Protocol of the Session on June 9, 2005

Insgesamt ist das, was wir hier beabsichtigen, in keiner Weise ein Angriff auf den Geldbeutel der Arbeitnehmer. Eine ganze Reihe von Regelungen im Steuerrecht, welche die Arbeitnehmer berühren, bleiben unangetastet. Arbeitnehmerpauschbetrag, Verpfl egungsmehraufwendungen usw. bleiben erhalten.

Wir meinen, dass dieses Vorhaben angesichts unserer katastrophalen Situation mit dem Ausgleich durch die Senkung des Steuersatzes auch sozial akzeptabel ist und dass es ein Baustein zur Vereinfachung des Steuerrechts ist, ein Vorhaben, dessen Prinzip eigentlich von niemandem bestritten wird, nämlich Ausnahmen abzubauen und Steuersätze zu senken. Wir haben in Bezug auf die Schichtzulagen eine angemessene Übergangsfrist vorgesehen und sanieren uns hier nicht auf Kosten der Arbeitnehmer.

Herr Kollege Wörner, es ist ein gutes Stück Seriosität unserer Politik – und darin unterscheiden wir uns stark von Ihnen –, dass wir den Leuten sagen, was wir beabsichtigen, während Sie hier den Leuten immer noch Luftschlösser bauen wollen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Stoiber bei der Landtagswahl!)

Als Nächster hat Herr Kollege Mütze das Wort.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Der Haushaltsausschuss ist aufseiten der CSU etwas schwach vertreten, aber immerhin ist der zuständige Minister da. Da muss man schon zufrieden sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich sage es gleich zu Beginn: Dieser Antrag ist unserer Meinung nach ein Fehler. Warum? – In den vergangenen Wochen und Monaten beklagten wir alle gemeinsam in Sonntagsreden die Politikverdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger. Die Bürgerinnen und Bürger wenden sich von der Politik ab, sie verstehen nicht mehr, was in den Parlamenten geschieht, sie sind angewidert von den Diskussionen zwischen den politischen Parteien und fordern die Wahrheit ein.

Es heißt, die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger sei bereit, Einschnitte in ihren eigenen Ansprüchen hinzunehmen, wenn sie das Ziel vorgestellt bekommen, wenn sie gesagt bekommen, wofür sie Kürzungen und Ein

schnitte zu verkraften haben, und – was dazu kommen muss – wenn es bei all dem auch gerecht zugeht.

Jetzt kommen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, heute mit Ihrem Antrag. Es ist ein ganz normaler Dringlichkeitsantrag. Die CSU hat einen Steuervorschlag auf den Tisch gelegt – endlich, muss man schon fast sagen –, und die prompte, fast schon refl exartige Reaktion der SPD ist: Das geht nicht; das kann nicht sein, das ist unsozial.

Warum haben Sie sich gerade dieser beiden Kürzungsvorschläge angenommen? Es hätten doch auch andere sein können. Weil gerade medial diese Sau durchs Dorf getrieben wird? Es hätte ja auch die Eigenheimzulage sein können, über die wir in den letzten Monaten schon öfter diskutiert haben.

(Beifall bei den GRÜNEN – Margarete Bause (GRÜNE): Oder die Mehrwertsteuer!)

Von unserer Seite her kann ich nur sagen: Hurra, der Wahlkampf hat begonnen. Das Schlimme ist, dass zumindest, was die Entfernungspauschale angeht, Sie selbst in der Person des Bundesfi nanzministers kürzen wollten, und zwar stärker, als es von Rot-Grün dann endgültig beschlossen wurde. Das gilt jetzt noch.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Hört, hört!)

Koch und Steinbrück hatten schon im November 2003 die Kürzung der Entfernungspauschale vorgeschlagen; das war damals kein Problem für die SPD. Sie haben die Vorschläge sogar ausdrücklich begrüßt. Was soll das also jetzt?

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Bravo!)

Zu Ihnen komme ich noch, Herr Bernhard.

(Allgemeine Heiterkeit – Zuruf des Abgeordneten Dr. Otmar Bernhard (CSU))

Natürlich, hier wird jeder bedient. Keine Angst! Im Endeffekt wissen Sie doch ganz genau - und das wissen auch alle Finanzpolitiker hier in diesem Hohen Hause - dass wir um eine Kürzung der Subventionen und der Steuerbefreiung nicht herumkommen werden, egal welche Regierung nach dem 18. September an der Macht sein wird, falls es diesen Wahltermin überhaupt geben wird.

Und nun zu Ihnen, Herr Dr. Bernhard. Wenn Sie Seriosität in der Diskussion einfordern, dann muss ich Sie schon fragen: Warum wusste ich vorher schon, was Sie sagen werden? So geht das Spiel; es ist wie beim Tennis; es geht hin und her. Nur diesmal haben meine beiden Vorredner ins Aus geschlagen.

Es ist gut zu wissen, dass Herr Finanzminister schon im Jahre 2000 in seinem Steuerreformkonzept „Die bessere Alternative“ die Absenkung der Entfernungspauschale gefordert hat. So neu ist das also gar nicht, was Herr Stoiber jetzt gefordert hat. Man hat sich in den vergan

genen Jahren nur nicht getraut, das so laut zu sagen. Den Haushaltsentwurf von Minister Eichel aus dem Jahre 2004 mit der darin enthaltenen Kürzung der Entfernungspauschale zur Gegenfi nanzierung des Haushalts haben Sie dann im Bundesrat scheitern lassen.

Eine Streichung der Steuerfreiheit für die Zuschläge fordert die CDU in ihren Petersberger Beschlüssen schon länger.

Ich komme nun zurück zu Bayern. Dazu zitiere ich die Drucksache 13/10543 der Staatsregierung, Seite 21. Dort heißt es:

Die Vorstellung von niedrigen Steuersätzen und gleichzeitiger Beibehaltung aller bisherigen Ausnahmen und Vergünstigungen ist nicht fi nanzierbar und damit unrealistisch.

Das ist richtig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es wäre aber schön, wenn Sie das öfters gesagt hätten und wenn Sie vor allem dann, wenn wir es in unseren Anträgen gesagt haben, zugestimmt hätten.

(Beifall der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Das hätten Sie ruhig früher machen können.

Es stünde Ihnen also gut an – das zum Thema Seriosität, Herr Kollege Bernhard –, mehr Ehrlichkeit walten zu lassen. Sie wollten das ja auch mal, haben aber dagegen gestimmt, weil es die politische Landschaft eben von Ihnen verlangt hat.

Ich möchte nun die beiden Vorschläge der SPD aus unserer Sicht bewerten und unsere Position darstellen. Ich sage ganz deutlich: Wir sind für die Abschaffung von Steuerausnahmen und ökologisch schädlicher Subventionen, aber nur in Kombination mit einer Steuerreform, die diesen Namen auch verdient. Da fehlt – es steht uns gut an, das zuzugeben – allen politischen Parteien im Moment der große Wurf, der nicht auf einen Bierdeckel passen kann.

Es kann aber nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, dass der Krankenschwester die Steuervergünstigung für ihren Schichtdienst gestrichen wird – ich nenne dies einmal als Beispiel –, damit der Oberarzt weniger Spitzensteuer zahlen muss, wie es Ihr „Konzept 21“ vermuten lässt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Übrigen will ja niemand die Zuschläge abschaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sondern es geht darum, die Steuerfreiheit eines Einkommens zu beenden. Das ist nur logisch. Alle Einkommen unterliegen der Steuerpfl icht. Warum also diese nicht?

Bei der Entfernungspauschale ist das Urteil schon eindeutiger. Die Entfernungspauschale muss – vor allem, wenn man ernst vom Subventionsabbau reden will – aus ver

kehrspolitischer und sozialer Sicht überprüft werden. Warum? – Sie stellt eine Belohnung für Vielfahrer dar und ist eine Zersiedlungsprämie.

(Beifall der Abgeordneten Margarete Bause (GRÜNE))

Zudem gibt es eine Nachhaltigkeitsstrategie der rotgrünen Bundesregierung. Dieser läuft diese Pauschale zuwider. Fazit: Subventionsabbau und Abbau von Steuervergünstigungen werden nötig sein – das habe ich schon erwähnt –, egal wer regieren wird. Gleichzeitige Steuersenkungen können so gegenfi nanziert werden. Aber das muss sozial gerecht geschehen. Das heißt, kleine und mittlere Einkommen müssen über den Steuertarif entlastet werden, nicht die Großverdiener, Herr Finanzminister!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, zu Ihrem Antrag kann mein Kommentar nur lauten: Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben. Wir halten Ihren Antrag in der derzeitigen Form für überfl üssig und werden uns deswegen der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Prof. Faltlhauser.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Steuerpolitisch haben wir gegenwärtig eine zentrale Aufgabe: die Vereinfachung. Wir haben in der Vergangenheit in diesem Lande mehrere Phasen der Steuerstrategie gehabt.

In einer ersten Phase ging es um den Tarifverlauf. Sie können sich an diesen Einkommensteuertarifbauch erinnern, der in den Achtzigerjahren dann schrittweise zurückgenommen wurde.

Die zweite Phase war ein Kampf um Steuersätze mit einer Reihe von Konzeptionen. Die Union hat hier heftig mitgekämpft.

Jetzt stehen wir in der dritten Phase, in der die Vereinfachung gefordert ist. Alle Experten sagen es, und auch meine Finanzverwaltung sagt es. Ich erinnere an die Burghausener Erklärung der Finanzamtschefs. Wir haben dies zum Anlass genommen, eine Steuerreform „Konzept 21“ vorzulegen, die im Wesentlichen auf die Vereinfachung abstellt. In diesem Konzept, das auch als Bundestagsdrucksache 15/2745 vorliegt, heißt es einleitend ausdrücklich: Das historisch gewachsene deutsche Einkommensteuergesetz muss grundlegend erneuert werden, erstens weil die Zahl der Gesetze und Verordnungen, Richtlinien, Ministerialschreiben und Formulare kaum mehr zu übersehen ist, zweitens weil die Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfi nanzhofes sowie des Bundesverfassungsgerichts dem Steuerpfl ichtigen das Steuerrecht kaum noch erschließt und weil drittens die Wissenschaft von fortschreitender Chaotisierung des

deutschen Steuersystems spricht und so weiter. Wir stellen in diesem für Sie sicherlich lesenswertem Papier fest, dass der Abbau von Subventionen und Vergünstigungen das Einkommensteuerrecht einfacher und gerechter macht. Das ist der Ausgangspunkt dieser Vorlage.

Anhand des Erstaunens bei SPD und GRÜNEN – ich nehme Herrn Mütze ausdrücklich aus – stelle ich fest, dass Sie offenbar in der letzten Zeit nicht sehr aufmerksam waren. Auf der Basis des Interviews mit dem Herrn Ministerpräsidenten in der „Zeit“ haben Sie aufgeregt geschrieen. Dabei hat er nur gesagt, was CDU und CSU in diesem Konzept einvernehmlich beschlossen haben – und zwar am 7. März 2004. Das Unionskonzept stellt auf eine Vereinfachung ab. Es liegt seit mehr als einem Jahr auf dem Tisch, aber jetzt gibt es plötzlich erstaunte Ausrufe. Ich frage nur: Wo bleibt eigentlich die Opposition in diesem Haus? Wo bleibt eigentlich die Regierung in Berlin, wenn Sie jetzt erst mitkriegen, was die stärkste Oppositionspartei im Bundestag, die CDU/CSU-Fraktion, politisch eigentlich will? Wir haben doch alles auf den Tisch gelegt.

(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

Sie haben sich hier doch schon als Schreier ausgezeichnet, Herr Kollege Wörner. Lassen Sie mich halt auch einmal reden.

Die Bundesregierung ihrerseits hat kein Konzept zur Vereinfachung vorgelegt.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))