Protocol of the Session on July 20, 2005

Schönen guten Morgen, verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie alle nach dem gestrigen vom Wetter her zwar nicht so schönen, aber dennoch schönen Abend sehr herzlich begrüßen. Diejenigen, die noch nicht hier sind, darf ich herzlich einladen, sich auf den Weg zu machen.

Ich eröffne die 48. Vollsitzung des Bayerischen Landtages. Presse, Funk und Fernsehen sowie die Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist auch wie immer erteilt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schulfi nanzierungsgesetzes und des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/3148) – Zweite Lesung –

Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass die CSU-Fraktion mitgeteilt hat, dass die Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf, wie in § 127 Absatz 2 der Geschäftsordnung vorgesehen, in namentlicher Form erfolgen soll.

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurden 30 Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich bitte den Herrn Kollegen Eisenreich, ans Rednerpult zu kommen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Einen schönen guten Morgen! Das bisherige System der Finanzierung lernmittelfreier Schulbücher hat dazu geführt, dass der Schulbuchbestand wegen überlanger Buchlaufzeiten zum Teil überaltert ist. Dies erschwert einen aktuellen, zeitgemäßen Unterricht und hat daher auch immer wieder zu Recht zu Beschwerden geführt. Unser Ziel ist daher, den Bücherbestand zu erneuern, weil auch im digitalen Zeitalter Schulbücher ein wichtiger, ein unverzichtbarer Bestandteil des schulischen Unterrichts, der Vermittlung von Lerninhalten sind. Nicht umsonst wird gerade bei internationalen Vergleichstests, Stichwort Pisa, immer wieder auf die Lesekompetenz so viel Wert gelegt.

Das bisherige Finanzierungssystem schafft aber den Spielraum für Abhilfe nicht. Deshalb wird mit diesem Gesetz eine maßvolle Elternbeteiligung eingeführt. Vorgesehen ist ein Elternbeitrag für Schulbücher in Höhe von 20 Euro bzw. 40 Euro. Entsprechend der technischen Entwicklung bei den Lernmitteln kann das Büchergeld auch zur Anschaffung schulbuchersetzender digitaler Medien eingesetzt werden, soweit diese für den Schüler bestimmt sind. Ob die Höhe des Büchergeldes angemessen ist, wird aufgrund einer Revisionsklausel dann in drei Jahren überprüft.

In Zeiten knapper Kasse ist eine derartige Beteiligung der Eltern bei den Schulbüchern notwendig, ich gebe zu: leider. Aber Bayern geht hier keinen Sonderweg, denn in einer Reihe anderer Bundesländer ist die Elternbeteiligung

bereits heute gängige Praxis, zum Beispiel in Berlin mit einem Büchergeld von 100 Euro. Ich bitte insbesondere die Opposition, diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen. Die anderen Bundesländer sind deshalb nicht unsozial und wir sind es auch nicht. Denn so wie in Bayern das Büchergeld ausgestaltet ist, handelt es sich um einen zumutbaren, einen maßvollen Beitrag. Wenn man es auf den Monat umrechnet, sind es 1,67 Euro bzw. 3,33 Euro. Staat und Kommunen ziehen sich auch aus der Bücherfi nanzierung nicht zurück, sondern leisten weiterhin Zuschüsse.

Jedes Kind hat das Recht auf Chancengleichheit, egal in welchen fi nanziellen Verhältnissen sich seine Familie befi ndet. Es ist mir daher wichtig klarzustellen: Bayern wahrt dieses Recht. In Bayern hängt Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern ab. Dies gewährleistet eine starke soziale Komponente.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Zu Ihnen komme ich noch, Frau Tolle, und zwar wegen einer Aussage im Bildungsausschuss, keine Sorge.

Für Familien mit geringem Einkommen und Familien ab dem dritten Kind sind Lernmittel kostenlos. In diesen Fällen bleibt es wieder bei der Vollfi nanzierung von Lernmitteln durch die öffentliche Hand.

Die Aussage der Opposition, die von sozialer Ungerechtigkeit spricht, ebenso wie der Vorwurf, es handle sich um einen Anschlag auf ein soziales Grundrecht, sind deshalb nicht nur unverständlich, sondern auch unbegründet. Übertroffen, Frau Tolle, wird dies nur durch den Vorwurf, dass eine Mutter mit drei Kindern künftig auswählen müsse, welches ihrer Kinder sie auf das Gymnasium schicke.

(Simone Tolle (GRÜNE): Das haben Sie aber aus dem Zusammenhang gerissen!)

Ich habe es aus dem Protokoll zitiert, nicht aus dem Zusammenhang gerissen. Sie können es nachlesen.

Unabhängig davon, dass das inhaltlich falsch ist, ist es auch Polemik billigster Sorte, Frau Kollegin.

(Beifall bei der CSU)

Unabhängig von der Feinheit, dass auch beim Besuch von Schulen anderer Schularten Büchergeld anfällt, ist diese Aussage auch falsch, weil für das dritte Kind gerade kein Büchergeld anfällt, und zwar unabhängig von der fi nanziellen Leistungsfähigkeit der Mutter. Und sollte die Mutter nur über ein geringes Einkommen verfügen, dann fällt auch für die ersten beiden Kinder kein Büchergeld an. Darum habe ich im Ausschuss schon nicht verstanden, wie man sich zu einer solchen Aussage hinreißen lassen kann.

Für die Eltern neu ist ein Vorteil: Mit der Einführung des Büchergeldes erhalten die Eltern über das Schulforum bzw. den Elternbeirat nunmehr verstärkt die Möglichkeit

im schulischen Alltag mitzuwirken: bei der Auswahl der Bücher, der Höhe der Kosten für übrige Lehrmittel, zum Beispiel der Kopierkosten oder Ausgaben für schulische Veranstaltungen. Wer zahlt, schafft an, stimmt hier zwar nicht ganz, aber wer mitzahlt, redet mit und das ist eine gute Neuerung. Durch die Erneuerung der Schulbücher ist im Übrigen auch eine Verringerung der teils astronomischen Kopierkosten zu erwarten.

Deutlich machen möchte ich, dass das Büchergeld zu 100 % an Bayerns Schulen ankommt. Es ist nach der gesetzlichen Zweckbestimmung ausschließlich für die Versorgung mit Schulbüchern bestimmt. In der Staatskasse landet nichts. Wer etwas anderes behauptet, hat sich mit diesem Thema nicht befasst.

Das Büchergeld wird vom Sachaufwandsträger erhoben, die Schulen wirken dabei lediglich mit. Dies ist auch zu schaffen, da die Schulen zum Beispiel nur beim Einsammeln von Geld bzw. Aushändigen von Merkblättern helfen sollen, nicht aber mit dem Mahnverfahren belastet werden.

Auch die Klage der Kommunen, sie müssten durch verursachten Verwaltungsaufwand draufzahlen, ist nach Darstellung des Kultusministeriums unbegründet. Vor allem aber – und das ist bei diesem Punkt das Entscheidende – hat das Kultusministerium zugesichert, dies nach einem Jahr zu überprüfen. Sollten sich hier also die Kosten des Verwaltungsaufwandes anders darstellen, wird dies angepasst. Es besteht also kein Grund zur Aufregung.

(Beifall bei der CSU – Simone Tolle (GRÜNE): Ich bin gespannt!)

Ich möchte nochmals betonen, dass der Grundsatz der Lernmittelfreiheit durch diesen Gesetzentwurf erhalten bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Es geht allein darum, die Lernbedingungen unserer Schüler durch eine Erneuerung des Schulbuchbestandes zu verbessern. Dazu ist die Elternbeteiligung notwendig, sie ist aber maßvoll ausgestaltet und sozial abgefedert.

Nun noch einige Worte zu den Damen und Herren der Opposition: Dass Sie die Elternbeteiligung kritisieren, ist normal und verstehe ich. Sie täuschen sich aber, wenn Sie glauben, daraus politischen Honig saugen zu können; denn auch wenn sich der Applaus für unseren Schritt in Grenzen hält, hat die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger davor Respekt, dass die CSU die Kraft hat, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen,

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

weil die große Mehrheit begriffen hat, dass die Zeit von Versprechungen auf Kosten der Zukunft vorbei ist. Meine Damen und Herren von der Opposition, mit dieser Erkenntnis ist die große Mehrheit viel weiter als Sie.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es liegt uns heute ein Gesetzentwurf mit der Begründung vor, die Schulbücher seien überaltert, man müsse sie erneuern. Sie leiden anscheinend schon ein bisschen an Gedächtnisverlust. Die Wahrheit, warum Sie Büchergeld einführen, liegt darin, dass Sie nicht den Mut hatten, die Lernmittelfreiheit abzuschaffen. Das war der eigentliche Grund.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt halten Sie die Leute für dumm, indem Sie sagen, wenn wir jetzt die Lernmittelfreiheit schon nicht abschaffen, sind die Bücher überaltert, und deswegen brauchen wir eine Bücherkopfpauschale. Das ist der wahre Grund, über den wir heute diskutieren, lieber Herr Eisenreich.

Im Gesetzentwurf selber bieten Sie in der formalen Abwicklung des Gesetzentwurfes als Lösung an, dass sich jetzt die Eltern beteiligen. Sie schreiben „Alternativen: Keine“. Das ist schon formal falsch; denn wenn Bücher überaltert sind, vergessen Sie völlig, dass es nicht allein die einzige Alternative gibt, jetzt für die Eltern Büchergeld einzuführen, sondern das es eine zweite, für die Eltern bessere Alternative gibt, nämlich die Bücher weiterhin aus dem Staatshaushalt zu bezahlen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Die Abwicklung dieses Gesetzentwurfes ist also schon formal falsch. Halten Sie uneingeschränkt an der Lernmittelfreiheit fest und zahlen Sie die Ersatzbeschaffung der angeblich veralteten Bücher aus der Staatskasse. Das ist die bessere Alternative zu diesem Gesetzentwurf.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau!)

Herr Eisenreich, lassen Sie den Griff in den Geldbeutel der Eltern bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich nenne Ihnen einen weiteren Punkt: Es geht Ihnen nicht um die Ersatzbeschaffung der Bücher, die so veraltet sein sollen, sondern es geht Ihnen schlichtweg um Sparmaßnahmen. Dieses Gesetz ist ein Spargesetz im Bildungshaushalt, nichts anderes. Der Beweis dafür liegt in Ihrem eigenen Gesetzentwurf, denn dort steht in der Überschrift „Kosten für den Staat“. Dann liest man und liest man und wartet man darauf, dass die Kosten für den Staat auftauchen. Zum Schluss dieses Kapitels „Kosten für den Staat“ steht dann einfach „Einsparungen für den Staatshaushalt: 15,1 Millionen Euro“. Das sind schöne Kosten, die Sie hier verkaufen wollen, die hätte auch ich einmal gerne. Sie legen hier ein Einspargesetz vor, nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt: Sie sagen, wir sollten ein Büchergeld in Höhe von 20 und 40 Euro beschließen. Können Sie mir erklären, wie Sie auf 20 und auf 40 Euro kommen?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist willkürlich!)

Das ist völlig offen. Das ist ein völlig willkürlicher Betrag. Sie sagen zwar, es gebe eine Revisionsklausel, wo man dies überprüfen sollte. Nehmen Sie die aktuellen Daten der Ersatzbeschaffungskosten der Schulen, die Ihnen vorliegen. Ich lese sie Ihnen, falls Sie sie vergessen haben, trotzdem vor: Die Ersatzbeschaffungen bei den Gymnasien liegen bei 26,50 Euro, bei den Realschulen bei 21,60 Euro, bei den Hauptschulen bei 13,90 Euro und bei den Grundschulen bei 14,70 Euro, sie sind also weit geringer, als Sie heute den Eltern an Büchergeld abverlangen. Auch das muss man einmal zur Kenntnis nehmen. Dieser willkürliche Griff in den Geldbeutel der Eltern ist durch nichts begründet, und das legen Sie uns heute vor.

(Beifall bei der SPD)

Herr Eisenreich, Sie sagen, es sei ein zumutbarer und maßvoller Beitrag.

(Zuruf von der CSU: Da hat er Recht!)