Ich will Ihnen sagen, wie sich dieser zumutbare und maßvolle Beitrag in die jährlichen Belastungen der Eltern, die wir schon haben, einreiht. Ich weiß nicht, ob Sie Kinder haben; keine Ahnung, wahrscheinlich nicht. Sie sollten einmal bei Familien mit Kindern nachfragen. Dort wird man Ihnen sagen, dass bereits heute viele Kosten in Bezug auf die Schule zulasten der Geldbeutel der Eltern gehen, etwa für Unterrichtsmaterialien, Hefte, Stifte, Material für den Kunstunterricht, Wörterbücher, Atlanten usw. Dafür müssen die Eltern heute schon zahlen. Das zum Thema „Maßvoller Beitrag“. Außerdem müssen die Eltern das Sparmodell „G8“, etwa das Mittagessen, die Mittagsbetreuung und alles, was damit zusammen hängt, bezahlen. Die Eltern müssen darüber hinaus heute schon die Ausfl üge der Klassen, die Schullandheime, die Busfahrten und Schulwegkosten bezahlen; das zum Thema „Maßvoller Beitrag“. Aber damit ist noch nicht Schluss; denn die Kinder gehen – Gott sei Dank und hoffentlich – in einen Sportverein oder zum Musikunterricht. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, was es kostet, wenn zwei Buben in einen Sportverein gehen; sie brauchen Fußballschuhe, Trikots und viele andere Dinge, auch das müssen die Eltern heute schon bezahlen.
Herr Prof. Dr. Waschler, auch der Musikunterricht – Gitarre, Notenbücher, Notenhefte – kostet Geld. Auch das müssen die Eltern heute schon bezahlen. Das zum Thema „Maßvoller Beitrag“.
Bedingt durch Ihre „wunderbare Schulpolitik“, kommt das Thema „Nachhilfestunden„ hinzu. Denn jeder fünfte Schüler in diesem Land bewältigt den Unterrichtsstoff nur noch mit Nachhilfestunden. Auch das müssen die Eltern
schon bezahlen. Herr Freller, zwei Milliarden Euro geben die Eltern für Nachhilfeunterricht aus. Das ist in Bayern nicht anders als in Deutschland. Diese Kosten müssen die Eltern heute schon übernehmen. Und da sagen Sie, das Büchergeld sei ein maßvoller und gerechtfertigter Beitrag. Nein, dieses Büchergeld ist ein Griff in den Geldbeutel der Eltern in Bezug auf die Schule. Dieses Büchergeld ist noch viel mehr, nämlich ein weiteres Stück auf dem immer schwieriger werdenden Weg, Kinder zu haben. Das Problem wird immer dramatischer, in diesem Lande werden Kinder immer mehr ein Armutsrisiko. Dies ist ein weiteres Gesetz, das dazu beiträgt.
Auch das muss man zum Thema „Maßvoller Beitrag“ sagen, Herr Kollege Eisenreich. Das Gesetz ist nicht nur unsozial, sondern auch ein unverschämter Griff in die Geldbeutel von Familien. Es belastet darüber hinaus die Kommunen, auch wenn Sie dies abstreiten wollen.
Sie sparen im Staatshaushalt 15 Millionen Euro. So steht es in Ihrem eigenen Gesetzentwurf. Der Städtetag berechnet die Kosten der Umsetzung des Büchergeldes durch die Kommunen mit 2 Millionen Euro jährlich. Das können Sie abstreiten, wie Sie wollen. Der Städtetag hat Ihnen jedenfalls gesagt: Die Umsetzung dieses Gesetzes kostet die Kommunen 2 Millionen Euro.
Es geht hier also nicht nur um die Belastung der Familien, sondern auch um die der Kommunen. Sie greifen nicht nur in den Geldbeutel der Eltern, sondern völlig ungeniert auch in die kommunalen Haushalte ein. Auch das ist eine Konsequenz dieses Gesetzes.
Ein weiterer Punkt kommt hinzu, den man nicht verschweigen sollte. In einer CSU-Pressemitteilung habe ich vor einiger Zeit gelesen, die Entbürokratisierung sei eine wichtige Aufgabe der CSU, sozusagen eine Daueraufgabe. Mit dem Büchergeld werden Sie diesem Anspruch keineswegs gerecht. Denn was Sie damit machen, ist ein Dauerschmarrn und keine Daueraufgabe.
Herr Eisenreich, es geht weiter mit der Prüfung von Befreiungsanträgen, mit Mahnverfahren, Vollstreckungsverfahren und Widerspruchsverfahren. Der Städtetag hat vorgerechnet, dass es 300 000 Anträge auf Befreiung von Büchergeld geben werde. Diese Anträge erledigen Sie nicht im Kultusministerium, Herr Freller, auch nicht in der CSU-Fraktion hier im Landtag. Diese Aufgabe erledigen die Kommunen. Das zum Thema Bürokratieabbau.
Das Büchergeld ist ein enormes Beschäftigungsprogramm für die Verwaltungen. Das ist die Wahrheit. Das kommt zu den Kosten, die die Eltern tragen sollen, hinzu.
Wenn Sie Ihre Absicht heute durchsetzen, dann kann ich Ihnen schon sagen: Das Mindeste, was verlangt werden muss, ist, dass die Kosten, die den Kommunen entstehen, voll erstattet werden. Wenn man im Staatshaushalt 15 Millionen Euro einspart, muss man denjenigen, die die
Zum Dritten. Sie belasten die Schulen, auch dann, wenn Sie dies schönreden wollen. Es ist nicht so einfach, wenn die Lehrer Geld einsammeln müssen, wenn sie den Kindern oder den Eltern sagen müssen, das Schulgeld müsse beigebracht werden. Stellen Sie sich vor, was es bedeutet, wenn Kinder sagen müssen: Es tut mir Leid, meine Eltern können das Schulgeld oder das Büchergeld nicht bezahlen. Damit beschämen Sie die Kinder in der Schule.
Sie verlangen, dass die Lehrer das Büchergeld einsammeln. Wie stellt sich das in der Schulklasse dar? Der Lehrer sagt zu dem Schüler: Lieber Max, du musst dein Büchergeld noch beibringen. Max sagt dann: Es tut mir Leid, Herr Lehrer, ich kann es nicht zahlen; meine Eltern haben kein Geld. Das ist die Lage, die in den Klassen herrschen wird. Das haben Sie wirklich gut hingekriegt, sehr verehrte Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion.
Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung vom 6. November 2003 eine Priorität für Bildung und Wissenschaft eingeräumt. Das kann man nachlesen. Heute wissen wir, was dieser CSU-Jargon bedeutet. Er bedeutet: Unterfi nanzierung des Bildungshaushalts, Einführung von Studiengebühren, G 8-Sparmodell, Einführung von Büchergeld, Schulwegkostenfreiheit auf dem Prüfstand. Das bedeutet es für die CSU, wenn sie von Priorität für Bildung und Wissenschaft spricht. Wir haben dazu eine völlig andere Auffassung.
Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen. Peter Fahrenholz von der „Süddeutschen Zeitung“ hat am 4. November kommentiert, das Büchergeld sei eine dreiste Abzocke zugunsten der Staatskasse. Herr Fahrenholz hat zwar nicht immer Recht, aber da hat er Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen kann ich Ihnen nur empfehlen: Schmeißen Sie dieses Gesetz in den Papierkorb! Dahin gehört es. Dann brauchen wir hier nicht darüber abzustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Eisenreich, ich beginne einmal mit Ihnen. Sie haben mir vorgehalten, ich hätte gesagt, eine Mutter mit drei Kindern könne es sich nicht mehr leisten, ihre Kinder auf das Gymnasium zu schicken. Das war natürlich aus dem Zusammenhang gerissen. Tatsächlich habe ich
gesagt, dass sich eine bestimmte Mutter dies im Gesamtkontext nicht mehr leisten kann. Sie fragt sich, wie es mit ihren Kindern weitergeht. Da lasse ich mir keine üble Polemik unterstellen. Ich denke, Sie sollten die Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen.
ja, Herr Kollege Waschler –, weil die CSU mit diesem Gesetz die Lernmittelfreiheit beerdigt. Die Lernmittelfreiheit ist aber ein hohes Gut.
Viele von Ihnen sind gestern auf Schloss Schleißheim gewesen und haben locker 30 Euro abgedrückt. Viele von Ihnen werden sagen – Herr Kollege Eisenreich hat es getan –, 20 oder 40 Euro seien nicht viel. Aber ein Vater von sechs Kindern – damit zitiere ich jetzt die Bürgerinnen und Bürger – hat mir gesagt: Das tut weh. Darüber können Sie doch nicht so locker und einfach hinweggehen.
Beim Büchergeld handelt es sich um eine weitere Belastung. Es ist im Kontext mit vielen anderen Ausgaben zu sehen, die für die Eltern eine weitere Belastung darstellen. Mit dem Büchergeld werden Familien mit Kosten belastet, die die Allgemeinheit tragen müsste, weil die Allgemeinheit von der Erziehungsarbeit der Familien profi tiert.
Die Erhebung von 20 oder 40 Euro ist auch ein Signal an die Familien. Hinter Ihren Plänen steckt nämlich unausgesprochen die Botschaft: Eine familienfreundliche Tendenz des Freistaates Bayern ist nicht zu verzeichnen.
Die Elternverbände haben sich alle gegen das Büchergeld ausgesprochen. Sie haben gesagt, sie hätten sich übertölpelt gefühlt. Der Landeselternverband hat die Mehrbelastung für die Familien sogar ausgerechnet. Danach beträgt sie insgesamt 51,479 Millionen Euro.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Lernmittelfreiheit sorgt für Chancengleichheit der Familien mit geringem Einkommen. Es handelt sich um diejenigen Familien, von denen ich vorhin sprach. Die Lernmittelfreiheit führt zu einer fi nanziellen Entlastung aller Familien.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie treffen mit dem Büchergeld einmal mehr diejenigen, die mit ihren Kindern eigentlich den Grundstein für die Zukunft der Gesellschaft legen sollen. Wir haben – da bin ich nicht mit Ihnen einig, Herr Kollege Eisenreich – in diesen Räumen schon sehr häufi g über den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Bayern geredet. Herr Kollege Eisenreich, auch der Kultusminister hat in diesem Raum gestern eingeräumt, dass solch ein Zusammenhang besteht. Also können Sie ihn nicht einfach ableugnen.
Die Maßnahme der Abschaffung der Lernmittelfreiheit trägt nicht dazu bei, dass die Korrelation zwischen den Parametern Bildungserfolg und soziale Gerechtigkeit beseitigt würde. Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit spart auch wirklich nicht viel Geld ein. Ich hinterfrage auch Ihr Einsparargument, wenn Sie es sich weiterhin erlauben, darüber nachzudenken, ob Sie dem bayerischen Staatsbesitz ein weiteres Schloss hinzufügen.
Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ist ein Signal in zwei Richtungen. Sie sagt etwas darüber aus, was Ihnen Bildung wert ist und was für einen Stellenwert die Kinder bei Ihnen einnehmen.
Der Ursprung der Lernmittelfreiheit lag in dem Bestreben, Bildung für alle, also für arme und reiche Kinder gleichermaßen sicherzustellen. Herr Kollege Eisenreich, ich habe selbst ein Kind und weiß, was das kostet. Vielleicht unterscheiden wir uns hier, weil Ihnen da noch etwas an Lebenserfahrung fehlt.
Ich kann Ihnen anhand einer Statistik vorrechnen, was man so alles ausgeben muss. Der fi nanzielle Aufwand beträgt für eine Familie mit einem Kind bis zum 18. Lebensjahr bereits jetzt 342 000 Euro.
Der Bayerische Elternverband hat vorgerechnet, dass ein Gymnasiast in der siebten Klasse bereits jetzt 950 Euro mit in die Schule bringen muss, und die Eltern von Hauptschülern müssen 530 Euro aufbringen. Kinder kosten aber noch mehr. Es fällt Nachhilfe an. Das sind im Durchschnitt in Deutschland – für Bayern gibt es leider keine Zahlen – 68 Euro. Wenn Sie Rückstellungen – das muss man heutzutage machen – für das Studium ihrer Kinder bilden müssten, wäre das bei nur zwei Kindern mindestens eine Rücklage in Höhe von 200 Euro pro Monat von Geburt an. Zudem – das hat Kollege Pfaffmann schon erwähnt – geben die Eltern schon jetzt ziemlich viel Geld dafür aus, dass ihre Kinder in die Schule gehen.
Ich will aber noch ein anderes wichtiges Argument bringen, warum die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ein schwieriges Ding ist. Es geht um die so genannten sozialen Härtefälle. Wenn sie Kindern einmal im Jahr bescheinigen, dass sie arm sind, beschämen Sie sie. Ich glaube, Armut macht nicht selbstbewusst. Wenn Kinder zum Klassenleiter gehen und sagen müssen: Meine Eltern sind Hartz IV- oder Sozialhilfeempfänger, dann ist das dem Lernklima nicht unbedingt förderlich, weil sich die Kinder dafür schämen.
Dieser Demütigung sollten wir die Kinder nicht aussetzen. Außerdem meine ich auch, Kollege Eisenreich, dass man sehr genau auf den Datenschutz achten muss, und da werden wir den Vollzug aufmerksam beobachten.
Neben der Missachtung der sozialen Frage in diesem Bundesland, gilt es aber auch, inhaltliche Mängel am Gesetzentwurf zu kritisieren. Fangen wir einmal damit an, dass die 20 oder 40 Euro, die Sie einsammeln lassen, jeglicher Grundlage entbehren. Sie haben diese Zahlen vollkommen aus der Luft gegriffen. Der Staatssekretär musste mir das in einer Mündlichen Anfrage bestätigen. Sie verlangen also den Eltern Geld ab und können noch nicht einmal sagen, aus welchen rechnerischen Grundlagen sich dieses Büchergeld ableitet.