn Ihre Kinder studieren, dann wissen Sie wahrschein
lich, was es kostet, ein Kind studieren zu lassen, wie viel Geld in der Regel die Eltern jeden Monat aufbringen müssen, damit ihre Kinder studieren können? 700 Euro im Durchschnitt. Wenn sie in München studieren, können sie noch etwas draufl egen. Da ist noch kein Auto dabei, nur einmal unter uns gesagt. Damit leisten die Familien bereits eine gewaltige Investition in die Zukunft ihrer Kinder und für unser Land.
Die Familien tun das, und eine große Zahl der Studierenden arbeitet neben dem Studium, um es zu fi nanzieren. Dafür reichen nicht ein paar Nachhilfestunden. Das haben wir alle schon gelernt.
Diejenigen, die BAföG erhalten, gehen bereits jetzt mit Schulden ins Berufsleben. Ganz klar: Eine nicht geringe Zahl der Studierenden wird die Studiengebühren mit einem Achselzucken quittieren und bezahlen können. Wenn 80 % aus besser gestellten Haushalten kommen, wird das viele nur ein müdes Lächeln kosten. Aber machen Sie Ihre Politik denn für diese Studierenden und nur für diese und nur für deren Familien? Ist das Ihr Auftrag? Sind Sie deshalb in die Politik gegangen, um jenen, die es sowieso schon leichter haben, das Leben und gesellschaftliche Fortkommen weiter zu erleichtern? Sind Sie deshalb in der CSU, in der so genannten ChristlichSozialen Union? Ihre Sozialverträglichkeit ist doch eine Lüge. Denn Sie nehmen nicht ein bisschen Last der Studiengebühren von den sozial Schwächeren. Sie verlagern sie doch nur in die Zukunft.
Mit Zins und Zinseszins – mit geringem Zins; das mag durchaus sein; aber mit Zins und Zinseszins – verlagern Sie diese Last in die Zukunft dieser Leute, und Sie nutzen dabei auch noch die Risikobereitschaft junger Menschen geradezu schamlos aus. Sie verlängern die soziale Ungerechtigkeit in die berufl iche Zukunft der Betroffenen hinein.
Sie bieten Kredite an. Ich spreche hier aber über junge Menschen, in deren Lebenserfahrung Kredite als Instrumente mittel- oder langfristiger Finanzplanung bisher allenfalls in Form einer Ratenzahlung für den Fernseher eine Rolle gespielt haben oder in deren Erfahrung Schulden allzu oft in eine Schuldenfalle, in die Überschuldung, führten.
Kennen Sie, die Sie hier sitzen, sich eigentlich aus in einer Welt, in der man von Monat zu Monat lebt, Miete zahlt, ohne in Aussicht gestellte Erbschaft, ohne Immobilie, in der man froh ist, wenn das Konto am Monatsende nicht überzogen ist, nachdem die Winterschuhe für die Familie bezahlt sind? Kennen Sie sich aus in einer solchen Lebenswirklichkeit?
Das mögen Sie nicht gerne hören, aber das ist die Realität. Und genau das müssen Sie sich anhören, wenn wir über Studiengebühren sprechen.
Schauen Sie sich doch einmal die Statistik zur fi nanziellen Situation von Familien und zur Überschuldung von jungen Menschen an. Und Sie kommen daher und bieten genau jenen Kredite an. Sie schicken gerade die jungen Menschen mit Schulden ins Leben, denen Sie gleichzeitig sagen – das tun Sie in Berlin gerade ganz deutlich –, dass sie in Zukunft selber für ihre Altersversorgung sorgen müssen, dass sie im Gesundheitswesen immer mehr zuzahlen müssen und dass auch andere soziale Leistungen in Zukunft nicht mehr so üppig sein werden. Das alles sagen Sie zur gleichen Zeit denselben jungen Menschen. Diese Generation, die jetzt davon betroffen ist, wird von zwei Seiten in die Zange genommen, und die belasten Sie auch noch mit Studiengebühren, und das verbrämen Sie auch noch unter dem Label „Generationengerechtigkeit“. Genau das Gegenteil ist es.